Titel: Untersuchungen über die Meyer'sche variable Expansion; von H. Fuhst.
Autor: Hermann Fuhst
Fundstelle: Band 151, Jahrgang 1859, Nr. XVIII., S. 83
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XVIII. Untersuchungen über die Meyer'sche variable Expansion; von H. Fuhst. Mit Abbildungen auf Tab. II. Fuhst, Untersuchungen über die Meyer'sche variable Expansion. Die Meyer'sche variable Expansion ist unter den Bewegungsmechanismen zur Herstellung variabler Expansion bei stationären Maschinen einer der gebräuchlichsten, und derselbe erfüllt auch seinen Zweck bei richtiger Wahl der Voreilungswinkel und der Excentricitätsradien vollständig genügend, wenn man außerdem den Expansionsschieberplatten in der Richtung ihrer Bewegung eine der obigen Wahl entsprechende Größe gibt. Die Wahl der oben genannten Größen findet man sehr häufig falsch getroffen und außerdem die Größe der Expansionsschieberplatten der getroffenen Wahl nicht entsprechend, so daß hierdurch die Leistung dieser sonst sehr empfehlenswerthen Expansionsvorrichtung bedeutend herabgezogen wird. Es gibt Maschinenfabriken, die namentlich aufzuführen hier keinen Zweck hat, in welchen alle mit variabler Expansion bestellten stationären Dampfmaschinen stereotyp mit Meyer'scher variabler Expansion unter folgender Anordnung versehen werden: Die Radien des Haupt- und Expansionsexcenters sind stets gleich groß. Der Voreilungswinkel des Hauptexcenters ist 0°, der des Expansionsexcenters 90°. Die Länge der Expansionsschieberplatten in der Richtung ihrer Bewegung ist gleich dem doppelten Excentricitätsradius. Das Resultat zu welchem unsere Untersuchung führen wird, wird uns einsehen lassen, daß man eine unvollkommnere Anordnung als diese nicht treffen kann, und daß eine der Anordnungen die unten folgen werden, stets vorzuziehen ist, zumal an der Steuerung selbst nichts geändert wird, wodurch Mehrkosten der Maschine verursacht werden könnten. Zur Untersuchung wollen wir die erforderlichen Dimensionen einer zur Ausführung gekommenen Gebläsemaschine entnehmen, deren Steuerung in der obigen Weise angeordnet worden ist. Die Breite der Dampfdurchlaßcanäle in Cylinder und Hauptschieber ist a = 0m,040, der Excentricitätsradius beider Excenter ist ebenfalls r = 0m ,040, die Länge der Expansionsschieberplatten, worunter wir immer die Länge in der Richtung der Bewegung gemessen verstehen, ist l = 0m,080. In Fig. 1 haben wir das dieser Steuerung entsprechende Zeuner'sche Diagramm. Es ist in demselben der aus C₁ mit CO = r/2 = 0m,020 beschriebene Kreis, der Schieberkreis für den Hauptschieber, und die aus C₂ und C₃ mit CO = CO = r/2 = 0m,020 beschriebenen Kreise sind in ihren oberen Hälften die zur Benutzung kommenden Schieberkreise des Expansionsschiebers. Die Bewegung der Maschine geschieht in der angedeuteten Pfeilrichtung, mithin erhalten wir den Durchmesser OQ₄ des Hülfsschieberkreises als Seite desjenigen Parallelogrammes, dessen eine Seite OD₂ und dessen Diagonale OD₁ ist. Der über OQ₄ als Durchmesser beschriebene Kreis gibt, wie Hr. Professor Zeuner nachgewiesen hat, die relative Entfernung der Schiebermittel für jede beliebige Kurbelstellung an. Nachdem wir so das vollständige Diagramm haben, müssen wir auf einige Eigenthümlichkeiten desselben aufmerksam machen; dieselben bestehen in Folgendem: 1) Der Durchmesser OQ₄ des Hülfsschieberkreises geht durch den Schnittpunkt P₄ der aus C₁ und C₃ beschriebenen Schieberkreise. 2) Der Halbirungspunkt des Durchmessers OQ₄ fällt mit P₄ zusammen. 3) Die Endpunkte D₁ und D₃ der Schieberkreisdurchmesser OD₁ und OD₃ fallen stets in die Peripherie des Hülfsschieberkreises. Das Erste erhellt aus Folgendem: Verbinden wir P₄ mit den Punkten C₁, O und C₃, so ist: OC₁ = CP₄ = PC₃ = CO, ferner ist Winkel COC₃ = 1R, mithin ist der Diagonalwinkel           POC₃ = R/2. Die Punktirte DD₁ bildet als Hypotenuse des gleichschenklig rechtwinkligen Dreiecks DOD₁ mit DO den Winkel DDO = R/2. Da nun OQper constr. parallel DD₁, so ist auch Winkel QOD= R/2 d.h. die Linien OP₄ und OQ₄ fallen zusammen, oder OQ₄ geht durch den Punkt P₄. Der Halbirungspunkt von OQ₄ fällt stets mit P₄ zusammen, wenn OP₄ = PQ₄; dieß ist der Fall, denn es ist immer: DQ₄ parallel CP₄, mithin verhält sich OC₁ :  OD =  OP₄ : OQ OC₁ :  OD –  OC₁ = OP₄ : OQ– OP OC₁ : CD =  OP₄ : PQ   1    :    1 =  OP₄ : PQ₄ mithin           OP = PQ₄. Die Punkte D₁ und D₃ liegen in der Peripherie des Hülfsschieberkreises, wenn Winkel QDO = 1R und Winkel QDO = 1R , was Beides ohne Weiteres einleuchtet. Zur Beurtheilung der Schieberbewegung selbst eingehend, wollen wir dieselbe verfolgen für den Abschluß des Dampfes bei der Kurbelstellung OR₂. Beginnt die Kurbel ihre Bewegung vom todten Punkte links ausgehend, so entfernt sich der Hauptschieber von seiner mittleren Stellung, die er im todten Punkte der Kurbel einnahm, und bewegt sich nach seinem todten Punkte rechts hin, während der Expansionsschieber seinen todten Punkt rechts verläßt und auf seine mittlere Stellung zueilt, in welcher er ankommt, wenn die Kurbel einen Winkel von 90° durchlaufen hat. In der Kurbelstellung OR₂ befinden sich demnach beide Schieber rechts von ihrer mittleren Stellung, und zwar wie das Diagramm zeigt, der Hauptschieber um das Stück OP₂ = 0m,023, der Expansionsschieber um das Stück Op₂ = 0m,033. Hieraus ergibt sich die in Fig. 2 gezeichnete Schieberstellung für den Abschluß des Dampfes bei der Kurbelstellung OR₂. Die relative Entfernung der Schiebermittel für diese Kurbelstellung ist – OQ₂ = – 0m,010, sie ist negativ, weil der Radiusvector OQ₂ in den Theil des Hülfsschieberkreises fällt, welcher sich unterhalb der Horizontalen RR₅ befindet. Denken wir die Kurbel sich weiter drehend nach und nach in der Richtung OR₄ angekommen. Diese Kurbelstellung ist stets von besonderer Wichtigkeit, indem die relative Schieberentfernung bei ihr den größten Werth erreicht hat. Bei der Kurbelstellung OR₃ hat der Expansionsschieber seine mittlere Stellung überschritten und befindet sich jetzt links von derselben. Das Diagramm zeigt für die Kurbelstellung OR₄ den Weg des Hauptschiebers sowohl, als auch den des Expansionsschiebers gleich OP₄ = OQ₄/2 = 0m,028; der erstere befindet sich von seinem todten Punkte rechts zurückkommend noch auf derselben Seite von seiner mittleren Stellung, während der letztere sich, wie oben bemerkt, auf der entgegengesetzten Seite befindet. Hieraus ergibt sich die in Fig. 3 gezeichnete, der Kurbelstellung OR₄ zugehörende Stellung der Schieber. Die Vorderkante der linken Expansionsschieberplatte hat die Außenkante des Dampfeintrittscanales im Hauptschieber um das Stück e überschritten; die Folge davon ist, daß sich der Dampfeintrittscanal hinter der Platte um das Stück i wiedergeöffnet hat. Durch diese Oeffnung strömt, da der Dampfeintrittscanal im Cylinder durch den Hauptschieber noch offen gehalten wird, nach erfolgter Expansion nochmals frischer Dampf hinter den Kolben, welcher die expansive Wirkung des zuerst eingeströmten wieder aufhebt. Die Größe e, um welche der Expansionsschieber über den Durchlaßcanal im Hauptschieber hinweggeeilt ist, ist gleich der Differenz der relativen Schieberentfernungen bei den Kurbelstellungen OR₄ und OR e = OQ₄ – (– OQ₂). Wir sehen hieraus, daß für jeden Expansionsgrad, bei welchem überhaupt Wiedereröffnung hinter der Expansionsschieberplatte eintritt, dieselbe stets ihren größten Werth bei der Kurbelrichtung OR₄ erreichen wird, indem bei ihr die im Minuend der obigen Differenz stehende relative Schieberentfernung auch ihren größten Werth hat. Die größte Wiedereröffnung für den Abschluß des Dampfes bei der Kurbelstellung OR₂ ist demnach: i = e + al i = OQ₄ + OQ₅ + al i = 0m,056 + 0m,010 + 0m,040 – 0m,080 i = 0m,026. Die untere Expansionsgränze fällt selbstredend mit derjenigen Kurbelstellung zusammen, über welche hinaus man erst expandiren kann, ohne daß die Expansion des zuerst eingeströmten Dampfes durch frisch hinzuströmenden wieder aufgehoben wird. Die größte Wiedereröffnung (Wiedereröffnung bei der Kurbelstellung OR₄) muß für den Abschluß des Dampfes bei der in Rede stehenden Kurbelstellung gleich Null seyn, d.h. es muß die Gleichung erfüllt seyn: l = e + a oder la = e la = OQ₄ – (± OQx) wenn wir mit OQx die relative Schieberentfernung der gesuchten Kurbelstellung bezeichnen. Es ist nun:    la = 0m,080 – 0m,040 = 0m,040    OQ = 0m,056  mithin 0m,040 = 0m,056 – (± OQx)    OQx = + 0m,016. Beschreiben wir somit mit OQx = 0m,016 als Radius einen Bogen aus O so, daß derselbe die Peripherie des Hülfsschieberkreises oberhalb der Horizontalen RR₅ schneidet, und verbinden diesen Schnittpunkt mit dem Punkte O durch eine Gerade, die wir bis an die Peripherie des Warzenkreises fortführen, so erhalten wir in derselben diejenige Kurbelstellung, von welcher ab man expandiren kann, ohne daß die Expansion bei einer späteren Kurbelstellung wieder aufgehoben wird, d.h. wir erhalten die Kurbelstellung, mit welcher die untere Expansionsgränze zusammenfällt. Es ist stets ein Vortheil, wenn eine Steuerung es zuläßt bei Beginn des Hubes den Dampf abzusperren und dadurch das Dampfabsperrungsventil zu umgehen. Bei der unserer Untersuchung zu Grunde gelegten Maschine ist dieß nicht der Fall, obgleich man es bei richtiger Längenbestimmung der Expansionsschieberplatten ganz leicht erreichen kann, wenn man der Gleichung Genüge leistet: l = e + a. Für die Absperrung des Dampfes bei der Kurbelstellung OR₁ ist: e = OQ₄ – (– OD₃) e = OQ₄ + a OQ = √2a² = a √2 l = a √2 + 2a l = (2 + √2) a l = 3,4142 a. Bestimmt man die Länge der Expansionsschieberplatten nach der vorstehenden Gleichung, so ist ein Dampfabsperrventil nicht mehr erforderlich, und kann überhaupt ein Wiedereröffnen des Dampfeintrittscanales hinter dem Expansionsschieber nicht eintreten, was bei l = 2r nicht erreicht ist. Die Art und Weise der Dampfvertheilung für den Abschluß des Dampfes bei einer Kurbelstellung im zweiten Quadranten der Kurbeldrehung wird uns bei ihrer Untersuchung, zu welcher wir jetzt übergehen können, ähnliche Mängel zeigen. Es trete der Abschluß des Dampfes bei der Kurbelstellung OR₄ ein. Wir wissen von oben, daß bei dieser Kurbelstellung der Hauptschieber um OP₄ rechts, der Expansionsschieber um ebensoviel links von seiner mittleren Stellung steht. Hieraus ergibt sich die in Fig. 4 gezeichnete Schieberstellung für den Abschluß des Dampfes bei dieser Kurbelstellung. Lassen wir die Kurbel sich weiter drehend in der Richtung OR₇ ankommen, so geht die relative Schieberentfernung aus OQ₄ in OQ₇ über. OQ₇ ist, wie das Diagramm zeigt, kleiner als OQ₄, die Schiebermittel sind somit bei dieser Kurbelstellung weniger weit von einander entfernt als bei OR₄, wodurch, wie Fig. 5 zeigt, ein Wiedereröffnen des Dampfeintrittscanales vor dem Expansionsschieber entsteht, während der Dampfdurchlaßcanal im Cylinder auch durch den Hauptschieber noch nicht geschlossen ist, so daß die bei OR₄ eingetretene Expansion durch frisch hinzuströmenden Dampf wieder aufgehoben wird. In demselben Momente, in welchem die Kurbel die Richtung OR₄ verläßt, wird dem Diagramme nach die relative Schieberentfernung kleiner als OQ₄, so daß genau genommen gleichzeitig mit dem Eintritt der Expansion die Wiedereröffnung des Dampfeintrittscanales erfolgt, und eine expansive Wirkung des Dampfes für den Abschluß desselben bei dieser Kurbelstellung gar nicht statt hat. Expandiren wir bei einer Kurbelstellung vor OR₄, z.B. bei OR₈, so wächst die relative Schieberentfernung bis OR₄, und die Größe, um welche der Dampfeintrittscanal von der Expansionsschieberplatte überdeckt ist, ist bei dieser Kurbelstellung: OQ₄ – OQ₈ = QS. Bei weiterer Drehung wird die relative Schieberentfernung wieder kleiner; in Folge dessen nimmt auch die Größe der Ueberdeckung wieder ab, und es wird dieselbe bei derjenigen Kurbelstellung gleich Null seyn, für welche die relative Schieberentfernung gleich der der Kurbelstellung OR₈ ist. Diese Kurbelstellung ist, wie das Diagramm zeigt, OR₉, bei ihr also wird die während des Drehungswinkels ROR₉ stattgefundene expansive Wirkung des Dampfes durch frisch hinzuströmenden wieder aufgehoben. Ein Wiedereröffnen des Dampfeintrittscanales im Hauptschieber ist von der Kurbelstellung ab nicht mehr schädlich für die Dampfvertheilung, für welche beim Eintritt des Wiedereröffnens der Hauptschieber den Dampfeintrittscanal im Cylinder abschließt. Diese Kurbelstellung fällt, da der Voreilungswinkel des Hauptschiebers gleich Null ist, mit dem Ende des Hubes zusammen, und die ihr zugehörende Schiebermittelentfernung ist gleich OD₃. Die in Bezug auf Gleichseyn der relativen Schieberentfernungen der Kurbelstellung OR₅ entsprechende Kurbelstellung ist dem Diagramme gemäß OR₃. Ueber OR₃ hinaus kann man mithin nicht expandiren, ohne ein Wiedereröffnen des Dampfeintrittscanales zu erhalten, und es fällt somit mit OR₃ die obere Expansionsgränze zusammen. Die untere Expansionsgränze sahen wir mit der Kurbelrichtung OR₆ zusammenfallen, und kommen wir somit zu dem Resultate, daß man bei dieser Steuerungsanordnung nur diejenigen Expansionsgrade erreichen kann, deren zugehörige Kurbelstellungen in die Ebene des Winkels RORfallen. Wir sahen wie wenig befriedigend dieß Resultat ist und trotzdem wird diese Anordnung noch häufig bei neuen Maschinen in Anwendung gebracht, an welchen man, ohne sich um das Wiedereröffnen des Dampfeintrittscanales zu bekümmern, eine Expansionsscala von 1/4 bis 3/4 des Kolbenhubes anbringt. In Folge dieses Wiedereröffnens entsteht nicht nur ein vorher nicht in Rechnung gezogener Verlust an Dampf, sondern es entsteht auch ein Verlust an effectiver Leistung der Maschine in Bezug auf den wirklichen Dampfverbrauch; denn, nachdem der ursprünglich eingetretene Dampf einen Theil des Kolbenweges durch Expansion bewirkt hat, ist seine Dichte je nach der Länge dieses Weges geringer geworden als die normale Dichte des Dampfes im Schieberkasten, und er wird im günstigsten Falle beim Eintritt der Wiederöffnung seine frühere Dichte und sein anfängliches Volumen wieder einnehmen; der Raum den der Kolben während der Expansion durchlaufen hat, wird sich mit frischem Dampfe füllen, und der Rest des Kolbenweges unter stetem Hinzuströmen frischen Dampfes vollbracht werden. Der Dampfverbrauch ist hierbei also eben so groß, als wenn der ganze Hub ohne Expansion zurückgelegt würde; dadurch aber, daß während eines Theiles des Hubes Expansion eintritt, stellt sich der mittlere Druck auf den Kolben und somit die effective Leistung der Maschine geringer heraus, als sie bei gleichem Dampfconsum ohne theilweise Absperrung des Dampfes seyn würde. Eine andere in der Praxis mehrfach zur Anwendung gekommene Anordnung der Meyer'schen variablen Expansion unterscheidet sich von der eben besprochenen dadurch, daß das Excenter des Hauptschiebers einen Voreilungswinkel von circa, 20° hat. Wir wollen eine derartige Steuerung in der nächsten Nummer dieses Journales einer kurzen Untersuchung unterwerfen, um auch ihre Unzulänglichkeit darzuthun, und dann eine Methode folgen lassen, mit welcher man eben so gute Resultate erzielt, wie mit der von Hrn. Prof. Zeuner in seiner Schrift „über Schiebersteuerungen“ angegeben, die aber vor der letzteren noch den wesentlichen Vortheil hat, leichter bei Maschinen mit wechselnder Bewegungsrichtung anwendbar zu seyn. (Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)

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