Titel: Ueber die Fabrication des Blutlaugensalzes.
Fundstelle: Band 157, Jahrgang 1860, Nr. XIX., S. 68
Download: XML
XIX. Ueber die Fabrication des Blutlaugensalzes. Aus dem Journal für praktische Chemie, 1860, Bd. LXXX S. 167. Ueber die Fabrication des Blutlaugensalzes. Das Mißverhältniß der Ausbeute an Fabricationsproduct zu dem Verbrauch an Potasche hat R. Hoffmann zu neuen UntersuchungenMan vergl. seine frühere Abhandlung im polytechn. Journal Bd. CLI S. 63. über die chemischen Processe, die bei der Gewinnung des Blutlaugensalzes stattfinden, veranlaßt (Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXIII S. 81). Seine Untersuchungen beziehen sich hauptsächlich auf die Ursachen des unerklärlich großen Potascheverbrauchs und sind experimentell vergleichend mit ganz reinem kohlensauren Kali und mit Materialien der gewöhnlichen Fabrication angestellt. Rücksichtlich der Art, wie das Kaliumeisencyanür entsteht, scheint der Verf. mit Liebig gleicher Ansicht zu seyn, nicht so über die Quelle der Bildung des Schwefelcyankaliums, welches Liebig und Andere auf das Kalisulfat der Potasche zurückführen. Die gewonnenen Anschauungen des Verf. sind folgende: 1) Reines kohlensaures Kali verändert sich beim Schmelzen im Flammofen mit eiserner Schale nicht, verflüchtigt sich auch nicht merklich, selbst bei Hitzen weit über die lebhafte Rothgluth hinaus. 2) Werden Thierstoffe in dasselbe eingetragen, so entstehen von Beginn bis zu Ende der Schmelzung Cyankalium und Schwefelcyankalium „weit über das gewöhnlich übliche Verhältniß von gleichen Theilen Potasche und Thierstoffe hinaus, in gleicher procentischer Menge der Thierstoffe und in gleichem relativen Verhältniß.“ [Es ist nicht recht deutlich, was der Verf. mit diesen in „ “ eingeschlossenen Worten sagen wollte. D. Red.] 3) Das Schwefelcyankalium bildet sich einzig und allein aus dem Schwefelgehalt der Thierstoffe; denn durch Reduction des Alkalisulfats, welches der Potasche beigemengt ist, entsteht bei Anwesenheit von Eisen und Holzkohle sogleich Schwefeleisenkalium und kohlensaures Kali, die Entschwefelung geschieht schnell und vollständig. Dagegen wenn thierische Kohle neben dem Eisen einwirkt, entsteht neben Schwefeleisenkalium auch Schwefelkalium und Schwefelcyankalium, und von den beiden letzteren wird durch Berührung mit Eisenbohr- oder Drehspänen das Rhodankalium keineswegs zersetzt – eine bemerkenswerthe und bisher meistens in Abrede gestellte Thatsache. Durch Schmelzen mit großem Ueberschuß kohlensauren Kalis dagegen zerlegt sich das Schwefelcyanid auch bei Luftabschluß vollständig in cyansaures Kali und Schwefelkalium, wenn nicht Kohle anwesend ist; in diesem Fall bleibt ein Theil desselben unverändert – eine schwer erklärliche Erscheinung. 4) Trotz der leichten Zersetzbarkeit des Cyankaliums durch den Sauerstoff und Wasserdampf der Feuerluft findet in der Praxis eine mindere Ausbeute desselben in Flammenöfen nicht statt, weil die während des Schmelzens entweichenden Gase aus den thierischen Stoffen einen hinreichenden Schutz gegen jene schädliche Einwirkung abgeben. Daher fast überall Flammenöfen beibehalten sind. 5) Ob die gewöhnlichen Schmelzen cyansaures Kali enthalten, ist zweifelhaft. Denn die Ammoniakentwickelung beim Auskochen derselben mit Wasser kann auch durch das Cyan- und Rhodankalium veranlaßt werden. Reines Cyankalium, durch Flammengase zersetzt, enthält nur kohlensaures Kali und aus den gewöhnlichen Schmelzen zieht Alkohol kein cyansaures Kali aus. 6) Die directen Beobachtungen sprechen gegen eine Verflüchtigung von kohlensaurem Kali oder anderen Kalisalzen während des Schmelzens; aber der Gesammtverbrauch an Potasche ist weit größer, als dem Kaligehalt aller gebildeten Cyan-, Schwefel- und Kieselverbindungen entspricht, und liefert daher einen indirecten Beweis dafür. Ueberdieß gesteht der Verf. selbst zu, daß in allen Ofenzügen reichliche Absätze von Chlorkalium und schwefelsaurem Kali gefunden werden. In den kälteren Ofentheilen finden sich auch Absätze von schwefelsaurem Ammoniak und Chlorammonium. 7) Das Schwefeleisenkalium, welches neben Schwefeleisen (?) in dem Rückstand der Schmelzen nach Behandlung mit kaltem Wasser zurückbleibt, löst sich in kochendem Wasser mit grüner Farbe und verhält sich überhaupt wie das von H. Rose beschriebene, aus eisensaurem Kali erhaltene Product (s. Journal für praktische Chemie, Bd. XXIX S. 493): der Verf. gibt ihm die Formel FeS + KS, weil es durch Säuren ohne Abscheidung von Schwefel zersetzt wird. Digerirt man es kalt mit Cyankalium, so bleibt es lange Zeit unverändert, beim Kochen aber veranlaßt es augenblicklich die Entstehung von Blutlaugensalz und etwas Rhodankalium, sofern nämlich die Lösung hinreichend verdünnt ist, um das Schwefeleisenkalium gelöst zu enthalten. Ist dieß aber nicht der Fall und enthält namentlich die Lösung andere Salze, wie kohlensaures Kali reichlich, oder auch neutrale Kalk-, Ammoniak-, Eisen- und Kupfersalze, so wird das Schwefeleisenkalium unlöslich, oder sogar in FeS und KS zerlegt, und daraus ist es erklärlich, warum eine concentrirte Lauge von Schmelze Tagelang mit einem großen Ueberschuß des Schwefeleisenkaliums erwärmt werden kann und doch noch ein reicher Antheil Cyankalium nicht in Blutlaugensalz verwandelt wird, sondern verloren geht. 8) Von dem Kieselerdegehalt, welchen sowohl die Potasche als die Thierstoffe enthalten, geht der größere Theil in eine im kalten Wasser und für den Fabricationsbetrieb unlösliche Verbindung mit Kali, Erden und Eisen über, welche beim Auslaugen hinterbleibt; ein anderer Theil bleibt als Kalisilicat in der Mutterlauge und geht später in das sogenannte Blaukali über, d.h. in den Verdampfungsrückstand der letzten auskrystallisirten Blutlaugensalzlösung. In diesem Blaukali, welches immer wieder zu neuen Schmelzen angewendet wird, häufen sich natürlich auch die übrigen fremden Salze der Mutterlauge an, und es mehrt sich die Kieselsäure darin so, daß ein Theil derselben gleich bei der Auslaugung der aus ihm erhaltenen Schmelze in den unlöslichen Auslaugerückstand übergeht, nicht ohne einen Theil Kali zu binden, später geht alle Kieselerde ohne weiteres Zuthun in den Auslaugerückstand und das angehäufte Chlorkalium – an 12 Proc. betragend 7 – kann durch Krystallisation gewonnen werden. Durch den Gehalt an Kieselerde erklärt sich also hauptsächlich der nutzlose Verbrauch von kohlensaurem Kali, der immer größer wird mit zunehmender Verwendung des an Kalisilicat reichen Blaukalis. Der Verf. theilt folgende analytische Belege über seine Versuche mit. Schmelzversuche ohne Eisenzusatz. Es gaben 100 Thle. Thierstoffe, nämlich: Textabbildung Bd. 157, S. 71 Blutlaugensalz; Unlöslichen Rückstand: KCyS; Kieselsäure; in Rückstand; im Blaukali; Verbrauch; im Blutlaugensalz; im Rückstand; in unbekannter Quelle; Horn mit Potasche Nr. 1; in starker Glühhitze; Lumpen mit derselben Potasche in mäßiger Hitze; Lumpen mit Kohle bei mäßiger Hitze; Lumpen mit Kohle bei starker Hitze; Schlichtspäne mit derselben Potasche bei mäßiger Hitze; Schlappen mit derselben Potasche in mäßiger Hitze; Horn und Schlappen mit Potasche Nr. 2; Horn, Lumpen und Blaukali Nr. 2; Lumpen mit Blaukali Nr. 4, vorher entkieselt und 7 Proc. Eisen; Horn mit Blaukali Nr. 7; Lumpen mit Blaukali Nr. 6; Schlappen mit Blaukali Nr. 8 Die zu den Schmelzversuchen angewandten Potaschesorten hatten folgende Zusammensetzung: Nr. 1. Nr. 2. 100,67 97,0     0,62 KCl       –   2,17 ––––––––––––––– 101,29 99,17 Differenz für einen Natrongehalt  – 1,29  + 0,83 ––––––––––––––– 100,00 100 Die in den Schmelzversuchen angeführten Proben Blaukali besaßen folgende Zusammensetzung: Nr. 1. Nr. 2. Nr. 3. Nr. 4. Nr. 5. Nr. 6. Nr. 7. Nr. 8. 84,0 82,4 75,15    78,84 78,90    44,10 71,10    74,7 i    9,07    7,66    8,79      3,82    4,82    20,37    9,48      4,25 KS    6,21    3,85    8,30 10,06      8,76    1,40 KCl    7,16 10,13 13,05   Differenz für einenNatrongehalt u. nichtbestimmte Substanzen + 0,72 – 1,07 – 2,37 + 17,34 + 6,22 + 26,77 + 5,07 + 21,05 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 100 100 100 100 100 100 100 100 Nr. 1 ist das Blaukali, welches aus den Schmelzversuchen 1–4 resultirte. Nr. 2 ist das Blaukali aus dem Schmelzversuch 5 und wurde zu Schmelzversuch 6 verbraucht. Nr. 3 ist Blaukali, vom Schmelzversuch 6 zurück erhalten. Nr. 4 ist Blaukali Nr. 3 nach der Entkieselung, zu Schmelzversuch 7 angewendet. Nr. 5 Blaukali vom Schmelzversuch 7 zurück erhalten und abermals entkieselt. Nr. 6 Blaukali aus dem gewöhnlichen Fabrikbetrieb, zu Schmelzversuch 9 dienend. Nr. 7 Blaukali aus dem gewöhnlichen Fabrikbetrieb, zu Schmelzversuch 8 dienend. Nr. 8 Blaukali aus dem gewöhnlichen Fabrikbetrieb, zu Schmelzversuch 10 dienend. Analyse der Auslaugerückstände (Schwärzen). Textabbildung Bd. 157, S. 72 Sämtlich von Schmelzversuchen mit reiner Potasche; Schwärze von Horn, heiß gewaschen; Lumpen; kalt gewaschen; Schlichtspänen, heiß gewaschen; Horn und Schlappen, heiß gewaschen; Horn und Schlappen, kalt gewaschen; Horn und Lumpen, heiß gewaschen; Horn und Lumpen, kalt gewaschen; Lumpen und Blaukali von vorigem, heiß gewaschen; Lumpen und Blaukali von vorigem, kalt gewaschen 7 Schwärze von Horn und Blaukali, mit heißem Wasser gewaschen. 8 aus dem Fabrikbetrieb bei Schmelzversuch 9 (mit Potasche, Blaukali,    Hammerschlag, Lumpen und Horn), kalt gewaschen. 9 a aus dem Fabrikbetrieb nach Einführung der Entkieselung, kalt gewaschen. b aus dem Fabrikbetrieb nach Einführung der Entkieselung, heiß gewaschen. Textabbildung Bd. 157, S. 73 Kohle; Alkalien; berechnet; Nr.