Titel: Ueber das Aetzen des Glases mit Flußsäure zur künstlerischen Verzierung desselben; von M. L. Keßler.
Fundstelle: Band 170, Jahrgang 1863, Nr. LXIII., S. 217
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LXIII. Ueber das Aetzen des Glases mit Flußsäure zur künstlerischen Verzierung desselben; von M. L. Keßler. Aus dem Breslauer Gewerbeblatt, 1863, Nr. 21. Keßler, über das Aetzen des Glases mit Flußsäure. Seit dem Jahre 1855 wird von drei sehr großen Glasfabriken Frankreichs dieses Aetzen des Glases in sehr großer Ausdehnung betrieben, und ist man dabei zu sehr schönen Resultaten gelangt. Es erlaubt die Verzierungen des Glases mit viel größerer Leichtigkeit und in viel feinerer, künstlerischer Art auszuführen, als dieß bisher durch das Mattschleifen einzelner Theile möglich war. Das Verfahren besteht vorzugsweise aus folgenden drei Operationen. 1) Zuerst stellt man sich eine Druckplatte dar. Dieselbe besteht aus einem eben geschliffenen Lithographiestein. Ebensogut und fast noch besser wäre eine Kupfer- oder Zinkplatte anzuwenden, doch sind die Kosten des Metalls und der Darstellung bedeutend höher, und genügt der lithographische Stein in den meisten Fällen. Nachdem derselbe zuerst mit Sand, dann mit Bimsstein und Wasser eben geschliffen, zeichnet man das Dessin in allen seinen Zügen und Details mit einem Pinsel und mittelst einer Auflösung von Asphalt in Terpenthinöl oder Benzin auf. Nachdem 1 bis 2 Stunden getrocknet, gießt man auf den Stein mit Salzsäure angesäuertes Wasser, das alle frei gebliebenen Theile gleichmäßig angreift und vertieft. Nach 10 Minuten ist die Aetzung auf 1/2 bis 2/3 Millim. eingedrungen; man gießt das Aetzwasser ab und wäscht mit reinem Wasser nach, trocknet und entfernt den Asphalt durch Terpenthinöl. Für feinere Dessins muß man mit dem Grabstichel gravirte Metallplatten anwenden. 2) Die Anfertigung des Drucks erfolgt in Kupferstichmanier. Man bereitet sich zuerst eine Druckfarbe von passender Consistenz. Sie muß sich gleichmäßig über den Stein ausbreiten, indessen so fest in den Vertiefungen haften, daß man mittelst eines geraden Schabers die hervorstehenden Theile vollständig reinigen kann, ohne aus den Vertiefungen die Farbe zu entfernen. Da man zu jedem Abdruck ziemlich viel von dieser Druckfarbe braucht, so muß sie nebenbei nicht zu theuer seyn. Um diese Druckfarbe herzustellen, erhitzt man Judenpech (Asphalt) mit Terpenthinöl bis zur vollständigen Lösung, fügt dann Stearinsäure oder Palmwachs, Wallrath, Naphtalin, Paraffin, kurz Substanzen zu, die beim Erkalten krystallisiren. Man nimmt dann die Mischung vom Feuer, filtrirt durch einen Filtrirsack und taucht das Gefäß mit der Mischung in kaltes Wasser. Durch fleißiges Umrühren wird eine möglichst feine Krystallisation der beigemischten festen Substanzen bewirkt. Keine andere Farbe leistet den Angriffen der Flußsäure so kräftigen Widerstand. Diese Farbe wird nun auf den Stein aufgetragen und gleichmäßig darüber verbreitet. Hierauf wird alle überflüssige Farbe mit Hülfe eines geraden, gut gehärteten Schabers entfernt, so daß alle erhabenen Stellen von der Farbe befreit sind, die nur in den Vertiefungen haftet. Man breitet dann über den Stein ein Blatt Papier, das nur wenig geleimt, aber gut geglättet ist, legt darüber ein Blatt vulcanisirten Kautschuk und mehrere doppelte Flanelltücher und fährt ihn endlich in eine gewöhnliche Druckerpresse ein. Nach erfolgtem Druck wird das Papier mit der darauf haftenden Schwärze langsam abgezogen und zu einer neuen Operation geschritten. Mit einer Platte können mehrere Tausend Abzüge erhalten werden. 3) Der Ueberdruck auf das Glas, welches geätzt werden soll, kann nicht eher vorgenommen werden, bevor der enorme Zusammenhang des Papiers mit der gedachten Druckfarbe aufgehoben ist. Diese Farbe haftet schon sehr fest in den Vertiefungen des Steins; damit daher das Papier die Farbe aus diesen Vertiefungen herausheben kann, muß die Adhäsion desselben zur Farbe noch größer seyn. Um auf Glas den Druck zu übertragen, muß man diese Adhäsion wieder zerstören. Dieß gelingt leicht mittelst eines kleinen physikalischen Kunstgriffes. Man bringt das Papier mit der weißen Seite nach unten auf Wasser, das mit 1/4–1/10 Salzsäure versetzt ist. Ist es damit durchdrungen, so überträgt man es auf ein Bad von reinem Wasser, das aber 30–40° C. warm ist. Wenn die Striche der Druckfarbe sich eben zu erweichen anfangen, entfernt man wieder das Papier, das nun fertig zum Ueberdruck ist. In dem Moment, wo die Asphaltmischung sich erweicht, dringt das Wasser durch das Papier und hebt die halbweiche Asphaltmasse aus der Faser heraus, was natürlich die leichte Ablösung zur Folge hat. Man drückt die zugeschnittenen Zeichnungen auf das Glas auf, entfernt das Papier, läßt einige Stunden trocknen und kann nun zum Aetzen schreiten, was mit wässeriger Flußsäure in Bleigefäßen vorgenommen wird. Nach dem Aetzen wird die Druckfarbe mittelst Terpenthinöl oder Benzin entfernt. Wendet man Ueberfangsgläser an, so erzielt man durch das Wegätzen der farbigen Schicht sehr schöne Effecte. Wendet man ein Glas an, das auf einer Seite mit gelbem, auf der anderen Seite mit blauem Glase überfangen ist, so kann man durch partielles Wegätzen einer oder beider Schichten die Farben Grün, Blau, Gelb und Weiß erzielen.