Titel: Ueber die Stärke eiserner Schiffe; von William Fairbairn.
Fundstelle: Band 161, Jahrgang 1861, Nr. LVI., S. 187
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LVI. Ueber die Stärke eiserner Schiffe; von William Fairbairn. Fairbairn, über die Stärke eiserner Schiffe. Der folgende Vortrag dieses, was schmiedeeiserne Constructionen anbetrifft, als praktische Autorität angesehenen Ingenieurs wurde in der Manchester literary and philosophical Society am 7. Februar 1861 gehalten, und dürfte zunächst den Schiffsbauer interessirend, auch von allgemeinem Interesse seyn. „In letzterer Zeit haben viele Unglücksfälle erkennen lassen, daß eiserne Schiffe, besonders was ihre Steifigkeit und ihren Widerstand nach der Längenrichtung anbetrifft, mangelhaft construirt werden. Die Angabe von Mitteln gegen diese Mängel ist, in Anbetracht daß Menschenleben und Eigenthum von der Sicherheit dieser Schiffe abhängen, eine wichtige und verdienstliche Sache. Ein Schiff, dessen Länge das 8- bis 9fache seiner Breite beträgt, ist bei unruhiger See zwei verschiedenen Inanspruchnahmen ausgesetzt. Beim Aufsteigen auf die Welle, und auf deren Scheitel ankommend, ist es in der Mitte gestützt und hängt mit den Enden frei; umgekehrt, in das Wellenthal hinabgesunken, ist es an beiden Enden unterstützt und in der Mitte frei hängend anzusehen. In beiden Fällen sind das Deck und der untere Theil der Haut oder Bekleidung, abwechselnd auf Zug und Druck in Anspruch genommen, und es ist Tendenz vorhanden das Schiff in der Mitte zu zerbrechen. Daß dieß wirklich vor sich geht, beweisen zahlreiche Fälle, wo hölzerne und eiserne Schiffe durch ein Brechen in der angegebenen Weise zu Grunde gegangen sind, und es können Umstände vorhanden seyn, wobei diese Gefahr außerordentlich vermehrt wird, z.B. wenn das Schiff aufgerannt oder auf das Ufer geworfen, beim Fallen des Wassers an einem oder zwei Punkten, auf Klippen oder Erhöhungen des Bodens aufsitzt. Derartige Fälle sind vorgekommen, und es ist dabei zweifelhaft geworden, ob die gegenwärtige Constructionsmethode der eisernen Schiffe sie fähig macht, den so vorkommenden Stößen und Drücken zu widerstehen. Ich habe mich schon mehrfach mit der Frage über die Biegungsfestigkeit eiserner Schiffe beschäftigt und damit, ob die Schiffsbauer bei der Construction eiserner Schiffe sich von richtigen Grundsätzen leiten lassen, um die größte Stärke mit dem wenigsten Material zu erreichen, und bin im Verfolg meiner Untersuchungen zu der Ansicht gekommen, daß unsere gegenwärtigen eisernen Schiffe für die eben angegebenen Fälle in bedenklicher Weise schwach construirt sind. Ich glaube ferner, daß man bei einer richtigen Eisenvertheilung diesen Mangel beseitigen kann, ohne durch mehr Material das Gewicht des Schiffes zu vermehren. Um die Stärke der bis jetzt gebauten eisernen Schiffe zu prüfen, nehme ich an, daß der ungünstigste Fall, wo sie in der Mitte auf einen Punkt sich stützen und mit beiden Enden überhängen, eingetreten sey. In dieser Lage kann man ein Schiff in der That mit einem hohlen eisernen Träger vergleichen, und die bekannte einfache Formel W = (adc)/b, womit man die Inanspruchnahmen solcher Constructionen untersuchen kann, anwenden. Hiernach finden wir, daß Schiffe von der jetzt gebräuchlichen Länge im Deck viel zu schwach sind, um den vorkommenden Spannungen zu widerstehen, wenn die vorausgesetzte Lage vorkäme. Beispielsweise habe ich ein vor einigen Jahren erbautes Schiff von 300 Fuß Länge berechnet, und gefunden, daß es schon bei 4/5 seines Eigengewichts nebst Belastung nachgeben würde. Selbst ein Schiff nach den neuesten Bestimmungen des Lloyd construirt und in A. I für 12 Jahre registrirt, kann im Deck den dann vorkommenden Zugspannungen nicht widerstehen. Es drängt sich also der Schluß auf, daß der Querschnitt des Decks dieser Schiffe bedeutend vermehrt werden müßte, weßhalb ich vorgeschlagen habe, unter dem Deck zwei dreieckige und zwei rectanguläre Zellen nach der Länge des Schiffes anzubringen, also dasselbe Princip wie es bei der Britannia-Brücke befolgt ist, anzuwenden. Derartige Zellen würden erheblich die Festigkeit des Decks vermehren und keine große Veränderungen in der Anordnung sonstiger Theile des Schiffes im Gefolge haben. Ferner glaube ich die Anwendung der neuen Anordnung die Stöße mit doppelten Laschen zu vernieten (chain riveting)Beschrieben im polytechn. Journal Bd. CLVII S. 409. längs des Decks und der unteren Partie der Bekleidung, statt der jetzt gebräuchlichen fehlerhaften Anordnung der doppelten Vernietung mit einseitiger Lasche empfehlen zu müssen. Man würde dabei 30 Proc. an Widerstand gegen Zug in diesen Theilen gewinnen können und über die, allerdings dabei vorkommenden praktischen Schwierigkeiten, würde man wohl hinwegfinden können. Betrachtet man die jetzigen eisernen Schiffe, so findet man also, daß nicht jeder Theil entsprechend der Inanspruchnahme construirt ist, da bei ihnen auf die ganze Länge, wie Breite oder Tiefe des Schiffes, das Eisen fast gleichmäßig vertheilt, also viel Material verschwendet ist. In diesen Constructionen muß, um ökonomisch zu verfahren, im Querschnitt unten und oben und nach der Länge in der Mitte des Schiffes das meiste Material sich befinden, und die der Länge nach gehenden Zellen müssen so nahe wie möglich unter dem Deck wie über dem Kiel sich befinden, und von der Mitte nach den Enden des Schiffes hin schwächer werden. Mit Ausnahme vieler Bekleidungs-Platten und Rippen, die gleich stark bleiben müssen, sollte in der Nähe der neutralen Achse nicht mehr Material als durchaus erforderlich verwandt werden. Bei Annahme dieses verbesserten Constructionssystems und im engeren Anschluß an gesunde Principien beim Projectiren, wird meiner Ansicht nach größere Sicherheit erreicht werden können, und die Ursachen oft stattgehabter, furchtbaren Unfälle werden in geringerem Maaße vorhanden seyn oder fast ganz vermieden werden können.“ (Zeitschrift des hannoverschen Architekten- und Ingenieurvereins, Bd. VII S. 208.)