Titel: Zur Gewinnung der Borsäure in Toscana; von Dr. A. W. Hofmann.
Autor: August Wilhelm Hofmann [GND], Johannes Rudolph Wagner [GND]
Fundstelle: Band 172, Jahrgang 1864, Nr. CXXI., S. 458
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CXXI. Zur Gewinnung der Borsäure in Toscana; von Dr. A. W. Hofmann. Mitgetheilt von Prof. Dr. Rud. Wagner. Hofmann, über Gewinnung der Borsäure in Toscana. Die Entwickelung der Borsäure-Industrie in Toscana zerfällt in vier Perioden, nämlich: I. Periode der vorübergehenden Gewinnung (period of desultory effort). In den ersten 41 Jahren (von 1777 bis zum Jahre 1818) wurde die Gewinnung der Borsäure wiederholt begonnen und wie es scheint aus Mangel an Capital und an Umsicht wieder ausgesetzt; II. Periode der Borsäuregewinnung mittelst künstlicher Wärme. Die zweite Periode erstreckt sich über 10 Jahre und beginnt mit dem Jahre 1818, in welchem Graf Larderel seine nach ihm benannten Fabriken am Monte Zerboli anlegte. Die Ausbringungskosten waren sehr bedeutend und verschlangen allen Gewinn. Die Ausbeute betrug nicht mehr als 90 Tonnen jährlich; III. Periode der Borsäuregewinnung mittelst natürlicher Wärme. Der dritte Zeitraum dauert von 1818–1854 und in ihm entwickelte sich die Borsäureproduction. Das Charakteristische dieser Periode ist, daß man die Hitze der Suffioni zum Abdampfen der Borsäurelösung anwendete. Die Schnelligkeit, mit welcher die neue Industrie sich entwickelte, erhellt am besten aus der statistischen Zusammenstellung der Production: 1839    717,333 Kilogr. 1840    841,584 1844    885,046 1846 1,000,000 1851 1,166,666 1855 1,333,333 1857 1,633,333 Im Augenblick produciren die Erben des Grafen Larderel mehr als 2 Millionen Kilogr. bei 100° C. getrockneter Borsäure. (Im Jahre 1858 kosteten 100 Kilogr. Borsäure in Livorno 130 Frcs., im Mai 1862 nur noch 80 Frcs.) IV. Periode der Anlage künstlicher Suffioni. Die Idee, künstliche Suffioni anzulegen, rührt von Professor Garreri in Florenz her, realisirt wurde sie 1854 durch Manteri in der Fabrik von Durval. Es wird in den borsäurehaltigen Grund einfach ein artesischer Brunnen gebohrt und somit ein künstlicher Suffione gebildet, um welchen herum eine Lagune angelegt wird. In dem ersten Jahre der Einrichtung einer künstlichen Suffione producirte Durval aus dieser Quelle bereits 60,000 Kilogr. Borsäure. Die Suffioni enthalten außer der Borsäure auch noch andere Stoffe, die von Travale z.B. halten außerdem die Sulfate von Kali, Natron, Lithion, Ammoniak, Rubidium, Kalk, Magnesia, Thonerde, Eisenoxyd und organische Substanzen. Wie groß die Menge dieser Körper ist, erhellt aus einem in Travale angestellten Versuche. Vier Suffioni in der Umgegend von Travale gaben innerhalb 24 Stunden nicht weniger als 5000 Kgr. Salz, bestehend aus 150 Kilogr. Borsäure, 320 Kilogr. organischer Substanz, 1500 Kilogr. schwefelsaurem Ammoniak (= 30 Ctr.!), 750 Kilogr. schwefelsaures Eisen- und Manganoxydul, 1750 Kilogr. Bittersalz und 530 Kilogr. schwefelsaures Kali, Natron, Kalk, Strontian und Thonerde. Bechi, welcher früher das gleichzeitige Vorkommen von Borsäure und Ammoniak dem Vorhandenseyn von Borstickstoff in den Erdschichten zuschrieb, durch welche die Dampfquellen sich Bahn brechen, ist gegenwärtig mehr geneigt, die Borsäure der Zersetzung von borsaurem Kalk zuzuschreiben. Specielle Versuche haben gelehrt, daß ein Strom überhitzten Dampfes, über rothglühenden borsauren Kalk geleitet, reichliche Mengen von Borsäure mit sich fortreißt. Das Ammoniak ist wahrscheinlich ein Product der stickstoffhaltigen organischen Körper, die in reichlicher Menge in den Gebirgen Toscana's vorkommen. Das Erdreich in der Umgebung der Lagunen enthält schwefelsaures Ammoniak in großer Menge; dieses Salz findet sich auch in Verbindung mit schwefelsaurem Eisenoxydul, Natron und Magnesia in Gestalt bald amorpher, bald krystallinischer Krusten, welche nach Bechi nach der Formel (FeO, MgO, NaO), SO³ + 10NH⁴O, SO³ + 9HO zusammengesetzt sind und den Namen Boussingaultit erhielten.