Titel: Ueber die nachtheilige Wirkung der Alkalien auf die Baumwollenfaser; von Heinr. Caro und W. Dancer.
Fundstelle: Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXXXV., S. 305
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LXXXV. Ueber die nachtheilige Wirkung der Alkalien auf die Baumwollenfaser; von Heinr. Caro und W. Dancer. Aus dem London Journal of arts, Mai 1865, S. 298. Caro und Dancer, über die Wirkung der Alkalien auf die Baumwollenfaser. Neuerlich hatten wir Gelegenheit, bei der Untersuchung einiger mit Mustern in Weiß und Indigblau versehenen, und mit kieselsaurem Natron (Natron-Wasserglas) appretirten Baumwollenzeuge, welche etwa zwei Jahre lang in Ballen verpackt gewesen waren, uns von der schädlichen Wirkung der Alkalien auf die Baumwollenfaser zu überzeugen. Die Festigkeit der Fasern dieser Stoffe war um ein Drittel geringer geworden als die mehrerer anderen in einem und demselben Ballen mit ihnen verpackten Stücke, welche sich von den ersteren einzig und allein dadurch unterschieden, daß sie mit Stärke und nicht mit Wasserglas appretirt waren. Wir kamen dadurch auf die Vermuthung, daß das kieselsaure Natron die unmittelbare Ursache des Verderbens der Stoffe gewesen seyn möchte; doch überzeugten wir uns bei fortgesetzten Untersuchungen, daß der verursachte Schaden die Folge einer länger dauernden Einwirkung von freiem oder kohlensaurem Alkali auf die Pflanzenfaser war. Mehrere von den festeren – wie schon erwähnt, mit Stärkmehl appretirten – Stücken waren zwischen die mit Wasserglas behandelte Waare verpackt worden und hatten von letzterer Natron aufgenommen, welches von den Berührungsstellen aus bis auf ziemlich beträchtliche Tiefe in sie eingedrungen war; ihre Festigkeit zeigte sich der aufgenommenen Alkalimenge entsprechend vermindert. Andererseits beobachteten wir, daß an solchen Berührungsstellen das kieselsaure Natron der mit Wasserglas behandelten Waare eine theilweise Zersetzung erlitten hatte, welche sich durch vier bis fünf Lagen der Stücke hindurch erstreckte. Das in der Mitte der Stücke vorhandene Wasserglas enthielt nämlich 70 bis 74 Proc. Kieselsäure, verbunden mit 30 bis 26 Proc. Natron; während die Analyse des in den Berührungslagen enthaltenen Natronsilicats ergab, daß letzteres 1/3 bis 2/3 seines Alkaligehaltes abgegeben hatte. Dieser Natronverlust war von einer Verminderung der Festigkeit des Kattuns begleitet, welche mit ersterem einigermaßen im Verhältniß zu stehen schien, indem die Festigkeit der Lagen oder Falten des Kattuns in dem Maaße abnahm, als sie außer Berührung mit den gestärkten Stücken waren, bis das kieselsaure Natron dieselbe Zusammensetzung erreichte, welche in den brüchigsten Theilen des Stückes gefunden wurde, also, wie schon angegeben, in der vierten oder fünften Lage oder Falte desselben. Die folgende Tabelle wird von der durch diese Zersetzung des Wasserglases verursachten Veränderung der Festigkeit einen Begriff geben: Mit Stärke appretirt: Mit kieselsaurem Natron appretirt: um n Mitte Berührungslage Berührungslage zweite dritte vierte fünfte Mitte. Festigkeit des Gewebes 100 81 89 68 62 54 48 35 Offenbar hat sich das kieselsaure Natron in saures Silicat und freies Natron zersetzt, wovon ersteres eine nur sehr geringe Wirkung auf die Pflanzenfaser ausübt. An manchen Stellen war die Zersetzung weiter gegangen, und es hatte sich freie Kieselsäure als ein weißes Pulver an der Oberfläche des Zeuges ausgeschieden. Dieselbe Zersetzung, begleitet von denselben Veränderungen in der Festigkeit des Gewebes, war an sämmtlichen Stücken wahrzunehmen, welche mit dem zur Verpackung der Ballen angewendeten Papiere in Berührung gewesen waren; jedoch hatte das Papier in diesem Falle das freigewordene Natron aufgesogen und die mit ihm in Berührung gewesenen Zeugfalten hatten ihre ursprüngliche Festigkeit fast gänzlich beibehalten. Die weißen Stellen der Gewebe waren noch weit brüchiger als die blauen, sie zeigten meist nur ein Zehntel ihrer ursprünglichen Festigkeit. Bei den nur mit Stärke appretirten Stücken waren die weißen Stellen ebenso fest als die blauen. Bei den mit kieselsaurem Natron appretirten Stücken waren die weißen Stellen an allen Punkten, wo mit der oben erwähnten Zersetzung des Wasserglases zugleich eine Abgabe von Natron stattgefunden hatte, beinahe ebenso fest wie die blauen Stellen; dagegen war die Festigkeit der weißen im Innern der Stücke, wo das Wasserglas seine ursprüngliche Zusammensetzung behalten hatte, um etwa zwei Drittel vermindert. Offenbar mußte demnach diese außerordentliche Brüchigkeit der weißen Stellen von irgend einer Ursache bedingt seyn, durch welche die Wirkung des Alkalis auf die Baumwollenfaser verstärkt wurde, und wir glauben eine Erklärung dieser Erscheinung in der Wirkung des kieselsauren Natrons auf das in dem Gewebe vorhandene schwefelsaure Bleioxyd zu finden, von welchem Salze in der Asche des Kattuns ungefähr 10 Proc. enthalten waren. Das schwefelsaure Bleioxyd bildete einen Bestandtheil der Reservage, welche an den Stellen, die weiß bleiben sollten, auf das Gewebe aufgedruckt war, und es wurde durch die spätere Einwirkung von Kalk und Schwefelsäure in der Faser fixirt. Unserer Beobachtung zufolge werden Lösungen von kieselsaurem Natron durch schwefelsaures Bleioxyd sehr rasch zersetzt, mit Bildung von schwefelsaurem Natron, freier Kieselsäure, und kieselsaurem Bleioxyd. In Folge dieser Umsetzung entsteht ein krystallisirbares und stark efflorescirendes Salz, während gleichzeitig das Volum des Gewebes durch Ausdehnung der Pflanzenfaser, in Folge der Zwischenlagerung von Partikeln jenes Salzes, vergrößert wird; unserer Ansicht nach wird so durch das Krystallisiren des schwefelsauren Natrons eine weitere Auflockerung der vom Alkali bereits geschwächten Faser herbeigeführt. Noch wollen wir bemerken, daß die Faser der weißen Stellen des Musters unter dem Mikroskope als cylindrische, zum Theil mit kleinen, in Wasser löslichen Krystallen bedeckte Röhren sich darstellte, welche an manchen Stellen der Länge nach geschlitzt waren.