Titel: Ueber ein neues akustisches Experiment; von C. A. Grüel, Mechaniker in Berlin.
Fundstelle: Band 149, Jahrgang 1858, Nr. CXXI., S. 433
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CXXI. Ueber ein neues akustisches Experiment; von C. A. Grüel, Mechaniker in Berlin. Aus Böttger's polytechnischem Notizblatt, 1858, Nr. 17. Mit einer Abbildung. Grüel, über ein neues akustisches Experiment. Die Interferenz der Schallwellen einer angeschlagenen Stimmgabel kann man bekanntlich leicht unmittelbar vor dem Ohr oder über einer wohl abgestimmten Schallröhre zur Wahrnehmung bringen, wenn man die schwingende Gabel langsam um ihre Längenachse dreht. Es tritt bei jeder ganzen Umdrehung 4mal eine vollständige Unterdrückung des Tons ein, und diese ist die Folge der gleichzeitigen Einwirkung zweier Schallwellen, einer verdichtenden und einer verdünnenden, welche von den, stets in entgegengesetzten Schwingungsrichtungen befindlichen Schenkeln der Gabel ausgehen und sich in demjenigen Moment neutralisieren, wo beide mit gleicher Intensität auf die Luftsäule im Schallrohr wirken können. Dasselbe Experiment hat man unter Anwendung zweier Gabeln, welche, wenn sie nahe im Einklänge stehen, die Veranlassung zu den sogenannten Stößen, einem abwechselnden Anschwellen und Nachlassen des Tons, geben und hierdurch ein höchst sicheres Mittel zur präcisen Abstimmung von Tönen darbieten. Sind beide Gabeln wirklich unisono, dann verschwinden die Stöße vollkommen. Bei der häufigen Veranlassung, welche ich habe, dergleichen Stimmgabeln für die zum Unterricht bestimmten physikalischen Sammlungen in Gymnasien und Schulen anzufertigen, stellte ich mir unlängst die Frage, ob die Genauigkeit zweier unisono gestimmten Gabeln nicht den Fall herbeiführen könne, daß unter günstigen Bedingungen, und wenn beide Gabeln gleichzeitig angeschlagen und über dem Schallrohr gehalten werden, dennoch gar kein Ton zu hören wäre. Textabbildung Bd. 149, S. 434 Wenn A die verticale Schallröhre und b, b' und c, c' den Querschnitt der zwei horizontal gehaltenen Gabeln vorstellt, so käme es nur darauf an, daß die Schenkel b' und c' sich in entgegengesetzten Bewegungsphasen befänden, wo b' eben nach aufwärts, während c' nach abwärts schwingt, um eine Interferenz entstehen zu sehen, die constant andauern muß, vorausgesetzt, daß die Gabeln wirklich genau unisono seyen. Von mehreren Seiten wurde nun ein Zweifel erhoben, daß dieser Versuch gelingen würde, weßhalb ich mich um so mehr berechtigt hielt, denselben zu publiciren, weil das gewichtige Urtheil mehrerer Physiker den Erfolg, welchen ich vorstehend bezeichnet habe, für unwahrscheinlich, wenn nicht für unmöglich gehalten hätte. Die Prüfung ergab, daß die vollkommene Interferenz wirklich eintritt, wenn beide Gabeln unisono, gleichartig in Stärke und Dauer des Tons sind, gleich stark angeschlagen und symmetrisch über die Oeffnung der Schallröhre gehalten werden. Dann aber muß es zugleich der Zufall fügen, daß sie sich in entgegengesetzter Schwingungsbewegung befinden. Bei dieser Sachlage glaubte ich mich darüber ganz zufrieden stellen zu müssen, wenn der Versuch nach durchschnittlich etwa 30mal wiederholtem Anschlagen so weit glückte, um Jedem die volle Ueberzeugung seiner Richtigkeit gewähren zu können. Es ist etwas Eigenthümliches, die Vibration beider Gabeln in den Händen zu fühlen, und doch keinen Ton zu vernehmen; ferner aber besteht das einfache Mittel, den Gedanken einer Täuschung dabei zu entfernen, darin, daß man eine der Gabeln oder abwechselnd auch die andere wegnimmt, wo sogleich der Ton in aller Stärke hörbar wird.