Titel: Die Schwing- und Hechelmaschine von G. Sandborn.
Fundstelle: Band 170, Jahrgang 1863, Nr. L., S. 170
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L. Die Schwing- und Hechelmaschine von G. Sandborn. Nach dem Practical Mechanic's Journal, December 1862, S. 231; aus dem polytechnischen Centralblatt, 1863 S. 167. Mit Abbildungen auf Tab. III. Sandborn's Schwing- und Hechelmaschine. Diese Maschine, welche aus Amerika stammt, soll das Fasermaterial aus den Stengeln und Blättern der Pflanzen viel rascher und vortheilhafter darstellen, als dieß nach den bisher bekannten Processen geschehen kann. Sie bricht nach Angabe des Erfinders den holzigen Kern und legt die reine Faser bloß, indem sie zugleich die Oberhaut abscheidet. Wenn die Maschine diese Arbeit wirklich und in zufriedenstellender Weise verrichtet, so ist sie allerdings von einer sehr großen Wichtigkeit und müßte die Landwirthe veranlassen, den Flachs in viel größerer Menge, als bisher, zu bauen, weil der mit der Erzeugung des Flachses verbundene bedeutende Aufwand an Zeit und Arbeit in Wegfall kommen würde. Zugleich würde sie in den Tropenländern eine Menge Fasermaterial liefernde Pflanzen erschließen, die nur deßhalb der Cultur entzogen geblieben sind, weil die Gewinnung des Fasermaterials aus ihnen zu umständlich ist. Zunächst aber ist die Maschine bestimmt für neuseeländischen Flachs, chinesisches Gras und die Blätter des Pisang, der Aloë, der Ananas und anderer ähnlicher Pflanzen. Fig. 9 zeigt den Querschnitt und Fig. 10 den Grundriß dieser Maschine. Das Gestell A derselben besteht aus zwei gußeisernen Seitenwänden, die durch schmiedeeiserne Spannstangen gegen einander abgesteift und mit einem die ganze Maschine einschließenden Holzfutter B versehen sind. Durch den Riemen C und die Scheibe D wird die Welle E getrieben, welche quer durch die Maschine geht und die Haupttrommel F trägt. Diese letztere ist an ihrem Umfang mit vulcanisirtem Kautschuk bezogen, und über dem Kautschuk sind drei Reihen parallel zu einander liegender Stäbe G, H, I befestigt. Die Arbeitsflächen der Stäbe I sind gezahnt, die der Stäbe G gerade und endlich die der Stäbe H wellenförmig. Die Stirnräder J und K am Ende der Welle E vermitteln die Uebertragung der Bewegung auf die Speisewalzen. Das Rad K greift in das Rad L, das lose auf der Welle M der Speisewalze N geht, aber durch einen mittelst des Handhebels O beweglichen Kuppelungsmuff in feste Verbindung mit der Welle gesetzt werden kann. Beim Gebrauche der Maschine werden die Flachsstengel auf das Speisebret P aufgelegt und zwischen die Walzen N und R, die mit einer Geschwindigkeit von 160 Fuß in der Minute sich bewegen, eingeführt. Die untere Walze N ist geriffelt, die obere R mit Kautschuk überzogen. Von den Speisewalzen aus kommt das Material einerseits mit dem Umfang der Haupttrommel F und andererseits mit dem endlosen Riemen S, welcher mit 800 Fuß Geschwindigkeit in der Minute sich bewegt, in Berührung. Der Riemen ist über die Rollen T weggelegt und trägt die nämlichen Stäbe, wie der Umfang der Haupttrommel F. Während nun das Flachsstroh zwischen der Haupttrommel und dem endlosen Riemen niedergeht, äußern die geraden Stabkanten eine schiebende Wirkung; die gezahnten Kanten aber brechen den holzigen Kern in kurze Stücke und halten zugleich die Fasern in gestrecktem Zustande. Ein großer Theil des Holzes fällt in die Zwischenräume zwischen den Stäben und findet, da der Riemen ebenfalls Zwischenräume hat, Gelegenheit, auch durch diese hindurch niederzufallen. Das Stroh wird demnach auf beiden Seiten gleichmäßig bearbeitet, und damit diese Bearbeitung möglichst wirksam werde, muß man die Stäbe so auf den Riemen aufsetzen, daß jeder Stab des Riemens das Stroh um ungefähr 1/8 Zoll vor dem nächsten Stabe der Trommel faßt. Der Theil des Holzes, welcher nicht durch die Zwischenräume des Riemens hindurch gefallen ist, wird von der Faser abgeschabt und, von derselben getrennt, am Ende der Maschine durch Canäle abgeführt, welche durch die Zähne beständig offen erhalten werden. Die Construction der Maschine ist derart, daß das ihr vorgegebene Flachsstroh zunächst einmal nach der einen und dann nach der anderen Richtung gebogen wird. In Folge hiervon wird die Faser in der Längenrichtung vom Holze abgetrennt. Hierauf folgt erst die brechende Wirkung, aber nicht früher, als nachdem die Stäbe das Material losgelassen haben, damit die scharfen und gezahnten Arbeitsränder derselben die Faser nicht beschädigen, während sie das Holz abtrennen. Der Maschine vorzugebende Flachs wird in eine 2 1/2 Fuß lange und 1 Zoll breite Zange eingespannt, welche inwendig mit Kautschuk ausgefüttert ist, um die Ungleichheiten des Flachses auszugleichen. Die Dicke der eingespannten Flachsschicht beträgt ungefähr 1/2 Zoll. Die Zange hat das Ansehen eines Zeitungshalters und wird auch am Ende wie ein solcher zusammengehalten. Eine Person füllt die Zange mit dem Stroh und legt sie auf einen Tisch neben der Maschine, eine andere Person nimmt sie vom Tische weg und bietet sie den Speisewalzen der Maschine dar, indem sie die Zange an dem einen Ende festhält, bis die Walzen das Stroh eingezogen haben. Sobald das Stroh etwas über die Hälfte seiner Länge eingeführt ist, schiebt der Arbeiter den Hebel O zur Seite und bewirkt dadurch, daß das Rad U mit dem Transportuer V. welcher von dem Rade J getrieben wird, in Eingriff kommt. Dadurch wird die Bewegungsrichtung der Speisewalzen umgekehrt, aber auch gleichzeitig ihre Geschwindigkeit verändert; denn sie führen jetzt den Flachs fünfmal so rasch zurück, als sie ihn vorher eingeführt haben. Nun wird das Flachsstroh mit dem anderen Ende in der Zange befestigt und dieses, wie das erste, der Maschine dargeboten. Nachdem die Faser dieser Bearbeitung unterlegen hat, kann sie, wenn sie zur Herstellung von groben Garnsorten oder Tauwerk bestimmt ist, ohne weiteres versponnen werden. Sollen aber feinere Garne daraus erzeugt werden, so muß sie noch einem gewöhnlichen Hechelproceß unterworfen werden. Immerhin findet aber hiebei gegen die nach dem gewöhnlichen Verfahren bearbeiteten Fasern der wichtige Unterschied statt, daß die aus der neuen Maschine hervorgehenden Fasern ungebrochen und unverletzt, auch frei von holzigen Theilen sind, und vollständig parallel unter einander liegen. Es ist einleuchtend, daß diese Umstände den Abfall bei dem gewöhnlichen Hecheln wesentlich vermindern. Der Erfinder behauptet, daß auf seiner Maschine aus dem vorgegebenen Rohflachs mindestens ein Viertel mehr Fasermaterial gewonnen wird, als bei dem besten bisher bekannten Verfahren; daß auch im Werthe die auf seiner Maschine gewonnene Faser höher steht; daß die Maschine in Construction und Wirkungsweise einfach und keinerlei Störungen ausgesetzt ist; daß sie keine Geschicklichkeit vom Arbeiter fordert. Sie könne von Knaben oder Mädchen bedient werden und setze die Hände und Arme der Arbeiter nicht in Gefahr, während die gewöhnliche Schwingmaschine geschickte Arbeiter erfordere und, wie die Erfahrung gelehrt habe, dieselben in Gefahr setze. Sie könne durch Pferdekraft getrieben werden und setze daher jeden Landwirth in den Stand, den von ihm erbauten Flachs mit geringen Kosten auch selbst für den Handel fertig zu machen. Dabei sey sie klein, da sie nur wenige Kubikfuß Raum einnehme, und wiege nur 450 Pfund. Ihre tägliche Lieferung soll sich auf 120 bis 130 Pfd. reine Faser belaufen; die Faser selbst soll vollständig rein, ungebrochen, gerade gelegt, in der vollen Länge erhalten und mit guten Enden versehen seyn. Der Flachs kann sowohl im ungerösteten als im gerösteten Zustande vorgegeben werden und braucht auf keinen Fall vorher gebrochen zu werden. Aus geröstetem Flachs wird 20 bis 25 Proc. des Gewichts gewonnen. Als sehr nützlich wird die Maschine für warme Gegenden empfohlen, in welchen Fasermaterial liefernde Pflanzen in großer Menge wachsen und nur deßhalb nicht cultivirt werden, weil es an einer zweckmäßigen Maschine dieser Art mangelt. Die Maschine ist nämlich im Stande, 1500 Blätter Agave oder amerikanische Aloë in einem Tage zu bearbeiten, während ein Arbeiter in derselben Zeit nur 40 bis 50 Blätter bearbeiten kann, und liefert dabei vollständig weiße Fasern aus grünen Pflanzen. Daß auch Ananasblätter und die Stengel des sogenannten chinesischen Grases mit Vortheil auf dieser Maschine verarbeitet werden können, wurde schon oben erwähnt. Dient Dampfkraft als Motor, so genügt eine Pferdestärke zum Betriebe der Maschine; die Bedienung besteht in zwei Knaben. Für die letztgenannten Zwecke muß die Maschine eine kleine Abänderung erleiden. Die Stäbe der Trommel sind nämlich auf eine Unterlage von Kautschuk aufgesetzt, und überdieß führt ein Rohr W dem in Behandlung stehenden Materiale einen Strahl Wasser zu, um die nicht faserigen Theile in dem Maaße, als die Maschine sie von dem Fasermaterial abtrennt, wegzuspülen. Auch sind die Stäbe an der Trommel sowohl, als an dem endlosen Bande durch Schrauben und Muttern zu befestigen, damit ein Theil derselben leicht entfernt werden kann, wenn das Material eine gelindere Bearbeitung wünschenswerth macht. Eine Maschine gewöhnlicher Construction hat Stäbe von 16 Zoll Länge und eine Trommel von 30 Zoll Durchmesser.

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