Titel: Die elektrochemische Spitzenbildung.
Fundstelle: Band 173, Jahrgang 1864, Nr. CII., S. 433
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CII. Die elektrochemische Spitzenbildung. Die elektrochemische Spitzenbildung. Hr. G. Lommel, Ingenieur in Lausanne, theilt in der Gazette de Lausanne vom 20. August d. J.Vom Hrn. Verfasser eingesendet. die nachstehende von dem Telegraphen-Inspector Cauderay gefundene Thatsache mit: „Stellt man mittelst eines oder mehrerer Bunsen'schen Elemente eine Kette her, die nur einen Strom von geringer Stärke liefert, und verbindet einen Draht (aus Messing, Kupfer, Eisen oder Stahl), der mit seinem einen Ende durch den Boden einer mit einer angesäuerten Flüssigkeit theilweise angefüllten Glasröhre geht, mit seinem anderen Ende mit demmitdem negativen Pole der Kette, während von dem positiven Pole der letzteren ein ähnlicher Draht ausgeht, der in die Flüssigkeit, ohne die negative Elektrode zu berühren, eintaucht, so kann man nach dem Schließen der Kette mittelst der Flüssigkeitssäule die Erscheinung wahrnehmen, daß das eingetauchte Ende des positiven Polardrahtes sich in eine conische Spitze umgestaltet, die mehr oder weniger sich erweitert, je nach der gegenseitigen Distanz der beiden Polardrähte.“„Während der Dauer dieser Erscheinung, welche zu ihrer Erzeugung (die von der Natur der Säure, von dem Concentrationsgrade der Zersetzungsflüssigkeit, von der Natur sowie von der Dicke des angewendeten Drahtes abhängig ist) zwischen 5 und 15 Minuten erfordert, beobachtet man das Abreißen der Theilchen des Drahtes in Gestalt sehr feiner Fäden (lames).“„Es scheint mir, daß dieser eigenthümliche Vorgang s. g. physikalischer Natur ist, der durch den elektrischen Strom zwar hervorgerufen, aber durch die in Folge der in der Flüssigkeit statthabenden Elektrolyse erzeugte Arbeit erleichtert werde. Der Einfluß dieser chemischen Action hat sich durch die sehr verschiedenen Resultate, welche erhalten wurden, herausgestellt; ebenso hat sich die Dauer der Erscheinung sowohl von der Natur der Säure als auch von dem Concentrationsgrade der Zersetzungsflüssigkeit abhängig gezeigt. So bewirkt die (verdünnte) Schwefelsäure den Vorgang sicherer für Eisen- und Stahldrähte; verdünnte Salpetersäure ist für Kupfer- und Messingdrähte wirksamer.“„Dasselbe Phänomen, welches an dem Ende eines einfachen Drahtes wahrgenommen wird, kann man auch an den Enden eines Drahtbündels bewirken, das die positive Elektrode der Kette bildet. So hatte ich Gelegenheit zu sehen, wie die Drahtenden eines Bündels von etwa 100 feinen Messingdrähten, die in geringer Distanz von der negativen Elektrode in die Flüssigkeit getaucht wurden, innerhalb weniger Minuten bei Anwendung eines kleinen Bunsen'schen Elementes, die Feinheit der Spitzen der englischen Stecknadeln annahmen.“ Diese Entdeckung Cauderay's, welche mit dem Namen „elektrochemische Spitzenbildung“ (apointissage électro-chimique) bezeichnet wird, soll – wie der Hr. Verfasser erläutert – insbesondere dadurch von großer praktischer Wichtigkeit werden, daß dasselbe Verfahren, wie es die Versuche gelehrt haben, die Nadelfabrication wesentlich erleichtern würde, indem durch seine Anwendung die mißlichen Umstände, von welchen letztere begleitet ist, der Hauptsache nach beseitiget werden könnten.