Titel: Ueber ein Sinuselektrometer; von G. Heidner, Lehrer der Mathematik und Physik an der Gewerbsschule zu Schweinfurt.
Fundstelle: Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LIV., S. 202
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LIV. Ueber ein Sinuselektrometer; von G. Heidner, Lehrer der Mathematik und Physik an der Gewerbsschule zu Schweinfurt. Aus dem Kunst- und Gewerbeblatt für Bayern, 1858 S. 593. Mit einer Abbildung. Heidner, über ein Sinuselektrometer. Wenn einer mit freier Elektricität geladenen Kugel eine andere gleich große mit derselben Elektricitätsart geladene ausgesetzt wird und wir im Stande sind die Kraft zu bestimmen, mit welcher diese beiden sich in einer bestimmten konstanten Entfernung von einander abstoßen, so wird diese Kraft offenbar ein Maaß des Quadrats der auf jeder der beiden Kugeln enthaltenen Elektricitätsmenge seyn. Um aber die Kraft zu messen, mit der sich die beiden Kugeln in einer bestimmten Entfernung von einander abstoßen, bietet die Torsion eines elastischen Fadens oder das Drehungsmoment einer aus dem magnetischen Meridian abgelenkten Magnetnadel, oder endlich die Schwerkraft ein Mittel dar. Das erstere Verfahren ist in der Coulomb'schen Drehwaage zur Anwendung gekommen, das andere durch das von Kohlrausch Poggendorff's Annalen Bd. LXXXVIII S. 497. und Rieß Lehre v. d. Reibungselektricität Bd. I S. 65 u. Poggend. Annal. Bd XCVI S. 513. eingeführte Sinuselektrometer, während es die Absicht gegenwärtiger Notiz sey, zu zeigen, wie man denselben Zweck auch durch Anwendung der Schwerkraft mit Hülfe des elektrischen Pendels erreichen kann. Beschreibung des Instruments. Textabbildung Bd. 150, S. 202 In der Hülse A, die auf einer Holzsäule B befestigt ist, wird die Achse D, C in horizontaler Lage festgeklemmt. Mit ihr fest verbunden und genau senkrecht zu derselben ist die Glasscheibe E, F, die auf ihrer vordern Seite mit einer Kreistheilung versehen ist. Die Achse D, C trägt den um dieselbe drehbaren Arm E, G, der nach einer Seite hin in einen Nonius endigt und durch die Schraube K auf der verticalen Kreisscheibe festgestellt werden kann. Am andern Ende bei G läßt sich die an einem etwas nach Vorn gebogenen isolirenden Arm G, H angebrachte Standkugel H mit dem drehbaren Arm E, G in feste Verbindung setzen. Diesem Arm G, H kann eine solche Stellung gegeben werden, daß der Mittelpunkt der Kugel H von der erweitert gedachten vordern Glasebene etwas absteht. Auf der Achse D, C, eben so weit von der Glasscheibe als das Centrum der Kugel H absteht, ist der isolirende Faden (Coconfaden) eines elektrischen Pendels festgeklemmt, dessen Kugel von C dieselbe Entfernung hat wie die Standkugel H. Beide Kugeln sind gleicher Größe, vergoldet und von einem sehr leichten Stoff, wenigstens die des elektrischen Pendels. Theorie und Gebrauch des Sinuselektrometers. Man denke sich den Arm E, G in einer aus der Verticalen etwas abweichenden Lage (aus einem weiter unten zu erwähnenden Grunde) mit Hülfe der Schraube K festgestellt und die Standkugel mit de: Pendelkugel so in Berührung, daß der Faden des letztem parallel zur Kreisscheibe läuft. Theilt man nun der erstem das Quantum Q von Elektricität mit, so verbreitet sich dasselbe gleichmäßig über beide Kugeln. Das Pendel weicht aus seiner Lage um einen gewissen Winkel a gegen die ursprüngliche so weit aus, bis das durch die Schwere hervorgebrachte Drehungsmoment der abstoßenden Kraft das Gleichgewicht hält. Würde man jetzt die beiden Kugeln entladen, das Pendel wieder zur geeigneten Berührung mit der Standkugel bringen und beiden das Elektricitätsquantum Q mittheilen, so schlägt das Pendel um einen gegen den vorhergehenden verschiedenen Winkel aus. Die Winkel, zu denen hier bei verschieden großen Ladungen das elektrische Pendel aus der Verticalen abgelenkt erscheint, geben nun allerdings durch ihren Sinus unmittelbar das Verhältniß der abstoßenden Kräfte und würden dieselben sogar in absolutem Maaße ausdrücken lassen, aber sie erlauben nicht, aus ihnen auf die Größe der Ladungen zu schließen, weil dieselben Elektricitätsmengen in verschiedenen Entfernungen von einander sich mit verschiedener Stärke abstoßen. Dadurch indessen, daß man bei den verschiedenen Versuchen dem Winkel zwischen Arm und elektrischen Pendel denselben Werth ertheilt, werden nun die Beobachtungen der Ausschlagwinkel des Pendels mit der Verticalen zur Vergleichung der Elektricitätsmengen dienlich. Dreht man also den Arm, welcher die Standkugel trägt, in der Richtung der Ablenkung, so weicht zwar das Pendel noch weiter aus, doch wird, da die Kraft, mit welcher die Schwere dasselbe zurückzudrehen sucht, mit dem Sinus des Ablenkungswinkels (mit der Verticalen) wächst, der Winkel zwischen Arm und Pendel immer kleiner werden, je weiter man dreht, und man kann es endlich dahin bringen, daß beide wieder denselben Winkel a einschließen, somit die Kugeln sich in der gleichen Entfernung wie beim ersten Versuch befinden. Beide Male liest man dann den Winkel ab, den das Pendel mit der Verticalen einschließt. Es seyen diese Winkel beziehungsweise ρ und ρ', dann ist stets Q : Q' = √sin φ :  √sin φ' Es ergibt sich dieß folgendermaßen: Das Drehungsmoment eines und desselben Pendels, was um den Winkel ρ aus seiner verticalen Lage abgelenkt wird, ist bekanntlich dem Sinus dieses Winkels proportional. Dieses Moment wird aufgewogen durch das der abstoßenden Kraft zwischen beiden Kugeln, und da aber wieder bei gleicher Entfernung die abstoßenden Kräfte dem Producte der Elektricitätsmengen auf beiden Kugeln proportional, oder weil diese Mengen hier gleich groß, dem Quadrate der Elektricitätsmenge auf einer der beiden Kugeln, so sind mithin die Quadrate der Ladungen von Elektricität bei zwei Versuchen proportional dem Sinus der Winkel, um welchen beide Male das Pendel aus der Verticalen abweicht, woraus nun obiger Satz unmittelbar hervorgeht. Ein Bedenken jedoch bleibt noch zu erledigen übrig. Die Frage, ob wohl das Pendel unter allen Umständen während seiner Abstoßung, wie es doch zum Bestehen des Apparats wesentlich erforderlich ist, in der Verticalebene bleibt, die durch den Befestigungspunkt des Fadens parallel zur Kreisscheibe gelegt wird, und nicht etwa aus derselben heraustritt. Im Folgenden glaube ich dieses Bedenken hinreichend widerlegt zu haben. Auf die abgelenkte Pendelkugel wirken drei Kräfte ein. Das Gewicht der Kugel, die abstoßende Kraft, welche wir hier von Mittelpunkt zu Mittelpunkt wirkend nehmen, und eine dritte Kraft in der Richtung des Fadens. Sollen diese drei Kräfte sich im Gleichgewicht halten, so müssen sie in einer Ebene liegen und jede die Mittelkraft zu den beiden übrigen vorstellen. Demnach liegt mit in dieser Ebene die Verbindungslinie des Mittelpunktes der Standkugel H und des Aufhängepunktes des Pendels. Diese Linie stellt aber auch zugleich den Schnitt der Ebene unserer drei Kräfte mit der durch C gelegten, worin sich das Pendel bewegen soll, vor. Nun ist aber die Ebene der drei Kräfte unter allen Umständen vertical, weil sie stets das Gewicht aufnimmt; ebenso ist es aber auch zufolge der Einrichtung des Apparats die zuletzt berührte Ebene; folglich muß auch ihre Durchschnittslinie vertical seyn. Ein solcher Durchschnitt existirt aber für jede beliebige Lage des Pendels, sobald der drehbare Arm vertical steht, und für diesen Fall könnte dann allerdings der Umstand eintreten, daß das Pendel während der Abstoßung aus der genannten Ebene heraustritt. Man muß also die verticale Stellung des Arms vermeiden – eine Vorsicht, auf die bereits oben hingewiesen wurde. Für jeden andern Fall aber, wenn der Arm, d.h. die Verbindungslinie des Mittelpunktes der Standkugel mit dem Aufhängepunkt des Pendels, eine von der Verticalen etwas abweichende Lage hat, ist diese Linie in der Eigenschaft einer Schnittlinie unmöglich und die Kräfteebene muß nothwendig in die vom Apparat bedingte Bewegungsebene des Pendels fallen; demnach verbleibt dasselbe während seiner Abstoßung darin.