Titel: Verfahren, um Photographien auf Stein zu übertragen und dieselben druckfähig zu machen; angewendet in der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.
Fundstelle: Band 157, Jahrgang 1860, Nr. LXXXVIII., S. 346
Download: XML
LXXXVIII. Verfahren, um Photographien auf Stein zu übertragen und dieselben druckfähig zu machen; angewendet in der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien. Verfahren, um Photographien auf Stein zu übertragen und dieselben druckfähig zu machen. Dieses Verfahren beruht wesentlich auf folgenden Punkten: 1) auf der Erzeugung eines hierzu geeigneten Negativs, 2) auf dem Ablösen von der Glasplatte, 3) auf der Präparation des Steines. Das Wesentlichste eines solchen Negativs besteht darin, daß dasselbe in allen Lichtern ganz rein und durchsichtig ist, ohne auch nur von dem schwächsten Ton betroffen zu seyn. Nur solche Originalen können zur Erzeugung eines Negativs verwendet werden, welche rein und klar mit Linien oder Punkten ausgeführt sind. Im Nachstehenden folgen die durch die Erfahrung erprobt befundenen Manipulationen: Ein für das obige Verfahren zu verwendendes Negativ darf nie zu viel, sondern muß eher etwas zu kurz belichtet und stark abgeblendet seyn. Jedes Collodium, welches sehr klare Lichter gibt, ist hierzu brauchbar. Ferner ist ein anderer, noch viel wichtigerer Umstand vorzüglich zu beachten, nämlich das Negativ muß von der Glasplatte ablösbar seyn, so daß das Bild wie eine dünne, sehr weiche und biegsame Haut auf dem präparirten Steine gleich einem feinen Blatt Papier flach ausgebreitet werden kann. Ueberzug für den Stein. 1 Theil Asphalt wird in 20 Theilen Chloroform gelöst und gut filtrirt. In der Verwendung des Chloroforms liegt die Ursache des Gelingens. Der Asphalt erlangt durch dasselbe eine viel größere Empfindlichkeit für die Lichteinwirkung und verursacht die reine und scharfe Abgrenzung der Conturen. Uebertragung auf den Stein. Die Uebertragung auf Stein geschieht auf folgende Art: Der Stein wird im Dunkeln mit dem obigen lichtempfindlichen Präparate durch Uebergießen überzogen, und dann durch 15 bis 20 Minuten gut trocknen gelassen; hernach gibt man das abgelöste Collodiumbild auf den präparirten Stein, bedeckt selbes mit einer Spiegelplatte und setzt den Stein der Lichteinwirkung aus, was 1 bis 3 Stunden dauern kann. Nach der Belichtung bringt man den Stein an einen dunkeln Ort zurück, hebt die Glasplatte sammt dem negativen Bilde von dem Steine ab, und man wird nur schwache Spuren eines Bildes bemerken; dieses ist gleichsam unsichtbar in dem Ueberzuge des Steines verborgen; das Bild muß nun aufgedeckt, bloßgelegt oder entwickelt werden. Entwickelung des Bildes. Man bringt den Stein, welcher von der Belichtung nicht mehr warm seyn darf, in ein Gefäß von Holz, welches jedoch übergroß seyn muß, um darin folgende Manipulationen sehr rasch nach einander vornehmen zu können. Der Stein wird sehr schnell und gleichförmig mit Terpenthinöl, welches nöthigenfalls mit etwas Alkohol oder Benzin versetzt wird, übergossen, hierauf bewegt man ihn ganz wenig, und das Bild fängt an sichtbar zu werden. Alles von dem Lichte nicht gebundene Präparat hat sich gelöst, und muß nun durch Uebergießen mit vielem Wasser augenblicklich entfernt werden; der Strahl des Wassers kann scharf seyn, um damit alle öligen Theile gehörig fortzuspülen; hierauf läßt man den Stein trocknen. Erzeugung der negativen Bilder auf Collodium. Es geschieht dieses auf die gewöhnliche bekannte Weise. In der k. k. Hof- und Staatsdruckerei wird zur Erzeugung der Schießbaumwolle ein halbes Loth trockener, reiner, feinster Baumwolle in einer Mischung von 12 Loth (210 Grm.) Kalisalpeter und 24 Loth (420 Grm.) englischer weißer concentrirter Schwefelsäure behandelt. In einem starken Porzellangefäße wird der gepulverte Salpeter mit der bestimmten Quantität Schwefelsäure übergossen und durch Umrühren mit einem Glasstabe die Auflösung befördert; hernach wird die Baumwolle alsogleich in das Gefäß eingetragen und darin während 20 Minuten fleißig umgedreht, gedrückt und geknetet, damit alle Theile sich gehörig imprägniren. Die auf diese Weise präparirte Wolle wird nun aus dem Porzellangefäße genommen und in einem großen Gefäße, welches mit frischem Brunnenwasser gefüllt ist, ausgebreitet, indem man sie zuerst mit einem Glas- oder Holzstabe, später mit beiden Händen im Wasser zertheilt und sorgfältig wäscht; das Wasser wird einigemale gewechselt, die Wolle jedesmal stark ausgepreßt und dieselbe zuletzt mit destillirtem Wasser gewaschen. Ist dieß geschehen, so wird sie abermals gut ausgepreßt und fein zertheilt, damit keine Knötchen oder dicke zusammengedrehte Massen bleiben, und, vor Staub geschützt, auf Löschpapier zum Trocknen ausgebreitet. In eine Mischung von 36 Loth (630 Grm.) höchst rectificirtem Schwefeläther und 4 Loth (70 Grm.) 40° Alkohol wird ein halbes Loth vollkommen getrocknete Schießbaumwolle eingetragen und gut geschüttelt, worauf man das so erhaltene Collodium zur Klärung ruhig stehen läßt. Zum Jodiren werden 24 Gran (1,75 Grm.) Jodkalium und 12 Gran (0,88 Grm.) Jod-Ammonium in 4 Loth (70 Grm.) Alkohol heiß gelöst, und nachdem die Lösung etwas gekühlt ist, dem Collodium beigemengt. Das Ganze wird gut geschüttelt, und wenn es geklärt ist, zum Gebrauche filtrirt. Das letztere geschieht am besten durch weißes Löschpapier oder Baumwolle in einem gläsernen verschließbaren Trichter. Die reine Glasplatte muß mit dem Collodium sehr gleichmäßig überzogen werden, wonach sie zum Empfindlichmachen in noch naßfeuchtem Zustande in das Silberbad, welches aus 1 Loth (17,5 Grm.) Höllenstein, in 15 Loth (263 Grm.) destillirtem Wasser gelöst, besteht, gebracht wird; sie bleibt darin so lange, bis die opalisirende Platte keine öligen Streifen mehr zeigt. Die Dauer der Belichtung ist sehr verschieden und kann sich von einer Secunde bis zu fünf Minuten, je nach Umständen, steigern, und zwar entweder: 1) nach der Lichtstärke des Objectivs, oder 2) nach der Helligkeit des aufzunehmenden Gegenstandes, oder 3) nach der größeren oder geringeren Lichtempfindlichkeit des negativen Präparates. Hervorgerufen wird mit 4 Gran (0,29 Grm.) Pyrogallussäure, welche in 8 Loth (140 Grm.) destillirtem Wasser gelöst und wozu 1 1/2 Loth (25,26 Grm.) Eisessig zugesetzt werden; sodann wird das Ganze gut geschüttelt und filtrirt. Ist das Bild kräftig genug erschienen, so wäscht man die Platte mit destillirtem Wasser sehr gut ab. Fixirungsflüssigkeit. 5 Loth (87,5 Grm.) unterschwefligsaures Natron werden in 10 Loth (175 Grm.) Wasser aufgelöst. Man übergießt das Bild mit dieser Lösung und läßt selbe so lange darauf einwirken, bis die nicht gedunkelten Stellen ganz durchsichtig wie Glas geworden sind. Conservirung der negativen Collodiumbilder. Das gut getrocknete Collodiumbild wird auf der Glasplatte mit einer Gutta-percha-LösungGutta-percha-Lösung: 1 Loth (17,5 Gramm) weiße gereinigte Gutta-percha wird in 50 Loth (875 Grm.) Chloroform aufgelöst und filtrirt. übergossen, resp. überzogen, das überzogene Bild sodann an einen Ort gegeben, wo es während des Trocknens keinem Luftzüge ausgesetzt ist, welches ungefähr 10 bis 15 Minuten Zeit erfordert. Nun wird dem schon einmal überzogenen Bilde ein zweiter Ueberzug gegeben, und zwar mit Gelatin;Pergament-Leim (Gelatin): 1 Loth (17,5 Grm.) Pergamentspäne (Abfälle) werden in 12 bis 15 Loth (210–363 Grm.) Wasser gekocht, bis sich ein eigenthümlicher Kalkgeruch verbreitet, sodann durch ein Leinentuch filtrirt und 1/8 Loth (2,2 Grm.) Glycerin gut darunter gemengt. dieses wird im lauwarmen flüssigen Zustande auf das Bild aufgegossen, so zwar, daß auf demselben keine Wellen zum Vorschein kommen und überhaupt der ganze Ueberzug eine sehr glatte Oberfläche erhält, wonach auch die zweite Schichte gut getrocknet wird. Ablösung des überzogenen Collodiumbildes von der Glasplatte. Ist das Bild vollkommen trocken, so werden ungefähr zollbreite Papierstreifen an die vier Ränder des Bildes aufgeklebt, dieses mit einem feuchten Schwamme durchgehend angefeuchtet, die Ränder gerade unter den Papierstreifen mittelst eines Messers ringsherum etwas losgemacht, dann aufgehoben, behutsam abgezogen, flach auf ein Bret gelegt und mit Schwerklötzen ausgespannt, bis das Bild vollkommen getrocknet ist. Die Behandlung des Steines zum Drucke ist die gewöhnliche (Kreutzer's Jahresbericht über die Fortschritte der Photographie, IV. Jahrgang.) Nachschrift. Hr. W. Horn bemerkt in seinem photographischen Journal (1860, Bd. XIV, Nr. 4) über dieses Verfahren Folgendes: „Sowohl aus dem Verfahrem selbst, wie aus den der bezeichneten Zeitschrift beigegebenen drei Probeblättern ist ersichtlich, daß diese Methode nicht geeignet ist, um photographische Aufnahmen von Porträts, Landschaften etc. nach der Natur, wohl aber nach Kupferstichen, Lithographien, Holzschnitten, Handzeichnungen in Strichen oder Punkten auf den Stein zu übertragen. Das Verfahren ist jedoch von hohem Werthe für die getreueste Vervielfältigung von alten Manuscripten, Facsimiles, Illustrationen für Bücher, Landkarten und Plänen, Zeichnungsvorlagen etc., und dasselbe gestattet überdieß eine Verkleinerung oder Vergrößerung der Originale, ohne die Correctheit und den Kunstwerth derselben im mindesten zu gefährden.“