Titel: Ueber Mörtel des Alterthums; von Dr. William Wallace.
Fundstelle: Band 177, Jahrgang 1865, Nr. LXXXIX., S. 372
Download: XML
LXXXIX. Ueber Mörtel des Alterthums; von Dr. William Wallace. Aus der Chemical News, April 1865, Nr. 281. Wallace, über Mörtel des Alterthums. Hr. W. Clarke, welcher kürzlich aus dem Orient zurückgekehrt ist, übergab mir Proben von Mörteln wohlbekannter alter Bauwerke in Aegypten, Griechenland, Italien und auf Cypern, wovon ich eine Anzahl der chemischen Analyse unterzog. Das Alter dieser Mörtel schwankt von etwa 1600 bis zu 3000 Jahren, reicht also bis zu den ältesten geschichtlichen Perioden zurück. Mörtel von der großen Pyramide. Ich untersuchte zwei Mörtelproben von der Cheopspyramide; die eine stammte aus dem Innern, die andere von dem Aeußern des Bauwerkes; jene aus der großen Kammer oder aus dem zu derselben führenden Gange. Beide Proben waren sich im äußeren Ansehen ziemlich gleich – sie erschienen als ein Gemenge von schwach röthlich gefärbtem derbem Gyps mit Selenit oder krystallisirtem Gyps (Gypsspath). Sand enthalten sie allem Anscheine nach nicht, denn die vorhandene Kieselsäure ist offenbar mit der vorhandenen Thonerde zu Thon verbunden. Wahrscheinlich war ein Theil des Gypsspaths gebrannt und in gebranntem Zustande mit gebranntem Kalk, gemahlener Kreide oder gemahlenem Mergel und mit grob zerkleinertem ungebranntem Gypsspath gemengt worden. Der letztere Gemengtheil hatte jedenfalls den Zweck, ein zu starkes Schwinden des Mörtels beim Austrocknen zu verhindern, spielte also dieselbe Rolle wie der Sand bei unseren Mörteln. Der Wassergehalt des untersuchten Mörtels ist beinahe genau so groß, um das gewöhnliche Hydrat des schwefelsauren Kalks mit 2 Aeq. Wasser zu bilden. Obschon der Mörtel sich leicht in Stücke zerschlagen läßt, so besitzt er doch einige Festigkeit oder Zähigkeit. Professor C. Piazzi Smyth, der jetzt mit einer Untersuchung jener Pyramide beschäftigt ist und dem ich die Resultate meiner Analyse mittheilte, benachrichtigte mich, daß in der Nähe derselben große Massen von krystallinischem und dichtem Gyps (Alabaster) vorkommen, und daß in einem kürzlich geöffneten großen Grabe mehrere enorme Alabasterplatten gefunden wurden, mit denen die Mauern desselben belegt sind. Da das Material, aus welchem die Pyramide selbst besteht, Kalkstein ist, so läßt sich die Gegenwart von kohlensaurem Kalke wohl erklären. Meine Analyse ergab folgende Zusammensetzung: Mörtelaus dem Innern Mörtelvom Aeußern der Pyramide. wasserhaltiger schwefelsaurer KalkWassergehalt nach directer Bestimmung = 16,66, bez. 17,38. 81,50   82,89 kohlensaurer Kalk (CO² berechnet)   9,47     9,80 kohlensaure Magnesia (deßgl.)   0,59     0,79 Eisenoxyd   0,25     0,21 Thonerde   2,41     3,00 Kieselsäure   5,30     4,30 ––––––––––– ––––––––––––– 99,52 100,99 Alte phönicische Mörtel von Cypern. Von diesen erhielt ich zwei Proben. Die eine stammt von den Ruinen eines Tempels bei Larnaca, deren noch vorhandener höchster Stein fünf, und deren niedrigster ungefähr achtzehn Fuß unter der jetzigen Bodenoberfläche liegt. Hr. Clarke hält diesen Mörtel für den ältesten existirenden; jedenfalls gehört er zu den besten, die ich je gesehen habe. Er ist außerordentlich hart und fest, und scheint aus einem Gemenge von gebranntem Kalk, scharfem Sande und Kies – von welchem letzteren einzelne Fragmente einen halben Zoll Durchmesser zeigen –, angefertigt zu seyn. Beim Auflösen in Chlorwasserstoffsäure zeigte er einen geringen Gehalt an löslicher Kieselsäure (0,52 Proc.). Die zweite Mörtelprobe von Cypern ist ein zum Verkitten von Wasserleitungsröhren gebrauchter Cement. Diese Röhren wurden in der Nähe von Larnaca in einer Tiefe von zehn Fuß unter dem Boden gefunden und tragen die Zeichen eines sehr hohen Alters; sie bestehen aus rothem Thon, haben ziemlich elf Zoll Durchmesser und Verbindung mittelst Schnauze; die Fugen dieser Verbindung sind mit Cement verstrichen und dann mit einer schwarzen Substanz überzogen, welche sich als Bitumen erwies. Dieser Cement oder Mörtel ist sehr hart; seine Farbe ist rein weiß. In beiden phönicischen Mörteln ist der Kalk fast gänzlich an Kohlensäure gebunden. Die Analysen ergaben folgende Zusammensetzung: Mörtel vonden Tempelmauern. Cement. Kalk   26,40 51,58 Magnesia     0,97   0,70 Schwefelsäure     0,21   0,82 Kohlensäure   20,23 40,60 Eisenoxyd     0,99   – Thonerde     2,16   0,40 Kieselsäure und feiner Sand   16,20   0,96 grober Sand     3,37   – kleine Steine   28,63   – organische Substanz     0,56   0,24 Wasser     0,54   3,09 ––––––––– –––––– 100,26 98,39 Altgriechischer Mörtel. Die erste Probe ist von einem Theil des Pnyx abgeschlagen, der Bühne, auf welcher Demosthenes und Perikles viele ihrer Reden gehalten haben. Dieser Mörtel war lange der Einwirkung des Wetters ausgesetzt, besitzt große Härte und hat eine graulichweiße Farbe. – Die zweite Probe ist Gypsmörtel aus dem Innern eines alten Tempels auf dem Pentelikos bei Athen. Dieser Mörtel hat vom Wetter nicht gelitten, da der gedachte Tempel in einer Höhle steht; er hat eine blaßgelbliche Färbung und mittlere Härte. Die Analysen ergaben nachstehende Resultate: Pnyx. Pentelikostempel. Kalk 45,70 49,65 Magnesia   1,00   1,09 Schwefelsäure   –   1,04 Kohlensäure 37,00 38,33 Eisenoxyd   0,92   0,82 Thonerde   2,64   0,98 Kieselsäure und Sand 12,06   3,90 Wasser   0,36   3,07 –––––– –––––––– 99,68 98,88 Der Pnyxmörtel enthält genau die zur vollständigen Sättigung des Kalks und der Magnesia erforderliche Kohlensäuremenge, so daß wir beide Basen als vollständig gesättigt annehmen können, während in der zweiten Probe beinahe, aber nicht ganz vollständig soviel Kohlensäure vorhanden ist. Altrömische Mörtel. Diese weichen von den bereits besprochenen Mörteln des Alterthums darin ab, daß sie offenbar aus einem Gemenge von gebranntem Kalke nicht mit Sand, sondern mit Puzzolane oder sogenannter vulcanischer Asche bereitet sind. Von solchen Mörteln untersuchte ich vier Proben, doch war ich wegen Mangel an Material nur im Stande von zwei derselben die vollständige Analyse auszuführen. Der Mörtel (1) stammt von der Villa Hadrian's zu Tivoli bei Rom; er ist ziemlich hart und fest, und zeigt eine dunkelgraue Färbung. Die Probe (2) ist von einer Wandbekleidung zu Herculanum genommen; sie ist roth von Farbe, hart und auf der einen Seite augenscheinlich der Einwirkung von heißem vulcanischem Schlamm ausgesetzt gewesen. Die Probe (3) rührt von dem Dache der lateinischen Gräber bei Rom her und ist blaß röthlichbraun gefärbt. Die Probe (4) ist ein Cement oder Mörtel von einer Mosaik aus dem Fußboden der Bäder Caracalla's in Rom. Alle diese Mörtel waren hart und fest, und enthielten neben Quarzsand eine bestimmbare Menge gebundener Kieselsäure. Die Analysen ergaben folgende Resultate: (1)   (2) (3) (4) Kalk 15,30   29,88 19,71 25,19 Magnesia   0,30     0,25   0,71   0,90 Kali   1,01     3,40 nicht bestimmt Natron   2,12     3,49 nicht bestimmt Kohlensäure 11,80   23,80 13,61 17,97 Eisenoxyd   4,92     2,32   1,23   3,67 Thonerde 14,70     2,86 16,39 10,64 Kieselsäure und Sand 41,10   33,36 36,26 30,24 organische Substanz   2,28     1,50   –   2,48 Wasser   5,20     1,00   8,20   5,50 ––––– –––––– 98,73 101,86 Allgemeine Bemerkungen. Aus diesen Analysen scheint sich zu ergeben, daß der Kalk der Mörtel im Laufe der Zeit mit Kohlensäure vollständig gesättigt und nicht zu der, dem Ausdrucke CaO, HO + CaO, CO² entsprechenden Verbindung wird. Es geht aus den Resultaten meiner Untersuchungen ferner hervor, daß in allen Fällen, wo der Mörtel der ungehinderten Einwirkung der Atmosphärilien ausgesetzt ist, eine gewisse Menge Alkali- oder Erdsilicat sich bildet, durch welches die Härte des Mörtels aller Wahrscheinlichkeit nach erhöht wird, sowie daß die Mörtel, welche die längste Zeit in der Erde befindlich gewesen, die härtesten sind. Der Bautechniker weiß sehr wohl, daß das bei Regenwetter aufgeführte Mauerwerk am festesten wird, und daß der Mörtel, wenn er rasch trocknet, krümlich wird und weniger Bindekraft besitzt. Wird er dagegen einige Zeit lang feucht erhalten, so bildet sich eine kleine Menge Kalksilicat, welches nicht nur dem Mörtel selbst größere Härte verleiht, sondern ihn auch fester mit dem Stein verbindet. Auffallend ist es, daß der aller Wahrscheinlichkeit nach älteste sämmtlicher von mir untersuchten Mörtel – der von einem phönicischen Tempel herstammende – bei weitem der härteste und festeste ist, so daß er wirklich in dieser Beziehung einem Stück festen Gesteins gleicht. Er ist mehr als eine Art von Concrete, denn als ein Mörtel zu bezeichnen, und diese vortrefflichen Eigenschaften deuten darauf hin, daß für bauliche Zwecke ein großer grobkörniger Sand am besten paßt und daß in gewissen Fällen zu demselben selbst Kies mit Vortheil angewendet werden kann.