Titel: Das Paraffin, dessen Aufbereitung aus Torftheer und Verwendungsarten; von Dr. J. J. Breitenlohner, Chemiker der erzherzoglichen Torfproductenfabrik zu Chlumetz in Böhmen.
Autor: J. J. Breitenlohner
Fundstelle: Band 171, Jahrgang 1864, Nr. XV., S. 60
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XV. Das Paraffin, dessen Aufbereitung aus Torftheer und Verwendungsarten; von Dr. J. J. Breitenlohner, Chemiker der erzherzoglichen Torfproductenfabrik zu Chlumetz in Böhmen. Breitenlohner, über das Paraffin, dessen Aufbereitung aus Torftheer und Verwendungsarten. Das Paraffin wurde bekanntlich vor dreiunddreißig Jahren von Reichenbach im Buchenholztheer entdeckt. Nach ihm haben es Selligue in Frankreich und Jobard in Belgien aus bituminösem Schiefer, der Irländer Reece aus Torf, Young in England und Amerika aus Boghead-, Cannel-Kohle und anderen bituminösen Stoffen fabrikmäßig dargestellt. P. Wagenmann gebührt das Verdienst, diese Fabrication nach Deutschland verpflanzt und mit vielen Erfindungen und Verbesserungen bereichert zu haben. In den westlichen Staaten Amerikas hat gegenwärtig die Einführung der Kerosine oder Erdöle und des Paraffins die gespannteste Aufmerksamkeit auf die Kohlendistricte und Petroleumquellen hingelenkt. Unter Paraffin versteht man verschiedene, mehr oder minder feste Kohlenwasserstoffe, die aus denselben Elementen nur mit wechselnden Atomzahlen bestehen und eine mit dem ölbildenden Gase gleiche procentische Zusammensetzung haben. Es ist somit kein isolirter Körper, sondern ein Gemenge einer Reihe homologer Kohlenwasserstoffe, welche den kohlenstoffreichsten Alkoholen entsprechen, und das zuvörderst je nach seiner Abstammung und Darstellungsweise Abweichungen in Dichte und Schmelzpunkt erkennen läßt. Erstere schwankt um 0,870, letzterer liegt zwischen 45° C. und 60° C., welche Grenzpunkte durch die Paraffine aus Buchenholz und bituminösem Schiefer gegeben sind. Allgemein genommen ist das Paraffin ein Product der trockenen Destillation von Torf, Lignit, Braunkohle, Cannel-, Parrot-, Bogheadkohle, fetter bituminöser Steinkohle, bituminösem Schiefer, Sand und Thon, Asphalt, Erdpech und Erdwachs. Alle bituminösen Körper und fossilen Brennstoffe des tertiären Gebirges und der jüngsten Formattonen welche in dem Uebergang in Kohle begriffen sind, liefern einen Theer, der um so paraffinreicher ist, je jünger sie sind. Torf, als der neueren Bildung angehörig, gibt durchschnittlich 0,35 Procent Paraffin, welches durch seine krystallinische Structur und alabasterne Transparenz alle anderen unstreitig übertrifft. Ferner findet es sich im Ruß, in den meisten Bergölen, die den Namen Naphta oder Petroleum führen, sowie unter den Producten der trockenen Destillation thierischer Abfälle und des Wachses. Der Ausspruch, daß das Paraffin schon gebildet in den Rohmaterialien, die zu seiner Gewinnung angewandt werden, existire, ist nur relativ zu nehmen. Gleichwohl ist das Paraffin mit dem Hatchettin und dem Scheererit procentisch gleich zusammengesetzt und existirt schon fertig gebildet im Ozokerit, in der Guachitakohle, in den meisten Bergölen und mehreren bituminösen Fossilien ähnlichen Ursprungs; auch soll mit Aether extrahirte Bogheadkohle oder Bogheadschiefer an diesen eine Substanz in Lösung geben, welche identisch ist mit Paraffin. Auszüge aus Torf und älteren fossilen Brennstoffen bestätigen die Präexistenz des Paraffins keineswegs. Bei den vorbenannten bituminösen Stoffen haben wir es denn schon mit einem Producte der trockenen Destillation zu thun, wobei das Hängende gewisser Gebirgsschichten die Condensation und Absorption bewerkstelligte. In den übrigen Fällen ist das Paraffin vielmehr ein secundäres Zersetzungsproduct vegetabilischer Harze und thierischer Fette, und bildet sich mehr oder weniger je nach der angewandten Temperatur. Naphtalin, Anthracen, Chrysen und Pyren sind nur stellvertretende Zersetzungsproducte desselben. So geht bei der trockenen Destillation des Torfes zuletzt paraffinreiches Anthracen über, welches von den heftig entweichenden Gasen durch sämmtliche Kühlungen fortgerissen wird, und sich erst in Berührung mit Luft als gelbbrauner, schmieriger, krystallinischer Ueberzug efflorescenzartig an kälteren Gegenständen ansetzt. Bei Torf ist eine allmähliche Anheizung und schließliche Steigerung der Temperatur unbedingt nothwendig, um reinen, paraffinreichen Theer zu erzielen. Bei zu rasch erhöhtem Hitzegrade treten schon anfänglich dichte, gelbliche Dämpfe in Masse auf, die mit anthracenreichem Paraffin beladen sind. Die Aufbereitung des Torftheeres zerfällt in vier wesentliche Momente. Der letztere Antheil der gebrochenen Destillation des Theeres wird gereinigt und abermals gebrochen destillirt; sodann wird die dabei gewonnene consistentere Paraffinmasse gepreßt, und das Preßgut schließlich mit Vitriolöl gereinigt. Alle weiter angeführten Daten sind die Mittel von zwölf Betriebsoperationen. Resultate der fractionirten Destillation des wasserfreien Theeres. Rohöle und chemisch gebundenes Wasser   35,3 Proc. consistente Paraffinmasse   48,2   „ Kohks   10,4   „ Gase     6,1   „ ––––––– 100,0 Die Behandlung der Paraffinmasse geschieht in einem hölzernen Mischbottich, der schon mehrere Jahre ohne Nachtheil zu diesem Zwecke verwendet wird. Ist einmal das Holz mit paraffinhaltigen Oelen, die das beste Schutzmittel gegen Säuren und Alkalien sind, imprägnirt, dann halten solche Gefäße, die auch zur Behandlung der Oele verwendet werden könnten, sehr lange aus. Die Masse wird mit directem Dampf flüssig gemacht, und nachdem das condensirte Wasser abgezogen ist, bei einer Temperatur von 45 bis 50° C. mit 10 Proc. englischer Schwefelsäure von 1,767 Dichte eine Stunde tüchtig durchgerührt. Dabei findet noch eine Erhöhung der Temperatur statt, die bis 50 und 55° C. steigen kann. Der Schwefelsäurerückstand wird nach einstündiger Ruhe sorgfältig abgezogen, und die Masse mit Wasser und Dampf mehreremale gewaschen. Durch neuerliche Dampfeinleitung wird die Temperatur der Masse auf 60° C. gebracht und nach Entfernung des Wassers mit 7,5 Proc. Aetznatronlauge von 1,357 Dichte abermals eine Stunde gut durchgerührt. Zur vollständigen Ausscheidung des Wassers, welches die Paraffinmasse hartnäckiger, als die Oele, zurückbehält, wird jedesmal vor der eigentlichen Hinzufügung des Reinigungsmateriales eine kleine, besondere Quantität davon zugesetzt, gemischt und abgezogen. Man beseitigt dadurch noch beträchtliche Mengen des absorbirten Wassers. Durch die Abfälle wird eine gewisse Menge Paraffin entführt, indem es mitsammt den Verunreinigungen von der Schwefelsäure und Lauge fortgerissen wird, und das man unvermeidlich dabei belassen muß. Dieser Verlust ist bei Paraffin überhaupt größer, als bei der Behandlung der Oele. Resultate bei der Reinigung der Paraffinmasse durch Schwefelsäure und Lauge. Behandelte Paraffinmasse   76,4 Proc. Abfall durch Schwefelsäure   12,2    „ Abfall durch Lauge     9,3    „ Waschverlust     2,1    „ –––––––– 100,0 Nach Entfernung des Laugerückstandes wird die Masse ohne weitere Waschung noch warm in die Kessel übertragen. Diese sind liegende, cylindrische Retorten aus Schmiedeeisen und fassen bis 30 Centner. Sie ruhen auf einem Gittergewölbe von feuerfesten Ziegeln und werden seitlich von der Feuerluft direct umspült. Etwa zwölf Stunden nach der Anheizung beginnt die Destillation. Sie wird anfänglich sehr langsam geleitet, bis 25 Procent Oele separirt sind. Diese besitzen eine Dichte von 0,855 bis 0,870, durchschnittlich 0,860 und liefern bei ihrer Aufbereitung zu Hydrocarbüren sehr reine Producte. Nach dem Abzug der Oele wird das Zulaufwasser in die Kühler allmählich abgesperrt und stärker nachgefeuert. Um diese Zeit beginnen gewöhnlich die Gase zu brennen, welche in die Feuerung geleitet werden. Die nun übergehende Paraffinmasse wird in den wannenförmigen Vorlagen gemischt und sodann in flache, hölzerne Geschirre geschüttet, die sich leicht transportiren lassen. Das Ende der Destillation, welche durchschnittlich 36 Stunden beansprucht, gibt sich neben dem häufigeren Auftreten von Gasen schon durch die Farbe des Destillats zu erkennen. Sobald daher dieses den Dichroismus, der in das Lauchgrüne spielt, verliert, wird der Rest, welcher eine gelbgrüne Farbe und griesige Beschaffenheit hat, in besonderen Geschirren aufgefangen. Dieser anthracenhaltige Antheil, welcher auch trotz dem kochenden Kühlwasser die nicht genug fälligen Serpentinen verstopft, wäre bei der Reindarstellung des Paraffins nicht ohne Nachtheil. Resultate der Destillation der behandelten Paraffinmasse. Oele   25,5 Proc. Paraffinmasse   66,5    „ Kohks     2,6    „ Gase     5,4    „ ––––––––– 100,0 Die Paraffingeschirre verbleiben in den Wintermonaten in den Fabrikräumen und werden nur im Hochsommer in den Eiskeller geschafft. In längstens einer Woche ist die stechbare Masse hinlänglich consistent und preßfähig. Man packt sie in starke wollene Tücher und schichtet die einzelnen gleichmäßigen Lagen sorgfältig zwischen blechernen Platten auf den Kolbenkopf der hydraulischen Presse. Anfänglich wird sehr behutsam angezogen, um ein Zerreißen der Tücher und Verspritzen der Masse zu verhüten. Nach Abfluß des größten Theiles des Oels und Ausgleich der Verschiebungen wird in Absätzen mit voller Kraft gepreßt und allmählich zur höchsten Druckäußerung gestiegen. Eine einmalige energische Pressung genügt vollkommen, wenn man immer die ölfeuchteren Ränder der Preßkuchen abbricht und einer folgenden Parthie zupackt. Die zu Kuchen vereinigten, fettig anzufühlenden Krystallblättchen sind, frisch aus den Tüchern geschlagen, perlmutterglänzend und gelblichweiß, ändern jedoch bald, besonders an Licht und Luft, diese Farbe ins Rothbraune um. Das abgepreßte Oel, welches eine durchschnittliche Dichte von 0,905 zeigt, wird weiter wieder auf Paraffin und Hydrocarbüre aufbereitet. Resultate beim Pressen der destillirten Paraffinmasse. Im Winter. Im Sommer. Preßkuchen 21,6 Proc. 18,2 Proc. Oele    75,3    „    78,3    „ Verlust      3,1    „      3,5    „ ––––––––– –––––––––  100,0 Proc.  100,0 Proc. Wie man bei der Vergleichung dieser Werthe ersieht, resultirt im Winter eine verhältnißmäßig größere Ausbringung von Preßkuchen, als im Sommer. Dieser Ueberschuß rührt großentheils von solchen nieder construirten Paraffin-Homologen her, die im Sommer selbst auf dem Eise schwer herauskrystallisiren oder sich theilweise während der Manipulation verflüssigen, obwohl stets nur kleine Quantitäten aus dem Eiskeller in die kühle Preßkammer gelangen. Auf das Vorhandenseyn dieser Homologen deutet schon die Thatsache, daß das aus diesen Kuchen unter sonst gleichen Umständen dargestellte Paraffin wohl geruchlos, alabasterweiß, aber weich und fettig anzufühlen ist. Es zieht sich schon in kurzer Zeit selbst in Platten krumm und zeigt einen Schmelzpunkt von 46° C. Um der Beeinträchtigung des Productenwerthes durch diese niederen Kohlenwasserstoffe zu begegnen, wird die gewöhnliche Behandlungsmenge der Schwefelsäure bei der weiter zur Sprache kommenden Digestion um 6 Procent und bei der Endreinigung um 5 Procent erhöht. Die Sättigung der Oele mit Paraffin erschwert namentlich in den Wintermonaten die Reinigung und Anwendung derselben, obwohl sie mit intensivem Lichte brennen, ungemein; denn es hängt bei der continuirlichen Reihe der Homologen von den flüssigen zu den festen Körpern lediglich von dem Temperaturgrade ab, den Flüssigkeitszustand des einen oder anderen aufzuheben. Die Preßkuchen gelangen nunmehr zur Digestion mit rauchender Schwefelsäure. Zu diesem Zwecke bestanden früher geräumige Glasretorten, die aber fast bei jeder Operation dem Verderben unterlagen. Die Incrustation der kohligen Abscheidungen haftet so fest und innig im Retortenbauche, daß sie nur im günstigsten Falle mit vieler Mühe, Sorgfalt und Zeitaufwand herausgeschafft werden können. Man erleichterte sich die Sache, indem man zur erstmaligen Digestion englische Schwefelsäure anwendete. Auch das Verfahren von Reichenbach Sohn, das Paraffin über Vitriolöl zu destilliren, blieb nicht unversucht. Außer, daß sich mit der Ausführung dieser Methode viele Schwierigkeiten verknüpfen, ist das Paraffin wohl sehr schön weiß, seiner schmierigen Beschaffenheit wegen jedoch durchaus nicht verwendbar. Gegenwärtig werden zur Digestion galeerenartig in Sandbädern angeordnete Thonretorten mit abnehmbarem Helm und einem Fassungsraum von 25 Pfd. verwendet. Sie sind sehr dauerhaft und leicht zu handhaben. Die schweflige Säure, welche sonst den Aufenthalt in dem Arbeitsraum unmöglich machen würde, entweicht nach Passirung einer geschlossenen Vorlage in den Schornstein. Das Preßgut wird zweimal mit je 33,3 Procent Vitriolöl von 1,767 Dichte digerirt. Die Temperatur darf dabei 300° C. nicht erreichen. Nach zehnstündiger Heizung verbleiben die Retorten über Nacht im Sandbade, worauf das Paraffin decantirt und in Brode ausgegossen wird. Die Schwefelsäure muß frei von Salpetersäure seyn, welche Verunreinigung bei der gegenwärtigen Fabrication des Nordhäuser Vitriolöles öfter vorkommt. Englische Schwefelsäure oder eine Mischung mit Vitriolöl ist nicht anwendbar, weil das Torfparaffin wegen des überreichen Gehalts des Theers an kreosotigen und harzigen Körpern einen sehr energischen Angriff verlangt. So wenig zu läugnen ist, daß die vorläufige Digestion auf Geruchlosigkeit, Härte und Trockenheit des Paraffins einen entschieden günstigen Einfluß ausübt und die Sicherheit des Erfolges für sich hat, ist dieser vor der Schlußreinigung eingeschaltete Durchgangsproceß nicht in dem Maaße geeignet, fortschrittlich zu befriedigen, als ohne zugleich erzielte Verbilligung des Productes die Vollkommenheit der Methode nicht denkbar ist, an Betriebsumwälzungen aber Schwierigkeiten herantreten, die theilweise in der Natur des Gegenstandes begründet sind. Die Methoden der Paraffinaufbereitung sind eben noch lediglich Experimente und werden wegen der Verschiedenheit der Ausgangsstoffe nie das Recht ihrer Vollgültigkeit in Anspruch nehmen können. Resultate der Digestion des Preßgutes mit Vitriolöl. Im Winter. Im Sommer. Digerirtes Paraffin 67,8 Proc. 69,3 Proc. Verlust   32,2    „   30,7    „ ––––––––– ––––––––– 100,0 100,0 Zur Reindarstellung des Paraffins besitzt die Fabrik doppelwandige, mit Blei gefütterte Kessel aus Schmiedeeisen. Ein kleiner Dampfkessel liefert die nöthige Dampfspeisung. Es werden jedesmal nur 60 Pfd. digerirtes Paraffin in Arbeit genommen, da die Resultate um so günstiger ausfallen, je kleiner die Menge ist. Zur Erzielung der größtmöglichen Homogenität ist es sehr vortheilhaft, sowohl nach dem Pressen als nach jeder Digestion das ganze Behandlungsquantum zusammenzuschmelzen. Das mittelst Dampf geschmolzene und auf der Temperatur des siedenden Wassers erhaltene Paraffin wird mit 41,7 Proc. rauchender und 8,3 Proc. englischer Schwefelsäure von 1,767 Dichte derart behandelt, daß man zuerst von 25 Pfd. Vitriolöl je 5 Pfd. zusetzt, eine Stunde gut durchmischt, absetzen läßt und abzieht. Die Einwirkung der zwei ersteren Portionen Schwefelsäure ist noch sehr energisch. Die Masse schwärzt und verdickt sich dabei und wird, wenn man länger als eine Stunde rührt, zuletzt so zäh und schleimig, daß sie kaum vom Rührlöffel abfließt. Eine fortgeschrittene Verdickung ist insofern nachtheilig, als das Paraffin dann immer trüb und gefärbt zum Ausgießen gelangt. Während der weiteren Behandlung wird die Masse allmählich flüssiger und lichter. Man zieht die Rückstände mit einem Ueberschuß von Paraffin ab, das man durch Aufgießen von Wasser wieder gewinnen und einer folgenden Parthie hinzufügen kann. Schließlich werden 5 Pfund englische Schwefelsäure zugesetzt. Diese bewirkt ein vollständiges Niederschlagen der kohligen Suspensionen und eine rasche Klärung. Ein Wechsel der Säuren während des Processes oder ein Gemenge derselben würde dagegen das Entgegengesetzte herbeiführen und ein unansehnliches Product geben. Nach erfolgter Klärung wird das Paraffin vorsichtig über der Schwefelsäure abgezogen und in einer Wanne mit viel lauem Wasser portionenweise gewaschen. Das gewaschene Paraffin läßt schon deutlich erkennen, ob es mehr oder weniger gelungen ist. Das Aussehen desselben ist bei genau gleichförmiger Behandlung sehr ungleich. Bald ist es biegsam, matt bis blendend weiß und läßt sich in große Klumpen zusammenballen; bald ist es spröde, spiegelnd und glänzend mit einem Stich in's Grauliche, Bläuliche oder Gelbliche und zerbröckelt und zerkrümmelt sich in lauter kleine Stücke. Die Waschwasser sind in diesem Falle klar, im ersteren etwas milchig getrübt. Klare Waschwasser lassen selten ein ganz gelungenes Product erwarten. Nach dem Auswaschen kommt das Paraffin in den gescheuerten Kessel zurück und wird über einem gleichen Theil Wasser geschmolzen. Dieses Aussüßen bei der Temperatur des siedenden Wassers wird mehreremale wiederholt, bis die anfängliche Trübung einer größeren Klarheit gewichen ist, wozu gewöhnlich fünf Waschungen hinreichen. Diese Trübung rührt von einer eigenthümlichen Substanz her, die, so zu sagen, in zwei Paraffinmodificationen unterschieden werden kann und neben der Ausbringung hauptsächlich auf das Ansehen des fertigen Productes einen wesentlichen Einfluß hat. Schon beim ersten Aussüßen scheidet sich diese Substanz mehr oder weniger aus, suspendirt sich theils im Wasser, wovon sie auch eine sehr große Menge sattmilchig zu färben vermag, oder schwimmt im geschmolzenen Paraffin wolkig herum. Sie gab in der Praxis zu verschiedenen falschen Annahmen Veranlassung, und da man aus Erfahrung wußte, daß bei einem großen Abgang durch die Waschwasser kein schönes Product resultirt, sie aber dennoch als Verunreinigung betrachtete, so suchte man dem Paraffin durch Beimengung fremdartiger Stoffe mehr Körper zu verleihen. Die eine Modification ist in den Waschwassern sehr fein vertheilt und wird im Verlaufe des Aussüßens beseitigt; die andere schwebt zwischen dem Wasser und dem Paraffin. Diese fließt dicklich ab, fühlt sich feingrießig an, klumpt und ballt sich im kalten Wasser zusammen und läßt sich leicht zerbröckeln und zerkrümmeln. Ihre Krystallisationsneigung ist sehr groß. Man findet im Innern größerer Mengen oft sehr schön verfilzte Nadeln und körnige Gruppen. Diese Modification ist für das Gelingen des Paraffins nicht gleichgültig. Man zieht daher das milchige Wasser bis zu dieser Schichte ab und wäscht wiederholt mit viel Wasser aus, worauf sie wieder mit dem Paraffin zusammengeht. Scheidet sie sich in zu großer Menge aus, und wird sie gänzlich abgezogen, so erhält das Paraffin, wenn es ausgegossen noch so klar und durchsichtig ist, immer einen graulichen, bläulichen oder gelblichen Stich. Es fühlt sich dabei etwas fett an, und nach einiger Zeit erscheinen ölige Absonderungen, die sich in kleinen Aushöhlungen zu tropfenförmigen Ansammlungen vereinigen. Es ist auch weicher und zieht sich bald krumm. Das übermäßige Auftreten dieses Körpers ist stets ein Beweis, daß man mit der Anwendung der Schwefelsäure zu weit gieng oder beim Aussüßen zu vorzeitig oder zu viel Aetzlauge hinzufügte. Diese Modificationen und ihre Eigenschaften sollen bei einer anderen Gelegenheit ausführlicher besprochen werden. Nach Beendigung der erforderlichen Aussüßung und Erneuerung des Wassers wird 0,15 Proc. Aetznatronlauge von 1,360 Dichte hinzugefügt und das Ganze mit einem Glasstab tüchtig durchgepeitscht. Die Masse trübt sich augenblicklich und wird etwas dicklich. In diesem Zustande ist das Paraffin selbst nach stundenlanger Ruhe nicht auszugießen. Früher hat man, um sofort ausgießen zu können, durch Verseifung mit Stearinsäure und Lauge eine durchgreifende und rasche Klärung herbeiführen wollen, durchgehend aber trübes Paraffin erzielt. Diesen Uebelstand kann man auf mechanischem Wege einfach beheben, wenn man das Paraffin über Nacht langsam erkalten läßt und den anderen Tag wieder aufschmilzt, wornach es sich vollkommen klar und durchsichtig absetzt. Sodann wird es bei einer Temperatur von ungefähr 60° C. in Tafelform vergossen, wobei es weder schäumen noch Blasen werfen darf. Bei einer höheren Temperatur wird die Oberfläche der Tafeln faltig und verschrumpft. Es ist vortheilhaft, die Blechformen im Sommer auf das Eis zu bringen, da bei der großen Krystallisationsneigung des Paraffins leicht ein bläulicher Stich hervortritt. Diese Neigung ist um so größer, je stärker die Platten sind und je langsamer die Abkühlung erfolgt. Ein einmal mißlungenes Paraffin wird durch Nachbehandlung immer unansehnlicher. Beim Auswaschen scheiden sich meist schwarzbraune Flocken ab, die in allen Höhen schweben, theilweise sich an der Oberfläche in größeren Parthien ansammeln und das Wasser sehr schmutzig färben. Je länger man wäscht, desto trüber wird die Masse, welche sich auch nach wiederholtem Abkühlen und Aufschmelzen nicht abklären läßt. Beim Abziehen findet sich dieser Schmutz häufig an der Berührungsfläche der Wasserschichte, worauf eine dickliche, träge fließende, vom Schmutz braun gefärbte Substanz folgt, welche die zweite Paraffinmodification enthält. Das Paraffin verliert dabei die körnig-krystallinische Structur und nimmt einen gelblichen Ton an. Es läßt sich wieder aufbessern, wenn man es beim Aussüßen einer frischen Reinigungsparthie zuschmilzt. Die Indifferenz des Paraffins gegen concentrirte Schwefelsäure und Aetzalkalien ist nicht so ausgesprochen, als man zu glauben geneigt ist. Das Vitriolöl zerstört nicht bloß die Verunreinigungen, die Oele und die paraffinartigen Körper niederer Zusammensetzung, auch die höchst constituirten Kohlenwasserstoffe bleiben davon nicht unangegriffen; denn Dichte und Schmelzpunkt nehmen von den Kuchen zum fertigen Paraffin allmählich ab und liegen in der zweiten Modification am höchsten. Bei längerer Einwirkung von Vitriolöl und Aetzlauge finden auch Zersetzungen statt, deren resultirende Körper mehr und mehr aus der Indifferenz heraustreten und theils saure, theils basische Eigenschaften anzunehmen scheinen. Diese innere Veränderung von Paraffinantheilen manifestirt sich durch die Wechselerscheinungen, welche in den verschiedenen Behandlungsstadien sich wahrnehmen lassen. Sie treten so mannichfaltig auf, daß es schwierig ist, sich darüber ein richtiges Urtheil zu bilden und dadurch Anhaltspunkte für die Art des weiteren Angriffs zu gewinnen; so unscheinbar diese Wechselerscheinungen sind und so schwer sie sich begrenzen lassen, müssen sie doch als leitende Symptome festgehalten werden. Resultate der Reindarstellung des digerirten Paraffins. Im Winter. Im Sommer. Reines Paraffin 84,8 Proc. 85,7 Proc. Verlust   15,2    „    14,3    „ –––––––– –––––––– 100,0  100,0 Die Mehrausbeute in den Sommermonaten ist nur relativ. Thatsächlich entfällt, wie die folgende Tabelle zeigt, in den Sommermonaten weniger als in den Wintermonaten; die wirkliche Ausbeute steht dagegen im verkehrten Verhältniß. Die Dichte des reinen Paraffins ist 0,877, sein Schmelzpunkt liegt zwischen 48 und 52° C. 100 Pfd. Preßkuchen digerirtes reines Paraffinmasse in Pfunden Paraffin aus Kuchen geben: oder Procenten. in Pfunden. in Procent. in Pfden. in Procent. in den Wintermonatenin den Sommermonat. 21,618,2 14,512,6 67,869,3 12,310,8 57,559,4 Differenz   3,4   1,9 –1,5   1,5 –1,9 Ein gelungenes Paraffin hat krystallinische Structur, ist klingend, durchscheinend, geschmacklos, geruchlos, farblos, schwach biegsam, schlüpfrig trocken anzufühlen, ohne fettig abzuschmutzen. Seine Neigung zum Krystallisiren ist sehr groß. Dabei wird es undurchsichtig und zieht sich bedeutend zusammen. Aus schweren Kohlenölen krystallisirt es in schönen Tafeln und Blättchen; mit leichten, damit gesättigten Oelen entsteht hingegen eine gelatinöse, aufgequollene Masse, ähnlich der warmen Lösung desselben in Aether. Ferner ist es löslich in Benzol, Chloroform, Schwefelkohlenstoff, in allen flüchtigen und fetten Oelen. Seine theilweise Lösung in absolutem Alkohol ermöglicht die Trennung in mehrere Krystallisationen. Mit Wallrath, Wachs, Stearin, Harzen, thierischen und vegetabilischen Fetten läßt es sich zusammenschmelzen. Es wird erst bei 400° C. flüchtig, bleibt aber dabei nicht ganz unverändert. Das Destillat ist fettig anzufühlen und zeigt eine geringere Dichte und einen niedereren Schmelzpunkt. In Lichtern brennt es mit schönweißer, langer, nicht flackernder Flamme ohne Ruß und Geruch. Gegen Basen und Säuren ist es bis zu einem gewissen Grade indifferent und widersteht der Einwirkung der Flußsäure, nur wird es von Salpetersäure unter gleichzeitiger Bildung von Bernsteinsäure, Valeriansäure und Buttersäure angegriffen. Seiner vortrefflichen Eigenschaften wegen wird es in Künsten, Gewerben und in der Industrie verschiedenartig angewendet. Reichenbach erkannte schon seine Bedeutung und strebte dessen Geltendmachung an, doch war die Ausbeute aus Holztheer viel zu gering, die Manipulation zu umständlich und kostspielig, und die Qualität nicht zusagend. Gegenwärtig, nachdem die Darstellung aus verschiedenen bituminösen Fossilien zu einer gewissen Vollkommenheit gedieh, und die Mineralölproduction einen ungeahnten Aufschwung genommen hat, wurde auch der Paraffinerzeugung ein erneuerter Impuls gegeben. Im unreinen Zustande spielt das Paraffin, da es die Grundlage einer guten Reibungsschmiere ist, in der Fabrication der Antifrictionsfette eine bedeutende Rolle. Die gemeine Bauernwagenschmiere, sowie das schwarze Pech verdanken ihre Brauchbarkeit einer kleinen Menge des darin enthaltenen Paraffins. Man verwendet es auch zum Tränken von Schwämmen und Papier, zum Conserviren der Früchte, als Appreturmittel für Leder, Gewebe und gedrehte Gegenstände aus vegetabilischer und thierischer Faser, entweder als solches, oder gelöst in Benzin, Steinöl, Schwefelkohlenstoff, oder gemischt mit Wachs, Stearin und verwandten Stoffen. Seine Stabilität macht es ferner in der wissenschaftlichen Technik als Ueberzug zum Schutze gegen Säuren und Alkalien, als Isolirschichte bei leicht oxydirbaren Körpern und Flüssigkeiten, zu Oelbädern und verschiedenen Operationen sehr geschätzt. Diese Verwendungsarten sind jedoch nur untergeordneter Natur. Endzweck und Hauptaufgabe der großen Production ist, demselben unter den Kerzenmaterialien eine hervorragende, bewegungsfreie Stellung zu sichern. Ehe man es verstand, das Paraffin in reinem Zustande darzustellen, war man genöthigt, das mit Wachs oder Stearin versetzte Material zur Verleihung eines gefälligeren Aeußeren in verschiedenen Farben zu Kerzen zu verarbeiten. Von dieser Deckung hat man gegenwärtig wohl abgehen können, aber die Klagen über verschiedene Uebelstände, namentlich über das Krummziehen der Kerzen beim längeren Stehen im Leuchter oder bei einseitiger Erwärmung sind aufrecht geblieben. Die Ursache davon liegt darin, daß solches Paraffin Kohlenwasserstoffe von niedrigerem Schmelzpunkt enthält und theilweise auch in seiner Neigung zum Krystallisiren. Das Extractionsverfahren mit Benzin oder leichtem Photogen beseitigt nicht allein diese Uebelstände nicht, sondern es tritt noch ein neuer hinzu, daß nämlich die Kerzen sämmtlich mit Geruch brennen. Diese Fabricate, welche in Folge der sich allseitig überbietenden Concurrenz eine die Zukunft des Paraffins gefährdende Rolle spielen, müssen sich mit den Fortschritten der Paraffinindustrie immer mehr discreditiren. Ueberdieß sind die meisten Fabriken bestrebt, ein stets gleichmäßiges und gleichwerthiges Product zu erzielen. Man ist daher genöthigt mehrere Sorten zu unterscheiden, von denen die geringeren der Speculation wohl ganz gelegen kommen, aber durch ihre äußeren und inneren Eigenschaften keineswegs geeignet sind, der jungen Paraffinindustrie eine solide Grundlage zu verschaffen. Es kommen Kerzen in den Handel, welche bereits bei 40° Cels. erweichen und somit ohne Krummziehen selbst eine mäßige Zimmerwärme nicht auszuhalten vermögen. Uebrigens wird sich jede aus unversetztem Paraffin bestehende Kerze, auch wenn dasselbe einen Schmelzpunkt von 58° C. zeigt, mit der Zeit etwas krümmen oder doch rissig werden. Es entsteht somit die gebieterische Nothwendigkeit, dem Paraffin durch Zusätze im richtigen Verhältniß gewissermaßen mehr Körper zu verleihen und nöthigenfalls auch seinen Schmelzpunkt zu erhöhen, wie durch Wallrath, Wachs oder Stearin. Das letztere eignet sich dazu zuvörderst schon wegen seiner Billigkeit und Reinheit. Es dürften auch gegenwärtig gute Paraffinkerzen kaum mehr stearinfrei seyn, obgleich sie das prachtvolle Aussehen, namentlich den eigenthümlichen Glanz nicht besitzen, der ihnen durch Körper fetter oder wachsartiger Beschaffenheit benommen wird. Ein anderer Fehler, welcher nicht minder zu häufigen Klagen Veranlassung gab, ist das Ablaufen der Kerzen. Die Ursache liegt oft weniger in dem Material, als im schlechten Docht und mangelhaften Guß. Der Docht, seine Präparation und sein Verhältniß zum Querschnitt der Kerze, ist wichtiger als die Lichterfabrikanten zu glauben geneigt sind. Das Paraffin ist unstreitig das ausgezeichnetste Material für Luxuskerzen. Die alabasterne Transparenz und das schöne, blendend weiße Licht verleihen ihnen nicht geringes Ansehen und Beliebtheit. Wallrath und Wachs werden schwerlich mehr zu Luxuskerzen verwendet; das Stearin, welches im Gebiete der Kerzenfabrication Außerordentliches leistete, hat jene unmöglich und kostspielig gemacht. Ob das Stearin in dem Paraffin einen bedrohlichen Concurrenten finden wird, ist eine Frage des richtigen Verständnisses von dessen innerem Werth. Erwiesen ist vorläufig, daß für gleiche Helligkeit die Beleuchtung mit Paraffin billiger als die mit Stearin ist und das erstere an Leuchtkraft das letztere weit übertrifft. Das von vielen Seiten laut gewordene, absprechende Urtheil über Paraffin als Kerzenmaterial wird sich auf diese Weise nicht behaupten, und die Industrie wird einem Körper nicht die besondere Pflege versagen, welcher mit dem Reiz der Neuheit auch neue Vorzüge vereinigt. Auch der in so rascher Aufnahme begriffene Consum von Hydrocarbüren, mit welchen bei gut construirten Lampen selbst das vorzüglichste und zugleich billigste Kerzenmaterial keinen Vergleich zu bestehen vermag, wird auf Kerzenbeleuchtung im Allgemeinen nicht in dem Grade eine Rückwirkung äußern, daß man die letzteren jemals völlig wird entbehren können. Lichtstärke und Consum sprechen für Paraffin so günstig, daß es gegenüber dem Wachs fast einen doppelten Werth repräsentirt. Der Zulassung des Paraffins zum Kirchengebrauche stehen aber liturgische Bedenken entgegen, obwohl die Wachskerzen die gröbsten Verunreinigungen, namentlich mit Harzen enthalten und diese durch häufiges Qualmen verrathen. Stillschweigend wird es dennoch schon vielfach unter Wachs geschmuggelt, wovon schon einige Procente genügen, um der ganzen Masse den eigenthümlichen Wachsgeruch zu verleihen. Dieses gefälschte Wachs besitzt aber eine geringe Knetbarkeit und läßt sich wohl zu Kerzen vergießen, aber nicht ausrollen. Auch nimmt es nicht so den Kreidestrich an, wie reines Wachs, und zeigt einen Schmelzpunkt, der unter 65° C. liegt. Zur chemischen Untersuchung dient rauchende Schwefelsäure, welche wohl das Wachs, aber nicht das Paraffin zerstört, das an der Oberfläche aufschwimmt. Die Entdeckung und Aufbereitung des Paraffins bleibt neben dem Anilin eine glänzende Errungenschaft unseres Jahrhunderts im Gebiete der trockenen Destillation. Durch die Paraffinindustrie wurde indirect der geniale Gedanke Liebig's verwirklicht, das Kohlengas zu einem weißen, festen, trockenen, geruchlosen Körper zu verdichten, welchen man auf Leuchter stecken und anzünden kann.