Titel: | Ueber die Häusler'schen Holzcement-Dächer; von Dr. Robert Schmidt, Civilingenieur in Berlin. |
Autor: | Robert Schmidt |
Fundstelle: | Band 170, Jahrgang 1863, Nr. XCIII., S. 339 |
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XCIII.
Ueber die Häusler'schen Holzcement-Dächer; von Dr. Robert Schmidt, Civilingenieur in
Berlin.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Schmidt, über die Häusler'schen
Holzcement-Dächer.
Wir sehen uns veranlaßt, über den bezeichneten Gegenstand, der keineswegs mehr neu,
vielmehr in der preußischen Provinz Schlesien schon viel zur Anwendung gekommen ist,
hier Mittheilungen zu machen, weil einerseits die Wichtigkeit dieser
Dachdeckconstruction bisher zu wenig Beachtung gefunden hat, andererseits dieselbe durch ihre Ausführung,
welche besondere Gewissenhaftigkeit von Seite des leitenden Baumannes erfordert,
nach dem Tode des Erfinders, L. S. Häusler in Hirschberg,
zum Theil in Mißcredit gekommen ist, endlich weil wir neuerdings Gelegenheit hatten,
eine größere Anzahl hier (Berlin) ausgeführter Dächer in Augenschein zu nehmen,
welche, unter der tüchtigen Leitung des hiesigen Maurermeisters L. Rabitz ausgeführt, die Besitzer in hohem Grade zufrieden
stellten. Auch war dieser Gegenstand auf der letzten Londoner Ausstellung vertreten,
und wurde demselben dort von der Jury die Medaille und eine ehrenvolle Erwähnung
zuerkannt.
Gehen wir zunächst auf das Streben ein, welches Häusler
bei Aufsuchung einer neuen Dachdeckconstruction geleitet haben mag, so müssen wir
uns vorerst die Mängel der bisherigen Dächer vor Augen führen. Von diesen haben die
Kupfer-, Zink- und Schieferdächer, als aus guten Wärmeleitern
bestehend, den Uebelstand, daß es unter ihnen im Sommex sehr heiß, im Winter sehr
kalt ist. – Die Ziegeldächer lassen einerseits zu viel Luft durch das Dach,
und schützen so das Gebäude von oben nicht gegen die Temperatur-Veränderungen
des Jahres; für ländliche Gebäude, Viehställe, Heu- und Kornmagazine
angewandt, führen sie im Winter den Uebelstand herbei, daß Wasser von ihnen
abtropft, welches sich in Form von Eis bei Frost an sie setzt; außerdem saugt das
poröse Material Wasser in sich auf und theilt es dem Sparrwerk mit, dessen Dauer
dadurch wesentlich verringert wird. – Pappe- und Filzdächer bekommen
bei Fachwerksgebäuden, wenn solche heftigen Winden ausgesetzt sind, leicht Risse und
lassen dann das Wasser durch; außerdem müssen sie alle zwei bis drei Jahre mit
Steinkohlentheer überstrichen werden, so daß sie durch die dadurch entstehenden
Kosten nach 15 Jahren doppelt so viel als ein neues kosten. – Strohdächer,
welche bekanntlich manche gute Eigenschaft haben, können hier als zu feuergefährlich
nicht weiter in Betracht gezogen werden. – Häusler
nun wollte wohl ein Dach schaffen, welches die erwähnten Uebelstände nicht zeigt,
das für jedes Wohn- und Wirthschaftsgebäude einen Abschluß gewährt, unter dem
es im Sommer kühl und im Winter warm ist, welches Schwankungen des Gebäudes bis zu
einem gewissen Grade zuläßt und endlich sich durch Dauerhaftigkeit und Billigkeit
gegen die bisherigen Dächer auszeichnet. Er wollte die Bau-Technik nach
dieser Richtung hin so vervollkommnen, wie die Neuzeit – durch das
Asphaltiren der Fundamente, durch Doppelfenster und Doppelthüren, durch Anstreichen
der Fußböden mit Oelfarbe und Tapezieren der Zimmer – in anderen Beziehungen
mit Glück bestrebt gewesen ist, dem Menschen Wohnungen zu schaffen, welche
ebensowohl gesund als angenehm sind.
Der Kern der Häusler'schen Erfindung bleibt der sogenannte
Holzcement, eine Masse, welche, entsprechender Wärme
ausgesetzt, flüssig wird, dann große Bindekraft besitzt, und besonders beim
Nichthinzutritt von atmosphärischer Luft in der Weise erhärtet, daß sie einen
elastischen, metallischen Körper bildet, der keine Flüssigkeit hindurch läßt.
– Die weitere Construction eines solchen Daches ist nun folgende:
Die Unterstützung für das Deckmaterial wird zunächst aus einem Sparrwerk gebildet,
welches aber so flach gelegt seyn kann, daß ein Gefälle von 3/4 Zoll auf den Fuß als
Maximum anzusehen ist. Dieses Sparrwerk wird mit gespundeten, trockenen Zollbretern
so eingeschalt, daß die Oberfläche eine möglichst glatte Ebene, ohne vorspringende
Kanten und Nägel bildet. Auf dieser Oberfläche wird dann eine 1/8 Zoll starke
Schicht von trockenem Sand aufgesiebt, welche den Zweck hat, die später
aufzubringende Holzcementdeckung im Großen und Ganzen von der Breterschalung zu
isoliren. Auf diese Sandfläche wird zunächst, möglichst glatt und in der Richtung
der Sparren, Papier gelegt und an der Traufkante entweder leicht mit Nägeln oder
durch Holzcement befestigt. Dieses Papier ist eigens für diesen Zweck aus den besten
Stoffen (Leinen oder Hanf) in einer Breite von circa 4
1/2 Fuß und möglichsten Länge (200 bis 300 Fuß) hergestellt. Auf diese Papierlage
wird nun eine zweite Lage, mittelst erwähntem Holzcement und im Verbande mit der
ersten, geklebt, wobei, wie auch bei der ersten Lage, an den Stößen das Papier 6
Zoll übereinander gelegt wird. Die Stöße dieser Lage laufen ebenfalls parallel den
Sparren. Beim Aufkleben der erwähnten Lage, sowie der nachfolgenden Lagen kommt es
wesentlich darauf an, daß die neue Lage mit der alten sofort in Berührung tritt,
nachdem auf letztere der erwähnte Holzcement gestrichen wurde; dieser muß deßhalb
auf dem Dache selbst erwärmt werden, und ein Arbeiter mit
dem Aufstreichen des Cements, ein zweiter mit dem Auflegen und Anreiben des Papiers
beschäftigt werden.
Nach erwähnter Aufbringung der zweiten Papierlage kommt es darauf an, die Kanten des
Daches, die Trauf- und Giebelkante desselben, so zu bekleiden, um einerseits
die Schalbreter gegen Nässe zu schützen, andererseits für die später zu erwähnende
Sand- resp. Erdaufschüttung Widerlager gegen das Hinabfallen zu bilden,
endlich noch für den möglichen Wasserabfluß Sorge zu tragen. – Die einfachste
Bekleidung der Traufkante zeigt Fig. 28. A ist das Schalbret, a ein
längs demselben laufender Streifen aus schwachem Eisenblech, und b ein eben solcher aus Zinkblech; auf letzteren ist
ferner das Zinkblech c gelöthet, das einerseits zur
Verstärkung des Widerstandes in passenden Abständen durch kleine Zinkpyramiden d verstärkt, andererseits mit Oeffnungen n zum Abfließen des Wassers versehen ist. Fig. 29 zeigt dieselbe
Construction mit Anbringung einer Rinne; für diese werden in passenden Entfernungen
Bügel m an der Schalung befestigt, zum Tragen derselben.
Fig. 30
zeigt eine Anordnung für den Fall daß aus dem Schutzblech zugleich die Rinne
hergestellt ist, wozu in geeigneten Entfernungen eiserne Bügel a an dem Schalbret befestigt sind. Soll später auf dem
Dache eine Gartenanlage angebracht werden, so erhält dieselbe statt des
Schutzbleches c, Fig. 28, eine mit
Oeffnungen n versehene Bohle p, welche gegen Winkeleisen c, die in diesem
Fall in geeigneten Entfernungen an dem Schalbret befestigt werden, sich legt. Die
außenstehenden Theile von c werden ebenfalls mit Zink
bekleidet, wie dieß auch mit den Theilen der Schornsteine, Dachluken u.s.w.
nothwendig wird, welche mit der Schalung zusammenstoßen; diese Bekleidung legt sich
dann auch mehrere Zoll auf die Schalung und wird hier ebenfalls durch Nägel
befestigt. – Fig. 31 zeigt endlich die Bekleidung für die Giebelkante, welche nach
derselben leicht verständlich seyn wird.
Nach Befestigung der betreffenden Bekleidung wird nun eine dritte Papierlage, normal
auf die Sparrenrichtung, und endlich wieder parallel der Sparrenrichtung die vierte
und letzte Lage mit dem erwärmten Holzcemente geklebt. Die Oberfläche dieser Lage
wird nun noch mit erwärmtem Holzcement überstrichen und sofort mit Steinkohlengries
oder besser mit gestoßener Schmiedeschlacke dicht übersiebt, worauf erst 1/2 Zoll
feiner und dann grober Bergkies, im Ganzen in einer Höhe von 2 Zoll, geschüttet und
fest geebnet resp. eingewalzt wird. Ist Steinkohlengries oder Schmiedeschlacke nicht
zu beschaffen, so genügt auch der Kiesauftrag allein, wenn er Bindekraft besitzt,
widrigenfalls derselbe einen Zusatz von Lehm erhalten muß. Diese feste
Kiesaufschüttung ist nothwendig, einerseits damit die Cementlage geschützt ist,
andererseits weil die Entziehung des Einflusses der Atmosphäre zur Folge hat, daß
die Cementlage nach und nach, ungeachtet ihrer dauernden Biegsamkeit, eine
metallartige Härte annimmt. Als bloßes Dach ist dasselbe mit der letzterwähnten
Operation vollendet, und kann auch nach Belieben begangen und somit zu manchen
häuslichen und technischen Zwecken benutzt werden.
In Bezug auf die Feuergefährlichkeit ist dieses Dach von den königl. preußischen
Regierungen zu Breslau, Oppeln, Liegnitz und Potsdam, sowie von der königl.
sächsischen Regierung untersucht, und zur ersten
Haupt-Classe der harten Bedachung classificirt worden.
Was nun den Preis der neuen Bedachungsart im Vergleich mit den älteren Dächern
anbetrifft, so liegen uns geordnete Kostenanschläge eines Daches von 3219 Quadratfuß
Grundfläche und für die oben erwähnten Bedachungsarten vor; nach diesen beträgt der
Durchschnittspreis eines Quadratfußes:
für ein Ziegeldach
12 1/10
Sgr.,
für ein Schieferdach
11 2/5
Sgr.,
für ein Zinkdach
13 1/2
Sgr.,
für ein Pappedach
10
Sgr., endlich
für ein Häusler'sches
Holzcement-Dach
10 1/5
Sgr.
Es stellt sich somit der Herstellungspreis eines Daches nach der hier beschriebenen
Art niedriger, als der jeder der besseren Dacharten. Hierbei bleibt aber noch als
sehr beachtungswerth zu erwähnen, daß ohne der Reparaturen des Ziegeldaches zu
gedenken, die Steine und Latten bei einem solchen nach circa 40 Jahren zu erneuern sind; daß ferner ein Zinkdach nach circa 25 Jahren zerstört ist; daß, wie schon erwähnt,
ein Pappedach nach 15 Jahren doppelt so viel als ein neues kostet; daß aber endlich
das Häusler'sche Dach insofern gewissermaßen mit den
Jahren an Dauer wächst, als die Festigkeit des Holzcements mit den Jahren zunimmt,
und Schalung so wie Sparren durch denselben vollkommenen Schutz erhalten.
Von dem Maurermeister Rabitz (zu Berlin) wurden im Laufe
dieses Jahres hier bereits zehn solcher Dächer und mehrere andere außerhalb mit dem
besten Erfolge ausgeführt; eins derselben enthält eine zierliche Gartenanlage,
welche sich neben der Hauptwohnung des Besitzers befindet und demselben viel
Annehmlichkeit gewährt.