Titel: Die Anlagekosten der Flachs- und Wergspinnereien; von Prof. C. H. Schmidt in Stuttgart.
Autor: Carl Heinrich Schmidt
Fundstelle: Band 177, Jahrgang 1865, Nr. CXI., S. 465
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CXI. Die Anlagekosten der Flachs- und Wergspinnereien; von Prof. C. H. Schmidt in Stuttgart. Schmidt, über die Die Anlagekosten der Flachs- und Wergspinnereien. Nehmen wir zunächst eine combinirte Flachs- und Wergspinnerei, und zwar im kleinsten Umfang, der überhaupt möglich ist, nämlich für ein Assortiment Flachs- und ein Assortiment Wergspinnmaschinen, erstens zu 800, letzteres zu 600 Spindeln. Die Spinnerei soll mit Dampfbetrieb arbeiten und darauf eingerichtet sein, aus mittellangem Flachs mit Anwendung von Handhecheln Garne mittlerer Feinheit zu liefern und zwar Flachsgarn Nr. 25 bis Nr. 40 (Mittelnummer 30) und Werggarn Nr. 8 bis 25 (Mittelnummer 16). Der Ankaufspreis der hierzu nöthigen Maschinen in England stellt sich nach einer vor einigen Jahren von Taylor, Wordsworth und Comp. in Leeds herausgegebenen Preisliste franco Hull in folgender Weise: Flachsspinnmaschinen. Pfd. Sterl. oder  fl.     1 Anlege, 1 Kopf und 4 Bänder     72     864     1 Durchzug Nr. I, 2 Köpfe und 8 Bänder     74     888     1 Durchzug Nr. II, 3 Köpfe und 18 Bänder   106   1272     1 Spindelbank, 6 Köpfe und 48 Spindeln   206   2472 800 Feinspindeln von 2 1/2 Zoll Höhe   800   9600 –––––––––––––––––––– Summa 1258 15096 Gewicht der Maschinen 570 Centner. Preis per Spindel 18,87 fl. Wergspinnmaschinen. Pfd. Sterl. oder  fl.     1 Vorkrempel, 4 Fuß Durchmesser, 6 Fuß Breite   228 2736     1 Wattmaschine     30 360     2 Feinkrempeln, 4 Fuß Durchmesser, 6 Fuß Breite   446 5352     1 Durchzug Nr. I, 2 Köpfe und 8 Bänder     54 648     1 Durchzug Nr. II, 3 Köpfe und 18 Bänder     78 936     1 Spindelbank, 6 Köpfe und 48 Spindeln   188 2256 600 Feinspindeln von 2 1/2 bis 3 Zoll Höhe   600 7200 –––––––––––––––––––– Summa 1624 19488 Gewicht der Maschinen 700 Centner. Preis der Spindel 32,46 fl. Wie hoch diese Maschinen ungefähr in Deutschland zu stehen kommen, ergibt folgende Zusammenstellung: Ankauf der Maschinen in England 34584 fl. Emballage 10 Proc. 3458 fl. Fracht, Versicherung, Provision etc., circa 1800 fl. Zoll von 1270 Centner à 52 1/2 kr. 1112 fl. ––––––––––– Summa 40954 fl. Preis per Spindel durchschnittlich 29,25 fl. Die weiteren Kosten der Anlage sind je nach Local- und Zeitverhältnissen bedeutenden Schwankungen unterworfen. Für größere Spinnereien mit mehreren 1000 Spindeln kann man dieselben annähernd nach folgenden Sätzen berechnen: per Spindel Grund und Boden   3 fl. Fabrikgebäude mit Heizungs- und Beleuchtungsanlage,    Magazine, Comptoir 12 fl. Dampfmaschine mit Kessel, Kesselhaus, Schornstein,    Transmissionsanlage 12 fl. Handhechelei, Werkstatt, Körbe, Spulen etc.   6 fl. –––––––––––––– Summa 33 fl. Demnach betragen die ganzen Anlagekosten circa 63 fl. per Spindel, oder für die ganze Spinnerei 88,200 fl. Dieser Kostenbetrag dürfte im vorliegenden Falle als Minimum anzusehen seyn, da kleine Spinnereien im Allgemeinen höhere Anlagekosten verursachen als größere. Das zum Betriebe dieser Spinnerei erforderliche Capital berechnet sich auf folgende Weise. Die Spinnerei braucht jährlich per Spindel circa 2 Centner Schwingflachs, für 1400 Spindeln sonach 2800 Centner, dessen Ankaufspreis 20 fl. per Centner, im Ganzen also 56,000 fl., beträgt. Von dieser Summe soll man erfahrungsgemäß mindestens 60 Proc. oder 33,600 fl. disponibel haben. Ferner soll man die Hälfte der jährlichen Ausgaben für Kohle, Arbeitslöhne, Schmiere u.s.w., welche per Spindel und Jahr auf 15 fl. geschätzt werden, mithin für die ganze Spinnerei 21,000 fl. betragen, ebenfalls zur Verfügung haben. Die erforderliche Summe beträgt 11,000 fl. und das gesammte Betriebscapital stellt sich auf circa 45,000 fl. oder 32 fl. per Spindel. Wir erhalten durch Zusammenstellung der ermittelten Werthe folgenden Betrag für die Gesammtkosten: für 1 Spindel, für 1400 Spindeln Maschinen     29 1/4 fl.   41000 fl. Gebäude mit Zubehör     33       fl.   46200 fl. Betriebscapital     32       fl.   45000 fl. –––––––––––––––––––––––––––––– Summa     94 1/4 fl. 132200 fl. Die mit dieser Spinnerei zu erzielende Production läßt sich leicht aus der Angabe berechnen, daß 100 Pfund Schwingflachs gegen 70 bis 80 Pfd. Garn und zwar ungefähr zur Hälfte Flachs-, zur Hälfte Werggarn geben. Hiernach würde sich die jährliche Garnerzeugung auf 2000 bis 2200 Centner belaufen. Nimmt man die tägliche Production einer Spindel durchschnittlich zu 12 bis 13 Leas à 30 Yards an, so beläuft sich die Wochenproduction auf circa 500 Bündel à 60,000 Yards. Wollte man eine Wergspinnerei von nur 600 Spindeln anlegen, so hätte man für die Maschinen nach den vorstehenden Angaben folgende Kosten aufzuwenden: Ankauf in England 19488 fl. Emballage 10 Procent 1948 fl. Fracht, Spesen, Versicherung circa 1000 fl. Zoll von 700 Centner à 52 1/2 kr. 664 fl. –––––––––––– Summa 23100 fl. Preis per Spindel 38,5 fl. Die weiteren Kosten für Gebäude, Triebkraft, Transmission u.s.w. muß man hier höher annehmen als bei der vereinigten Flachs- und Wergspinnerei, denn die Wergspinnmaschinen sind groß und schwer, sie beanspruchen große Localitäten und starke Triebkräfte. Man wird sich dem richtigen Verhältniß nähern, wenn man diese Kosten mindestens mit 40 fl. per Spindel in Anschlag bringt. Demnach kostet die Spindel gegen 78 fl. und die ganze Spinnerei circa 47,000 fl. Tritt diese Spinnerei als Lohnspinnerei auf, so reducirt sich das Betriebscapital bedeutend. Die Kosten für den Einkauf des Rohmaterials fallen ganz weg, die Beträge für die laufenden Ausgaben nehmen mit Rücksicht auf die bei der Lohnspinnerei üblichen kürzeren Zahlungsfristen auch niedrigere Werthe an. Angenommen, die letzteren stellen sich auf 10 fl. per Spindel und Jahr, dann beträgt das Betriebscapital 6000 fl. und das gesammte für die Anlage erforderliche Capital beläuft sich auf 53,000 fl. Die Production beträgt jährlich 1000 bis 1200 Centner Garn oder wöchentlich 250 Bündel. In Bezug auf die nöthige Triebkraft ist noch zu bemerken, daß die combinirte Flachs- und Wergspinnerei von 1400 Spindeln eine Maschine von 15 bis 18 Pferdestärken, die Wergspinnerei von 600 Spindeln hingegen eine Maschine von etwa 10 Pferdestärken erfordert. Es ist hierbei wohl zu berücksichtigen, daß alle diese Angaben sich nur auf eine Spinnerei beziehen, welche Garne der oben angegebenen Feinheit liefert. Will man vorzugsweise gröbere Garne zu Segeltuch, Sack- und Packleinwand etc. aus grobem langem Flachs produciren, so werden die Maschinen weit voluminöser und die Anlagekosten steigen noch viel höher. Zu einer derartigen Spinnerei mit 800 Flachs- und 600 Wergspindeln kosteten die Maschinen in England vor einigen Jahren allein gegen 40,000 fl. oder 28,5 fl. per Spindel. Das Gewicht sämmtlicher Maschinen beträgt 1550 Centner. Bei den obigen Berechnungen über die Anschaffungskosten der Maschinen sind, wie bereits bemerkt, die vor einigen Jahren gültigen Preise zu Grunde gelegt worden. In jetziger Zeit sind die Maschinen noch theurer geworden, wie folgende der allerneuesten Zeit angehörende Angaben von John Tatham in Rochdale erkennen lassen. Dieselben gelten für ein Assortiment Maschinen, mit welchem aus Flachs von 24 bis 26 Zoll Länge unter Anwendung von Maschinenhechelei Garne Nr. 20 bis 36 producirt werden sollen: Pfd. Sterl. oder   fl. 1 Patenthechelmaschine   165 1980 1 Anlege, 4 Bänder     97 1164 1 Durchzug Nr. I, 2 Köpfe und 8 Bänder   110 1320 1 Durchzug Nr. II, 2 Köpfe und 12 Bänder   118 1416 2 Spindelbänke à 4 Köpfe und 48 Spindeln   528 6336 4 Naßspinnmaschinen à 200 Spindeln 1026 12672 4 Doppelhaspel     66 792 ––––––––––––––––––– Summa 2110 25680 Gewicht der Maschinen circa 700 Centner. Preis per Spindel 32,1 fl. Die Anschaffungskosten in Deutschland betragen: Ankauf der Maschinen in England 25680 fl. Emballage 10 Procent 2568 fl. Fracht, Spesen etc., circa 1000 fl. Zoll von 700 Centner à 52 1/2 kr. 664 fl. –––––––––––– Summa 29912 fl. Preis per Spindel 37,2 fl. Rechnet man dazu Gebäude, Motoren, Transmission u.s.w. mit 33 fl. per Spindel, so betragen die Anlagekosten circa 70 fl. per Spindel. Zur Aufstellung dieser Maschinen ist ein Raum von 90 Fuß Länge und 31 Fuß Breite (engl. Maaß) erforderlich. (Württembergisches Gewerbeblatt.)