Titel: Berdan's Kammerladungs-Büchse.
Autor: D......y
Fundstelle: Band 179, Jahrgang 1866, Nr. LXIX., S. 283
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LXIX. Berdan's Kammerladungs-Büchse. Berdan's Kammerladungs-Büchse. Im Scientific American vom 26. November 1864 wird unter vorstehender Aufschrift mitgetheilt, daß es Colonel Berdan gelungen sey, die Treffsicherheit der Clarke'schen Büchse durch Construction einer neuen Waffe mit den großen Schußweitender Whitworth-Büchse und mit den einer guten Kammerladungsbüchse zufallenden Vortheilen zu vereinigen, indem er dabei etwa von folgenden Ueberlegungen geleitet worden sey. Die Clarke'sche Büchse ist so construirt, daß ihre Rohrbohrung sich anfänglich gegen die Mündung hin allmählich verengt, zwei Zoll vom vorderen Ende ihre schwächste Stelle hat und dann sich wieder conisch erweitert. Das vollendete Rohr wird hiernach an seiner engsten Stelle, also zwei Zoll hinter der Mündungsfläche, senkrecht zur Rohrachse durchschnitten und es dient der vordere trichterförmige Theil dann nur noch zum bequemeren Eintreiben des knopfförmig gestalteten und gepflasterten Bleigeschosses in die Züge des Rohres, indem derselbe beim jedesmaligen Laden der Büchse mit Hülfe von Diebelnägeln auf deren Mündung aufgesetzt wird. – Das Geschoß muß hiernach, da es nur gewaltsam in die Rohrmündung eingehen soll, was mittelst eines kurzen unten nach der Geschoßform ausgehöhlten Ansetzers bewirkt wird, aus reinem weichen Blei bestehen und kann deßhalb auch nur kurz seyn, weil es sich sonst, vermöge seines Trägheitsmomentes, beim Schusse zu sehr stauchen würde, was wieder zum Zerreißen des Pflasters, Ueberspringen der Rohrzüge, und demgemäß zu einem unsichern Schusse führen müßte. – Diese Büchse wird, wenn sie nach ihrer Weise vollkommen richtig construirt ist, also zwar auf nahe Distanzen eine große Trefffähigkeit entwickeln können, zur Erreichung großer Schußweiten aber nicht wohl tauglich seyn, da ihr kurzes Geschoß durch den Widerstand der Luft sehr rasch an Geschwindigkeit verlieren, auf weitere Entfernungen hin also rasch ermatten wird. Whitworth dagegen bedarf, bei seinen genau in die polygonale Bohrung des Rohres seiner Büchse passenden Geschossen, keines Pflasters, er kann zu denselben daher auch eine durch Zinn- oder Zinkzusatz gehärtete Bleilegirung nehmen und das Geschoß dann ohne jeden Anstand so lang machen, für Kaliber 0,44 Zoll z.B. 1,5 Zoll, daß es, selbst bei einer Drall-Länge des Rohres von nur 20 Zoll, auch auf weite Schießentfernungen hin noch bedeutend viel an lebendiger Kraft conservirt. Berdan will nun die Vortheile beider Systeme dadurch mit einander vereinigen, daß er die Whitworth'sche Polygonalbohrung sich in einer Kammer fortsetzen läßt, welche zur Aufnahme der nach ihr geformten Patrone bestimmt ist, und durch einen noch nicht mitgetheilten Mechanismus dem Gewehre auch den Vortheil des Kammerladungsgewehrs zuführt. Wird hierbei dem Berdan'schen Rohre ebensoviel Fall als dem Clarke'schen gegeben, das Whitworth'sche Geschoßlängenverhältniß aber wenigstens annähernd beibehalten, so dürfte es dann allerdings bei genügend starken Rohren wohl nur noch von einem richtigen Verhältniß von Ladung und Rohrlänge abhängen, um dem Geschosse auch auf weite Distanzen hin noch in genügendem Maaße Treffsicherheit und Percussionskraft zugleich geben zu können. Bereits angestellte Schießversuche haben denn auch gezeigt, daß auf 3/4 Meile weniger 30 Yards (3900 englische Fuß) die, nach ihrem höchsten Visiraufsatz um etwa 10 Grad elevirte Berdan'sche Büchse unter 27 Schüssen 7 Treffer in eine Scheibe von 12 Fuß in's Quadrat geliefert hat und daß weiter bei einem die Percussionskraft der Geschosse prüfenden Schießversuche, auf mit einem Zoll Zwischenraum hintereinander aufgestellte einzöllige Breter, diese Büchse mit 540 Grains Blei und 90 Grains Berdan-Pulver 31 solcher Breter durchschlug, während Whitworth's Büchse mit ihrer ebenso schweren Kugel und 68 Grains Pulver gewöhnlicher Art deren nur 23 1/2, mit 60 Grains Berdan-Pulver an einer schon etwas zerschmetterten Scheibenwandstelle aber 32 durchbohrte. Zu Lagenfeuern endlich soll die Berdan'sche Büchse, anstatt wie es bei glattläufigen Flinten üblich ist, mit einer Rundkugel und drei Posten geladen zu werden, Patronen mit drei hintereinander liegenden Rundkugeln erhalten, von deren Spielraum im Rohre es dann abhängig seyn wird, ob dieselben auf größere Zielabstände hin mehr sicher treffend oder mehr streuend wirken. – Bei 0,002 Zoll Spielraum betrug diese Streuung bei einem bereits angestellten Schießversuche auf 200 Yards Entfernung etwa 5 Fuß. D......y,                  Major im Generalstabe in Cassel.