Titel: Weißes Schießpulver; von Franz Ritter v. Uchatius, k. k. österr. Artillerie-Major etc.
Autor: Franz Ritter Uchatius [GND]
Fundstelle: Band 161, Jahrgang 1861, Nr. XLII., S. 146
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XLII. Weißes Schießpulver; von Franz Ritter v. Uchatius, k. k. österr. Artillerie-Major etc. v. Uchatius, über weißes Schießpulver. Behandelt man Stärkemehl mit einer Mischung aus concentrirter Salpeter- und Schwefelsäure, wie dieß bei Erzeugung der Schießwolle geschieht, so entsteht nach hinreichendem Auswaschen, Entsäuren und Trocknen, ein weißer oder gelblicher, pulverförmiger Körper, welcher in Beziehung auf Entzündlichkeit, Gasentwicklung und überhaupt Verwendbarkeit als Schießmittel ein der Schießwolle ähnliches Verhalten zeigt. Das Eintragen der gepulverten Stärke in die Doppelsäure hat aus dem Grunde einige Schwierigkeiten, weil kaum zu vermeiden ist, daß sich Knollen bilden, deren innere Partien sich der Einwirkung der Säuren entziehen. Am einfachsten ist die Erzeugung auf nachfolgende Weise: Man löset 1 Gewichtstheil trockene Kartoffelstärke in 8 Theilen concentrirter rauchender Salpetersäure bei gewöhnlicher Zimmertemperatur auf, indem beide Bestandtheile in eine Flasche gebracht und öfter geschüttelt werden. Nach einer Stunde ist gewöhnlich die Lösung vollständig erfolgt. Diese Lösung gießt man in dünnem Strahle in 16 Gewichtstheile concentrirte englische Schwefelsäure, unter lebhaftem Umrühren mit einem Glasstabe, wobei sich das Präparat in fein vertheiltem Zustande ausscheidet und mit dem Säurengemische zusammen einen dünnen Brei bildet. Nach Verlauf von 12 Stunden gießt man den Brei in das wenigstens 8fache Volumen Wasser, wäscht das Pulver durch Decantiren so lange mit Wasser aus, bis blaues Lackmuspapier davon nicht mehr geröthet wird, bringt es mit hinreichender Menge Wasser, und soviel kohlensaurem Natron als dem vierten Theile des Gewichts der angewandten Stärke entspricht, in ein Kochgefäß, und hält es während einer halben Stunde im Kochen. Man gießt hierauf die braune Lauge ab, kocht und wäscht das Pulver noch einige Male mit Wasser aus, und trocknet es bei einer Temperatur zwischen 50 und 60° C. Auf diese Art erhält man einen wahrscheinlich dem Xyloidin nahestehenden Körper, in Form eines zarten Pulvers, welches in Wasser und Weingeist nicht, in Aether leicht löslich ist, und nach dem Eintrocknen der Lösung als eine spröde gummiartige Substanz zurückbleibt. Bei Berührung mit einem glimmenden Holzspane oder bei Erhitzung bis auf 175° C. brennt es rasch ab, ohne einen Rückstand zu hinterlassen. Mit dem Hammer auf eiserner Unterlage geschlagen, explodirt der getroffene Theil, durch Reibung ist es sehr schwer zu entzünden. In Staubform in ein Gewehr geladen, reicht 1 Gramm hin, um einen ebenso kräftigen Schuß hervorzubringen, wie selber sonst mit 3,5 Grammen gewöhnlichen Pulvers hervorgebracht wird. Auch die Körnung ist möglich, entweder indem man das Pulver mit einer Mischung von gleichen Theilen Schwefeläther und Weingeist zu einem Teige abknetet und letzteren durch ein Sieb reibt, oder indem man aus dem trockenen Pulver dünne Platten preßt, diese zerkleinert und aussiebt. Ungeachtet dessen dürfte es nicht leicht gelingen, diesen Körper für sich allein als Schießmittel anzuwenden, da er, sowie unter gewissen Umständen auch die Schießwolle, zweierlei Arten der Verbrennung unterliegt, wovon die eine von voluminöser, gelb gefärbter Flamme, hoher Temperatur und starker geruchloser Gasentwicklung, die andere, welche beinahe unsichtbar stattfindet, von niedriger Temperatur und schwacher, nach den Zersetzungsproducten der Salpetersäure riechenden Gasentwicklung begleitet ist. Nur wenn die erstere, vollkommene Verbrennung eintritt, ist eine hinreichende ballistische Wirkung vorhanden, im letzteren Falle hingegen werden die Projectile mit schwachem Geräusch auf kurze Distanz hinausgeworfen, und ist kein Feuerstrahl sichtbar. Ob es möglich seyn wird, die vollkommene Verbrennung jedesmal sicher zu stellen, so wie auch die jetzt noch in zu großem Maaße vorhandene rasche Wirkung zu mildern, werden die weiteren Versuche zeigen. Im Falle des Gelingens stände die Auffindung eines Schießmittels in Aussicht, welches wegen seines äußerst geringen Rückstandes bei der fast allgemein gewordenen Anwendung von Präcisionsgewehren und gezogenen Kanonen als ein Bedürfniß gefühlt wird.