Titel: Neues Verfahren zum Eisen- und Stahlpuddeln, von Schneider und Comp. zu Creusot.
Fundstelle: Band 177, Jahrgang 1865, Nr. LXVIII., S. 306
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LXVIII. Neues Verfahren zum Eisen- und Stahlpuddeln, von Schneider und Comp. zu Creusot. Aus Armengaud's Génie industriel, Juli 1865, S. 36. Schneider's Verfahren zum Eisen- und Stahlpuddeln. Mittelst dieser Methoden ist man im Stande, mit Steinkohlen jeder Art und mit Roheisen jeder Qualität: 1) die Qualität des zu erzeugenden Stabeisens zu verbessern und zu reguliren; 2) die Entkohlung des Roheisens nach Belieben oder Bedürfniß weit zu treiben, so daß man alle Abänderungen, vom kohlenstoffärmsten Stabeisen bis zum Schmelzstahl, zu erzeugen vermag; 3) auf regelmäßige und praktisch vortheilhafte Weise große Massen von Schmelzstahl zu fabriciren, welcher die Eigenschaften des Brennstahls besitzt, d.h. wie dieser sich gerben und umschmelzen läßt. Jeder Hüttenmann, der sich mit der Stabeisen- und Stahlbereitung beschäftigt, legt – und zwar erst in der neueren Zeit – der Qualität seiner Producte eine große Wichtigkeit bei. Namentlich suchte man den Puddelproceß zu vervollkommnen, und in dieser Beziehung sind in den letzten Jahren auch wirklich bedeutende Fortschritte gemacht worden. Indessen blieben dieselben doch immer noch in den Grenzen eines gewissen Empirismus und wurden mit nur geringer Regelmäßigkeit ausgeführt. Die Geschicklichkeit des Arbeiters spielt hier eine große Rolle; möglichst gute Qualität der Steinkohle ist unerläßlich nothwendig und dennoch gelingt es selbst mit dem besten Brennmaterial und ganz ausgezeichneten Arbeitern nicht immer, das angestrebte Ziel auch wirklich zu erreichen. Die Aufgabe ist also noch nicht vollständig gelöst, und es ist noch manche Lücke auszufüllen. Das im Nachstehenden besprochene Verfahren dürfte allem Anschein nach die Frage lösen und gewisse, bisher in der Praxis noch nicht mit der gehörigen Regelmäßigkeit und Sicherheit ausgeführte Arbeiten zu vervollkommnen gestatten. Es steht theoretisch fest, und wird durch die Praxis bewiesen, daß die Erhöhung der Ofentemperatur während gewisser Perioden des Puddelprocesses zur Verbesserung der Qualität des Eisens viel beiträgt. Ein anderes Princip, welches weniger allgemeine Beachtung gefunden hat, dessen Richtigkeit aber nach Schneider und Comp. ebenso gut bewiesen ist, liegt darin, daß man die Entkohlung vollständig in Händen haben würde, wenn man den oxydirenden Luftstrom während des Puddelns nach Gutdünken mäßigen oder absperren könnte. Die Erfinder haben sich zur Aufgabe gemacht, beiden Principien zu genügen, und sprechen die Ueberzeugung aus, daß sich mittelst ihres Verfahrens gleichzeitig die Ofentemperatur wie der oxydirende Luftstrom vollkommen reguliren läßt. Dieses Verfahren besteht in Folgendem: 1) Unter den Rost des Puddelofens wird ein Strom gepreßten Windes geführt. 2) Die Ofenwände werden durch einen Strom gepreßten Windes und die Herdsohle wird durch circulirendes Wasser oder gleichfalls durch einen Strom gepreßter Luft abgekühlt. 3) Die Puddelarbeit selbst ist den zu erzeugenden Producten entsprechend verschieden und ermöglicht es, mit Hülfe der eben angegebenen Mittel, im Puddelofen Producte von den verschiedensten Kohlungsgraden, vom kohlenstoffärmsten Stabeisen bis zum Stahl, und zwar mit Steinkohle und Roheisen von jeder Qualität, darzustellen. Fassen wir diese drei Punkte etwas näher in's Auge. 1. Durch den gepreßten Wind wird die willkürliche Steigerung der Ofentemperatur erleichtert, insofern er den Verbrennungsproceß befördert; dadurch wird ein besseres Product erzielt, dessen Güte sich gleich bleibt, mag die Qualität der verwendeten Steinkohlen seyn welche sie will. Mittelst des gepreßten Windes läßt sich auch der Entkohlungsproceß reguliren; zu diesem Zwecke braucht man nur die Klappe der Esse mehr oder weniger zu schließen, da der gepreßte Wind frei unter den Rost tritt. Wird dafür gesorgt, daß auf dem letzteren stets Kohlen genug liegen, so tritt eine zersetzte, sehr kohlenstoffreiche Luft von etwas über atmosphärischer Pressung in den Ofen und die oxydirend wirkende Luft kann dann nur durch die Arbeitsthür eindringen. Man ist demnach im Stande, die Entkohlung genau zu dem für geeignet erachteten Zeitpunkte zu unterbrechen, folglich ebenso gut Stahl, wie das kohlenstoffärmste Stabeisen zu erzeugen. 2. Die Abkühlung der Ofenwände und der Herdsohle wird bei der hohen Temperatur des Ofens durchaus nothwendig; denn ohne sie würde der Ofen bald zum Puddeln ganz untauglich werden. Diese Abkühlung ist durchaus nicht neu; bisher wurde sie aber mit gewöhnlicher atmosphärischer Luft oder mit Wasser bewerkstelligt. Die Abkühlung der Herdsohle hingegen betrachten die Erfinder als neu; sie beanspruchen die Priorität für die Idee, sowohl die Ofenwandungen durch gepreßten Wind, als die Herdsohle durch Wasser oder gleichfalls durch gepreßten Wind zu kühlen. Unter gepreßtem Winde verstehen sie jeden Luftstrom von höherer als atmosphärischer Pressung, gleichviel, durch welche Mittel oder Vorrichtungen derselbe erzeugt wird. 3. Der Betrieb des in seiner Einrichtung auf die im Vorstehenden beschriebene Weise abgeänderten Ofens wird in folgender Weise geleitet: Die ganze Arbeitsperiode, welche zwischen dem Aufsetzen des Roheisens in den Ofen und dem Momente, in welchem der dem ersteren mechanisch beigemengte Kohlenstoff (Graphit) verbrannt ist, liegt, weicht von der gewöhnlichen Puddelarbeit gar nicht ab. Sobald dagegen der chemisch gebundene Kohlenstoff des Roheisens zu entweichen und das letztere eine körnige Textur anzunehmen beginnt, tritt die Arbeit in eine neue Phase und die Leitung derselben muß sich dann darnach richten, ob ein mehr oder weniger entkohltes Stabeisen oder ob Stahl erzeugt werden soll. Zur Darstellung von Stahl muß der unter den Rost geführte Strom gepreßten Windes in dem Augenblicke, wo das Metall körnig zu werden anfängt, verstärkt, die Essenklappe muß geschlossen und es muß dafür gesorgt werden, daß der Rost gehörig mit Kohle bedeckt ist, so daß der zugeführte Wind in vollkommen zersetztem Zustande in den Ofen gelangt. Begreiflicherweise hört von diesem Momente an die Entkohlung auf. Das Eisen wird nun mittelst des durch das Schauloch eingebrachten Gezähes umgerührt, um die Vertheilung des noch vorhandenen Kohlenstoffs durch Molecularwirkung, fast wie sie bei dem Cementiren des Eisens stattfindet, damit aber die Erzeugung eines möglichst homogenen Productes zu befördern. Diese Arbeit läßt sich ganz ohne Gefahr der Oxydation irgend eines Theils des in Arbeit genommenen Roheisens ausführen, insofern, wie schon erwähnt, jede Communication zwischen der äußeren Luft und der zu bearbeitenden Masse abgeschnitten ist. Die Vertheilung des noch vorhandenen Kohlenstoffs wird überdieß auch durch den Wind befördert, welcher unter den Rost strömt und in einem solchen Zustande in den Ofen tritt, daß er den vorher zu stark entkohlten Eisenpartikelchen wiederum Kohlenstoff zurückzugeben vermag. Auf diese Weise gelingt es, ohne eine stärkere Entkohlung herbeizuführen als beabsichtigt wurde, Luppen zu bilden, die dann möglichst rasch gezängt werden müssen; das Resultat ist ein vollkommen homogener, allen Anforderungen entsprechender Stahl. Zur Erzeugung eines zwischen Stahl und Eisen stehenden Products unterbricht man die Oxydirung zu dem geeigneten, also dem beabsichtigten Entkohlungsgrade entsprechenden Zeitpunkte. Jedenfalls dürfte dieses Verfahren als eine wichtige Abänderung der Puddelarbeit zu betrachten seyn, welche ihrer Sicherheit und Regelmäßigkeit wegen namentlich für die Stahlfabrication von Bedeutung werden wird.