Titel: Ueber den Einfluß, welchen die Erzeugungsart des Theers auf dessen Gehalt an Photogen, Paraffin, Kreosot etc. ausübt; von Dr. H. Vohl in Bonn.
Autor: Hermann Vohl
Fundstelle: Band 152, Jahrgang 1859, Nr. CIII., S. 390
Download: XML
CIII. Ueber den Einfluß, welchen die Erzeugungsart des Theers auf dessen Gehalt an Photogen, Paraffin, Kreosot etc. ausübt; von Dr. H. Vohl in Bonn. Vohl, über den Einfluß, welchen die Erzeugungsart des Theers auf dessen Gehalt an Photogen, Paraffin, Kreosot etc. ausübt. In neuester Zeit ist von mehreren Seiten die reiche Ausbeute an Theer bei den bituminösen Fossilien und namentlich bei dem Torf in Zweifel gezogen worden. Bei meiner Untersuchung des oldenburger und hannoverschen Torfs erhielt ich 9,063 Proc. Theer. Stohmann in seiner Uebersetzung und Bearbeitung des trefflichen Werkes von Dr. Sheridan Muspratt führt meine Analyse dieses Torfes an und sagt in einer Anmerkung (Bd. II S. 611) Folgendes: „Die Ausbeute an Theer scheint bedeutend zu hoch zu seyn. Die scheinbar größere Ausbeute an Theer wird daher kommen, daß er nicht völlig vom Wasser getrennt war. Ich konnte bei mehreren Versuchen mit demselben Material nie mehr als 5 Proc. Theer erhalten. Nimmt man den Verlust von 3,66 Proc. als Wasser an, so stimmt dieses nahezu mit den von mir gemachten Erfahrungen.“ Die geringere Theerausbeute welche Stohmann bei demselben Torfe erhielt, ist aber sehr leicht erklärlich, indem er die der Theererzeugung günstigsten Bedingungen nicht gegeben hatte; wenn er meine Angaben in Bezug auf die größtmögliche Theererzeugung (stehe Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. XCVII S. 13) genau befolgt hätte, so würde eine Theerausbeute von 9 Proc. erfolgt seyn. Die von Stohmann in Abzug gebrachten 3,66 Proc. sind kein Verlust, wie man ihn gemeinhin in Analysen anführt und die er als Wasser in Rechnung bringt, sondern es ist der Abgang der im Theer enthaltenen Karbolsäure und des Kreosots sowie der bei der Theerdestillation zurückbleibenden Kohks. Bei allen meinen Analysen, die ich seit dem Jahre 1847 in Bezug auf Beleuchtungsstoffe angestellt habe, wird stets der Theer vor dem Abwiegen mit Kochsalz oder verwittertem Glaubersalz behandelt und ist bei denselben stets von entwässertem Theer die Rede (siehe dieses Journal Bd. CXL S. 63). Es ist somit unerklärlich, wie Stohmann 3,66 Proc. Kreosot und Karbolsäure, die den Verlust bei der Reinigung des Theers ausmachten, als Wasser will angesehen haben. Man vermißt bei diesen Angaben gänzlich die Darstellungsweise des Theers, welche doch einen so bedeutenden Einfluß auf Qualität und Quantität desselben ausübt, und nur eine mangelhafte Kenntniß des Vorgangs bei der trockenen Destillation konnte dieses Uebergehen und ein voreiliges Urtheil möglich machen. Wie ich schon so oft erwähnt habe, ist es von großem Einflusse auf die Menge der Ausbeute an Theer und dessen Gehalt an Turfol, Thutogen, Paraffin etc., wie hoch die Temperatur bei der Operation war und wie schnell den gebildeten Gasen und Dämpfen der Abzug gestattet wurde. Zur nochmaligen Constatirung dieser Erscheinung und zum Nachweis der mangelhaften Construction der in England (resp. Schottland) und Frankreich angewandten Theererzeugungs-Apparate habe ich die Darstellung von Theer aus schottischem und französischem Torf in den verschiedenen Apparaten vorgenommen und den erhaltenen Theer einer genauen Prüfung auf dessen Gehalt an Turfol, Gas- oder Schmieröl, Paraffin etc. unterworfen. Zu einer jeden Untersuchung wurden 300 Pfd. lufttrockener Torf verwendet. Eine jede Torfsorte wurde in den von mir angegebenen Horizontalretorten sowie in den Verticalretorten Frankreichs und in einem 100 Pfd. fassenden Theerschwelofen, wie solcher in England und Schottland in Anwendung kommt, der trockenen Destillation unterworfen. Nr. I sind die Ergebnisse der Horizontalretorte, Nr. II die des französischen Systems, Nr. III die der englischen Schwelöfen. Das Gewicht des Theers wurde nach der Entwässerung desselben mit Kochsalz oder verwittertem Glaubersalz bestimmt. 100 Gewichtstheile französischer Torf ergaben: Nr. I Nr. II Nr. III Theer     5,590     4,672     2,699 Ammoniakwasser       38,654   38,899   39,087 Rückstand   38,400   38,390   28,933 Gas und Verlust   17,356   18,039   29,381 ––––––––––––––––––––––––––– 100,000 100,000 100,000 100 Gewichtstheile schottischer Torf ergaben: Nr. I Nr. II Nr. III Theer     9,085     6,399     4,169 Ammoniakwasser       37,875   38,466   38,566 Rückstand   31,500   31,511   29,212 Gas und Verlust   21,540   23,624   28,053 ––––––––––––––––––––––––––– 100,000 100,000 100,000 Der Theer, in den verschiedenen Apparaten erzeugt, zeigte bei 12° R. nachfolgendes spec. Gewicht: Nr. I    Nr. II    Nr. III französischer Torf     0,920    0,970    1,006 schottischer 0,935    0,970    1,037 Der entwässerte Theer wurde der fractionirten Destillation unterworfen und die Producte vermittelst Säuren und Alkalien gereinigt. Die Ergebnisse waren folgende: Nr. I Nr. II Nr. III franz. chott. franz. chott. franz. chott. Turfol   21,607   20,399   15,310   13,066     5,190     5,001 Gas- oder Schmieröl   30,688   32,675   31,869   35,708   43,336   45,085 Paraffin     3,066     5,309     5,006     7,066     2,100     3,166 Kreosot und Karbolsäure   32,106   34,543   32,212   36,378   18,911   19,231 Theerdestillationsrückstandu. Verlust bei der Reinigung   13,533     7,074   15,603     7,782   30,463   27,517 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 100,000 100,000 100,000 100,000 100,000 100,000 Aus diesen Resultaten ersieht man leicht, daß die Horizontalretorte die größte und der Schwelofen die geringste Ausbeute liefert. In der Horizontalretorte ist ferner die Destillationszeit die kürzeste und die Gasmenge die geringste. Beim Schwefelofen werden Theer und kohliger Rückstand durch eine zu große Sauerstoffzufuhr verbrannt. Bonn, im April 1859.