Titel: Ueber die Fabrication chemischer Producte in Nordengland.
Fundstelle: Band 170, Jahrgang 1863, Nr. CXVII., S. 437
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CXVII. Ueber die Fabrication chemischer Producte in Nordengland. Ueber die Fabrication chemischer Producte in Nordengland. Im Jahrgang 1861 des polytechn. Journals, Bd. CLXII S. 277, wurde der Bericht von Schunck, Roscoe und Smith über die Production von Chemikalien in Süd-Lancashire mitgetheilt; wir lassen hier einige Angaben über die Fabrication chemischer Producte an der Tyne nachfolgen, welche einem Vortrage von J. C. Stevenson in der Versammlung der British Association entnommen sind. Die Schwefelsäureproduction des Districts an der Tyne kann für 1862 zu etwa 92,000 Tonnen (1,840,000 Ctr.) angenommen werden, die meist in der Gegend selbst, namentlich zur Sodafabrication, weiter verbraucht werden. Zur Erzeugung dieser großen Menge Säure wurden aber nur 2030 T. Schwefel, dagegen 77,300 T. Schwefelkies verbraucht. Während früher nur der Schwefelkies von Wicklow (in Irland) zur Aushülfe benutzt wurde, werden in Folge der durch die Traubenkrankheit bewirkten Schwankungen im Preise des Schwefels seit einigen Jahren Kiese aus verschiedenen Theilen Europas eingeführt, so aus Belgien Kiese mit gegen 50 Proc. Schwefel, 3–5 Proc. Arsenik, aber ohne Kupfer, welche nach wiederholtem Abrösten in den benachbarten Eisenhütten als regelmäßiges Eisenerz benutzt werden; dann Norweg'sche aus Levanger mit 44 Proc. Schwefel, deren Röstrückstände mit weniger als 10 Proc. Kupfer nicht mit Vortheil auf Kupfer verschmolzen werden können (?); die Hauptmenge endlich kommt von Huelva in Spanien und Pomeron in Portugal, und enthält 46–50 Procent Schwefel neben 2–4 Proc. Kupfer. Die Schwierigkeiten, welche das Rösten dieser leicht schmelzbaren Kiese anfänglich verursachte, sind durch Anwendung von Oefen überwunden worden, deren Fläche im Verhältniß zu dem Gewichte des chargirten Erzes bedeutend größer ist wie gewöhnlich. Der Kupfergehalt wird theils, namentlich in den großen Fabriken, auf dem Schmelzwege, theils auf nassem Wege gewonnen, wo dann auch das Eisenoxyd als Eisenerz verwendet wird; die Kupferproduction, welche 1862 auf diese Weise erzielt wurde, betrug zwischen 700–800 T. (14,000 bis 16,000 Ctr.). – Im Jahre 1860 wurden mehrere Schiffsladungen eines Schwefelerzes, welches in Gyps eingelagerten Schwefel enthielt, von der Insel Milo importirt, der Schwefelgehalt betrug aber nur 18–24 Proc. Ganz neuerdings endlich hat Prof. Ansted ein Schwefellager auf Corfu entdeckt. Zur Sodafabrication werden jährlich 90,000 Tonnen (circa 1,800,000 Ctr.) Salz verbraucht. Als Verbesserungen, die in der letzten Zeit allgemein eingeführt wurden, ist zu erwähnen: 1) Anwendung größerer Oefen und mechanischer Hülfsmittel, so daß ein Arbeiter eine größere Charge mit geringerer Mühe behandeln kann; 2) Verwendung der Ueberhitze von den Flammöfen zum Abdampfen der Lauge; 3) Anwendung circulirender Gefäße beim Auslaugen, welche Dunlope in Glasgow zuerst einführte; 4) Anwendung gußeiserner Pfannen beim Zersetzen des Kochsalzes. Verbesserungen endlich, die nur in einzelnen Fabriken angewendet werden, sind: rotirende Flammöfen nach der Erfindung von Elliot und Russell, sowie die Anwendung der Hohofengase, die in Canälen nach den Abdampf- und Calciniröfen geführt werden, wodurch man nicht allein Brennmaterial erspart, sondern auch eine rauchfreie Flamme erhält und den Feuermann entbehren kann. Unterschwefligsaures Natron wird in immer größeren Quantitäten producirt, 1854 nur 50, jetzt 400 Tonnen jährlich. Es wird, außer in der Photographie, namentlich als „Antichlor“ (Neutralisirungsmittel des nach dem Bleichen im Papiere zurückgebliebenen Chlors) in der Papierfabrication verwendet.Eine neue Bereitungsweise dieses Salzes hat Dr. Fleck in seinen „Skizzen aus den chemischen Fabriken in Lancashire“ mitgetheilt; man s. polytechn Journal Band CLXVI S. 365. Salzsäure. Die Kondensation der Salzsäure ist einer der Gegenstände, welchen man in den letzten Jahren in den Fabriken die meiste Aufmerksamkeit gewidmet hat. Man wendet jetzt namentlich lange Canäle an, so daß die Gase mit etwa 60° C. in den Condensator treten und sich leicht zu einer starken Säure condensiren, oder man wendet, wie auf den Werken von Allhusen und Söhne, geschlossene Oefen an, worin die Flamme mit den Materialien nicht in directe Berührung kommt, so daß die Salzsäuredämpfe unvermischt mit Rauch und mit geringerer Temperatur wie gewöhnlich austreten, daher leichter zu condensiren sind. Die jährliche Production beträgt gegen 180,000 Tonnen (3,600,000 Ctr.). Chlorkalk, der 1838, wo er noch aus Braunstein, Kochsalz und Schwefelsäure durch einen kostspieligen Proceß dargestellt wurde, und 28 Pfd. Sterl. per Tonne kostete, wird jetzt durch Benutzung der Rückstände von der Chlorbereitung zu 1/3 dieses Preises geliefert und namentlich in den Papierfabriken benutzt, wo in neuerer Zeit große Mengen Esparto aus Spanien als Lumpensurrogat zur Anwendung kommen. Kohlensaure Magnesia wird jetzt nach dem interessanten Verfahren von H. L. Pattinson in einer jährlichen Menge von etwa 250 Tonnen dargestellt. Durch Einwirkung von Kohlensäure, Wasser und Druck wird aus calcinirtem Dolomit (magnesiahaltigem Kalksteine) doppelt-kohlensaure Magnesia gelöst, aus welcher das neutrale Carbonat in der Wärme fällt. (Deutsche Industriezeitung, 1863, Nr. 46.)