Titel: Ueber Luftschifffahrt; von Jos. Schmitz.
Autor: Jos. Schmitz
Fundstelle: Band 152, Jahrgang 1859, Nr. CVII., S. 415
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CVII. Ueber Luftschifffahrt; von Jos. Schmitz. Mit einer Abbildung. Schmitz, über Luftschifffahrt. Im polytechn. Journal Bd. CLI S. 169 ist ein Aufsatz des Hrn. Dr. A. H. Emsmann, Prof. in Stettin, mitgetheilt unter dem Titel: „Eine neue Bewegungskraft, zunächst als Ersatz der Locomotive, dann zur Steuerung des Luftballons etc.“ Derselbe gibt mir Veranlassung, meine Erfindung, betreffend die Vervollkommnung der Luftschifffahrt, zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, umsomehr als sie nicht zu denjenigen gehört, welche, wie Hr. Prof. Emsmann sich ausdrückt, durch Räder, Schrauben u. dgl. die Gondel vorwärts treiben wollen. Trotz der größten Anstrengungen, die so viel versprechende Erfindung Montgolfier's nutzbar zu machen, ist bisher fast gar nichts erreicht worden und wird auch wohl nie etwas erreicht werden, wenn auf die oben bezeichnete Weise eine Verbesserung angestrebt wird. Die Gondel zum Stützpunkt einer Kraft zu machen, die dem Ballon eine Richtung vorschreiben soll, ist offenbar unpraktisch; jedenfalls würden durch die Stellung der ziehenden Gondel zum gezogenen Ballon die Mitfahrenden in manche gefahrvolle schiefe Stellung gebracht werden. In Verbindung mit meiner, von ausgezeichneten Theoretikern wie Praktikern anerkannten Erfindung kann aber der von Hrn. Dr. Emsmann gemachte Vorschlag wohl von Nutzen seyn, vorausgesetzt, daß die weiteren Hindernisse beseitigt und die ausgesprochenen Erwartungen verwirklicht werden. Ich werde dieses später entwickeln. Die größten Schwierigkeiten, welche der Vervollkommnung der Luftschifffahrt entgegenstehen, sind: 1) die Möglichkeit, ohne Gasverlust und Anwendung von Ballast zu steigen und zu fallen; 2) die Mittel zur Beschreibung einer Curve in einer günstigen Luftschichte zu finden, und 3) die Herstellung einer weit vollkommenern Hülle zur Reservirung des Gases. Die Lösung des ersten Punktes hatte ich mir vorab zur Aufgabe gestellt und erlaube ich mir den Ausspruch des berühmten französischen Aeronauten Louis Godard in Paris, in seinem Gutachten über meine Erfindung mitzutheilen: „Was mir besonders an Ihrem System gefällt ist, daß Sie durch dasselbe gerade das Hinderniß übersteigen, woran alle früheren Versuche gescheitert sind.“ Die Lösung glaube ich gefunden zu haben in der Combination der beiden bekannten Systeme, in der Art, daß durch die Steigkraft des Gases das absolute Gewicht ausgeglichen, durch Erzeugung und Ausströmen von warmer Luft aber das Seigen und Fallen erzielt wird. Dieses wird erreicht durch folgende Anordnung: Textabbildung Bd. 152, S. 415 Zwei Ballons sind so vereinigt, daß an dem unteren Theile des größern A ein kleinerer B angefügt ist, und außerdem ein Schlauch C, welcher oben durch eine Klappe D verschließbar ist, die oberen Theile der beiden Ballons verbindet. Ein seitlicher Schlauch E dient zur Füllung des Ballons A mit Gas. Wird nun das absolute Gewicht der zu hebenden Gegenstände durch eine genügende Quantität Gas in dem Ballon A ausgeglichen, so muß eine geringe Luftverdünnung in B den Apparat zum Steigen bringen. Durch Zuführung von erhitzter Luft können wir somit den Ballon beliebig zum Steigen und durch Oeffnen der Klappe D, wodurch die warme Luft durch kalte verdrängt wird, zum Niedersinken zwingen. Es ist dieß eine durch die Ausführung der bisherigen Systeme bewiesene Thatsache und bleibt nur noch die Schwierigkeit zu beseitigen, erwärmte Luft ohne Gefahr für die Entzündung des Gases zu erzeugen. – Meinen in neuester Zeit sehr vervollkommneten Apparat kann ich jetzt noch nicht der Oeffentlichkeit übergeben, zumal ich noch hoffe Gelegenheit zu finden, die Richtigkeit und Ausführbarkeit meiner Theorie beweisen zu können. Leider sind die vor einigen Jahren in Crefeld angestellten Versuche, bei welchen durch mangelhafte Ausführung und ungünstige Witterung es nicht erzielt werden konnte, dem Gasballon die nöthige Steigkraft zur Ausgleichung des absoluten Gewichtes zu geben, eingestellt worden, weil der Ballon vom Pöbel zerstört wurde. Einleuchtend ist es daher, daß diese Versuche keine Entscheidung über die Brauchbarkeit der Erfindung abgeben können. Die hierbei gemachten Erfahrungen haben wesentliche Verbesserungen in Bezug auf die Praxis veranlaßt, und ich bin gerne bereit, falls neue Versuche gemacht würden, diese den Interessenten bekannt zu machen. Hierzu gehört vor Allem der erwähnte Heizapparat. Es kann aber nicht in Zweifel gezogen werden, daß ein solcher Apparat zu construiren ist, und ich kann die Zusicherung machen, daß mein Apparat jede Gefahr der Entzündung ausschließt, leicht zu handhaben ist, einen kleinen Raum einnimmt und ein geringes Gewicht hat. Wenn somit der vorgeschlagene Weg ums zum Ziele führen muß, so wollen wir noch die Vortheile, wenigstens die wesentlichen, betrachten, welche uns geboten werden: 1) Die größten Hindernisse hat der Aeronaut zu bekämpfen beim Aufsteigen von der Erde und beim Niederlassen auf dieselbe; ferner, wenn er in eine zu heftige Strömung kommt. 2) Bei dem allgemein benutzten Charlier'schen Systeme ist es dem Aeronaut nur einmal gestattet zu steigen und zu fallen, wenigstens ist dieses sehr beschränkt, da er es nur durch Auswerfen von Ballast und Ausströmen von Gas zu ermöglichen vermag, welche zu ersetzen er nicht im Stande ist. Auf die von mir vorgeschlagene Weise ist das Steigen und Fallen aber so lange möglich, als das eingeschlossene Gas genügt, um das Gewicht der Last auszugleichen. Der Luftschiffer hat somit die verticale Bewegung mit weit größerer Sicherheit in der Hand, und es hängt in Beziehung auf 1) von ihm ab, ob er rasch oder langsam sich von der Erde erheben, ober über die ungünstige Luftströmung gehen oder durch rasches Niederlassen sich ihrer Wirkung entziehen will, und zuletzt, falls die Ankerstelle ihm nicht geeignet scheint, erhebt er sich neuerdings, um eine bessere zu suchen. 3) Aus Vorstehendem ergibt sich, daß die Luftschifffahrt weit weniger gefährlich wird, da außer der Möglichkeit des Zerplatzens des Ballons keine Gefahr mehr vorhanden ist, und selbst diese Gefahr beseitigt der Fallschirm. 4) Der größte Theil der Physiker nimmt an (was auch L. Gobard bestätigt), daß verschiedene, ja entgegengesetzte Strömungen in der Luft stattfinden. Für diesen Fall wird es von besonderem Werth seyn, eine geeignete Luftströmung suchen und sich in derselben erhalten zu können. Hieran reiht sich die zweite Hauptaufgabe. Findet sich eine Luftströmung, welche annähernd zu einem vorgesteckten Ziele führt, oder sind entgegengesetzte Strömungen vorhanden, so vermögen wir durch Beschreibung von Curven eine dem Laviren der Schifffahrt analoge Fortbewegung des Luftballons zu erreichen. Paris und Berlin z.B. liegen in einer gegenseitigen Lage so, daß beide durch Südwest- und Nordost-Wind, wenn selbige gleichzeitig vorhanden wären, mittelst Benutzung des einen oder andern erreicht werden könnten, sobald wir es in der Gewalt haben die geeignete Strömung zu behaupten. Wir werden aber mit denselben Strömungen von Wien nach Brüssel fahren, wenn wir unter Beschreibung von Curven zuerst mit dem Nordost-Winde bis Paris und mit dem Südwest-Winde von Paris nach Brüssel fliegen. Durch die Lösung des ersten Problems sind wir in Stand gesetzt, die geeignete Strömung zu suchen und zu behaupten; zur Lösung des zweiten Problems – die Curvenbeschreibung – könnte der Vorschlag des Hrn. Dr. Emsmann unter den oben angegebenen Voraussetzungen dienlich seyn, nur dürften die Behälter der comprimirten Kohlensäure nicht an der Gondel, sondern müßten an den verschiedenen Seiten des Ballons angefügt und dort beliebig dirigirt werden können. Außer dem Vorschlag des Hrn. Dr. Emsmann gibt es noch verschiedene andere, die wohl erwarten lassen, daß, in Verbindung mit meinem System, die erwähnten Curven gemacht werden könnten. Die dritte Aufgabe, – die Herstellung einer gasdichten Hülle – wird die größten Schwierigkeiten darbieten, ja fast unlösbar bleiben, weil die Diffusibilität des Wasserstoff- oder Kohlenwasserstoffgases und der atmosphärischen Luft so groß ist, daß, zumal bei einem biegsamen Stoffe, nie eine solche Undurchdringlichkeit erzielt werden kann, wie sie zur Reservirung des Gases für längere Zeit erforderlich ist. Jedenfalls dürste aber ein Mittel gefunden werden, welches günstigere Resultate als die bisherigen liefert, die auch so lange ausreichend seyn werden, als die Luftschifffahrt nur zum Heranziehen einer schaulustigen Menge dient. Hoffentlich ist die wichtige Frage: „wie ist die Luftschifffahrt für die Wissenschaft und das praktische Leben nutzbar zu machen?“ nicht als unlösbar aufgegeben worden. Möchte der von mir bezeichnete Weg ihr neue Anhänger gewinnen, und deren Anstrengungen der lang gehoffte Gewinn, das Luftmeer dem menschlichen Willen zinsbar zu machen, zu Theil werden. Crefeld, den 20. Mai 1859.