Titel: Bemerkungen über die Abhandlung von Prof. Calvert und Dr. Johnson hinsichtlich der chemischen Veränderungen, welche das Roheisen während seiner Umwandlung in Stabeisen erleidet; vom Oberingenieur Gruner zu Saint-Etienne.
Fundstelle: Band 151, Jahrgang 1859, Nr. XXXIV., S. 134
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XXXIV. Bemerkungen über die Abhandlung von Prof. Calvert und Dr. Johnson hinsichtlich der chemischen Veränderungen, welche das Roheisen während seiner Umwandlung in Stabeisen erleidetIm polytechn. Journal Bd. CXLVI S. 121.; vom Oberingenieur Gruner zu Saint-Etienne. Aus dem Bulletin de la Société de l'Industrie minérale, 1858, t. III p. 467. Gruner, über die chemischen Veränderungen, welche das Roheisen während seiner Umwandlung in Stabeisen erleidet. Eine der größten Schwierigkeiten bei analytischen Untersuchungen dieser Art besteht darin, sich Probestücke zu verschaffen, welche die mittlere Zusammensetzung der behandelten Substanzen genau repräsentiren. Bei dem in Frage stehenden Beispiele kann man annehmen, daß das angewandte Roheisen, von welchem zwei verschiedene Stücke untersucht wurden, nahezu die mittlere Zusammensetzung hatte, welche die Analyse ergab; dieß kann aber offenbar nicht bei den Proben der Fall seyn, welche in verschiedenen Perioden des Processes aus dem Puddelofen genommen wurden. Die Proben Nr. 1 und 2 wurden aus dem Ofen geschöpft, ehe noch die Charge vollständig eingeschmolzen war. Dieser Umstand genügt schon, um die Anomalie eines Roheisens zu erklären, dessen Kohlenstoffgehalt durch das Schmelzen zunimmt; offenbar ist im Moment des Schmelzens der Kohlenstoff ungleich vertheilt, denn seine relative Zunahme ließe sich durch die theilweise Verschlackung des Eisens und Siliciums allein nicht erklären; da der am meisten gekohlte Theil leichter und flüssiger ist, so schwimmt er oben auf, während die noch nicht geschmolzenen oder kaum erweichten Stücke auf der Ofensohle verbleiben. Bei derartigen Untersuchungen ist es stets besser, mehrere gleichzeitig an verschiedenen Theilen des Ofens genommene Proben zu analysiren, als die Analyse eines und desselben Probestücks zweimal vorzunehmen. Dessenungeachtet folgt aus diesen ersten Analysen, daß sich das Silicium im Puddelofen bei weitem leichter oxydirt als der Kohlenstoff, ohne Zweifel in Folge der starken Verwandtschaft der Kieselerde zum Eisenoxyde. Dieses Resultat zeigt, daß man recht gut den Feineisenproceß weglassen und selbst das siliciumreiche Roheisen direct verpuddeln kann. Ferner kann man daraus schließen, daß in einem geschlossenen Flammofen der Kohlenstoff des Roheisens sich unter dem alleinigen Einflusse der Herdgase sehr wenig oxydirt, daher die Beihülfe eisenreicher Schlacken erforderlich ist.Schon im Jahre 1837 sprach J. N. v. Fuchs in einem anonymen Aufsatze im polytechn. Journal Bd. LXV S. 201 die Meinung aus, daß beim Frischen des Eisens die Oxydation des Kohlenstoffs, Siliciums, Mangans etc. hauptsächlich durch das Eisenoxyd bewirkt werde, es mag dieses durch die Luft oder durch einen oxydirend wirkenden Zuschlag (z.B. Braunstein) erzeugt werden; ferner daß es am vortheilhaftesten seyn werde, wenn beim Frischen des Eisens im Puddelofen voraus schon gebildetes Eisenoxyd zugeschlagen wird.A. d. Red. Die Erfahrung mit den Schlacken- oder Koch-Puddelöfen, sowohl beim Eisen- als Stahl-Puddelproceß, spricht sogar dafür, daß die Verwandtschaft des Kohlenstoffs zum Eisen mit der Temperatur rascher zunimmt als diejenige des Sauerstoffs zum Kohlenstoff; denn bekanntlich ist beim Stahlpuddeln eine hohe Temperatur wesentliche Bedingung. Die Verfasser der Abhandlung schreiben das Aufkochen des Roheisens im Moment des Umrührens einer bloßen Austreibung des Kohlenstoffes zu, und stützen ihre Meinung auf die Erfahrung, daß wenn man ein Stabeisenstück in ein aufkochendes, kohlenstoffreiches Roheisen steckt, man es mit Roheisen und Graphitblättchen überzogen herauszieht. Diese Erfahrung erklärt sich aber ganz natürlich durch die allen Eisenhüttenmännern bekannte Thatsache, daß das Roheisen in dem Maaße als es sich abkühlt, den Kohlenstoff als Graphit fahren läßt; bekanntlich absorbirt auch das Eisen (sey es durch Verwandtschaft oder bloße Lösung) ein um so größeres Verhältniß von Kohlenstoff, je höher seine Temperatur ist, und eben dieß beweist die erwähnte Nothwendigkeit einer hohen Temperatur beim Stahlpuddeln. Wenn man also ein Stabeisenstück in flüssiges Roheisen taucht, so kühlt man das umgebende Metall ab und fällt aus demselben einen Theil des Kohlenstoffs. Im Puddelofen findet aber kein ähnlicher Vorgang statt, denn wenn auch im Moment des Puddelns oder Rührens eine geringe Abkühlung entsteht, so verschwindet doch der Kohlenstoff weniger durch ein bloßes Austreiben als durch die bekannte Reaction der reichen Schlacke auf das Kohlenstoffeisen. Das Aufkochen rührt bekanntlich von dem Kohlenoxydgas her, welches im Innern der flüssigen Masse gerade durch diese Reaction gebildet wird. Die Probe Nr. 5, welche 1 Stunde 35 Minuten nach dem Beginn der Operation genommen wurde, ist in Wirklichkeit Stahl, und wenn in diesem Zeitpunkt eine sehr hohe Temperatur und das Vorhandenseyn von Mangan die Absonderung der Schlacken erleichtern würden, indem sie dieselben sehr flüssig machen, so würde man körniges Eisen erhalten; man muß aber hierzu schnell operiren, jeden Zutritt der Luft abschließen und die Luppe unter einer Decke nicht oxydirender Schlacken vollenden. Puddelt man hingegen auf Eisen, indem man das Register mehr oder weniger offen läßt, wie bei dem vorliegenden Proceß, so findet man, daß der Gehalt an Kohlenstoff rasch von Minute zu Minute abnimmt. Von 1 Uhr 35 Minuten bis 1 Uhr 40 Minuten ging er von 1,647 Proc. auf 1,206 Proc. herab. Um 1 Uhr 45 Minuten betrug er 0,963, und um 1 Uhr 50 Minuten 0,772. Dieß ist der Zeitpunkt wo die Luppen vollendet werden. Der Kohlenstoff vermindert sich auch noch beim Zängen und während des Herausnehmens der Luppen aus dem Ofen, denn die Rohschienen enthalten davon nur noch 0,30 Procent. Das Ausschweißen in der Weißglühhitze vollendet die Entkohlung, denn das im Handel vorkommende Stabeisen enthält nur 0,111 Proc. Kohlenstoff. Dieses Eisen (Eisendraht) enthält aber überdieß Silicium, Schwefel und Phosphor in Verhältnissen welche nahezu dem Gehalt an Kohlenstoff entsprechen, daher die Summe der vier Elemente 0,410 Proc. beträgt. Endlich habe ich noch über die Analyse der Schlacke eine Bemerkung zu machen. Der gefundene Gehalt an Schwefeleisen ist viel zu groß im Vergleiche mit dem Schwefel welchen das Roheisen enthielt, und das Verhältniß des Mangans ist offenbar unrichtig, da im angewandten Roheisen nur Spuren dieses Metalls enthalten waren, es müßte denn zur Erleichterung des Puddelns Braunstein oder manganhaltiger Hammerschlag zugeschlagen worden seyn – ein Umstand welchen die Abhandlung nicht erwähnt.