Titel: Der Baudelot'sche Bier-Kühlapparat; von Ludwig Haecker.
Fundstelle: Band 172, Jahrgang 1864, Nr. CX., S. 422
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CX. Der Baudelot'sche Bier-Kühlapparat; von Ludwig Haecker.Den für den Druck vorbereiteten „Amerikanischen Reiseskizzen aus dem Gebiete der Technik, Landwirtschaft und des socialen Lebens von L. Haecker entnommen. Haecker, über den Baudelot'schen Bier-Kühlapparat. Unter den Kühlvorrichtungen, welche ich in der amerikanischen Braupraxis antraf, steht als ausgezeichnet da Baudelot's Apparat, welcher die bisher in der Praxis befolgten Grundsätze der Kühlung gewissermaßen umstoßt. In Deutschland und in den Staaten der österreichischen Monarchie ist diese Vorrichtung noch wenig gekannt und noch weniger nach ihrem Werthe anerkannt; dem für das Braufach unermüdlich thätigen Hrn. Habich gebührt das Verdienst, in dem von ihm herausgegebenen „Bierbrauer“, so wie durch sein neuestes schätzbares Werk „Die Schule der Bierbrauerei“, die Anregung für den Fortschritt in dieser Richtung gegeben zu haben. Einige Bemerkungen aus meiner eigenen Erfahrung mit dem Baudelot'schen Bierkühlapparat erlaube ich mir umsomehr den seitherigen Veröffentlichungen über diesen Apparat anzureihen, als ich mich selbst von der Wichtigkeit desselben für die Bierindustrie überzeugt habe. In seiner neuesten Gestaltung steht dieser Kühler erst seit wenigen Jahren in den Vereinigten Staaten im Gebrauche und ist Hr. Georg B. Turrell in New-York der Patentträger. Unter den vielen für gleichen Zweck geschaffenen Vorrichtungen ist diese wahrhaft hervorragend durch das sinnreiche Princip, welches ihr zu Grunde liegt, und demgemäß durch Einfachheit und Billigkeit, durch große und schnelle Leistung bei leichter Handhabung und leichter Reinhaltung, durch den geringen Raum welchen sie einnimmt, durch Gewinnung von großen Massen heißen Wassers für weitere Brauzwecke. Für Alebrauereien macht der Baudelot'sche Apparat das Kühlschiff ganz entbehrlich und gewährt also eine sehr große Ersparniß an Gebäude- und Einrichtungs-Capital und an Raum, bei erleichterter Uebersichtlichkeit des Geschäfts und außerordentlicher Verkürzung der Manipulation. Baudelot's KühlerMan vergleiche die aus dem „Bierbrauer“ im polytechn. Journal Bd. CLXVIII S. 363 mitgetheilte Beschreibung desselben. besteht in der Hauptsache aus einem Systeme von mit Belassung eines kleinen Zwischenraumes übereinander gelegten, parallelen Kupferröhren, welche an den Enden durch Verschraubungsstücke mit einander verbunden sind und durch zwei Pfostensäulen getragen werden. Sowohl über als unter dieser Röhrenwand ist eine Rinne angebracht, die obere um die heiße, die untere um die bereits gekühlte Würze aufzunehmen, beziehungsweise zu vertheilen und weiterzuleiten. In das unterste Rohr tritt das kalte, unter Umständen mit Eis gekühlte Wasser ein und begegnet von Rohr zu Rohr nach oben steigend der außen herabfließenden heißen Würze. Diese dringt durch die vielen kleinen Löcher der einen Winkel darstellenden oberen Rinne und vertheilt sich als äußerst dünne Schichte über die Röhren; um die zu kühlende Bierwürze von einer Röhre zur anderen tropfenweise zu vertheilen, hat jede an der Untenseite eine Zahnlinie, einen gekerbten schmalen Kupferstreifen. Eine neueste Construction behält diese Zahnlinie nur als Vermittlerin des Abflusses von der Vertheilungsrinne auf das oberste Rohr bei; sind die obersten Röhren einmal von der Flüssigkeit überströmt, so wird mit einem Pinsel zum Behuf der gleichförmigen Benetzung darüber gefahren und sofort gestaltet sich die abfließende Würze in den Rohrzwischenräumen eben so gut als auf der Rohrfläche zur dünnen Schichte. Baudelot's Apparat wird je nach dem Bedürfnisse des Braugeschäfts, für welches er bestimmt ist, für eine Kühlung von 12 bis 60 BarrelsIn Amerika gilt das englische Wein-Barrel à 31 1/2 Gallons = 101 Wiener Maaß. Würze pro Stunde angefertigt. Die kleinste Dimension ist die von 8' Röhrenlänge und 4' Höhe bei 20 übereinander liegenden Röhren; die größten derzeit üblichen Apparate haben 17' lange Röhren und das ganze System hat eine Höhe von 7'; die erstere Art ist für eine Kühlung von 12, die letztere für eine solche von 60 Barrels in der Stunde angenommen. Vor vier Jahren noch, ehe das mit dem Kriegsglücke der Nordstaaten wechselnde Goldagio die Preise aller Artikel der Schwankung unterwarf, kosteten Baudelot's Kühler innert der oben erwähnten Grenzen der Leistung 275 bis 1100 Dollars, Ansätze welche im Vergleiche mit den Kosten der in Mitteleuropa üblichen Kühlapparate für gleiche Leistung sehr klein sind. Alefabriken ersparen, wie bereits angeführt, bei Benützung dieser Vorrichtung das Kühlschiff, somit auch das Kühlhaus, vollständig. Der Apparat wird in einem kühlen, nach Bedürfniß den freien Luftzug gestattenden Locale wenn möglich so aufgestellt, daß die Würze aus dem Braukessel, beziehungsweise aus dem den Dienst des Hopfenseihers versehenden Behälter durch den eigenen Fall darauf gelangt und nach der Kühlung von selbst in das Gährlocal abfließt. Die Manipulation ist äußerst einfach; Zufluß und Abfluß sowohl von Würze als von Kühlwasser werden durch Hähne regulirt, das heißgewordene Kühlwasser wird im Heißwasser-Behälter oder auch im Braukessel zum weiteren Dienst gesammelt. Das Kühlwasser wird besonders in kalter Jahreszeit sehr gut ausgenützt und dessen Temperatur, wofern die Bierwürze, wie dieß in Alefabriken gewöhnlich ist, nahezu siedend auf den Apparat kommt, auf circa 60° R. erhöht; im Allgemeinen erreicht das Kühlwasser bis auf 2–3 Grade Differenz die Wärme der gekühlten abfließenden Würze. Dieses Verhältniß wechselt begreiflicher Weise je nach der Lufttemperatur, der geringeren oder größeren Beschleunigung der Operation des Kühlens (im ersteren Falle wird das Kühlwasser besser, im letzteren weniger gut ausgenützt) oder, was dasselbe ist, nach dem Verbrauche eines kleineren oder größeren Wasserquantums. Im Winter wird ein der Würze etwa gleiches Maaß von Wasser für die Abkühlung derselben verwendet, im Sommer das doppelte. In den heißen Julitagen des verflossenen Jahres beobachtete ich in einer ausgezeichnet gut geleiteten Schottisch-Ale-Brauerei im Staate New-York folgende Wirkung dieser sinnreichen Kühlvorrichtung: Die abendliche Lufttemperatur war 21 1/3° R.; das für die Kühlung verfügbare Wasser hatte 11 2/3° und erwärmte sich im Aufsteigen durch den Apparat auf 39°; die mit einer der Siedehitze nahen Temperatur von dem Seihebehälter zuströmende Alewürze wurde auf 13 1/3° heruntergekühlt. Bei einer anderen Operation hatte das benützte Kühlwasser 9 3/4° und die Würze kam auf 12 2/4° herunter. Die mir mitgetheilte Erfahrung, daß in derselben Fabrik in kalter Jahreszeit das Kühlwasser gewöhnlich 57° erreicht, steht mit folgender Berechnung im Einklang: 100 Barrels der gehopsten Würze sollen, in Anbetracht der bei der kurzen Rast zum Absetzen und der auf dem Wege von dem Braukessel bis zum Apparat stattfindenden Abkühlung, mit einer Temperatur von 70° auf den Apparatfließen und ihn mit 12° verlassen, so betrüge die anfängliche Wärmemenge 100 × 70 = 7000, die schließliche 100 × 12 = 1200, sonach die Wärmeabgabe der Würze 5800 Barrel-Grade. Da das Kühlwasser sich auf 57° erwärmt hat und – im Winter – mit annähernd 7° zur Verwendung kam, so wären 5800/50, also nur 116 Barrels Wasser nöthig gewesen, wofern die Verdunstung gar keine Rolle bei der Operation spielen würde. Aber das eigentlich Geniale des Baudelot'schen Apparats liegt darin, daß er die Verdunstung sich eben so gut dienstbar macht als die Wärmeableitung durch das Kühlwasser; es können daher mit Rücksicht auf jenen wichtigen Factor der Abkühlung 100 Barrels Kühlwasser zur Abkühlung von 100 Barrels Würze auf die für die Gährung des schottischen Ale erforderliche Temperatur von circa 12° R. zur Winterszeit wohl genügen. Ersichtlicher Weise ist ferner der Baudelot'sche Apparat – anstatt gleich den sonst gewöhnlich gebrauchten Kühlern ein Zerstreuer der Wärme zu seyn – ein Wärmesammler. Bei unserem praktisch gültigen Beispiele wird in Winterszeit ein dem Gebräue gleich großes Quantum reinen Wassers von 60° R. für die weiteren Brauzwecke gewonnen und hierin liegt eine willkommene Geschäftsannehmlichkeit und eine wesentliche Brennmaterialersparniß. Ein Gebräue von 100 Barrels entspricht der Geschäftsausdehnung einer mittelgroßen Alefabrik; bei einem solchen ergeben sich folgende Ziffern: 100 Barrels sind gleich 250 Wiener Eimern Kühlwasser welches von 7 auf 57 Grade erwärmt wurde; der Wärme-Gewinn ist daher gleich 50 × 250 = 12500 Eimer- oder Centner-Graden, denn im österreichischen Maaße bedeutet dieß nahezu dasselbe. Da 1 Centner Steinkohle durch die Verbrennung 60 Ctr. Wasser von 0° auf 80° R. erhitzt, also 4800 Centnergrade werth ist, so entspricht die Ersparniß in unserem Beispiele 12500/4800 = 2,6 Ctr. Steinkohle pro Gebräue von 100 Barrels. Die Niederschläge und Ausscheidungen des Hopfensudes, welche sonst als Kühlgeläger entfernt zu werden Pflegen, kommen in solchen Alebrauereien, die ohne Kühlschiff arbeiten, großentheils mit auf die Gährgefäße, da sie in dem öfters erwähnten Speisebehälter des Kühlers sich nur zum geringen Theile absetzen können. Durch den energischen Obergährproceß werden jene Stoffe übrigens so vollständig ausgestoßen und abgeschieden, daß die Reinheit, der Glanz und Wohlgeschmack des Ale's erfahrungsgemäß durch eine solche Manipulation nicht leidet. Bei der Lagerbierbereitung dagegen hat der Baudelot'sche Apparat bis jetzt die Kühlschiffe noch nicht als überflüssig erscheinen lassen; man läßt die Würze so lange auf dem Kühlschiffe ruhen, bis sich das Geläger abgesetzt hat und schreitet jetzt erst zur Abkühlung mit Hülfe des Apparates. Schließlich erlaube ich mir, noch eine wichtige Frage zu berühren. Ersichtlicher Weise wirkt der Baudelot'sche Apparat eines Theils durch die vollkommene Berührung, in welche äußerst dünne Würzeschichten mit der ganzen äußeren Fläche der das Kühlwasser führenden Röhren kommen, und anderen Theils durch das Mittel der Verdunstung der Flüssigkeit selbst, welche eben durch diese weitest gehende Vertheilung sehr befördert wird. Aber gerade diese Verflächung hat auch eine eingehende Berührung mit der Atmosphäre im Gefolge, welche, d.h. deren Sauerstoff, gewisse Wirkungen auf die Bierwürze ausüben muß. Daß nun dieser Einfluß kein solcher ist, welcher die Qualität und die Haltbarkeit des Products beeinträchtigt, das steht für Ale ganz fest und wurde mir auch bezüglich des Lagerbieres von gewichtiger Seite bestätigt. Ich darf aber nicht verschweigen, daß sich hinsichtlich der Wirkung der Baudelot'schen Kühlung auf Lagerbier auch gegnerische Stimmen in Nordamerika hören lassen: möge im Interesse der Braukunst die Praxis hierüber baldigst ein endgültiges Urtheil fällen! Wenn man die Manipulation mit dem Baudelot'schen Kühler mit dem gewöhnlichen Verfahren vergleicht, wobei die Würze oft eine Nacht hindurch auf der Kühle liegt und mehrere Stunden lang „aufgekühlt,“ das heißt die Würze im Kühlschiffe umgerührt zu werden pflegt, so wird der Schluß gerechtfertigt seyn, daß, wofern ein Uebermaaß der Berührung mit der Luft, besonders bei den sogenannten schädlichen Temperaturgraden, der Würze nachtheilbringende Eigenschaften mittheilt, solche noch eher aus der so lange Zeit erfordernden Manipulation mit dem Kühlschiffe als aus der rasch verlaufenden Operation bei Anwendung des Baudelot'schen Kühlers entspringen können. Ungarisch-Altenburg, am 30. Mai 1864.