Titel: Ueber Steinsprengungen mittelst Schießwolle; vom Ingenieur-Hauptmann Oppermann in Hannover.
Fundstelle: Band 162, Jahrgang 1861, Nr. LIX., S. 187
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LIX. Ueber Steinsprengungen mittelst Schießwolle; vom Ingenieur-Hauptmann Oppermann in Hannover. Aus der Zeitschrift des hannoverschen Architekten- und Ingenieur-Vereins, 1861, Bd. VII S. 264. Mit einer Abbildung auf Tab. III. Oppermann, über Steinsprengungen, mittelst Schießwolle. In dem für die Befestigungsbauten von Komorn dienenden Steinbruche unweit Totis in Ungarn, so wie bei den Wallmauer-Sprengungen in Wien hat seit den Jahren 1857 und 1858 die Schießwolle eine ausgedehntere Anwendung gefunden, und sind die dabei gemachten Erfahrungen sowohl in Bezug auf Kostenersparung, als auch wegen der Leichtigkeit und Sicherheit in der Manipulation so entschieden zu Gunsten der Schießwolle ausgefallen, daß deren Bekanntwerden auch in weiteren Kreisen wünschenswerth erscheint. Die Schießwolle ist dabei zur Ladung der Bohrlöcher in zwei Formen zur Anwendung gebracht. In Komorn bediente man sich der vollen cylindrischen Patronen von 4 Wiener Loth Gew., bei welchen die über einander gewickelten Wollfäden cylindrische massive Körper von 4 1/10 Zoll W. M. Länge und 1 Zoll Durchmesser bilden. In Wien dagegen wurden gleichfalls cylindrische, aber innen mit einer Höhlung versehene Patronen angewendet, bei welchen 3 Loth Wollfäden auf einen aus dickem Cartonpapier gefertigten hohlen Cylinder von 4 Linien Durchmesser und 5 Zoll Länge gewickelt sind. Der in diesen Patronen befindliche hohle Raum befördert die Entzündung ungemein, weil das Zündfeuer sowohl an der äußeren convexen, als an der inneren concaven Seite Angriffspunkte findet, was deßhalb höchst wesentlich ist, weil es bei der Schießwolle hauptsächlich auf eine möglichst gleichzeitige und rasche Entzündung aller in einem Bohrloche befindlichen Patronen ankommt, und diese Gleichzeitigkeit die Wirkung außerordentlich vergrößert. Es hat sich auch thatsächlich bestätigt, daß Bohrlöcher mit 5 Stück hohlen 3löthigen Patronen, also auf 25 Zoll mit nur 15 Loth Schießwolle geladen, ganz dieselbe Wirkung erzeugten, wie gleiche Bohrlöcher mit 6 Stück vollen 4löthigen Patronen, also auf ebenfalls nahezu 25 Zoll mit 24 Loth Schießwolle geladen; woraus sich eine Ersparniß an Wolle im Verhältniß von 15,24 oder nahezu von 3,5 zu Gunsten der hohlen Patronen ergibt. Für beide Gattungen Patronen wurden die Bohrlöcher von 2 1/3 bis 2 1/2 Zoll Durchmesser hergestellt, damit sie die gehörige Weite erhielten, um die Patronen leicht hinein zu laden, ohne die Form derselben zu zerstören und dadurch die rasche Feuerleitung zu unterbrechen. Die Tiefe des Bohrloches bestimmte sich nach der Länge der zur Ladung gewählten Patronen und der Länge der Verdämmung, welche zur Verhütung des Auswurfs und des Herumschleuderns von Trümmerstücken erforderlich war. In letzterer Beziehung genügte erfahrungsmäßig bei Ladungen von 12 bis 54 Loth Wolle eine sorgfältig hergestellte Verdämmung von 6 bis 8 Zoll Länge, außer dem zur Absonderung der Ladung von der Verdämmung angewendeten Pfropf und einer davor liegenden 2zölligen Schicht Hobelspäne. Der Vorgang bei der Ladung der Bohrlöcher war im Allgemeinen folgender. Zuerst wurde die elektrische Zündpatrone a, Fig. 14, mit ihrem bis über das Bohrloch hinausreichenden Stabe m, an welchem die Leitungsdrähte befestigt sind, bis auf den Boden des Bohrloches gebracht, und der daneben übrig bleibende Raum mit Sägespänen h aufgefüllt. Dann wurde die erste Wollpatrone w auf den Kopf der elektrischen Patrone aufgesetzt, nachdem ein Stück Woll-Zündschnur b von etwas größerer Länge als die Bohrlochstiefe an dem unteren Ende der Wollpatrone gut befestigt und durch deren Höhlung nach aufwärts gezogen war. Auf diese Zündschnur wurden nach und nach die folgenden Patronen aufgefädelt und mittelst eines hölzernen Stabes hinabgeschoben, wobei die Zündschnur mäßig gespannt bleiben mußte. Zuletzt schob man den Ueberschuß an Zündschnur ebenfalls hinab, verschloß die Ladung durch einen Pfropf p aus Werg oder Papier, brachte darauf eine Schicht Hobelspäne x, bedeckte diese etwa 2 Zoll hoch mit Sand s, und stellte endlich die solide Verdämmung v aus Lehm mit Ziegelstücken und Steintrümmern her. Zur Beseitigung jeder Gefahr durfte hierbei mit eisernen Geräthen erst dann gearbeitet werden, wenn die Ladung schon völlig bedeckt war. Da übrigens die Schießwolle weder ein Verstauben herbeiführt, noch durch Druck zur Selbstentzündung gebracht werden kann, so bietet ihre Ladung keine Gefahr dar, wenn die bei solchen Arbeiten überhaupt nie außer Acht zu lassenden Vorsichtsmaßregeln berücksichtigt werden. In Ermangelung einer elektrischen Zündung kann auch die Woll-Zündschnur b unmittelbar zur Zündung verwendet werden. Das Ladungsverfahren bleibt dabei, mit Hinweglassung der elektrischen Patrone a und der Sägespäne b, im Wesentlichen ungeändert, die Zündschnur jedoch wird, soweit sie aus den letzten Patronen hinausreicht und durch die Verdämmung geht, durch einen wasserdichten Schlauch von Papier, Leinewand etc. gezogen und außerhalb des Bohrloches mit einer entsprechenden Länge Wollschnur ohne Schlauch verbunden, nämlich von hinreichender Brenndauer, um das Ende der letzteren mit Sicherheit anzünden zu können. Die Entfernung der Bohrlöcher unter einander, um mit dem Minimum an Arbeit und Kosten ein Maximum des möglichen Erfolges der Steinsprengung mit Schießwolle zu erreichen, kann nach den bei Komorn gemachten Erfahrungen durchschnittlich auf das 1 1/3fache der bei Anwendung von Pulver ermittelten Entfernung vergrößert werden. Es liegt nämlich in der Eigenthümlichkeit der Schießwolle, namhaft weiter sich erstreckende Zerklüftungen des Gesteins zu bilden, als bei Pulverladungen der Fall ist. Da nun bei Anwendung von Pulver die Entfernung der Bohrlöcher von einander im Allgemeinen auf 3 bis 3 1/2 Widerstandslinien angenommen wird, vorausgesetzt nämlich, daß Pulver ausgiebige Zerklüftungen des Gesteins bis auf 1 3/4 Widerstandslinien zu bewirken vermag, wenn der Ladungs-Coefficient für die betreffende Steingattung durch entsprechend angestellte Versuche vorher bestimmt worden ist, so kann diese Entfernung für Schießwoll-Ladungen auf 4 bis 4 2/3 Widerstandslinien angenommen werden, zumal im festen Gestein, wo die Zerklüftung weiter um sich greift. Hieraus ergibt sich unter übrigens gleichen Verhältnissen bei Anwendung der Schießwolle eine Verminderung der Bohrlöcherzahl, und somit eine Ersparung an Arbeit und Kosten, im Verhältnisse von 3 zu 4. Bei zerklüfteten Gesteinsarten müssen freilich weit näher an einander liegende Bohrlöcher angebracht werden, doch wird immerhin auch hier ein günstigeres Verhältniß bei Anwendung der Wolle stattfinden, als beim Pulver. In dem Zeitraum von Beginn des Winters 1857 bis 17. August 1858 sind in dem Steinbruche am Leozhegye unweit Totis bei Komorn im Ganzen 1006 Wiener Kubik-Klafter Bruchsteine durch Sprengschüsse mit Schießwolle gewonnen, für welche zusammen 462 Wiener Pfund Schießwolle, mithin pro Kubik-Klafter 15 Loth zur Verwendung kamen. Im Jahre vorher waren in demselben Bruche und bei der gleichen Steinart zur Gewinnung von 1000 Kubik-Klafter Steinen 3000 Pfund Sprengpulver, mithin 3 Pfund = 96 Loth pro Klafter erforderlich, also etwa 6 Mal mehr Pulver als Schießwolle. Die Kosten der Bohrung und sonstigen Nebenarbeiten stellten sich bei beiden Sprengpräparaten etwa gleich, dagegen betrug der Aufwand für Pulver im Ganzen 1100 fl., für Schießwolle aber nur 616 fl., so daß bei den gewonnenen 1006 Kubik-Klafter Bruchsteinen sich eine Ersparung von 484 fl. ergab, welche in der Folge noch bedeutender werden muß, wenn erst die Schießwolle durch fabrikmäßigen Betrieb im Großen hergestellt werden wird.

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Tafel Tab. III
Tab. III