Titel: Ueber den französischen Purpur; vom Professor Heeren.
Fundstelle: Band 161, Jahrgang 1861, Nr. CXXXI., S. 456
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CXXXI. Ueber den französischen Purpur; vom Professor Heeren. Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1861 S. 147. Heeren, über den französischen Purpur. Die hohe Wichtigkeit der in der Neuzeit aufgekommenen rothen und violetten Farben, die babylonische Verwirrung in der Benennung derselben und die häufige Verwechselung der aus dem Anilin dargestellten Pigmente mit dem aus den Färberflechten gewonnenen, läßt es im Interesse der Färberei, und wäre es auch nur im geschichtlichen Interesse derselben, wünschenswerth erscheinen, die Anilinfarben von den Flechtenfarben scharf zu trennen, wie sie ja auch ihrer Entstehung und Natur nach ganz verschieden, wenn auch im Aeußeren zum Theil so täuschend ähnlich sind, daß eine Verwechselung allerdings sehr nahe, ja um so näher liegt, als eine solche oft mit dem Interesse der Fabrikanten Hand in Hand geht. Ohne auf die aus dem Anilin dargestellten rothen und violetten Farben, die bereits eine ziemlich umfangreiche Literatur aufzuweisen haben, auch den Färbern schon bekannt genug sind, näher einzugehen, beabsichtige ich, den französischen Purpur näher zu besprechen, um seine völlige Verschiedenheit von dem Anilinviolett hervorzuheben, zugleich auch einige geschichtliche Daten beizubringen. Für die Anilinfarben beschränke ich mich auf die Angabe der im Handel vorkommenden Namen. So führt das Anilinroth die Namen: Fuchsin, Magentaroth, Solferinroth, Fuchsinsäure, Azalein; das Anilinviolett: Indisin, Violettliquor, Anileïn, Harmalin. Der Name Pourpre française, französischer Purpur, ist von den Fabrikanten Guinon, Marnas und Bonnet, berühmten Seidenfärbern in Lyon, einem von ihnen aus den Färberflechten (Orseilleflechten) wie Lecanora tartarea, Roccella tinctoria und anderen Flechten dargestellten violetten Pigmente beigelegt, welches zwar seinem Ursprunge und seiner Natur nach der Orseille sehr nahe steht, sich aber von ihr in zwei Eigenschaften unterscheidet: einmal dadurch, daß er in viel höherem Grade geneigt ist, ohne Anwendung von Mordants sich auf den Stoffen, besonders den stickstoffhaltigen, Seide und Wolle, zu befestigen und eine sehr echte, haltbare Farbe darzustellen, und zweitens dadurch, daß selbst ziemlich starke Säuren den violetten Farbton nur wenig ins Rothe umzuändern vermögen, während die Orseille schon unter Einwirkung schwacher Säuren sich stark röthet. In einem englischen Patente vom 1. Mai 1858, welches sich William Spence, nach Mittheilung eines Ausländers, ertheilen ließ, ist die Darstellung des französischen Purpurs, freilich in der bei englischen Patenten üblichen unbestimmten Weise, um das Richtige zwischen Unrichtigem zu verstecken, beschrieben, ohne daß sich über die Person des Ausländers, in welcher ich jedoch das genannte französische Haus vermuthen möchte, Nachrichten finden. Diese Beschreibung im Repertory of patent inventions, Januar 1859, S. 79 abgedruckt (und daraus im polytechn. Journal Bd. CLII S. 63 mitgetheilt), lautet: „Das Verfahren umfaßt: 1) die Bereitung des Materials für den darzustellenden Farbstoff, welches Material eine Mischung von Lecanorsäure, Orsellsäure, Erythrinsäure etc. ist; 2) die Umwandlung dieses Materials in Farbstoff durch Einwirkung von Ammoniak, Luft und Wärme, und 3) die Darstellung des Farbstoffes in festem Zustande.“ „1) Die Flechtensäuren können durch Alkohol, heiße Essigsäure (welche dieselben auflöst und sie beim Erkalten wieder ausscheiden läßt), eine Mischung von Alkohol und Ammoniak oder irgend ein Alkali aus den Flechten ausgezogen werden. Wenn man dazu Ammoniak anwendet, so verdünnt man dasselbe mit seinem 5- bis 6fachen Volum Wasser und bewirkt eine methodische Ausziehung, indem man eine und dieselbe Portion Ammoniak nach und nach auf Portionen Flechten, die schon mehr oder weniger vollständig extrahirt sind, und zuletzt auf eine frische Portion wirken läßt, so daß die Flüssigkeit sich mit den Säuren möglichst sättige. Der Auszug wird nachher mit überschüssiger Schwefelsäure oder Salzsäure vermischt, wodurch die Flechtensäuren sich niederschlagen, die man dann auf einem Filter sammelt, vorsichtig wäscht und trocknet. Man kann die Flechtensäuren auch mit Kalk ausziehen, indem man die Flechten mit Kalkmilch erhitzt, worauf man die Flechtensäuren durch Salzsäure fällt. Man kann auch so verfahren, daß man die Flechtensäuren nicht für sich darstellt, sondern die Flechten lediglich mit angesäuertem Wasser (20 bis 25 Grm. Schwefelsäure auf 1 Liter Wasser) kocht und darauf mit Wasser wäscht. In diesem Falle bleiben die Flechtensäuren mit dem holzigen Theile der Flechten vereinigt.“ „2) Der auf die eine oder andere Weise erhaltene, aus den Flechtensäuren bestehende Niederschlag wird unter Umrühren mit so viel Ammoniak vermischt, daß er sich auflöst, und die Mischung gekocht, wodurch man eine Flüssigkeit erhält, deren Farbe bald in Orangegelb übergeht und welche, wenn man sie bei 15 bis 20° C. der Luft aussetzt, sich alsbald in der erforderlichen Weise verändert, indem sie nach einander verschiedene Farben annimmt und zuletzt lebhaft roth wird. Wenn die Flüssigkeit diese Beschaffenheit angenommen hat, wird sie in flache Gefäße gebracht, so daß sie darin nur 10 bis 12 Centimeter hoch steht und also der Luft eine verhältnißmäßig große Oberfläche darbietet. Diese Gefäße werden allmählich auf 40 bis 60° C. erwärmt. Nach einigen Tagen ist die beabsichtigte Umwandlung des Farbstoffes vollständig eingetreten. Dieselbe gibt sich dadurch zu erkennen, daß die Flüssigkeit purpurviolett geworden ist, sich gegen schwache Säuren unempfindlich zeigt, Seide und Wolle ohne Beihülfe irgend einer Substanz färbt und durch Vermittelung von Beizen auch auf Baumwolle fixirt werden kann. Wenn man statt der Flechtensäuren, die durch Behandeln mit säurehaltigem Wasser gereinigten Flechten anwendet, so ist das Verfahren im Wesentlichen ebenso und die Behandlung wird in der ersten Phase der Umwandlung (bis zur Bildung der rothen Farbe) ohne Absonderung der holzigen Theile ausgeführt; für den zweiten Theil der Operation, welcher eine höhere Temperatur erfordert, muß dagegen die Flüssigkeit durch Auspressen der Flechtenmasse von den holzigen Theilen abgesondert werden.“ „3) Sobald die Umwandlung der Flechtensäuren in Farbstoff beendigt ist, werden die Flüssigkeiten, welche denselben gelöst enthalten, vereinigt und mit Schwefelsäure oder einer anderen Säure gesättigt. Dabei entsteht ein reichlicher stockiger Niederschlag, welchen man auf einem Filter sammelt und sodann sorgfältig auswäscht und trocknet.“ Nach einem späteren, demselben Spence ertheilten Patente (mitgetheilt im polytechn. Journal Bd. CLII S. 300) wird die an der Luft roth gewordene ammoniakalische Flüssigkeit nicht, wie früher, mit Schwefelsäure, sondern mit Chlorcalcium gefällt, der Niederschlag gewaschen und getrocknet. Er besitzt nun das Ansehen von Indigo, wird wie dieser beim Reiben mit dem Fingernagel kupferroth, unterscheidet sich aber durch seine violette Farbe. In diesem Zustande kommt er in den Handel. Nach Hornig (Verhandlungen des niederösterreichischen Gewerbevereins, April 1859, S. 73) liefert die Fabrik von Guinon, Marnas und Bonnet den Purpur in drei Sorten: 1) Pourpre, ein von allen fremden Stoffen freier Farbstoff; 2) Pourpre française, ein Kalklack; 3) Thonerdelack. Mit dem reinen Purpur ist die Ausfärbung auf Seide und Wolle ganz ohne Mordant leicht ausführbar; bei dem Kalklack dagegen müssen auf 1 Theil desselben 3/4 Theile Oxal- oder Weinsteinsäure genommen werden, um den Kalk zu binden und so den Farbstoff in Freiheit zu setzen; auch könnte der Kalk durch kohlensaures Ammoniak an die Kohlensäure gebunden werden. Wolle muß vorher durch schweflige Säure gebleicht seyn, weil sonst nicht so reine Farbtöne erzielt werden. Auf Seide kann man mit französischem Purpur lila bis violett färben, so wie auch eine unabsehbare Reihe von Farbtönen durch Beihülfe von Saflor, Cochenille und Indigcarmin, vom Roth der Johnnnisbeeren bis zum Violett der Alpenrosen. Für den Druck auf Kattun empfiehlt Guinon den Thonerdelack, der, in Essigsäure gelöst und mit Magnesia versetzt aufgedruckt wird. Zum Färben der Baumwolle wird dieselbe mit Eiweiß getränkt, getrocknet und ausgefärbt. – Ludwig Krieg in seinem Werke: „Theorie und praktische Anwendung von Anilin in der Färberei und Druckerei“ handelt auch vom französischen Purpur und beschreibt das Verfahren beim Färben und Drucken mit demselben. Er führt an, daß er bei einer Analyse des Kalklackes beim Verbrennen desselben einen, 35 Proc. betragenden Rückstand, bestehend aus kohlensaurem Kalk, Thonerde nebst Spuren von Salz- und Schwefelsäure erhalten habe. Zur Unterscheidung des französischen Purpurs von den Anilinfarbstoffen gibt er Folgendes an: Aetzende Alkalien machen Flechtenfarblösungen blauviolett; Anilinfarben zeigen hierdurch keine Aenderung, längeres Kochen bewirkt in beiden Fällen eine Entfärbung. Durch Salzsäure und Schwefelsäure, Oxalsäure, Essigsäure werden Flechtenfarblösungen prachtvoll roth; Indisin und Violettliquor werden durch Schwefelsäure und Salzsäure prachtvoll blau, durch Oxalsäure und Essigsäure kaum verändert. Diesen Angaben Krieg's kann ich nur theilweise beistimmen, denn das Anilinroth wird von ätzendem Natron, selbst in ziemlich verdünntem Zustande entfärbt, doch kommt die Farbe nach vollständigem Auswaschen und Entfernung des Natrons wieder hervor. Für Anilinviolett ist die Krieg'sche Angabe richtig. Das durch Säuren in den Flechtenfarbstoffen entstehende Roth hat zwar für Orseille seine Richtigkeit, nicht aber für den französischen Purpur, dessen violetter Farbton selbst durch ziemlich starke Salz- und Schwefelsäure nur wenig ins Röthliche gezogen wird, und gerade in dieser merkwürdigen Indifferenz gegen Säuren liegt der wesentliche Unterschied des französischen Purpurs und der Orseille. Wird dagegen französischer Purpur in mäßig starker Natronlauge gelöst und die prachtvoll violette Lösung mit Salzsäure übersättigt, so wird sie roth. Es gründen sich diese Angaben auf Versuche mit Purpur, der mir vor Kurzem von Hrn. Marnas direct zugestellt ist. Die sicherste Unterscheidung zwischen Pourpre française und Anilinviolett scheint mir demnach darin zu bestehen, daß der erstere durch ziemlich starke Salzsäure nur etwas mehr ins Rothe gezogen, nach vorheriger Behandlung mit Natronlauge aber entschieden roth wird, während das Anilinviolett sich mit Salzsäure um so reiner blau färbt, je stärker die Säure. Zum Schluß und zur Vervollständigung des Geschichtlichen der Sache sey mir erlaubt, einen Auszug aus einem Briefe mitzutheilen, der mir kürzlich von Hrn. Marnas, Theilhaber des oben genannten Hauses (Guinon, Marnas und Bonnet, 6 rue Bugeaud à Lyon und 35 rue Fontaine St. Georges à Paris) zugieng, in welchem er Klage führt, daß von einem andern Fabrikanten Treson, der auf ein ähnliches, obwohl auf andere Art aus den Färberflechten dargestelltes Pigment ein Patent besitze, fein Haus angefeindet werde und von mir eine Bescheinigung wünscht, daß das von ihnen angewandte Verfahren mit der von mir im Jahre 1831 in meinen damaligen Untersuchungen über die Färberflechten bekannt gemachten Darstellung des Flechtenroths ganz übereinstimme. Voici de quoi il s'agit: Etant spécialement teinturier en soie et accessoirement fabricant de matières colorantes, je suis parvenu en 1856 après de longues recherches à développer la couleur de l'orseille avec des caractères de stabilité, qu'on n'avait pu lui donner jusque là. J'ai l'honneur de vous remettre un échantillon de la nouvelle matière pure, que j'ai ainsi obtenue et que j'ai appellée Pourpre Française. Vous pourrez vous convaincre, qu'elle donne à la teinture des nuances, qu'on n'avait jamais obtenues par l'orseille ordinaire et aussi, qu'elle résiste à des acides mêmes énergiques, ce qui m'a permis de l'associer à certaines couleurs rouges et bleues qui ne se fixent que par le concours de ces mêmes acides et de produire ainsi une grande variété de nuances. C'est dans votre travail sur l'orseille (Berzelius, Edition de Bruxelles), que j'ai trouvé les moyens de séparer par l'ammoniaque tous les principes colorables des lichens, à l'effet de pouvoir ensuite les métamorphoser et engendrer la couleur dans l'état ou je vous la présente. A l'occasion de ce travail industriel je me trouve attaqué avec mes associés en contrefaçon, non pour la formation de ma nouvelle couleur, mes droits sur ce point ne sont pas contestés, mais bien pour avoir appliqué le procédé même, dont vous avez enrichi la science et que l'industrie n'avait qu'à copier sans y rien changer. Ainsi je traite les orseilles à froid par l'ammoniaque comme vous l'avez prescrit; puis, après avoir filtré et exprimé, je sature la liqueur par l'acide chlorhydrique à l'effet de précipiter la matière gélatineuse colorable en évitant toutefois et à dessein l'addition de chlorure de calcium que vous conseillez. Le fabricant qui m'attaque avait trouvé bon, il y a quelques années, de breveter votre procédé comme lui appartenant et on a poussé la malveillance jusqu'à me considérer comme contrefacteur de la maisonTreson, laquelle au mois d'Août 1848 avait pris un brevet pour séparer les acides des lichens par voie mécanique en lavant et triturant les orseilles avec de l'eau froide pour faire tomber la fécule en poussiére, qui les recouvre. Quoique je n'aie faite que suivre exactement le traitement par l'ammoniaque que vous avez si bien décrit, malgré le rapport favorable pour moi, que les trois experts nommés, Mr. Péligot, Wurtz et Barreswil ont rendu devant le tribunal, je viens d'être condamné comme contrefacteur, compromis dans mes intérêts et dans mon honneur, comme si tout homme n'avait pas le droit de puiser dans les travaux de la science les secours qu'il peut y trouver, comme s'il pouvait vous être interdit d'exploiter vous même aujourd'hui le procédé que vous avez trouvé et donné à la science et à l'industrie, il y a 30 ans.“ etc. Der französische Purpur wird also in der That so gewonnen, wie das von mir dargestellte Flechtenroth, jedoch durch eine nachträgliche Behandlung, welche die Fabrikanten natürlich für sich behalten, in den durch Säuren fast unveränderlichen und auf den stickstoffhaltigen Stoffen so fest haftenden Zustand versetzt. Ich bemerke schließlich, daß die mir von den Fabrikanten geschickte Probe ihres Fabricates beim Verbrennen eine weiße, aus kohlensaurem Kalk bestehende und 42 Procent betragende Asche hinterläßt.