Titel: Bemerkungen über denselben Gegenstand; von A. Legrand.
Fundstelle: Band 176, Jahrgang 1865, Nr. XLVI., S. 152
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XLVI. Bemerkungen über denselben Gegenstand; von A. Legrand. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, t. XI p. 410. Legrand, über Seifenfabrication nach dem Verfahren von Mège-Mouriès. Hr. Mège-Mouriès drückt am Schlusse der Abhandlung, worin er sein neues Verfahren zur Darstellung der Fettsäuren beschreibt, die Hoffnung aus, daß die französische Seifenindustrie in Folge der durch dasselbe erzielbaren Vortheile mit der Production des Auslandes besser zu concurriren und sich von ihrem gegen die letztere verhältnißmäßig untergeordneten Standpunkte wieder zu erheben im Stande seyn werde. Als früherer Director und Eigenthümer einer bedeutenden Pariser Seifenfabrik kann ich eine solche irrthümliche Auffassung nicht mit Schweigen übergehen und sehe mich demnach veranlaßt, bei der Société d'Encouragament, der Beschützerin unserer Nationalindustrie, meine Einsprüche zu erheben. Die französische Seifenfabrication steht keineswegs auf einem niedrigen Standpunkte, sie behauptet vielmehr gegen das gesammte Ausland den Vorrang. Allerdings bleibt die Ausfuhr ihrer Producte hinter derjenigen Englands zurück; dieß ist indessen durchaus nicht der geringeren Qualität der französischen Seifen zuzuschreiben, sondern den so außerordentlich ausgedehnten Absatzquellen, welche der englischen Industrie zu Gebote stehen, und der Begünstigung welche die englische Regierung ihrem nationalen Producte, der gelben Talg- und Harzseife, bei der Ausfuhr zu Theil werden läßt. Die Genueser Seife, deren Fabrications-Monopol Marseille sich anzueignen wußte, sowie die blau marmorirte Seife, ein locales Product, stehen auf der ganzen Erde im besten Rufe. Die in Paris und in einigen Departements fabricirte Oelsäureseife kam in gleiche Gunst, nachdem sie genau nach derselben Methode wie die Marseiller Seife dargestellt wurde und fand nunmehr bis nach Amerika so große Anerkennung, daß nach diesem Erdtheile ungeachtet der fremden Concurrenz und des enormen Eingangszolles jährlich etwa vier Millionen Kilogramme derselben ausgeführt werden. Die französischen Toiletteseifen behauptenden Vorrang in noch höherem Maaße; sie werden in alle Erdtheile exportirt und überall sämmtlichen anderen Toiletteseifen vorgezogen. Dieß ist ausschließlich Folge der guten Fabricationsmethode, bei welcher von den für die Darstellung der schönen Marseiller Seifen angenommenen Grundsätzen keine Abweichung stattfindet, indem sie nur hinsichtlich der verwendeten Fettkörper und einiger am Ende des Processes zu beobachtenden Details sich unterscheidet. Hinsichtlich der Fabrication von Hausseifen tauchten dann und wann allerhand Versuche auf, dieselben in verschiedener Weise zu verfälschen, und der kleine Consument ließ sich auch durch das trügerische Aeußere der Waare täuschen; doch bedurfte es nie langer Zeit dazu, daß der Betrug aufgedeckt und allgemein bekannt wurde, und man kann wohl sagen daß heutzutage der größte Theil der in Frankreich in den Handel kommenden Producte von diesem Vorwurfe frei ist. Ich will nunmehr untersuchen, ob das Verfahren von Mège-Mouriès diese Ueberlegenheit der französischen Seife auch nur aufrecht zu erhalten vermöchte. Das Princip, auf welchem die Darstellung guter Seifen beruht, besteht darin: durch Behandlung der neutralen Fette mit einem caustischen Alkali, z.B. mit Aetznatron, die in denselben enthaltenen Fettsäuren abzuscheiden und mit derselben Basis zu sättigen, das dadurch isolirte Glycerin in der Lauge zurückzulassen und dann die entstandene Seife, sobald sie ihren Sättigungspunkt erreicht hat, von der Lauge zu trennen. Dieß ist der erste Abschnitt der Operation. Zu dem genannten Zwecke können, der Natur des zu verseifenden Fettes entsprechend, verschiedene Mittel angewendet werden. Bei Pflanzenfetten, welche sich weniger leicht verseifen lassen als Thierfette, muß durch Behandlung mit einer schwachen, also sehr wasserhaltigen caustischen Lauge eine Emulsion gebildet und die Operation durch Zusatz von vorräthigen Seifenspänen beschleunigt werden. Unter diesen Umständen geht die Verbindung der Basis mit den Fettsäuren leicht von Statten, so daß man dem Sättigungsgrade entsprechend weitere Antheile der ersteren zusetzen kann. Bald darauf bildet sich der Seifenleim, verdickt sich und erreicht nach kurzer Zeit die gehörige Consistenz; diese Seifenleimbildung ist ein Anzeichen, daß alles Fett zersetzt ist. Hierauf wird das absorbirte überschüssige Wasser mit Hülfe von gesalzenen Laugen abgeschieden, und sobald die Seife ihren Sättigungspunkt erreicht hat, steigt der Seifenleim von selbst an die Oberfläche der Lauge, welche das abgeschiedene Glycerin enthält und an der Laugenwaage etwa 12° zeigt. Talg und andere Thierfette können auf dieselbe Weise behandelt werden, wenn sie recht frisch und ohne Anwendung von Säuren ausgelassen sind. Bereits ranzig gewordene Fette sättigen die Basis schneller und beschleunigen die Operation, da sie nicht erst in den Zustand von Seifenleim überzugehen brauchen und die Seife, in dem Maaße als sie sich bildet, in Form von kleinen Kügelchen in der kochenden Lauge suspendirt bleibt. Bei der Verarbeitung von Oelsäure geht der Proceß noch rascher von Statten; die Verbindung zwischen Basis und Säure ist schon nach wenigen Stunden vollendet und sobald die Menge der Basis derjenigen der Säure das Gleichgewicht hält, beginnt die Bildung der Seifenkügelchen, dieser Seifenleim steigt sofort auf die Oberfläche der Lauge und zeigt sogleich die Eigenschaften einer wirklichen Seife. Bei dem Verfahren von Mège-Mouriès werden hingegen an Stelle der Seifenleimbildung in Folge einer Emulsionsbildung die Kügelchen in der heißen gesalzenen Lauge durch Umrühren bis zu ihrer Sättigung suspendirt gehalten und dann zu einer dichten Masse zusammengeschmolzen, welche auf der Lauge schwimmt. Auf gleiche Weise verfährt man bei der Darstellung der Oelsäureseifen, bis auf das Umrühren, ein Mittel, welches bei Massen von 15000 bis 20000 Kil., wie sie in unseren Seifenfabriken auf einmal verarbeitet werden, nicht anwendbar ist. In diesem Stadium der Verseifung ist aber – wie mir jeder erfahrene Fabrikant beistimmen wird – bloß der erste Theil der Operation ausgeführt; Mège-Mouriès hört hingegen hier auf, er gießt den zusammengeschmolzenen Seifenleim in Laden und läßt ihn in denselben erstarren. Wenn nun sein Product vom chemischen Standpunkte aus füglich als Seife bezeichnet werden kann, so ist dieß doch vom commerciellen Standpunkte aus nicht der Fall, denn derartige Seife ist nicht fest und hält sich nicht; in Folge des Mangels einer tüchtigen Kochung erscheint sie matt und hohl (gefüllt); nach zwei- bis dreimonatlichem Liegen an der Luft efflorescirt sie und wird endlich ranzig. Schon viele Fabrikanten haben versucht, die Fabricationskosten dadurch zu vermindern, daß sie, wie Mège-Mouriès, die Verseifung beenden, sobald die Fettsäure mit der Basis gesättigt ist; auf diese Weise erhielt man aber stets nur Producte von schlechter Qualität. Es ist demnach durchaus nothwendig, den zweiten Abschnitt des Processes mittelst Wechselns der Laugen vorzunehmen und dann die Sättigung durch längeres Kochen auf's Höchste zu treiben, so daß der Seifenleim zu kleinen erbsengroßen Körnern zusammenschrumpft, um jede Spur von freier Fettsäure, welche durch den Einfluß der atmosphärischen Luft die Haltbarkeit der Seife beeinträchtigen könnte, zu entfernen und dem Product eine Consistenz zu ertheilen, welche ohne dieses Verfahren nicht zu erreichen ist. Hernach ist es unerläßlich, die überschüssige Lauge durch wiederholtes Auswaschen zu entfernen und den Seifenleim nach und nach auf die zu einem schönen Ansehen nöthige Flüssigkeit und Transparenz zu bringen, worauf man ihn erst nach Verlauf von zwölf bis fünfzehn Stunden in die Laden gießen kann. Die Seife hat dann nachstehende Zusammensetzung: Fettsäure 64 Th. Natron (wasserfrei) 11 Th. Wasser 25 Th. Je reicher an festen Theilen das Fett ist, desto mehr Wasser hält es zurück, um den Zustand von flüssigem und durchsichtigem Seifenleim anzunehmen; folglich ist bei Oelsäureseife, welche nur aus ölsaurem Natron besteht, für jenen Zustand eine geringere Wassermenge nöthig; diese Seife enthält nur 21 Proc. Wasser. Aus Vorstehendem ergibt sich, daß das Verfahren von Mège-Mouriès nur der erste Theil des in Paris und Marseille bei der Darstellung der Seifen aus Olivenöl, Thierfett oder Oelsäure üblichen Verfahrens ist; der zweite Theil des Processes, durch welchen ein gutes Fabricat bedingt wird, kommt bei jenem Verfahren gar nicht zur Ausführung und deßhalb läßt sich durch dasselbe ein Product, welches ein schönes Ansehen mit Festigkeit und Haltbarkeit vereint, nicht erzielen. Ueberdieß würde eine unter solchen Bedingungen fabricirte Seife keineswegs durch niedrigen Preis sich vortheilhaft erweisen, sondern im Gegentheil, weil sie sich im Wasser durch das Reiben zu leicht löst, theuer zu stehen kommen. Eine so unvollständige Fabricationsmethode müßte dem wohlbegründeten Rufe der französischen Producte offenbar zum größten Nachtheile gereichen, anstatt ihn aufrecht zu erhalten.