Titel: Weitere Nachricht über den vom Mechanicus Hrn. O. Fennel beschriebenen Fernrohr-Aufsatz für Geschütze.
Fundstelle: Band 168, Jahrgang 1863, Nr. LXVII., S. 244
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LXVII. Weitere Nachricht über den vom Mechanicus Hrn. O. Fennel beschriebenen Fernrohr-Aufsatz für Geschütze. Ueber Fennel's Fernrohr-Aufsatz für Geschütze. Die von Hrn. O. Fennel in diesem Journal Bd. CLXVII S. 330 veröffentlichte Beschreibung eines Fernrohr-Aufsatzes für Geschütze veranlaßt zu folgenden berichtigenden Mittheilungen über die Entstehung dieses artilleristischen Instrumentes und den jetzigen Standpunkt seiner Vervollkommnung. Im Jahre 1861 drängte sich dem Artillerie-Hauptmann Darapsky zu Cassel während des Scheibenschießens mit gezogenem Geschütze der Wunsch auf, an dem Richt-Aufsatze desselben ein facultativ verwendbares Diaphragma zu haben, welches dem richtenden Auge einen Theil seiner Arbeit abnähme und schädliche Lichtstrahlen von ihm fern hielte. Bei Besprechung der Sache mit Hrn. Spangenberg, Civilingenieur und Lehrer an der höheren Gewerbeschule hierselbst, brachte letzterer zur Ausführung dieser Idee Hrn. Mechanicus O. Fennel in Vorschlag, welcher, als junger Anfänger in einem selbstbegründeten Geschäfte, sich den erforderlichen Versuchen gewiß gern unterziehen werde, und über die zulässigen Minimal- und Maximalwerthe der Durchmesser von Diopterscheibe und Ocularöffnung, nach den von Stampfer in Wien gemachten Erfahrungen, Aufschluß von ihm erhalten solle. Hr. O. Fennel übernahm dann auch diese Arbeit mit anerkennungswerther Bereitwilligkeit, und empfing hiernach von Hrn. Spangenberg die oben erwähnten Instructionen, wobei ihm, wie sich später herausstellte, zugleich der Gedanke mitgetheilt wurde, daß sich dieses Diopter ähnlich wie bei Nivellir-Instrumenten oder Theodoliten, auch wohl durch ein Fernrohr ersetzen lassen dürfte. Es wurde ihm bei dieser Gelegenheit insbesondere auch noch das Stampfer'sche kleine Nivellir-Instrument mit der Vergrößerung = 1, bei welchem also Objectiv und Collectiv gleiche Brennweite haben, als besonders geeignet zu dem vorliegenden Zwecke bezeichnet, und erhielt Hr. Fennel weiter den XIXten Band von den Jahrbüchern des polytechnischen Instituts zu Wien zu seiner weiteren Belehrung. Die Diopter-Arbeit wurde vollkommen zufriedenstellend ausgeführt und es theilte dann Hr. O. Fennel seinem Auftraggeber, Artillerie-Hauptmann Darapsky, als eigene Idee, die Ansicht mit, daß das Diopter des Aufsatzes auch wohl in ein Fernrohr verwandelt werden könne, zu welchem Zwecke er eine von ihm graphisch niedergelegte Construction mit kreisförmigen Führungen für das Fernrohr proponirte, welche letzteren Hr. Artillerie-Hauptmann Schmarda in seiner verdienstvollen Schrift: „Geometrische Vorbedingungen zur treffsicheren Fernwirkung der Artillerie“ und zwar, vom allgemeinen theoretischen Standpunkte aus, gewiß mit vollem Rechte befürwortet, weil sie als mathematisch genaue Lösung des Problems dastehen. – Dem praktischen Leben und speciell vorliegenden Bedürfnissen entnommene Gründe jedoch, wie sie in dem Aufsatze: „Ueber die Visireinrichtungen gezogener Geschütze“ in dem zweiten Hefte des Bandes LI vom Archiv für die Officiere der kgl. preußischen Artillerie- und Ingenieur-Corps niedergelegt worden sind, ließen dem Hrn. O. Fennel anheim geben, ob er, wenn man sich überhaupt an derartigen Versuchen betheiligen solle, auf die Idee eines Geschützaufsatzes mit geradlinigen Fernrohr-Führungen eingehen wolle, und so entstand dann allmählich ein den tatsächlich gegebenen Verhältnissen annähernd entsprechendes Versuchs-Instrument, mit welchem während der im Winter von 1861/62 angestellten Versuche recht schätzbare Erfahrungen gesammelt wurden, vollständig befriedigende Resultate aber nicht erlangt werden konnten, da das Instrument nur behelfsweise zusammengesetzt war und namentlich auch an demselben die Achsen für Horizontal- und Vertical-Bewegung des Fernrohrs noch nicht genau richtig lagen, während andererseits eine Reproduction des von Hrn. O. Fennel unentgeltlich gestellten Instrumentes ohne Aussicht auf reelle Erfolge nicht rathsam erschien. In diesem Stadium blieb die Sache bis zum Sommer 1862 liegen, wo, – nachdem die in Rede stehende Frage durch den bereits erwähnten Artikel im Archiv, sowie durch die, in der Militär-Literatur mit den ihr gebührenden Ehren anerkannte Schrift des Herrn Hauptmann Schmarda schriftstellerisch behandelt, und auch das Eingangs besprochene Diopter beim Scheibenschießen gut befunden worden war, – sich die höheren zuständigen Behörden derselben annahmen, und dann durch ausgedehntere Versuche dargethan werden konnte, daß der mittelst eines Glasmikrometers, auch zum Distanzmesser nach dem Principe der doppelten Messung verwendbare Fernrohr-Aufsatz, bei richtiger Construction ein sehr nützliches artilleristisches Instrument abgeben werde. Bei der hiernach erfolgten definitiven Bestellung eines solchen Aufsatzes wurde Hr. O. Fennel darauf aufmerksam gemacht, daß bei dem bisherigen Versuchsinstrumente beide Drehungsachsen des Fernrohrs falsch lagen und außerdem auch die continuirliche Festhaltung des Aufhängepunktes der optischen Fernrohrachse in der Visirebene des Geschützes durch die bisherige Methode einseitigen Fernrohr-Aufhängens nicht gesichert erscheine, weßhalb es zweckmäßig seyn dürfte, dem Fernrohre des neu zu bauenden Aufsatzes zwei Auflagepunkte zu geben. Hr. O. Fennel versprach, die fehlerhafte Lage der beiden Drehachsen des Fernrohrs bei dem neu anzufertigenden Instrumente vermeiden zu wollen, glaubte aber die Festhaltung der optischen Fernrohr-Achse in der Visirebene des Geschützes auch anderweitig bewirken zu können, und wünschte deßhalb die einseitige Aufhängung des Fernrohrs beibehalten zu dürfen, was seinen Grund in dem Wunsche gehabt haben mag, welcher in der, diese Zeilen veranlassenden Veröffentlichung seinen Ausdruck findet. Das Ergebniß hiervon war die als unzweifelhaft sich herausstellende Thatsache, daß der von Hrn. O. Fennel neu gelieferte Fernrohr-Aufsatz seinem Zwecke nicht entspricht, weil durch seine Construction die continuirliche Festhaltung des Aufhängepunktes der optischen Achse des Fernrohrs in der Visirebene des Geschützes, – oder auch, was dasselbe ist, „das Verbleiben des Durchschnittspunktes der optischen Achse mit der Drehungsachse des Fernrohrs in der zur horizontalen Drehung senkrechten und durch deren Mittepunkt gehenden geraden Linie“, – nicht gesichert erscheint. Um die Sache endlich einem befriedigenden Ende entgegen zu führen, wurde dann Hr. Mechanicus Breithaupt Hierselbst von dem die betreffenden Versuche leitenden Artillerie-Hauptmann Darapsky zu Rathe gezogen, und nach einer eingehenden Besprechung der vorliegenden Aufgabe um den Entwurf einer verbesserten Aufsatz-Construction mit zwei Aufhängesäulen für das Fernrohr desselben gebeten, worauf derselbe, in freundlichstem Entgegenkommen, sofort ein graphisch niedergelegtes Project lieferte, welches, nach den bisher gemachten ErfahrungenErsahrungen, allen an einen brauchbaren Fernrohr-Aufsatz für Geschütze zu machenden Anforderungen entspricht. Das Fernrohr desselben ruht, gleich einem Geschützrohre, auf zwei Lagern, welche letztere sich in einem geschlossenen Rahmen auf und nieder schieben lassen. Dieser Rahmen besteht aus zwei vertical aufgestellten messingenen Cylindern, welche oben und unten fest mit einander verbunden sind und so ein Ganzes ausmachen, wodurch, im Gegensatze zu einem einzelnen prismatischen Stabe, eine größere Festigkeit des Trägers und mehr Sicherheit in der Führung des Fernrohrs bewirkt wird. Außerdem hat die mit Hrn. Mechanicus Breithaupt vereinbarte Art der Zusammensetzung und Aufstellung des Fernrohr-Aufsatzes aber auch noch folgende sehr wesentliche Vortheile: 1) Das Fernrohr, welches leicht aus seinen Lagern zu nehmen ist, kann, gleichwie bei einem Theodoliten, umgelegt werden, so daß hierdurch die Möglichkeit gegeben ist, die Rechtwinklichkeit der optischen Achse zur Drehungsachse desselben zu prüfen und durch angebrachte Correctionsschrauben zu justiren. 2) Die Lager des Fernrohrs sind für die richtige Verticalbewegung desselben justirbar eingerichtet. 3) Das Fernrohr gestattet eine freie Bewegung im verticalen Sinne unter Beibehaltung der Fest- und Feinstellung. 4) Soll das Fernrohr als Handfernrohr gebraucht werden, so bleibt der schwerere und wesentliche Theil seiner Armirung zurück und man führt weiter nichts in der Hand, als das Fernrohr mit seiner Achse und deren Klemmärmchen. 5) Die Verticalbewegung des Fernrohrs unterliegt dadurch, daß, correspondirend mit der am rechten Führungs-Cylinder befindlichen Scala, noch eine zweite Scala am linken Führungs-Cylinder angebracht worden ist, einer Controle. Zur Uebernahme etwaiger Bestellungen gut construirter Fernrohr-Aufsätze dieser Art, welche durch eingesetzte Glasmikrometer von genügender Feinheit und höchst zweckmäßiger Einrichtung der Theilung auch zu sehr brauchbaren Distanzmessern nach dem Principe der doppelten Messung eingerichtet sind, und zu letzterem Zwecke mit, an der Laffette transportirbaren Stativen versehen werden, hat sich Hr. Mechanicus Breithaupt dahier auf Befragen bereit erklärt. Dy. Cassel, am 10. April 1863.