Titel: Ueber das Verfahren von Possoz und Perier zur Reinigung der Rübensäfte vor der Filtration.
Fundstelle: Band 173, Jahrgang 1864, Nr. XCIII., S. 382
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XCIII. Ueber das Verfahren von Possoz und Perier zur Reinigung der Rübensäfte vor der Filtration. Ueber das Verfahren von Possoz und Perier zur Reinigung der Rübensäfte vor der Filtration. In der General-Versammlung des Vereins für Rübenzucker-Industrie in Magdeburg am 30. Mai sprach sich Herr Ingenieur R. Riedel über das Possoz-Perier'sche Verfahren im Wesentlichen in derselben Weise aus, wie dieß in der von ihm im polytechn. Journal Bd. CLXVII S. 216 mitgetheilten Abhandlung geschehen ist, ohne aber auch jetzt positive und directe Beweise für die durch das Verfahren bewirkte Reinigung, nämlich über die Menge und Art der gefällten Stoffe beizubringen. Auch von anderer Seite wurde die Helligkeit der durch das Verfahren erzielten Säfte anerkannt, die Möglichkeit oder Zweckmäßigkeit der Ersparniß größerer Knochenkohlemengen dagegen aus vielen Gründen bestritten. Die Anwendung der Knochenkohle bewirke eine Entsalzung der Säfte, zum großen Nutzen der Zuckerauslieferung; dabei sey gleiche Helligkeit ebenfalls zu erzielen, während die doppelte Carbonatation nur letztere bewirken, aber keine Salze aus dem Safte entfernen könne. Es wurde ferner angeführt, daß man helle Säfte auch auf einfacherem Wege als durch die Umständlichkeit der wechselnden Operationen bei dem Verfahren von Possoz und Perier, nämlich durch einfache Scheidung mit großen Kalkmengen (beispielsweise durch Zusatz von 2–3 Proc. Kalk) erhalten könne; daß dabei derselbe Uebelstand, wie bei dem doppelten Carbonatations-Verfahren, die Bearbeitung und Ausnutzung großer Schlammmengen auftrete, sey ein erhebliches Hinderniß in beiden Fällen. Während nun von Seiten der Erfinder sowohl, wie ihrer Vertheidiger kein wissenschaftliches und eben so wenig das technische Beweismittel genau und bis zu Ende durchgeführter Vergleichsarbeiten geliefert wurde, theilte H. Grouven Zeitschrift des Vereins für Rübenzucker-Industrie, 96ste Lieferung. eine Untersuchung mit, welche die durch das Verfahren von Possoz und Perier erlangten Wirkungen auf den Saft erläutert. Grouven untersuchte Säfte aus der Zuckerfabrik Schwittersdorf, welche das Verfahren kürzlich eingeführt hatte, und zwar waren die am 14., 17. und 22. März entnommenen Säfte: Scheidesaft, Saft nach 1ster Saturation, Saft nach 2ter Saturation. Diese drei Säfte wurden ausführlich analysirt. Als Resultat dieser Untersuchung ergab sich, daß von den, den Scheidesaft verunreinigenden Materien durch die Possoz-Perier'sche doppelte Saturation entfernt wird: 1) von Eiweiß unbedeutend wenig, denn die 3,4 Procent desselben, welche ausgefällt wurden, kommen gegen die zurückbleibenden 96,6 Proc. Eiweiß kaum in Betracht; 2) von Kali, Kochsalz, schwefelsaurem Natron und überhaupt all' den löslichen alkalinischen Salzen, welche die Krystallisation so sehr hindern, ebenfalls Nichts, denn die ausgeschiedenen 4 Proc. sind nicht der Rede werth gegenüber den zurückbleibenden 96 Proc. Salzen; 3) von organischen Extractivstoffen und Farbstoffen 1/7 der vorhandenen Menge. 6/7 bleiben im Safte zurück und können nur durch die Knochenkohle entfernt werden; 4) von Kalk 64 Proc. Man gab in der Fabrik an, daß absichtlich der Rest des Kalkes nicht entfernt werde, weil ein alkalischer Zustand der Säfte bei ihrer Filtration und Verkochung wünschenswerth bleibe. 5) Die Vortheile der doppelten Saturation sind also zurückzuführen erstens auf das 1/7 der Extractivstoffe, wodurch die Säfte durchgehend eine etwas größere Farblosigkeit erfahren dürften, und zweitens auf die größere Entkalkung des Saftes, wodurch weniger Kalk auf die Knochenkohle kommt und diese dadurch länger wirksamer bleibt, nämlich in etwas geringerer Menge nöthig wird. Die dadurch bewirkte Ersparniß an Kohle ist nicht sicher zu ermessen. Nach Dr. Weiler's sachkundigen Angaben soll durch reichliche Benutzung der Knochenkohle 40 Procent der den Saft verunreinigenden Materien aus dem Scheidesafte zu entfernen seyn. Da nun durch das Possoz-Perier'sche Verfahren vorweg schon 13,4 Proc. dieser Materien zur Ausscheidung kommen, so dürfte das günstigsten Falles einer Kohlenersparniß von ein Drittel gleichkommen. In der Fabrik zu Salzmünde, wo man etwa 15 Pfd. Kohle per Centner Rüben braucht, könnten dadurch vielleicht 5 Pfd. Kohle gespart werden. Ob diese Ersparniß ein lohnendes Aequivalent für die Kosten und Mühen der doppelten Saturation ist, bleibt dahingestellt. Wenn die Herren Franzosen dagegen behaupten, daß durch ihr Verfahren drei Viertel der Kohle oder sie gar ganz gespart werdeMan s. den Bericht, welchen Dumas, Pelouze und Payen als Commission der französischen Akademie über ihre nach dem Possoz-Perier'schen Verfahren für Rübenzuckerfabrication (in kleinem Maaßstabe) angestellten Versuche erstattet haben, im polytechn. Journal Bd. CLXX S. 66.A. d. Red., so ist dieß gewiß nicht zu rechtfertigen. 6) Hinsichtlich der Melassebildung glaubt Grouven, daß das Possoz-Perier'sche Verfahren, proportional der Kohlenersparniß, mehr Melasse bringt, denn es scheidet ja unbedeutend wenig von den eigentlich melassebildenden Stoffen (den Salzen) aus. Vor jeder zu weit getriebenen Kohlenersparniß warnt daher Grouven. Schließlich macht derselbe noch darauf aufmerksam, daß bei obigen Proben die Rübensäfte gerade sehr arm an Eiweiß und Salzen waren, und daher weniger Knochenkohle als sonst bedurften. Noch viel ungünstiger müßte sich also das Verfahren stellen, wenn die Säfte normaler, d.h. an Salzen und Eiweiß reicher wären. Da diesen positiven Belegen für die geringe Wirkung auf die wesentlichsten Bestandtheile der Säfte von Seiten der Vertheidiger der doppelten Carbonatation nichts Wesentliches entgegengesetzt werden konnte, so erschien die Wirkung des Verfahrens auch nach längeren Auseinandersetzungen auf eine Entfärbung der Säfte beschränkt werden zu müssen, der gegenüber die vermehrte Schlammbildung und die Belassung der Salze in den Säften als Uebelstände zu betrachten sind. Es wurde nicht bestritten, daß bei unveränderter großer Knochenkohle-Anwendung die doppelte Carbonatation Vorzüge gewähren könne, allein die versprochene große Kohlenersparniß von den anwesenden Chemikern als eine nicht gerechtfertigte bezeichnet, die sich durch geringere Auslieferung unzweifelhaft rächen werde. (Aus dem „Jahresbericht über die Zuckerfabrication für 1863, von Dr. C. Scheibler und Dr. C. Stammer; Breslau 1864.“)