Titel: Ueber die vermeinte Gefährlichkeit der mit Schweinfurtergrün bedruckten Papiertapeten für die Gesundheit der Zimmerbewohner; von G. Phillips.
Fundstelle: Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LX., S. 220
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LX. Ueber die vermeinte Gefährlichkeit der mit Schweinfurtergrün bedruckten Papiertapeten für die Gesundheit der Zimmerbewohner; von G. Phillips. Aus dem Civil Engineer's Journal, August 1858, S. 251. Phillips, über die Gefährlichkeit der mit Schweinfurtergrün bedruckten Papiertapeten. Zu den folgenden Versuchen wurde die innere Oberfläche von zwei Cabinetten mit Papiertapeten, welche mit Schweinfurtergrün (Verbindung von arsenigsaurem und essigsaurem Kupferoxyd) bedruckt waren, überzogen. Das eine Cabinet hatte einen Inhalt von 17 Kubikfuß, und wurde mit beiläufig 48 Quadratfuß des Papiers tapeziert, also mit 2 4/5 Quadratfuß für jeden Kubikfuß Raum. Das andere Cabinet hatte einen Inhalt von 26 Kubikfuß, und wurde mit 53 Quadratfuß Papier tapeziert, also mit 2 Quadratfuß für jeden Kubikfuß Raum. In diesen Cabinetten war eine Ventilation nur durch die Fugen um die Thüren herum möglich, die eingeschlossene Luft konnte daher viel länger mit dem Papier in Berührung bleiben, als dieß in einem gewöhnlichen Zimmer der Fall wäre. Die Oberfläche des Papiers war im Verhältniß zum Volum der eingeschlossenen Luft 14mal so groß als sie in einem Zimmer von 20 Fuß im Quadrat und 12 Fuß Höhe seyn würde; die Umstände waren folglich bei diesen Versuchen der Imprägnirung der Luft mit arseniger Säure höchst günstig. In jedes dieser Cabinette wurden zwei Schalen gestellt, wovon die eine mit einer Kalilösung, die andere mit einer Auflösung von salpetersaurem Silberoxyd-Ammoniak gefüllt war; überdieß wurde in jedem Cabinet ein mit letzterer Flüssigkeit getränkter Papierbogen aufgehängt. Im kleineren Cabinet wurde kein Steinkohlengas angezündet, aber im größern Cabinet ließ man das Gas während der Tageszeit brennen, dessen Flamme die Temperatur der eingeschlossenen Luft auf 23 bis 28° C. (18 3/5 bis 22° R.) erhielt. Die Cabinette blieben 72 Stunden lang sorgfältig verschlossen; während dieser Zeit brannte das Gas im größern Cabinet 45 Stunden. Alsdann wurden die Auflösungen von Kali und salpetersaurem Silberoxyd-Ammoniak aus jedem Cabinet genommen und nach der Methode von Marsh untersucht; sie erwiesen sich ganz frei von Arsenik. Die mit der Lösung von salpetersaurem Silberoxyd-Ammoniak getränkten Papierbogen waren auch frei von Arsenik, zeigten aber auf ihrer Oberfläche zahlreiche farblose Krystalle, welche sich bei der Untersuchung als salpetersaures Silberoxyd erwiesen; bei der Verdampfung des Wassers vom Papier wurde nämlich die Lösung, womit dasselbe getränkt war, so weit concentrirt, daß das salpetersaure Silber herauskrystallirte. Auf dem Papier befand sich auch eine amorphe Substanz von dunkelgelber Farbe, welche am Licht schnell schwarz wurde; dieselbe Substanz beobachtete man auf der Oberfläche des in den Schalen enthaltenen salpetersauren Silberoxyd-Ammoniaks, und zwar in größerer Menge in der Schale desjenigen Cabinets, worin das Gas gebrannt hatte. Sie erwies sich bei der Untersuchung als Schwefelsilber, und der Schwefel rührte wohl von der Atmosphäre des Laboratoriums her, welche immer Spuren von Schwefelwasserstoff enthält.Den Schwefel lieferte ohne Zweifel der im Steinkohlengas stets enthaltene Schwefelwasserstoff, von welchem in einem mit Gas beleuchteten Hause kein Gemach ganz frei bleibt.A. d. Red. Diese dunkelgelbe Substanz bildete sich auch in einem dritten Cabinet, in welchem keine grüne Arsenikfarbe enthalten war – ein Beweis, daß das grüne Papier an ihrer Erzeugung keinen Antheil hatte. Die angewandten grünen Papiertapeten enthielten 11,8 Grains arseniger Säure auf dem (engl.) Quadratfuß. Aus den oben beschriebenen Versuchen lassen sich folgende Schlüsse ziehen: 1) Daß selbst wenn ein kleines Luftvolum mit einer großen Fläche des arsenhaltigen Papiers eine beträchtliche Zeit lang in Berührung bleibt, und noch dazu bei einer Temperatur von 26 3/5° C. (21° R.), nicht die geringste Spur von arseniger Säure in die Luft übergeht. Noch weniger dürfte die Luft eines gewöhnlichen Zimmers, welche im Verhältniß zur Oberfläche der Wände einen großen Raum einnimmt und durch die Ventilation beständig gewechselt wird, durch arsenige Säure vergiftet werden können. 2) Daß die Verbrennungsproducte des Gases das Freiwerden von arseniger Säure auf der Oberfläche des grünen Papiers nicht erleichtern. 3) Daß von der Oberfläche solchen Papiers sich keine arsenige Säure verflüchtigt, ausgenommen bei Temperaturen wo die Zimmer nicht bewohnt werden könnten. Es ist wahrscheinlich daß Personen, welche Zimmer mit arsenikhaltigen Tapeten bewohnten, von letzteren nachtheilige Wirkungen verspürten, aber nicht weil sich arsenige Säure verflüchtigte, sondern in Folge des ungeeigneten und häufigen Abkehrens der Wände, wodurch kleine Theilchen arsenigsauren Kupferoxyds von den nicht geglätteten Stellen der Tapeten losgerissen und in der Luft zerstreut wurden, folglich von den zu dieser Zeit im Zimmer anwesenden Personen eingeathmet werden konnten. Diese alleinige Quelle von Gefahr läßt sich vermeiden durch ein wenig Sorgfalt beim Reinigen eines Zimmers und durch die Wahl solcher grünen Papiertapeten, von deren Oberfläche nur ein kleiner Theil ungeglättet ist. Ich habe mit meiner Familie drei Jahre lang ein Zimmer bewohnt, dessen Wände mit einem Papier tapeziert waren, welches mit einer starken Quantität von arsenigsaurem Kupferoxyd bedruckt war, und während dieser Zeit war auch mein Schlafzimmer mit arsenikalischen Papiertapeten versehen; aber weder ich noch irgend ein Mitglied meiner Familie spürte die geringste üble Wirkung von solchem Papier. Nach meiner Ansicht ist also von solchen arsenikalischen Papiertapeten, deren Oberfläche nur zu einem kleinen Theil ungeglättet ist, keine Gefahr zu befürchten, vorausgesetzt daß man beim Abstäuben der Wände mit einiger Sorgfalt verfährt, und selbst wenn man letztere nicht anwendet, ist es zweifelhaft ob die Zimmerbewohner irgend schädliche Wirkungen verspüren würden.Wir verweisen noch auf die Bemerkungen von Dr. Krahmer „über die überschätzte Gefährlichkeit der grünen Arsenikfarbe“ im polyt. Journ. Bd. CXXXI S. 462.A. d. Red.