Titel: Verbesserte Windmühlen mit Regulator, welche bei jedem Wetter zu arbeiten gestatten; von Bernard in Lyon.
Fundstelle: Band 161, Jahrgang 1861, Nr. XLV., S. 161
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XLV. Verbesserte Windmühlen mit Regulator, welche bei jedem Wetter zu arbeiten gestatten; von Bernard in Lyon. Aus Armengaud's Génie industriel, Juni 1861, S. 281. Mit Abbildungen auf Tab. III. Bernard's Windmühlen mit Regulator. Die Windmühlen, vielleicht die ältesten aller Motoren, haben nicht mit den Vervollkommnungen Schritt gehalten, welche die übrige mechanische Industrie auszeichnet. Dennoch sollte man glauben, daß die gebotene Kostenlosigkeit der bewegenden Kraft zu ausgedehnterer Benützung derselben auffordern müßte. Indessen hat sich bei allen zu verschiedenen Zeiten versuchten Verbesserungsmethoden, namentlich in Bezug auf Richtung und Regulirung der Windmühlen, ein als unübersteigbar angesehenes Hinderniß herausgestellt: die Mühle kann zwar arbeiten, so lange der Wind stark genug ist um den Widerstand zu überwinden; aber wenn bei Verminderung des Windes der Widerstand nicht geändert wird, so verlangsamt sich die Bewegung bis die Maschine ganz zum Stillstand kommt; sobald die Kraft des Windes dem unveränderten Widerstande nicht mehr gewachsen ist, muß dieß eintreten. In Amerika hat man daher in der letzten Zeit vorgeschlagen, mittelst der Windmühle ein ungeheures Gewicht zu heben, welches um so langsamer steigen wird, je schwächer der Wind ist. Man würde so die Kraft in der Höhe, zu der das Gewicht gehoben worden, aufspeichern, und beim Niedergehen des Gewichtes in regelmäßiger Weise benützen können. Hr. Bernard in Lyon hat das Problem offenbar besser gelöst: er hat den Gedanken ausgeführt, den Widerstand oder die auszuübende Arbeit je nach der bewegenden Kraft veränderlich zu machen; hierdurch erlangt er die Möglichkeit, beständig die Kraft des Windes zu benützen, selbst bei dessen geringster Geschwindigkeit, und erfüllt so die einzige Bedingung, welche wie es scheint im Stande ist, diesem kostenlosen Motor eine größere Beachtung zu verschaffen. Um einen veränderlichen Widerstand der selbst so oft variirenden Kraft entgegenzusetzen, hat der Erfinder an der Bewegungstransmission einen Regulator angebracht, welcher den Hub des Kolbens der durch die Windmühle in Bewegung zu setzenden Pumpe vergrößert oder vermindert. Diese Pumpe kann man so einrichten, daß sie das Wasser aus irgend einem Behälter hebt, um dann zum Berieseln, zum Begießen oder zur Speisung eines hydraulischen Motors zu dienen, oder man kann damit Luft comprimiren, um sie an einem entfernten Orte als Motor zu benutzen. Der Mechanismus dieses Regulators ist ein sehr einfacher. Er besteht aus einem großen Hebel oder Balancier, woran die zu bewegende Kolbenstange aufgehängt ist, und welcher durch die Wirkung eines Excentrics oder einer anderen Vorrichtung mehr oder weniger gehoben werden kann. An dem Ende dieses Balanciers befindet sich eine bewegliche Schraubenmutter, welche auf einer mit Schraubengewinde versehenen Stange auf- und absteigen kann, die zu Zeiten eine mehr oder weniger schnelle Drehung annimmt, oder, wenn nämlich die Mühle ihre Normalgeschwindigkeit hat, ganz in Ruhe ist. Die Drehung geschieht bald rechts, bald links, je nach der Geschwindigkeit des Regulators. Die nicht drehbare Mutter wird dadurch gezwungen, im ersten Falle zu steigen, im zweiten zu sinken. Da aber der Balancier auf derselben aufliegt, so wird dadurch dessen Hub vermehrt oder vermindert. Es folgt aus dieser Einrichtung, daß der Hub des Kolbens durch den Regulator und mithin durch den Wind selbst geregelt wird. Ist die Kraft des Windes groß, so drehen sich die Windflügel schnell um, und der Kolbenhub, mithin auch der Widerstand, wird vergrößert und umgekehrt. Die einzelnen Theile dieses Regulators sind aus Fig. 1 und 2 ersichtlich. Auf einer etwa unter 45° geneigten Achse sind die Flügel in gewöhnlicher Weise angebracht. Mittelst zweier conischen Räder wird die senkrechte Welle A (Fig. 1) im Innern einer hohlen eisernen Säule in Bewegung gesetzt, die auf einer Mauer oder einem festen Unterbau aufgestellt ist. Die Bewegung wird durch die conischen Räder R auf die horizontale Welle A' übertragen, die mit einem Getriebe und einem Schwungrad versehen ist. Das Getriebe greift in das Zahnrad r ein, auf dessen Achse zugleich die excentrische Scheibe C (Fig. 2) befestigt ist, welche zur Bewegungsübertragung dient; sie trägt nämlich mittelst der Rolle g den um den Punkt c beweglichen Hebel L, welcher seinerseits durch die Bleuelstange B mit der Kolbenstange der Pumpe P in Verbindung steht. Die Uebertragung der Bewegung von der Flügelwelle auf die Pumpe ist hieraus leicht ersichtlich. Die Regulirung, der wesentlich neue Theil des Apparates, wird folgendermaßen bewirkt. Auf der Welle A (Fig. 1) ist eine Rolle aufgezogen, welche mittelst einer Schnur mit der Rolle a verbunden ist, die sich an der Stange des Kugelregulators befindet, dessen Parallelogramm eine cylindrische Büchse e' in Bewegung setzt, an welcher die beiden conischen Scheiben b und b' befestigt sind. Diese können abwechselnd mit der conischen Scheibe d in Berührung kommen, welche am Ende einer kleinen mit einem conischen Getriebe versehenen Welle sitzt; dieses Getriebe greift in ein ähnliches an der verticalen Welle t, deren oberer Theil mit einem Schraubengewinde versehen ist und in der Mutter e (Fig. 2) steckt; diese Mutter gleitet zwischen einer verticalen Führung auf und ab, in welcher der gabelförmige Kopf des Hebels L liegt, mittelst dessen die Pumpe in Thätigkeit kommt; die Welle t geht durch diese Gabel hindurch und endigt in einer Spitze, welche in einer Schraube als Lager geht. Wenn also der Wind sehr stark wird, gehen die Regulatorkugeln aus einander und heben die Büchse e' in die Höhe; dadurch bewegt die Scheibe b' mit Reibung die Scheibe d und bringt also die Welle t in eine Bewegung, welche die Mutter e niederzieht. Hierdurch wird für den Hebel L eine größere Bewegung ermöglicht und mithin der Pumpe ein größerer Hub ertheilt, der Widerstand also vermehrt. Das Umgekehrte findet statt, wenn der Wind nachläßt; es kommt dann die Scheibe b zur Wirkung und der Hub der Pumpe wird vermindert, die Maschine also erleichtert. Es wird folglich durch Regulirung des Ganges der Maschine eine gleichmäßige Arbeit hervorgebracht, indem die bewegende Kraft sich selbst ihren Widerstand modificirt. Der ganze Regulator ist so eingerichtet, daß er die Geschwindigkeit zwischen vorher bestimmten Grenzen variiren läßt. Wenn er z.B. auf eine Geschwindigkeit von 40 Umdrehungen in der Minute eingerichtet ist, so wird er den Gang zwischen 38 und 42 Umdrehungen erhalten. So lange dann die Geschwindigkeit 40 Umdrehungen beträgt, findet Gleichgewicht statt und der Gang des Kolbens bleibt derselbe; wenn die Kraft zunimmt oder sich vermindert, so bringt der Regulator auch dieselbe Veränderung am Widerstand hervor und die Folge ist, daß der nominelle Gang, d.h. die Anzahl der Umdrehungen sich zwischen den gegebenen Grenzen nicht verändert. Der Apparat gestattet also die Kraft zeitweise, selbst während ganzer Wochen, aufzuspeichern, um sie dann je nach Bedürfniß zu verwenden, und es kann somit auf diese Weise das große Problem, verlorene Kräfte auszunutzen, als gelöst betrachtet werden. Um die zu erzielenden Wirkungen zu veranschaulichen, dienen folgende Angaben, welche sich auf eine hydraulische Pumpe von nachstehenden Dimensionen beziehen: Die Pumpe hat einen Kolben von 0,278 Met. Durchmesser, 0,600 Quadr. Met. Querschnitt, 0,300 Met. Hubhöhe; oder sie hat drei Körper von je 0,160 Met. Durchmesser des Kolbens, 0,200 Quadr. Met. Querschnitt, 0,300 Met. Hubhöhe. In beiden Fällen ist der durchlaufene Raum bei jedem Hub 6 × 3 Kubikdecimeter = 18 Liter. Bei einer Normalgeschwindigkeit von 30 Umgängen in der Minute ist also der Raum = 540 Liter. Nimmt man an, daß der wirkliche Effect 84 bis 85 Proc. beträgt (wie ihn gute Pumpen geben), so wird die wirklich gehobene Wassermenge 450 bis 460 Liter in der Minute oder 27000 Liter = 27 Kubikmeter in der Stunde betragen. Nimmt man nun an, daß die Geschwindigkeit des Windes in 24 Stunden zwischen den äußersten Grenzen von 1 und 8 Meter per Secunde wechselt, so zwar, daß bei stärkerem Winde die Flügel zum Theil entblößt werden und die Maschine noch fortgeht, so kann man die in 24 Stunden gelieferte Arbeit berechnen. Nach verschiedenen an Windmühlen gemachten Beobachtungen hat sich ergeben, daß der Druck der Luft auf die Flügel sehr erheblich mit der Geschwindigkeit des Windes wechselt; man nimmt diesen Druck auf 1 Quadratmeter Flügel-Oberfläche ungefähr wie folgt an.   0,20 Kil.  0,50  „ bei der Geschwindigkeit von 12 Meter per Secunde schwacher Wind.   1,0    „  2,0    „  3,20  „ 345 mäßiger Wind.   4,50  „ 6 frischer Wind.   6,40  „  8,0    „ 78 zweckmäßigster Wind für    Windmühlen. 10,40  „12,80  „ 910 gute Kühlte für Seeschiffe. 15,60  „19,0    „ 1112 starke Kühlte; Einziehen    der oberen Segel. Wenn also die Windflügel so berechnet sind, daß die Mühle bei der normalen Geschwindigkeit des Windes von 8 Metern per Secunde, die erwähnte Pumpe mit vollem Hube bei 30 Umdrehungen in der Minute bewegen kann, so ist aus obigen Druckstärken leicht die Nutzwirkung für verschiedene Geschwindigkeiten zu berechnen. Nehmen wir z.B. an, daß der Wind mit der geringsten Geschwindigkeit von 1 Meter beginne, und allmählich bis zu einer solchen von 8 Met. steige, und jede Geschwindigkeit die gleiche Zeit, also drei Stunden lang beibehalte, und nehmen wir zur Einheit die Wirkung bei der Normalgeschwindigkeit von 8 Met., so sind die entsprechenden Zahlen, welche die Wirkung bei den übrigen Geschwindigkeiten darstellen, folgende: Geschwindigkeiten. Verhältnißzahlen.              8 Meter   1,00   7    „ 0,80 6    „ 0,50 5    „ 0,40 4    „ 0,25 3    „   0,125 2    „   0,062 1    „   0,025 Hieraus ergeben sich die entsprechenden Mengen gelieferten Wassers, unter Zugrundelegung der obigen Ermittelung für die Normalgeschwindigkeit: Geschwindigkeit per Sec. Wasser in 1 Minute. Wasser in 3 Stunden.    8 Met.    450 Liter 81 Kubikmeter 7   „ 360    „ 64        „ 800 Liter 6   „ 225    „ 40        „ 500    „ 5   „ 180    „ 32        „ 400    „ 4   „ 112    „ 20        „ 250    „ 3   „   56    „ 10        „ 125    „ 2   „   28    „   5        „   62    „ 1   „   11    „   2        „   25    „ Die Gesammtmenge des gehobenen Wassers ist also in 24 Stunden wirklich 266 Kubikm. 162 Liter oder durchschnittlich in der Minute 177 bis 178 Liter. Vergleicht man dieses Resultat mit demjenigen, welches eine gewöhnliche Windmühle ohne Regulator liefern kann, so findet man einen wesentlichen Unterschied. Diese wird bei normalem Winde gut arbeiten, so wie derselbe aber nachläßt, wird der Gang des Kolbens bei nicht vermindertem Widerstand immer langsamer, bis er endlich zum Stillstehen kommt. Höchstens kann man annehmen, daß die Pumpe unter den oben genannten Verhältnissen 8 Stunden in den 24 gehen und per Minute 100 bis 120 Liter liefern könnte. Außerdem läßt man diese Mühle meistens in der Nacht stehen, damit man sie nicht beaufsichtigen muß, und verliert so gerade den besten Wind, während das System Bernard's, welches sich selbst regulirt, Tag und Nacht ohne jede Aufsicht fortarbeiten kann. Indessen können auch abgesehen hievon die gewöhnlichen Mühlen nie die Resultate der Bernard'schen geben, da man im Allgemeinen nur während des dritten Theils des Jahres auf eine mittlere Windgeschwindigkeit von 6 Meter per Secunde rechnen kann, weßhalb man selbst unter den günstigsten Umständen mit den alten Mühlen 2/3 der Zeit verliert. Mit dem Bernard'schen Regulator dagegen kann man, wenn der Wind auch wochenlang auf einer Geschwindigkeit von 3–4 Met. stehen bleibt, immer noch unausgesetzt in je 24 Stunden 100 bis 120 Kubikmeter Wasser heben, was für viele Zwecke schon ausreichend ist. Für die Anwendung in der Industrie muß man natürlich kräftigere Apparate benutzen als die oben angenommenen. Während eine Mühle von der bezeichneten Wirkung nur etwa eine Pferdekraft hat, ist es nicht schwer, die Flügel so zu vergrößern, daß eine Entwickelung von 12–15 und mehr Pferdekräften erzielt wird. Bernard schlägt vor, die Kraft nur zum Wasserheben anzuwenden und mittelst des in einem Bassin gesammelten Wassers ein Rad oder eine Turbine zu treiben. Es ergibt sich aus einer einfachen Rechnung, daß wenn man in einer Fabrik z.B. eine wirkliche Kraft von 10 Pferden während 8 Stunden täglich gebraucht, man nur einer Mühle bedarf, welche in 24 Stunden eine Wassermenge von 2880 Kubikmet. oder in jeder Secunde 33 Liter 10 Meter hoch heben kann. Es lassen sich zahlreiche Anwendungen des Regulators für die verschiedenen Fälle der Industrie erwarten. Der Betrieb von Mahlmühlen, Sägemühlen, Oelmühlen etc., der häufig durch Wind geschieht, wird nicht mehr so vielfachem Stillstande ausgesetzt seyn; die Wasservorräthe, welche die Eisenbahnen erheischen und zu deren Bereithaltung kostspielige Dampfmaschinen erforderlich sind, können mittelst Windmühlen fast ohne Kosten hergestellt werden, und endlich ist die Anwendung zu Bewässerungen und Berieselungen eine eben so nützliche wie der größten Verbreitung fähige. Namentlich dürfte auch die Errichtung von Windmühlen an Wassern, welche zum directen Maschinenbetrieb zwar Masse, aber nicht Gefäll genug haben, Aussicht auf sehr erheblichen Nutzen und auf die Errichtung von Fabriken u. dgl. an Orten gewähren, die bisher der Industrie unzugänglich schienen.

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