Titel: Ueber eine praktische Vereinfachung bei der Vergleichung galvanischer Ketten nach der Compensationsmethode; von Professor Dr. A. von Waltenhofen in Innsbruck.
Autor: Adalbert Waltenhofen [GND]
Fundstelle: Band 172, Jahrgang 1864, Nr. XIII., S. 28
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XIII. Ueber eine praktische Vereinfachung bei der Vergleichung galvanischer Ketten nach der Compensationsmethode; von Professor Dr. A. von Waltenhofen in Innsbruck. Mit einer Abbildung. v. Waltenhofen, über eine praktische Vereinfachung bei der Vergleichung galvan. Ketten nach der Compensationsmethode. Wer immer mit der praktischen Anwendung des Galvanismus zu thun hat, kommt häufig in den Fall Messungen der elektromotorischen Kraft und des Widerstandes der benützten Ketten oder Batterien vornehmen zu sollen. Die Kenntniß dieser Größen ist unerläßlich, wenn von einer rationellen Anwendung die Rede seyn soll, und wenn man nicht durch planloses Probiren mit allerlei Vorschlägen in Bezug auf Zusammenstellung und Füllung der Ketten, oder durch Beibehaltung unvortheilhafter Einrichtungen Geld und Zeit nutzlos opfern will. Dessenungeachtet kommt es ziemlich selten vor, daß sich Praktiker mit Messungen dieser Art befassen. – Häufig fehlt es an der Bekanntschaft mit den betreffenden Methoden, oder man scheut die Umständlichkeit und Mühe ihrer Ausführung. Beides ist zum Theil darin begründet, daß die besagten Methoden, in der Form wie man sie bei rein wissenschaftlichen Untersuchungen angewendet hat oder anzuwenden pflegt, allerdings nicht immer auf das Bequemste vereinfacht und für die Praxis zurechtgelegt sind. Es läßt sich aber Vieles thun, um die Maaßbestimmungen über Spannung und Widerstand galvanischer Ketten für die Ausführung bequemer einzurichten, insbesondere wenn es sich nicht um Messungen handelt, welche zur Aufklärung theoretischer Fragen führen sollen, sondern nur um solche, die zur Beurtheilung der Leistungsfähigkeit eines für technische Zwecke bestimmten Apparates dieser Art hinreichen. Aus den angeführten Gründen scheint mir jede bequeme Vereinfachung galvanometrischer Methoden, welche zur allgemeineren Verbreitung und leichteren Ausführung derselben beitragen kann, auch praktischen Werth zu haben. – Diese Rücksicht bestimmt mich, in diesem Journal ein Verfahren dieser Art zur Sprache zu bringen und dabei eine von mir mit großem Vortheil an Einfachheit und Zeitgewinn in Anwendung gebrachte Abänderung des gewöhnlichen Vorganges mitzutheilen. Unter allen Methoden die elektromotorische Kraft einer Kette zu messen, ist die von Poggendorff ersonnene Compensationsmethode die vollkommenste. Dieses Verfahren, welches zu den sinnreichsten Messungen der Physik gehört, ist in Müller's „Bericht über die neuesten Fortschritte der Physik“ Seite 273 gemeinfaßlich begründetEine ausführliche Abhandlung darüber hat Poggendorff in seinen Annalen Bd. LIV S. 161 mitgetheilt. und beschrieben. Das Princip ist aus der nachstehenden Erläuterung der beigefügten schematischen Zeichnung ersichtlich. Textabbildung Bd. 172, S. 28 Es stelle a, b die Kette vor, deren elektromotorische Kraft = e gemessen werden soll; A, B sey eine stärkere Kette, und die Pole derselben seyen durch die beiden Leitungen A, G, B und A, R, a, b, M, B verbunden. – Bei dieser Anordnung wird der Strom der stärkeren Kette getheilt, und der Theilstrom in der zweiten Leitung geht durch die schwächere Kette hindurch und wirkt ihrer eigenen Strömung entgegen. Es ist klar, daß dieser Theilstrom verstärkt wird, wenn man den Widerstand in der zweiten Leitung (d. i. A, R, a, b, M, B) verkleinert, oder in der ersten Leitung (d. i. A, G, B) vergrößert; daß aber in den entgegengesetzten Fällen eine Schwächung dieses Theilstromes eintreten muß. Man kann ihn daher beliebig reguliren und durch entsprechende Abänderung der besagten Widerstände es dahin bringen, daß er gerade die erforderliche Stärke hat, um der entgegengesetzten Wirkung der schwächeren Kette genau das Gleichgewicht zu halten. In diesem Falle wird in der zweiten Leitung gar kein Strom zu bemerken seyn, d.h. die Nadel eines daselbst eingeschalteten Multiplicators M wird auf dem Nullpunkte der Theilung stehen bleiben, weil sich eben die beiden vorbesagten entgegengesetzten Ströme gegenseitig aufheben. – Man sagt in diesem Falle: die schwächere Kette sey durch den Theilstrom der stärkeren Kette „compensirt“. Dagegen wird in der ersten Leitung und in der stärkeren Kette selbst, also auf dem Wege A, G, B, A ein Strom circuliren, dessen Stärke S mittelst eines in die erste Leitung eingeschalteten Galvanometers G gemessen werden kann. Bezeichnet man den Widerstand der ersten Leitung, d. i. den Widerstand der Nebenschließung A, G, B mit l, so drückt das Product Sl, wie die Rechnung lehrt, die Größe der elektromotorischen Kraft der schwächeren Kette aus. Es besteht demnach die Gleichung e = Sl.Bezeichnet man ferner die elektromotorische Kraft der stärkeren Kette mit E und ihren inneren Widerstand (zwischen A und B) mit W, so besteht für den Fall der Compensation auch noch die Gleichung E/e = (W + l)/l = 1 + W/l, welche Gleichung also das Verhältniß der elektromotorischen Kräfte beider Ketten angibt, sobald man die Widerstände W und l ermittelt hat. Führt man die Leitung l von B aus nicht unmittelbar nach A, sondern nach a, so kommt zum Widerstande W noch der Widerstand der Leitung A, a hinzu, und wenn man denselben mit p bezeichnet, gilt die Gleichung E/e = 1 + (W + p)/l; diese Einrichtung gewährt den Vortheil, daß man W nicht sehr genau zu bestimmen braucht, wenn es im Vergleiche mit p, welches sich viel leichter mit Genauigkeit messen läßt, einen kleinen Werth hat. Gewöhnlich verfährt man nun so, daß man – während der Widerstand in der zweiten Leitung constant bleibt – den Widerstand l der ersten Leitung mit Hülfe eines daselbst eingeschalteten Rheostaten so lange verändert, bis die oben beschriebene Compensation eintritt, und dann die Messungen der Stromstärke S und des Widerstandes l vornimmt. Dieses Verfahren läßt sich nun dahin vereinfachen, daß man bei jedem Versuche nur eine einzige Messung, nämlich jene von S zu machen hat. Man erzielt dieß in der Weise, daß man den Rheostat R nicht in die erste, sondern in die zweite Leitung einschaltet und somit in dieser den Widerstand so lange abändert, bis die Compensation eintritt, während man den Widerstand der ersten Leitung ganz ungeändert läßt, nachdem man ihm zuvor ein für allemal eine bestimmte GrößeAm bequemsten ist es, ihm eine runde Zahl von Widerstandseinheiten zu geben. Diese Anordnung gewährt auch bei der Bestimmung des Verhältnisses E/e mittelst der Gleichung E/e = 1 + W/l eine erhebliche Vereinfachung, indem – wenn l constant und z.B. = 100 ist – das Verhältniß E/e = 1 + W/100 wird. Es wird also auch hier jedesmal eine Messung und zugleich jede weitere Rechnung erspart. gegeben hat. Bei dieser Anordnung verhalten sich dann die elektromotorischen Kräfte aller Ketten, welche man auf die beschriebene Art untersucht, ganz einfach wie die Stromstärken, welche bei der jedesmaligen Compensation in der ersten Leitung stattfinden und am Galvanometer G abgelesen werden. Hätte man den Widerstand der ersten Leitung z.B. = 100 gemacht, so wäre die elektromotorische Kraft der untersuchten Kette in jedem Falle gerade der 100fachen Stromstärke S in dieser Leitung gleich. Ich habe die beschriebene Anordnung des Compensationsverfahrens bei den Untersuchungen benützt, deren Resultate in meinem Aufsatze „über die Kohlen-Zink-Kette bei Anwendung verschiedener Ladungsflüssigkeiten“ in diesem Journal Bd. CLXIV S. 427 mitgetheilt worden sind. Ein ungemein einfaches Verfahren zur Vergleichung der elektromotorischen Kräfte mehrerer Ketten ist die sogenannte „Methode der großen Widerstände.“ Sie besteht bekanntlich darin, daß man einen constanten, aber möglichst großen Widerstand der Reihe nach in die zu vergleichenden Ketten einschaltet und jedesmal die Stromstärke beobachtet. Die elektromotorischen Kräfte verhalten sich dann nahezu wie diese Stromstärken. Ich habe in einer nächstens erscheinenden Abhandlung nachgewiesen, daß diese Methode, wenn gleich der Compensationsmethode weit nachstehend, doch immerhin ziemlich verläßlich ist und in den meisten Fällen ganz brauchbare Resultate liefert. Innsbruck, am 9. März 1864.