Titel: Ueber die relative Ausbeute an Oxalsäure und Blutlaugensalz beim Schmelzen organischer Substanzen mit Kali oder Natron; von Hrn. L. Possoz.
Fundstelle: Band 150, Jahrgang 1858, Nr. XXXIX., S. 127
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XXXIX. Ueber die relative Ausbeute an Oxalsäure und Blutlaugensalz beim Schmelzen organischer Substanzen mit Kali oder Natron; von Hrn. L. Possoz. Aus den Comptes rendus, August 1858, Nr. 5. Possoz, über die Fabrication von Oxalsäure und Blutlaugensalz. Fabrication von Oxalsäure. Im J. 1829 veröffentlichte Gay-Lussac eine AbhandlungAnnales de Chimie et de Physique t. XLI p. 398; Berzelius' Jahresbericht, zehnter Jahrgang, S. 183. über die Bildung von Oxalsäure beim Erhitzen verschiedener organischen Substanzen mit Kalihydrat, worin er bemerkte, daß das Natronhydrat wie das Kalihydrat wirkt. Als ich diese Methode zur Fabrication von Oxalsäure anzuwenden suchte, fand ich aber, daß das Natronhydrat mit einem gegebenen Gewicht organischer Substanz in allen Fällen viel weniger Oxalsäure liefert als das Kalihydrat, ferner daß es mit einigen organischen Substanzen gar keine Oxalsäure und mit anderen nur Spuren derselben erzeugt; wird es aber mit Kalihydrat in gewissen Verhältnissen gemischt, so kann es im Gegentheil eine reichliche Erzeugung dieser Säure begünstigen. Ich will zuerst die Quantitäten von Oxalsäure angeben, welche ich bei Behandlung verschiedener organischen Substanzen mit Kalihydrat erhielt. Kalihydrat Product = Krystallis. Oxalsäure. 300 + 100 Stärkmehl bei 100° C. getrocknet Mittel von 10 Operationen = 125 300 + 100 Sägespäne von verschiedenen Holzarten,                bei 100° C. getrocknet „    von   2 =   70 300 + 100 Weizenstroh, bei 100° getrocknet „    von   1 = 100 300 + 100 Heu von verschiedener Herkunft, bei 100°                getrocknet „    von   2 = 140 300 + 100 Klee, bei 100° getrocknet „    von   4 = 110 300 + 100 Luzerne, bei 100° getrocknet „    von   4 = 110 300 + 100 Rainfarn, bei 100° getrocknet „    von   4 = 130 300 + 100 Beifuß, bei 100° getrocknet „    von   2 = 115 300 + 100 wilde Cichorie, bei 100° getrocknet „    von   2 = 120 300 + 100 Borretsch, bei 100° getrocknet „    von   2 = 112 300 + 100 Nesseln, bei 100° getrocknet „    von   2 = 100 300 + 100 Tabakrippen, bei 100° getrocknet „    von   4 = 150 300 + 100 Weizenkleie, bei 100° getrocknet „    von   4 = 150 300 + 100 Lumpen von reiner Wolle, bei 100° getrockn.     „    von   4 =   10 300 + 100 Lumpen von reiner Seide, bei 100° getrockn. „    von   2 =   12 300 + 100 Leder, bei 100° getrocknet „    von   2 =     6 300 + 100 Horn, bei 100° getrocknet „    von   2 =   20 Diese Versuche wurden auf folgende Weise ausgeführt: 1) Das Stärkmehl betreffend, wird die Aetzkalilauge zuerst abgedampft, bis ihr Siedepunkt 225° Cels. beträgt; dann läßt man sie bis auf 180° C. abkühlen; alsdann setzt man das Stärkmehl in kleinen Portionen zu, indem man die Temperatur vier Stunden lang zwischen 200 und 225° C. erhält; nachdem die Masse weiß geworben ist, löst man sie auf und bestimmt in einem Theil derselben den Oxalsäuregehalt mittelst eines Kalksalzes. 2) Die anderen Substanzen trägt man in eine Aetzkalilauge ein, welche bloß auf 48° Baumé (1,500 spec. Gew.) concentrirt ist und dampft das Ganze zusammen ab; der Holzstoff löst sich auf, und wenn die Masse dick geworden und noch braun ist, so enthält sie viel Ulminsäure, aber weder Oxalsäure noch Essigsäure, Ameisensäure oder Kohlensäure; man unterhält nun die Masse auf einer Temperatur zwischen 200 und 225° C.; sie wird gelb, dann weißlich, und nach vier- bis fünfstündigem Erhitzen enthält sie keine Ulminsäure mehr, wohl aber alle anderen vorher erwähnten Säuren. Man kann allerdings die Operation rascher beendigen, indem man etwas stärker erhitzt, aber alsdann zerstört man oft ein mehr oder weniger beträchtliches Quantum von Oxalsäure. Wenn man das Kali durch Natron ersetzt, so ist der Erfolg ein anderer; nachdem sich die organische Substanz aufgelöst hat, findet man ebenfalls viel Ulminsäure; fährt man aber fort zu erhitzen, um letztere in Oxalsäure umzuwandeln, so scheinen die Oxalsäure, Essigsäure und Ameisensäure in dem Maaß zerstört zu werden, als sie sich bilden; denn während der ganzen Dauer der Reaction kann man ihre Gegenwart nachweisen; man mag aber die Operation in irgend einem Zeitpunkt unterbrechen und was immer für ein Verhältniß von Natron anwenden, so erhält man stets nur sehr geringe Quantitäten von Oxalsäure, nämlich durchschnittlich zehnmal weniger als mit dem Kali, oft bloß Spuren, und mit gewissen Substanzen, wie Wolle, Seide, Leder, nicht einmal Spuren. Bei der Anwendung von Natron wird im Allgemeinen das erzeugte oxalsaure Salz immer wieder zerstört, besonders wenn man mehrere Kilogramme organischer Substanz auf einmal verarbeitet. Je beträchtlicher die Masse ist, desto schwieriger ist die Operation zu leiten; mit dem Kali findet dieser Uebelstand durchaus nicht statt. Diese zerstörende Wirkung des Natronhydrats dürfte dem Umstand zuzuschreiben seyn, daß es weniger schmelzbar als das Kali und zu kräftig ist. Macht man nämlich Gemenge beider Hydrate in solchen Verhältnissen, daß die Masse beiläufig die Schmelzbarkeit des bloßen Kalihydrats besitzt, so kann die Ausbeute an Oxalsäure, anstatt sich zu vermindern, sogar zunehmen; bei gewissen Verhältnissen von Natron kann man in diesem Falle ein stärkeres Verhältniß von organischer Substanz anwenden und so mit demselben Quantum caustischer Alkalien ein größeres Verhältniß von Oxalsäure erhalten. Bei einer Reihe von Versuchen, deren Zweck war, die Verhältnisse von Kali und Natron zu ermitteln, welche am meisten Oxalsäure liefern, habe ich beobachtet: 1) daß ein Gemenge von 1 Theil Natronhydrat mit 3 Theilen Kalihydrat um 1/10 mehr Stärkmehl zersetzen kann, als wenn das angewandte Alkali reines Kali war, und daß die Menge der erzeugten Oxalsäure im Verhältniß des angewendeten Stärkmehls zunimmt; 2) daß ein Gemenge von 1 Theil Natronhydrat mit 2 Theilen Kalihydrat um 1/8 mehr Stärkmehl zersetzen kann, als wenn das angewandte Alkali reines Kali war, und daß die Menge der erzeugten Oxalsäure im Verhältniß des angewandten Stärkmehls zunimmt; 3) daß ein Gemenge von 1 Theil Natronhydrat mit 1 Theil Kalihydrat nahezu wie reines Kali wirkt; 4) daß ein Gemenge von 2 Theilen Natronhydrat mit 1 Theil Kalihydrat um 1/10 weniger Oxalsäure erzeugt, als das reine Kali; 5) daß ein Gemenge von 3 Theilen Natronhydrat mit 1 Theil Kalihydrat um 1/5 weniger Oxalsäure erzeugt, als das reine Kali; 6) daß bei einem noch größern Verhältniß von Natron nur sehr wenig Oxalsäure erzeugt wird. Das reine Natron kann folglich das Kali bei der Oxalsäure-Erzeugung nicht ersetzen, wie nach früheren Arbeiten über diesen Gegenstand zu vermuthen war, aber gemengt mit Kali ist es mit Vortheil anwendbar. Blutlaugensalz-Fabrication. Wenn man bei der Blutlaugensalz-Fabrication mittelst thierischer Substanzen das Kali durch Natron zu ersetzen sucht, so findet man daß das reine Natron, sowohl ätzendes als kohlensaures, viel weniger Cyanalkalimetall erzeugt als das Kali, und daß Zusätze von Natron zum Kali die Ausbeute keineswegs steigern; im Gegentheil, in dem Maaße als man das Verhältniß des Natrons vergrößert, nimmt die Menge des erzeugten Cyanalkalimetalls ab. Während ich z.B. bei der laufenden Fabrication mit kohlensaurem Kali und Schwefelkalium im Durchschnitt 25 Blutlaugensalz (Cyaneisenkalium) von 100 Horn erhielt, lieferte das Natron unter denselben Umständen kaum 5 Cyaneisennatrium. Diese geringere Production von Cyanalkalimetall durch das Natron dürfte darauf beruhen, daß das Natron weniger leicht als das Kali zu Metall reducirt wird, denn nur als solches kann es die Verbindung mit dem Stickstoff und Kohlenstoff eingehen. Dieß zeigt sich auch bei der Fabrication der Cyanalkalimetalle mittelst des freien gasförmigen Stickstoffs, welchen man durch Kohle leitet die mit kohlensaurem Kali oder Natron imprägnirt ist; bei der Anwendung von Natron muß man nämlich viel stärker erhitzen als für das Kali, um eine gleiche Quantität von Cyanmetall zu erhalten. Bei der Blutlaugensalz-Fabrication mit thierischen Substanzen werden letztere bei einer sehr hohen Temperatur zu schnell zersetzt und der größere Theil ihres Stickstoffs entweicht vor der Reduction des Natrons, denn selbst wenn man sehr stark erhitzt (nämlich über den Schmelzpunkt des Gußeisens), wird die Ausbeute nicht merklich größer und nähert sich niemals der mit Kali erhaltenen.