Titel: Ueber die Löslichkeit des Stärkegummis in Weingeist; von E. Friedr. Anthon.
Autor: Ernst Friedrich Anthon [GND]
Fundstelle: Band 155, Jahrgang 1860, Nr. CXXXI., S. 458
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CXXXI. Ueber die Löslichkeit des Stärkegummis in Weingeist; von E. Friedr. Anthon. Anthon, über die Löslichkeit des Stärkegummis in Weingeist. Da der Weingeist das Mittel zur Scheidung des Zuckers von dem Gummi ist, und jetzt häufig zur Bestimmung des Stärkegummis im Traubenzucker angewendet wird, so erschien es mir um so wünschenswerther die Gränze näher kennen zu lernen, bei welcher das Stärkegummi beginnt in Weingeist löslich zu werden, als es für den Chemiker etwas höchst Beunruhigendes ist, wenn er über die Verläßlichkeit eines Scheidungsmittels nicht völlig im Reinen ist. Es wurden daher folgende Versuche angestellt. 1. Versuch mit Weingeist von 0,837. In 1000 Gewichtstheile Weingeist wurde 1 Gewichtstheil in ein körniges Pulver verwandeltes Stärkegummi gebracht, und zuerst bei gewöhnlicher Temperatur, dann nahe beim Siedepunkt des Weingeistes beobachtet. In beiden Fällen behielt das Gummi seine Durchsichtigkeit und seinen Glanz bei, und verminderte sein Volumen nicht. 2. Versuch mit Weingeist von 0,880. Als auch bei diesem Versuch 1 Gewichtstheil Stärkegummi mit 1000 Gewichtstheilen Weingeist zusammengebracht und zuerst bei gewöhnlicher Temperatur, dann aber dem Siedepunkt nahe, fleißig umgeschüttelt wurde, veränderte sich auch dießmal die Menge des Gummi nicht. Dasselbe erweichte sich aber, wurde trübe und bildete bald einen zusammenhängenden Klumpen. Der siedendheiße Weingeist trübte sich beim Erkalten nicht. 3. Versuch mit Weingeist von 0,910. Beim Zusammenbringen von 1000 Gewichtstheilen Weingeist mit 1 Gewichtstheil Stärkegummi vereinigten sich die Körnchen desselben bald zu einem gelblichen durchscheinenden Klümpchen, dessen Volumen sich bei gewöhnlicher Temperatur anscheinend gar nicht oder nur wenig verminderte. Beim Erhitzen bis zum Siedepunkt löste sich jedoch ein großer Theil davon auf, – aber eine vollständige Auflösung fand nicht statt. Als die Menge des Gummis auf 10 Gewichtsth. für 1000 Weingeist gesteigert und die Mischung unter fleißigem Schütteln einige Zeit in der Hitze erhalten wurde, löste sich mehr Gummi auf, ohne daß auch dießmal eine vollständige Auflösung bei der Siedhitze zu erzielen gewesen wäre. Beim Erkalten trübte sich diese Auflösung. Als neuerdings 1000 Weingeist mit 100 Stärkegummi einige Zeit in der Siedhitze erhalten wurden, so verminderte sich das Volumen des letzteren beiläufig um 1/3. Der unaufgelöst, gebliebene Theil lag als ein dickes gelbes, durchsichtiges Liquidum zu Boden. Die klare überstehende Lösung trübte sich beim Erkalten und ließ Gummi in Form klarer klebriger Tröpfchen fallen. Nach sechstägigem Stehen gab die weingeistige Lösung einen Gehalt von 0,9 Proc. Gummi zu erkennen. 4. Versuch mit Weingeist von 0,950. Es wurden 1000 Gewichtsth. Weingeist mit 7 Gewichtsth. Gummi gelinde erhitzt, wodurch vollständige Auflösung stattfand. Beim Erkalten trübte sich jedoch die Auflösung und schied so viel Gummi aus, daß nur 3,6 Proc. wasserfreies Gummi in Auflösung verblieben. Ferner wurden 1000 Gewichtsth. Weingeist mit 340 Gewichtsth. Gummi gemischt und bis zum Siedepunkt erhitzt. Nach längerem Umschütteln löste sich alles Gummi auf, das sich beim Erkalten wieder zum großen Theil ausschied und eine Flüssigkeit zurückließ, welche 19 Procent wasserfreies Gummi enthielt. Das zu diesen Versuchen verwendete Stärkegummi war aus reiner Kartoffelstärke mittelst Malz auf gewöhnliche Weise hergestellt, mit Weingeist von allem Traubenzucker befreit, und soweit getrocknet, daß es bei 80° R. nichts mehr an Gewicht verlor. Daß eine Verflüchtigung des Weingeistes beim Erhitzen der Proben vermieden wurde, versteht sich von selbst. Es ergibt sich sonach aus diesen Versuchen Folgendes: a) Stärkegummi ist sowohl in kaltem als wie in siedendem Weingeist von 0,837 und 0,880 völlig unauflöslich, doch entzieht es dem letzteren bereits etwas Wasser, erweicht sich dadurch und vereinigt sich zu einem zusammenhängenden Klumpen. b) Weingeist von 0,910 löst bereits das Stärkegummi, jedoch nur in geringer Menge und sehr unvollständig auf, so daß derselbe selbst in der Siedhitze nicht einmal im Stande ist 1/10 Procent Stärkegummi vollständig aufzulösen. Dagegen nimmt dieser Weingeist in der Siedhitze, wenn ihm Gummi in einigem Ueberschuß dargeboten wird, aus diesem gegen 3 Proc. auf, von denen sich beim Erkalten jedoch wieder 2,1 Proc. ausscheiden, so daß sich in der erkalteten Lösung nur 0,9 Proc. vorfinden. c) In Weingeist von 0,950 löst sich in der Wärme das Stärkegummi schon in bedeutender Menge (gegen 1/3) und zwar vollständig auf, scheidet sich aber beim Erkalten ungefähr zur Hälfte wieder aus, und zwar geschieht dieses sowohl in dem Falle als man das Stärkegummi in größerem Verhältniß in dem Weingeist aufgelöst, als wie wenn man minder concentrirte Lösungen hergestellt hat. Es scheint sonach der Weingeist von 0,950 das mittelst Malz dargestellte und durch Weingeist von nebenbei gebildetem Traubenzucker befreite Stärkegummi in zwei verschiedene Stoffe zu zerlegen, die nahezu in gleicher Menge vorhanden sind, und von denen der eine nur in heißem Weingeist von 0,950, der andere dagegen in heißem sowohl wie in kaltem Weingeist von derselben Stärke löslich ist.