Titel: Zur Theorie und Praxis der Bierbrauerei; von G. G. Habich.
Autor: G. E. Habich
Fundstelle: Band 149, Jahrgang 1858, Nr. XLI., S. 146
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XLI. Zur Theorie und Praxis der Bierbrauerei; von G. G. Habich. Habich, zur Theorie und Praxis der Bierbrauerei. In meinem letzten Artikel über dieses ThemaPolytechn. Journal Bd. CXLVIII S. 379. habe ich der Nachtheile gedacht, welche der Zusatz von Zucker (Rohr- oder Traubenzucker) zu den Würzen vor der Gährung hat. Einige Zweifel, welche den überhaupt sehr oberflächlichen Experimenten der praktischen Bierbrauer entsprossen waren, veranlaßten mich zu einigen neuen Versuchen. Die Resultate derselben vervollständigen das vorhandene Material wesentlich. Ich knüpfe dabei an frühere Mittheilungen an. Eine ungehopfte, glanzhell abgeläuterte Bierwürze trübt sich beim Erkalten bekanntlich sehr, – der Pflanzenleim wird zum Theil ausgeschieden. Setzt man einer solchen noch heißen Würze nach und nach kleine Portionen Zucker zu, so gelangt man zu einem Punkte, bei welchem keine Trübung beim Erkalten mehr stattfindet. Der Zucker hat die Ausscheidung verhindert, was nur dadurch erklärbar wird, daß eine auch in kaltem Wasser lösliche Verbindung von Zucker und Pfanzenleim existirt. Wird eine so versüßte Würze in Gährung gebracht, so scheidet sich die gewohnte Menge von untadelhafter Hefe aus. Das scheint doch dafür zu sprechen, daß der Pflanzenleim keinen müßigen Zuschauer abgibt bei der Bildung der Hefe? Um zum endgültigen Urtheil darüber zu gelangen, müßte eine Reihe sehr sorgfältiger Untersuchungen in den Laboratorien angestellt werden, zu denen ich wohl anregen möchte. Meine Untersuchungen in größerem Maaßstabe reichen dazu nicht aus, – es bedarf der schärfsten quantitativen Bestimmungen, wobei alle mitspielenden Stoffe berücksichtigt und auf die Waage gebracht werden. Wird aber eine größere Menge Zucker zugesetzt, so tritt jene Erscheinung ein, die man „Consumtion“ (Schwindsucht) der Hefe genannt hat, – die Zellen werden höchst schmächtig, weil sie ihres Inhalts zum Theil verlustig werden. Für den Praktiker entspringt nun daraus die wichtige Regel, daß – wenn es überhaupt vortheilhaft erscheint, Zucker anstatt Malz anzuwenden (was bei guten Kartoffelernten stets der Fall ist) – nicht ins Blaue hinein gewirthschaftet werden darf, sondern daß man folgendermaßen zu operiren hat.Es thut mir ordentlich wohl, daß ich den Bierbrauern Deutschlands mit diesen Erfahrungen ein Geschenk machen kann. Als ich den Versuch machte, mein Brausystem (das Product jahrelanger Studien) auf dem Wege der Subscription in Deutschland zu verbreiten, fanden sich nicht zehn Brauer, welche das Honorar von 100 Ducaten demnächst einmal daran wenden wollten. So mögen sie sehen, ob sie von den „theoretischen“ Proben, die ich ihnen gern spendire, fett werden. Brauerein nach meinem System werden in Deutschland etablirt, aber – –  sie werden vor Diebstahl gesichert dastehen. Das zur Notiz für manche Collegen. Die mit Hopfen versetzte und klar gekochte Würze (wobei eine Portion Pflanzenleim ausgeschieden wird) bekommt nach und nach so viel Zuckerzusatz, daß eine heiß abfiltrirte Probe noch eine schwache Trübung beim Erkalten zeigt, – also immer noch etwas Pflanzenleim zur Verfügung bleibt. Mehr Zucker darf nicht verwendet werden. Aller Hopfen durch welchen die Biertrinker das Leben verbittert haben wollen, muß vor dem Zuckerzusatz in die Würze gebracht werden, - weil er nachher einen Theil des mit Pflanzenleim verbundenen Zuckers frei und dadurch für die Gährung schädlich macht. Bei solchem Vorschreiten wird man finden, daß das Kühlgeläger bloß aus geronnenem Eiweißstoff und gerbsaurem Pflanzenleim besteht, keinen freien aufgequollenen Pflanzenleim mehr enthält und auf ein Minimum reducirt wird. Nimmt man anstatt des Zuckers Melassen, so wird man finden, daß ein noch größeres Quantum zugesetzt werden kann, ehe der Punkt erreicht wird, wobei der gesammte Pflanzenleim in Auflösung bleibt. Der Grund beruht einfach darin, daß diese Melassen bereits ein ziemliches Quantum Pflanzenleim enthalten. Die Anwendung der Rohrzuckersyrupe zur Bierfabrication ist in den nordamerikanischen Bierbrauereien sehr verbreitet. Das gewöhnliche Getränk der Nordamerikaner ist ihr Ale, welches in zwar ausgedehnten, aber meistens sehr unsaubern Etablissements aus Gerstenmalz und viel Syrup durch Obergährung erzeugt wird. Allerdings sind diese Producte nicht sehr haltbar. Aber es wäre ein sehr voreiliger Schluß, wenn man die Melasse dafür verantwortlich machen wollte, – während ohne Zweifel der Mangel an Sorgfalt bei der Darstellung allein die Schuld trägt. Auf dem Wege der Untergährung habe ich solches Ale dargestellt, welches vom besten Geschmack ist und eine ausgezeichnete Haltbarkeit verspricht. Die dabei ausgeschiedene Hefe ist sehr consistent und weiß. Man beobachtet unter dem Mikroskop, daß die einzelnen Zellen leicht Gruppen bilden, woraus eben ihre außerordentliche Reinheit resultirt. Die Sache scheint sich zur Hefenfabrication zu eignen. In jedem Falle sind die frühern Annahmen, daß bei der Gährung der Melassen Hefe consumirt werde, unrichtig. Dem widerspricht auch die Temperaturerhöhung bei der Gährung von Melassen. Ich muß bei der Gelegenheit noch eines andern Versuchs erwähnen, der von Interesse ist. Eine Auflösung von Rohrzucker (mittlerer Qualität) wurde durch eine ausreichende Quantität Unterhefe in Gährung gebracht, die sehr langsam verlief. Das Product war von einem schäumenden Cider (Obstwein) kaum zu unterscheiden; es gehört in die Abtheilung Wein, weil es eine organische Säure (Milchsäure) enthält und frei von Pflanzenleim ist, während das „Bier“ frei von organischen Säuren ist, aber eine Portion Pflanzenleim enthalten muß. Das ist wohl die richtigste Charakteristik beider Getränke. – Die Haltbarkeit dieses Zuckerbiers anlangend, so scheint diese ganz ausgezeichnet zu seyn. Die Befürchtungen der Direction der landwirthschaftlichen Centralschule zu Weyhenstephan (vergl. dieses Journal Bd. CXLIII S. 66), daß mit Fruchtzucker fabricirte Biere keine Haltbarkeit bewähren würden, scheinen also unbegründet zu seyn. Daß die Behandlung der Sommerbiere mit solchem Zuckerzusatz auf dem Lager etwas anders seyn muß, als die der gewöhnlichen Malzbiere, versteht sich von selbst.