Titel: Ueber ein neues Verfahren der Blutlaugensalzfabrication aus Ammoniaksalzen; von Dr. H. Fleck, Lehrer der Chemie an der kgl. polytechnischen Schule in Dresden.
Fundstelle: Band 169, Jahrgang 1863, Nr. LIII., S. 210
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LIII. Ueber ein neues Verfahren der Blutlaugensalzfabrication aus Ammoniaksalzen; von Dr. H. Fleck, Lehrer der Chemie an der kgl. polytechnischen Schule in Dresden. Aus dem polytechnischen Centralblatt, 1863 S. 717. Mit Abbildungen. Fleck, über ein neues Verfahren der Blutlaugensalzfabrication aus Ammoniaksalzen. In wie geringem Grade die bis jetzt übliche Methode der Blutlaugensalzfabrication den Namen einer rationellen verdient, ist aus den Abhandlungen, wie sie im Verlauf der letzten sechs Jahre von Brunnquell, Karmrodt, Gentele und dem Schreiber dieses über den Gegenstand veröffentlicht worden sind, zur Genüge bekannt geworden. Vorschläge zu Verbesserungen auf dem einmal betretenen Wege sind vielfach gethan worden, aber zum Theil an der Schwierigkeit ihrer praktischen Durchführung, zum Theil an der noch mangelnden Vertrautheit mit dem chemischen Vorgange des Schmelzverfahrens, unter Anwendung thierischer Abfälle bei letzterem, gescheitert. Schreiber dieses hatte während seines mehrwöchentlichen Aufenthaltes in England im Sommer 1862 Gelegenheit, mehrere Blutlaugensalzfabriken zu besuchen, fand in denselben indeß das alte Verfahren mit sehr wenigen Verbesserungen, welche sich mehr auf Ausnutzung mechanischer Vortheile beschränkten, gehandhabt. Erst in London bot die Industrieausstellung Gelegenheit, ein von den bisherigen völlig abweichendes Verfahren vorschlagsweise kennen zu lernen, welches ihn zu neuen Untersuchungen auf diesem Gebiete anregte. In der französischen Abtheilung chemischer Producte bemerkte ich ein Schränkchen, dessen unteres Fach eine Zeichnung unter Glas und Rahmen barg, welche die größte Aehnlichkeit mit einem Destillationsapparate besaß und procédé de préparation du prussiate de potasse par le sulfure de carbone bezeichnet war. Als Commentar hierzu befand sich an der Seitenwand des Schrankes eine gedruckte Beschreibung dieses Verfahrens, welches sich kurz durch folgende vier Formeln in seinem Verlauf ausdrücken läßt: CS² + (NH⁴) S = ((NH⁴) S, CS²)         (1) 2 (NH⁴S, CS²) + KS = (KS, C²NS) + (NH⁴S, HS) + 3 HS         (2) 3 (KS, C²NS) + 6 Fe = 3 (KC²N) + 6 (FeS)         (3) 3 (KC²N) + FeS = KS + (2 (KC²N) + (FeC²N))         (4) Diesen Formeln zufolge schlägt Hr. A. Gelis in Paris vor, ein vorher bereitetes Gemisch von Schwefelammonium und Schwefelkohlenstoff (Formel 1) in einer Destillirblase mit Schwefelkalium auf 200° C. zu erhitzen, das entweichende Schwefelammonium (Formel 6) zu verdichten und das rückständige, hierbei gebildete Schwefelcyankalium in einer gußeisernen Schale mit Eisengranalien zusammen zu schmelzen (Formel 3), um zunächst Schwefeleisen und Cyankalium zu erhalten, welches nach Formel 4, bei Auflösung der Schmelzmasse in Wasser von + 60° C., in Blutlaugensalz und Schwefelkalium umgewandelt wird. Inwieweit dieser Vorschlag von Seiten der Praktiker Berücksichtigung verdient, hängt von der Möglichkeit einer leichten und billigen Darstellungsweise des Schwefelkohlenstoffs, wie des Schwefelammoniums ab, und möchte wohl der hohe Preis des ersteren der Einführung dieser Methode einige Schwierigkeiten entgegensetzen.Wir verweisen auf Payen's ausführliche Beschreibung des Verfahrens von Gélis im polytechn. Journal Bd. CLXVIII S. 219.A. d. Red. Es ist indeß durch diesen Vorschlag die Einführung von Ammoniakverbindungen in den Blutlaugensalzfabricationsproceß angebahnt, und wurde derselbe für mich Veranlassung zur Anstellung von Versuchen in dieser Richtung, deren Resultate in Folgendem mitgetheilt werden sollen. Krystallisirtes, schwefelsaures Ammoniak spaltet sich bei trockner Erhitzung in freies Ammoniak und Schwefelsäurehydrat. Nimmt man dieselbe unter Zusatz von Schwefelpulver vor, so bildet sich saures-schwefligsaures Ammoniak, nach der Formel 2 (HN⁴O, SO³) + S = NH⁴O, 2 (SO²);                      (5) letzteres Salz spaltet sich bei höheren Temperaturen wieder in Ammoniak, Wasser und schwefligsaures Gas. Setzt man aber zu letzterem Gemisch noch entsprechende Mengen Kohlenpulver, so tritt bei der Erhitzung des Ganzen neben schwefligsaurem Ammoniak auch Schwefelcyanammonium auf, welches zum Theil in dem im Retortenhals befindlichen weißen Sublimat enthalten, zum Theil in dem vorgeschlagenen Wasser des Recipienten gelöst ist. Der Theorie nach gestaltet sich der Umsetzungsproceß des schwefelsauren Ammoniaks unter Einfluß von Schwefel und Kohle in folgender Weise 2 (NHO, SO³) + 2 S + 2 C = (NHS, C²NS) + 4 (HO) + 2 (SO²)    (6) Demnach bildet sich bei der Einwirkung gleicher Atome der genannten drei Stoffe 1 Atom Schwefelcyanammonium, 4 Atome Wasser und 2 Atome schweflige Säure. Das gleichzeitige Auftreten der letzteren bedingt indeß eine theilweise Zersetzung des ersteren, wovon die Abscheidung eines gelbbraunen Körpers, welcher die Eigenschaften des Polians nach Laurent und Gerhardt besaß, sowie die Bildung von Schwefelkohlenstoff Zeugniß gab, nach der Formel 6 (NH⁴, S, C²NS) + HO + 2 (SO²) = (NH⁴O, 2 SO²) + 6 (CS²) + C⁶N⁶H⁶. (7) Dieser Zersetzungsproceß tritt indeß in den Hintergrund, sobald man das Gemisch von Schwefel, Kohle und schwefelsaurem Ammoniak mit schmelzendem Schwefelkalium in Verbindung bringt. In diesem Falle findet zunächst eine Wechselwirkung des sich bildenden Schwefelcyanammoniums und des Schwefelkaliums in der durch Formel 2 angedeuteten Weise statt; schweflige Säure und Wasserdampf entweichen unter dem Einfluß der Kohle und des schmelzenden Schwefelkaliums als Schwefelwasserstoffgas. Demnach entsteht durch Einwirkung eines Gemisches von schwefelsaurem Ammoniak, Schwefel und Kohle auf schmelzendes Schwefelkalium zunächst Schwefelcyankalium in der Schmelzmasse. Schwefelammonium und Schwefelwasserstoff entweichen gasförmig, so daß die Hälfte des in Form von schwefelsaurem Ammoniak angewendeten Stickstoffs als Cyan in der Schmelze verbleibt, der andere Theil durch geeignete Condensationsapparate wieder zu schwefelsaurem Ammoniak übergeführt werden kann. Das gebildete Schwefelcyankalium setzt sich nach Formel 3 unter dem Einfluß metallischen Eisens in Cyankalium und Schwefeleisen um, welches letztere wieder dazu dient um die Bildung von Blutlaugensalz in der Schmelzlösung zu bewirken (Formel 4). Dieser dem neuen Blutlaugensalzbildungsproceß unterbreitete Ideengang setzt bei seiner Realisirung den Fabrikanten in den Stand: 1) Ammoniaksalze in den Betrieb einzuführen, 2) den Stickstoff der thierischen Rohstoffe in ersterer Form vollständig zu verwerthen, 3) den Schmelzproceß auf Grund chemischer Umsetzungsformeln genau verfolgen und in seinem Verlauf beurtheilen zu können. Inwieweit diese Aussprüche gerechtfertigt und die aus denselben entspringenden Consequenzen einer Berücksichtigung der Praktiker werth sind, habe ich versucht durch Anstellung einer Anzahl Schmelzversuche zu beantworten: In einem hessischen Schmelztiegel wurden 250 Grm. illirische Potasche, mit 50 Grm. Schwefel- und 50 Grm. Kohlenpulver gemischt, eingetragen und geschmolzen, bis die anfangs stark schäumende Masse ruhig floß; während dieser Operation wurden in einem Mörser 40 Grm. schwefelsaures Ammoniak mit 9 Grm. Schwefel und 10 Grm. Kohle gemengt und mit Braunkohlentheer zu einem leicht formbaren Teig umgewandelt, welcher in fünf gleiche Theile gebracht, nach und nach und unter fortwährendem Umrühren der Schmelzmasse in diese eingetragen wurde. Nach jedesmaligem Zusatz eines Theils des Theergemisches erfolgte ein Dickwerden der Schmelzmasse, weßhalb das Feuer verstärkt werden mußte bis das, durch die Einwirkung des schmelzenden Schwefelkaliums auf das Salzgemisch bedingte Aufschäumen aufgehört hatte. Nachdem die ganze Menge des letzteren eingetragen, wurde der Tiegel gut bedeckt, noch längere Zeit stark erhitzt und nun in einzelnen Portionen 68 Grm. Eisenfeilspäne zugefügt. Hierbei fand heftiges Explodiren eines entweichenden Gases und starkes Aufschäumen durch die Bildung von Schwefeleisen statt, nach dessen völliger Beendigung der Inhalt des Tiegels in eine zu bedeckende Eisenschale entleert wurde. Die Schmelze hatte nach dem Erstarren ein dunkelgrünes Aussehen, löste sich leicht in Wasser von + 70° C.; die Lösung wurde nach längerer Digestion bei dieser Temperatur filtrirt, der Rückstand, zum größten Theil Schwefeleisen enthaltend, mit kaltem Wasser gut ausgewaschen und die gesammelte Flüssigkeit auf 3 Liter Volumen gebracht. Von dieser Lösung wurden je 100 Kub. Cent. auf ihren Gehalt an Blutlaugensalz durch vorsichtiges Eindampfen und Glühen des Verdampfungsrückstandes mit Salpeter und Wiegung des dadurch gebildeten Eisenoxydes geprüft. Das die Lösung der Schmelze anfangs grün färbende Schwefeleisen war durch längere Erwärmung derselben und wiederholte Filtration entfernt worden. Nach den oben angegebenen Formeln liefern 40 Grm. schwefelsaures Ammoniak 21,35 Grm. krystallisirtes Blutlaugensalz und 10,30 Grm. gasförmiges Schwefelammonium. Die Analyse obiger Schmelze ergab 20,16 Grm. Blutlaugensalz, also 94,42 Proc. des theoretischen Effectes. Die zur Schmelzung verwendeten Quantitäten Potasche, Schwefel und Kohle, waren so berechnet, daß sich Schwefelkalium bilden sollte, sowie die Mischung des Ammoniaksalzes die zur Cyan- und Schwefelammoniumbildung erforderliche Schwefel- und Kohlenmenge enthielt (Formel 6). In der That war in der Schmelze neben Blutlaugensalz nur Schwefelkalium und nicht die geringste Menge Schwefelcyankalium nachzuweisen. Auffällig aber war es, daß, nach vollkommener Auslaugung des Schmelzrückstandes, die in der Lösung gefundene Kalimenge überhaupt der zur Schmelzung verwendeten nicht mehr entsprach. Auf die Quelle dieses Verlustes werde ich in der Folge zu sprechen kommen. Es kam zunächst darauf an, die Bedingungen festzustellen, unter denen ein Resultat wie das zuerst erhaltene erzielt werden konnte. Zu diesem Zwecke wurde eine Reihe von Schmelzoperationen unter Anwendung der oben genannten Gewichtsmengen ausgeführt, jedoch so, daß die im Vorhergehenden genannten Endpunkte der einzelnen Reactionen im Verlauf der Schmelzung nicht völlig abgewartet, sondern absichtlich fehlerhaft gearbeitet wurde. Zunächst trug ich das Ammonialsalzgemisch in die Schmelzmasse ein, während diese noch im Reductionsproceß begriffen war, hielt aber dann die weiteren Bedingungen ein; das hierdurch erzielte Resultat ergab nur 41 Proc. des theoretischen Effectes; die Lösung der Schmelze enthielt noch bedeutende Mengen kohlensaures Kali und diese mochten eine beschleunigte Ammoniakentwickelung in der Schmelzmasse und mit dieser einen Verlust für die Bildung des Schwefelcyankaliums bedingt haben; letzteres war, da das Eisen vollständig eingewirkt hatte, in der Lösung nicht enthalten. Ein zweiter Versuch wurde in der Weise ausgeführt, daß das Eisen zu der Schmelze gesetzt wurde, ehe die Ammoniaksalzmischung genügend zersetzt war; das Resultat war eine Lösung, welche 54,8 Proc. des theoretischen Effectes an Blutlaugensalz und außer diesem durch Alkohol leicht extrahirbare Mengen von Schwefelcyankalium enthielt. Eine andere Schmelzung, unter Einhaltung der erforderlichen Vorsichtsmaßregeln ausgeführt, ergab wieder 91,3 Procent des berechneten Werthes an Blutlaugenfalz, und verlief unter ganz denselben Erscheinungen, wie sie oben hervorgehoben wurden. Es ist durch diese Thatsachen zunächst die Möglichkeit der Blutlaugensalzbildung unter Einführung von Ammoniaksalzen in den Schmelzproceß festgestellt; es ist ferner der in einer früheren Abhandlung von mir hervorgehobene Werth des Schwefelkaliums für den Schmelzproceß constatirt, und dadurch ein wissenschaftlich begründetes Verfahren an die Stelle einer rein empirischen Fabricationsmethode gesetzt. Ob und in wie weit dasselbe Ansprüche auf Anerkennung in der Praxis machen kann, hängt nicht nur von dem Schmelzeffect, sondern auch von der Verwerthungsfähigkeit der während und nach der Schmelzung auftretenden gasförmigen und festen Nebenproducte ab. So lange noch thierische Rohstoffe als solche in der Blutlaugensalzfabrication verwerthet sind, ist eine Verdichtung der im Verlauf des Schmelzprocesses auftretenden, ammoniakalischen Zersetzungsgase nutzlos, ja vielleicht von störendem Einfluß auf das Schmelzresultat. Sobald aber Ammoniaksalze als solche statt der thierischen Abfälle Anwendung erfahren können, ist die Condensation der Ammoniakgase im Verlauf der Schmelzung unbedingtes Erforderniß, und muß in einer Weise ausgeführt werden, welche mit möglichst geringem Zeit- und Kraftaufwand, sowie mit keinerlei Nachtheil für den günstigen Verlauf der Schmelzoperation selbst verbunden ist. Während letzterer entweicht unter Einhaltung der oben angegebenen Mengenverhältnisse das Ammoniak als Schwefelammonium ((Formel 2) und erfordert als Absorptions- sowie als Umsetzungsmittel in schwefelsaures Ammoniak ein schwefelsaures Metallsalz, welches in Form von Eisenvitriol als Oxydationsproduct des in den Schmelzrückständen enthaltenen Schwefeleisens geboten ist, so daß mit diesem Proceß eine zweckmäßige Verwendung des Schwefeleisens gleichzeitig eintritt. Dieser Umstand führt zu einer näheren Betrachtung des Schmelzrückstandes selbst, der bisher als eine Mischung von Schwefeleisen und Kohle betrachtet, von Seiten der Fabrikanten als Düngmittel zu sehr billigen Preisen verwerthet wurde, indem man nicht ahnte, daß mit demselben der Fabrik alles Kali entführt wurde, welches, als unvermeidlicher, bis jetzt noch nicht genügend erkannter Verlust, stillschweigend auf Rechnung der Flüchtigkeit der Kalisalze während der Schmelzarbeit geschrieben wurde. Während der Extraction der bei obigen Versuchen erhaltenen Schmelzposten beobachtete ich, daß, nachdem der schwarze Schmelzrückstand mit kaltem Wasser vollständig erschöpft war, durch nachherige Behandlung mit kochendem Wasser wiederum eine chromgrün gefärbte Flüssigkeit ablief, in welcher neben Eisen und Schwefel auch Kalium deutlich nachweisbar erschien, und es bedurfte einer langen und oft wiederholten Behandlung mit kochendem Wasser, ehe diese in letzterem lösliche Verbindung von Schwefeleisen mit Schwefelkalium vollständig aus dem Rückstand entfernt war, und selbst nachdem dieß erfolgt, gelang es mir, in dem nicht weiter löslichen Schmelzrückstande durch Zersetzung mit Chlorwasserstoffsäure Kali nachzuweisen. War nun durch diese Umstände der schon oben angezogene Verlust an Kali in der Lösung der Schmelze angedeutet, so erschien es von Wichtigkeit, denselben auch quantitativ zu bestimmen. Es wurde zu diesem Zweck ein Theil des aus der ersten Schmelzoperation resultirenden, in kaltem Wasser unlöslichen Rückstandes im Kohlensäurestrom bei + 110° C. getrocknet, ein Theil davon in Salzsäure gelöst, der unlösliche Rückstand untersucht und bestimmt, die Lösung mit Salpetersäure oxydirt und auf Alkalien geprüft. Ein anderer Theil des getrockneten Rückstandes wurde mit Soda und Salpeter geschmolzen, die Schmelzmasse mit Wasser behandelt, im Rückstande Kalk, Eisenoxyd und Thonerde, und in der Lösung der Schwefel als Schwefelsäure bestimmt. Aus zwei dieser Untersuchungen resultirte folgende mittlere Zusammensetzung des getrockneten Schmelzrückstandes: 7,105 Kohle, 2,202 Kieselerde, 1,446 kohlensaurer Kalk, 3,718 Thonerde, 42,927 Eisen, 12,114 Kalium, 29,618 Schwefel. –––––– 99,130. Das hier auftretende Verhältniß zwischen Eisen, Schwefel und Kalium ist in Procenten ausgedrückt: Berechnet. Gefunden: 50,696 Eisen14,306 Kalium34,978 Schwefel 50,871814,244134,8835 und kommt der stöchiometrischen Zusammensetzung (Fe⁵KS⁶) so nahe, daß man sich veranlaßt sehen kann, hier die Existenz einer unlöslichen Doppelverbindung von Kaliumschwefeleisen anzunehmen, und es genügen diese Werthe, um die Aufmerksamkeit des Fabrikanten auf diese Schmelzrückstände hinzulenken. Der Theorie nach ist die dem Blutlaugensalz entsprechende Schwefeleisenmenge, wie sie nach Formel 3 in der Schmelze auftritt, nahezu 50 Proc., steigt aber in Folge des Schwefelüberschusses, mit welchem man arbeitet, leicht auf 60 und mehr Procente, so daß – bei einer gleichzeitig dem theoretischen Effect nicht gleichkommenden Blutlaugensalzausbeute, – in den Schmelzrückständen 12 Pfund Kalium verbleiben, wenn 100 Pfund Blutlaugensalz fabricirt werden. Da aber 100 Pfund des letzteren zu ihrer Bildung 32,7 Pfund kohlensaures Kali beanspruchen, und obige 12 Pfund Kalium in den Schmelzrückständen 21,2 Pfund kohlensaurem Kali gleichkommen, so geht aus diesen Zahlenwerthen hervor, daß von 100 Pfund kohlensaurem Kali, wie sie in die Schmelze eingeführt werden, 60,7 Pfund zu Blutlaugensalz verarbeitet und 39,2 Pfund in die unlöslichen Schmelzrückstände übergeführt werden können. Die in Obigem geschilderte Bereitungsweise des Blutlaugensalzes bedingt einen gewissen Aufwand an Schwefel, der bei Wiederverwendung der von der Rohsalzfabrication resultirenden Mutterlaugen (Schwefelkaliumlösung) auf ein sehr geringes Quantum zurückgeht und bei Wiederverwerthung der Schmelzrückstände sowie der gasförmigen Zersetzungsproducte immer wieder in den Schmelzproceß zurückgeführt werden kann. Was zunächst die während des letzteren auftretenden ammoniakalischen Gase (größtentheils Schwefelammonium) anbelangt, so erfordert deren Condensation einen Schmelzapparat, welcher von dem bisher angewendeten völlig abweichen muß; für diesen können vor der Hand nur Vorschläge geboten werden, die aber, den localen Verhältnissen angepaßt, voraussichtlich keine praktischen Schwierigkeiten in ihrer Ausführung bieten. Die Verschmelzung so schwefelreicher Verbindungen, wie sie in vorliegendem Verfahren auftreten, schließt die Anwendung gußeiserner Schmelzgefäße aus; letztere würden durch die mit ihrer Verwendung nothwendig verbundene öftere Erneuerung die Fabrication unnöthig vertheuern. Statt ihrer erscheint ein Schmelzherd mit stark vertiefter Sohle, durch die untenstehende Figur in 1/60 der natürlichen Größe dargestellt, am vortheilhaftesten: Textabbildung Bd. 169, S. 216 Von dem Schachtofen A schlägt die Flamme nach dem überwölbten Schmelzraume B und streicht von da aus durch den Fuchs c unter die Herdsohle nach C und von da durch e nach dem Schornstein E. Ist die Bildung des Schwefelkaliums unter dem Einflusse der directen Flamme erfolgt und soll das Eintragen des Ammoniaksalzgemisches beginnen, dann werden die Schieber b und c geschlossen, und die Flamme geht durch den geöffneten Schieber d nach D über das Herdgewölbe hinweg, schlägt durch zwei neben c niedergehende Zugcanäle nach C und von da durch e wieder nach dem Schornstein E. Es ist dadurch die Vermischung der Feuergase mit den aus der Schmelze tretenden Ammoniakgasen verhindert und letztere können durch das Rohr G nach den Condensationskammern entweichen, an deren Ende ein nicht zu hoher Schornstein die Bewegung der Gase durch letztere bedingt. Die Condensationskammern sind dann aus Backsteinen errichtete, je 30 Kubikmeter haltende Räume (5 Meter lang, 2 Meter breit, 3 Meter hoch), an deren Boden sich Eisenblechpfannen von gleicher Länge und Breite und 3 Decimeter Höhe befinden, welche durch einen von der Decke der Kammer niederfallenden Regen einer Eisenvitriollösung langsam gefüllt werden. Eine in die Pfannen eingesetzte Pumpe, deren Hebel durch die Wand nach außen reicht, um von da aus bewegt zu werden, gestattet ein wiederholtes Aufpumpen der Flüssigkeiten aus den Pfannen nach den über den Kammern befindlichen Reservoiren. Die aus dem Schmelzraum durch G entweichenden Gase kommen auf ihrem Wege durch die Kammern mit der in Form eines feinen Regens niederströmenden Eisenvitriollösung in Berührung, werden von dieser absorbirt und in der Weise umgesetzt, daß sich eine Auflösung von schwefelsaurem Ammoniak bildet in dem Maaße, als sich unlösliches, schwarzes Schwefeleisen aus den Laugen abscheidet. Erstere Lösung wird nach völliger Entfernung des Eisens in Bleipfannen eingedampft und der Salzrückstand (schwefelsaures Ammoniak) zu den Schmelzen verwendet. Das hierbei gebildete Schwefeleisen, sowie die Schwefeleisen und Schwefelkalium haltenden unlöslichen Schmelzrückstände führen alle den Schwefel mit sich, welcher vorher in Substanz in den Schmelzproceß eingeführt wurde, und werden auf Eisenvitriol dadurch verarbeitet, daß sie auf einer überdeckten Tenne in feuchtem Zustande ausgebreitet, mit Wasser zeitweilig begossen, häufig gewendet werden und dadurch allmählich in schwefelsaures Salz übergehen. Dieser unter dem Einfluß der Atmosphäre verlaufende Oxydationsproceß nimmt zwar einen größeren Zeitraum in Anspruch, ist aber das billigste Mittel, um diese Schwefelsalze wieder zur Verwerthung zu bringen. Da letztere ihren Schwefel zum größten Theil als schwefelsaures Ammoniak wieder abliefern, so wird mit diesem gleichzeitig das in den Schmelzrückständen verbleibende Kali in den Betrieb zurückgeführt. Ob sich die Schwefel haltenden Schmelzrückstände durch Röstung und nachherige Extraction mit Wasser vortheilhafter verwerthen lassen, hängt von der Lage der Fabrik und den localen Verhältnissen ab. Jedenfalls könnte ein Abrösten nur dann von Vortheil seyn, wenn eine Schwefelsäurefabrik dieselben zur Verwerthung brächte. Bevor wir uns nun zu der in dem oben beschriebenen Ofen auszuführenden Schmelzarbeit wenden, möge der letzteren eine etwas genauere Beschreibung einzelner Ofentheile und Apparate vorausgehen. Die vertiefte, aus feuerfesten Steinen errichtete Herdsohle des Schmelzofens B muß eine kieselerdefreie Ueberkleidung empfangen, soll nicht die Menge der in die Schmelze übergehenden Kieselsäure schließlich eine weitere Verwendung des Mutterlaugensalzes für den Schmelzproceß unmöglich machen. Hierzu eignet sich am besten ein Ueberzug, wie ich solchen zur Conservirung der Schmelztiegel bei Anstellung meiner Schmelzversuche anwendete. Derselbe besteht aus einer Mischung von getrockneten Schmelzrückständen und Steinkohlentheer, welche, zu einer teigartigen Masse vereinigt, auf die Herdsohle in zolldicken Lagen aufgetragen wird, nachdem diese vorher mehreremale mit Theer überstrichen worden ist. Die Teigmasse wird dann mit Hämmern oder Holzklötzen aufgeklopft und durch langsames Anwärmen vollständig ausgetrocknet. Hierbei destillirt der Theer zum Theil ab, zum Theil wird er zersetzt und die rückständige Kohle liefert mit dem Schwefeleisen eine harte, poröse Masse, welche, nach Ausführung der ersten Schmelzung, mit Schwefelkalium durchtränkt lange Zeit Widerstand leistet und sich mit Leichtigkeit erneuern läßt, ohne hohe Kosten zu verursachen. Wie es ferner bisher Haupterforderniß war, daß die thierischen Rohstoffe während der Schmelze möglichst in dieser untergetaucht blieben, so ist auch bei Anwendung von Ammoniaksalzen dieselbe Bedingung zu erfüllen. Um aber diesen Zweck zu erreichen, müssen die Rührvorrichtungen so getroffen seyn, daß auch ohne weiteres Zuthun des Arbeiters die ammoniakalische Mischung stets unter der Schmelze verharren muß. Hierzu eignen sich am besten eiserne Krücken, welche statt der einfachen Eisenplatte an dem Ende, mit welchem sie in den Ofen gebracht werden, ein durchbrochenes Fach tragen, in welches die schon oben besprochene teigartige Mischung von schwefelsaurem Ammoniak, Schwefel und Kohle mit Theer (Formel 6) eingedrückt und so während der Schmelzung fortwährend unter der Schmelze erhalten wird. (Fig. 2 stellt eine solche Krücke dar. An dem eisernen Stiel ist ein Doppelrechen von Gußeisen befestigt, welcher dazu bestimmt ist, die Ammoniaksalzmischung in einzelnen Portionen aufzunehmen und, unter die Schmelzmasse getaucht, mit dieser zu vermischen.) Während letzterer Arbeit muß die Arbeitsöffnung, welche keinen größeren Durchmesser als die Krücke selbst zu haben braucht, theilweise geschlossen seyn. Dieß geschieht durch Verlegen einer durchbrochenen Eisenplatte, durch welche der Stiel der Krücke bequem hin und her bewegt werden kann. Die Schmelzarbeit selbst beginnt nun damit, daß man nach Herstellung einer festen Herdsohle in oben besprochener Weise 100 Pfund Mutterlaugensalz einträgt und niederschmilzt, nachdem dieß erfolgt, eine Mischung von 15 Pfd. Potasche, 3 Pfd. Schwefel und 2 1/2 Pfd. Kohle zufügt und während der Schmelzung dafür Sorge trägt, daß der Schacht A mit Brennmaterial gehörig gefüllt sey, zur Vermeidung einer oxydirenden Flamme. Ist Alles in ruhigem Fluß, hat das Schäumen aufgehört, so öffnet der Arbeiter die Schieber d und g, und schließt die Füchse b und c und trägt nun ein Gemisch von 40 Pfd. schwefelsaurem Ammoniak, 9 Pfund Schwefel und 10 Pfund Kohle, mit Theer zu einem Teige angeknetet, in den Ofen portionenweise ein, indem er die hier dargestellte Krücke zeitweilig mit dem Teige anfüllt, und unter fortwährendem Umrühren letzteren der Schmelze nach und nach einverleibt. Fig. 2., Bd. 169, S. 219 Die Einführung frischer Mengen des letzteren Gemisches erfolgt, sobald die Zersetzung der ersteren beendet und die Schmelze wieder in ruhigen Fluß gekommen ist. Würde in dieser Weise die Salzmischung allmählich eingeführt, somit die Bildung von Schwefelcyankalium und die Entwickelung der Ammoniakgase ausgeführt, so trägt der Schmelzer nun noch 15 Pfd. Eisengranalien (gekörntes Roheisen, alte Nägel, Eisenfeile u.s.w.) in die Schmelzmasse ein, rührt gehörig um und schöpft letztere aus, sobald die Einwirkung des Eisens und das damit verbundene Schäumen und Explodiren beendet und Alles wieder in ruhigem Flusse ist. Durch die Einführung obiger Mengen schwefelsauren Ammoniaks in den Schmelzproceß sind der Theorie nach 10,3 Pfd. als Schwefelammonium entwichen und durch das Abzugsrohr G nach den Verdichtungskammern geführt worden, woselbst im Verlauf der Schmelzarbeit 40 Pfd. Eisenvitriol, in der acht- bis zwölffachen Menge Wasser gelöst, zur Absorption erforderlich sind. Durch Anlegung mehrerer Verdichtungskammern ist der Vortheil geboten, Eisenvitriollösungen von verschiedener Stärke anwenden und ihre Umsetzung durch Translocation von den hinteren nach den vorderen Kammern vervollständigen zu können, ohne einen Verlust an Ammoniak befürchten zu müssen. Die weitere Verarbeitung der aus dem Herde geschöpften Schmelze erfolgt nun nach der bisher üblichen Verfahrungsweise, wie sie auch vom Verfasser in Bolley's Handbuch der chemischen Technologie (II. Bd. II. Gruppe, Fabrication chemischer Producte aus thierischen Abfällen, S. 20–25) ausführlich beschrieben worden ist. Der Theorie nach liefert obige Schmelzmasse 21,35 Pfd. krystallisirtes Blutlaugensalz. Von dem Stickstoffgehalt des schwefelsauren Ammoniaks werden 4,24 Pfd. zur Cyanbildung verwendet, während die gleiche Menge als Schwefelammonium nach den Verdichtungskammern geht. Der in 40 Pfd. schwefelsaurem Ammoniak enthaltene Stickstoff entspricht:   72,08 Pfd. wollenen Lumpen,   71,60   „ Lederabfällen, 178,00   „ thierischer Kohle. Aus jeder dieser drei Posten resultiren aber bis jetzt statt 21,35 Pfd. nur 4,15 Pfd. Blutlaugensalz und alle hierbei entweichenden Ammoniakgase waren für den Schmelzproceß verloren. Die Einführung des schwefelsauren Ammoniaks in den Blutlaugensalzfabricationsproceß gestattet die Zurückführung der wichtigsten Zersetzungsproducte zu der Schmelzung, erheischt die Benutzung aller im Verlauf der Fabrication auftretenden Nebenproducte und läßt bei gehöriger Ausnutzung der aus den Schmelzöfen abziehenden Feuergase zur Laugenconcentration einen nicht zu bedeutenden Brennmaterialaufwand befürchten.