Titel: Ueber die Farbstoffe der Kreuzbeeren und gewisse allgemeinere Beziehungen unter den gelben vegetabilischen Farbstoffen; von Prof. Dr. P. Bolley.
Fundstelle: Band 157, Jahrgang 1860, Nr. LXXIII., S. 295
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LXXIII. Ueber die Farbstoffe der Kreuzbeeren und gewisse allgemeinere Beziehungen unter den gelben vegetabilischen Farbstoffen; von Prof. Dr. P. Bolley. Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, 1860, Bd. V S. 53. Bolley, über die Farbstoffe der Kreuzbeeren. Der Inhalt der chemischen Untersuchungen der Kreuzbeeren (persischen Beeren, Avignonkörner) ist kurz folgender: Kane unterscheidet zwei Farbstoffe: a) einen mit Aether ausziehbaren gelben, nadelförmig krystallisirenden, im kalten Wasser fast nicht, in Aether leichtlöslichen, den er Chrysorhamnin nennt. Dieser enthält im Mittel zweier Analysen C = 58,02 H =   4,70 und soll beim Lösen in heißem Weingeist oder Wasser und Kochen der Lösung sich verändern, und einen andern Farbstoff b) abscheiden, das Xanthorhamnin, das in Alkohol und Wasser löslich, in Aether unlöslich ist und bei 320° F. getrocknet die Zusammensetzung C = 52,55 H =   5,15 zeigt. Gellatey erhielt durch Aether kein „Chrysorhamnin“ oder eine sonst charakteristische Substanz. Mit Weingeist aber einen gelben, in Nadeln krystallisirenden, in kaltem und heißem Wasser leichtlöslichen, in Aether unlöslichen Körper von der Zusammensetzung (bei 100° C.) C = 52,10 H =   4,38, den er für Xanthorhamnin in reinem Zustande hält. Dieser Körper läßt sich durch Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure spalten und liefert neben Glucose einen in Wasser, Alkohol und Aether löslichen Körper „Rhamnetin“ von der Zusammensetzung C = 59,41 H =   4,38 Hlasiwetz lieferte eine Arbeit über das Quercitrin und stellt bei deren Mittheilung in den Annalen der Chemie und Pharmacie (Octoberheft 1859) Betrachtungen über die Untersuchung Gellatey's an, in welchen er sich aber vorzugsweise an die Ergebnisse der Elementaranalyse hält. Die folgende Uebersicht wird klar machen, worin seine Vermuthungen bestehen. Es enthält: Quercitrin bei 100° C.nach Bolley (1841)und Hlasiwetz (1859) Kane'sXanthorhamnin Gellatey'sXanthorhamnin C = 52,49 C = 52,55 C = 52,10 H =  5,03 H =   5,15 H =   5,78 und Quercetin (Rigand) Chrysorhamnin (Kane) Rhamnetin (Gellatey) C = 59,23 C = 58,02 C = 59,41 H =   4,13 H =   4,70 H =   4,38 Hlasiwetz hält das Xanthorhamnin für identisch mit Quercitrin und das Rhamnetin für identisch mit Quercetin; eigene Arbeiten über Rhamnusbeeren hat er nicht gemacht. Zur Aufklärung einiger Widersprüche habe ich die persischen Beeren ebenfalls untersucht. Die Darstellung der Präparate daraus hat Hr. Stud. Terisse aus Neuchâtel unter meiner Anleitung ausgeführt. Ich habe zuerst festzustellen, daß er mit rohem Aether einen reichlichen Auszug erhielt (dieß erklärt vielleicht die Differenzen zwischen Kane's und Gellatey's Angaben). Dieses Extract lieferte nach dem Verdunsten des Aethers, Aufnehmen des Rückstandes in Alkohol, Filtriren, Verdunsten unter Wasserzusatz gelbe sternförmig gruppirte Nadeln, die bei wiederholtem Lösen, Kochen und Fällen sich nicht änderten. Ich stellte Analysen mit zwei verschiedenen Partien dieser Substanz an und erhielt von der einen C = 58,87 H =   4,66, von der anderen C = 60,239 H =   4,180. In reinem Aether waren diese Krystalle etwas löslich, in Wasser wenig, in Weingeist leicht. Ihre Lösung gibt mit Bleizuckerlösung ziegelrothe Niederschläge, mit Silberlösung zuerst blutrothe Färbung, dann Silberreduction. Ich habe früher schon gefunden, daß der Bleiniederschlag für das Quercetin ganz besonders charakteristisch ist und erfuhr jetzt, daß dieß auch mit der Silberlösung der Fall ist. Das Quercetin verhält sich gegen beide Körper ganz wie beschrieben wurde. Es kann kein Zweifel bleiben, daß der von mir ausgeschiedene krystallisirte Farbstoff nichts anderes ist als Quercetin. Ich halte an diesem Ergebniß das für höchst interessant, daß damit die Präexistenz der Spaltungsproducte des Quercitrins in einer Pflanzensubstanz nachgewiesen ist. Wir können sagen, das „Chrysorhamnin“ Kane's (das Gellatey nicht erhielt) ist Quercetin, aber zweifelhaft erscheint mir nach Obigem, daß es sich leicht zersetze und einen Körper, wie den von Kane unter dem Namen Xanthorhamnin beschriebenen, liefere. Spaltung bedarf es also nicht, um Rhamnetin zu erhalten, wenn wirklich das Rhamnetin, wie Hlasiwetz vermuthet, Quercetin ist. Oder machte sich die Spaltung in einigen Gelbbeerensorten von selbst? Man unterscheidet dem Ansehen und der Abkunft nach verschiedene. – Diese gewiß nicht unwahrscheinliche Annahme erklärt auch einige Widersprüche zwischen den Resultaten Gellatey's und Kane's, d.h. daß der eine Chrysorhamnin (Rhamnetin oder Quercetin) durch directen Auszug erhielt, der andere nicht. Ich kann bei diesem Anlasse die Bemerkung nicht unterdrücken, daß nach der allgemeinen Annahme der Techniker der Farbstoff der Gelbbeeren für weniger ächt gehalten wird, als der der Quercitronrinde. Daß dem so sey, ist nach Obigem wenigstens unwahrscheinlich. Die Gelbbeeren sind sehr im Preise gesunken, theils weil die Tafelfarben (ihre beinahe einzige Verwendung) weniger häufig mehr vorkommen, theils weil andere gelbe Farbstoffe (Pikrinsäure, Gelbschoten, Chromfarben) mehr in Aufnahme kommen. Dieselben sind sehr reich an Pigment, unvergleichlich reicher als Quercitron und Wau. Es wäre sicherlich des Versuches in den Färbereien werth, ob nicht dieser Farbstoff nach Preis und Solidität ebenbürtig den andern sey; daß er es nach Klarheit und Sättigung der gelben Farbe ist, erleidet keinen Zweifel.