Titel: Ueber den Einfluß des Windes auf den Zug in den Schornsteinen; von Professor Dr. Buff in Gießen.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LV., S. 214
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LV. Ueber den Einfluß des Windes auf den Zug in den Schornsteinen; von Professor Dr. Buff in Gießen.Aus dem Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen (1866, Nr. 14) vom Verfasser mitgetheilt. Mit Abbildungen. Buff, über den Einfluß des Windes auf den Zug in den Schornsteinen. Fig. 1., Bd. 180, S. 214 Die Ansicht, daß der Wind, selbst bei waagerechter Richtung, auf den Zug der Schornsteine einen nachtheiligen Einfluß äußere, war noch vor nicht sehr langer Zeit fast allgemein verbreitet. Dieser Ansicht lag keine eigentliche Untersuchung zu Grunde; sie stützte sich auf die Erfahrung, daß der Rauch in niedrigen Schornsteinen durch Windstöße häufig zurückgetrieben wird; sodann auf die Betrachtung, daß der Wind den Strom des Rauches nöthigt, bei seinem Austritt aus dem Schornstein eine schiefe Richtung zu nehmen, wodurch die Querschnittsfläche der ausströmenden Rauchsäule im Verhältniß der Linien ac : ab (Fig. 1) verengert, also, wie es scheinen könnte, die Ausflußmenge vermindert wird. Bei dieser Betrachtung ist jedoch nicht berücksichtigt worden, daß der ausströmende Rauch durch den Wind nicht nur schief gerichtet, sondern zugleich auch beschleunigt wird. Mit Beachtung dieses letzteren Umstandes hat der Verfasser des Artikels „Heizung“ in Marbach's physikalischem Wörterbuche durch Rechnung zu beweisen gesucht, daß der Wind den Zug der Schornsteine ganz unverändert lasse, indem die Geschwindigkeit des schief ausströmenden Rauchs in demselben Verhältnisse zunehme als seine Querschnittsfläche sich vermindere. Dieser Rechnung liegt die Annahme zu Grunde, daß die Masse des aufsteigenden Rauchs in demselben Augenblicke da sie den Schlot verlasse, neben ihrer eigenen Geschwindigkeit die sie beibehalte, diejenige des Windes gewinne. Beide Geschwindigkeiten sollen sich dann, nach dem Gesetze des Parallelogramms der Bewegungen zu der Geschwindigkeit zusammensetzen, die der schief aufsteigende Rauch wirklich zeigt. Der aus dem Schornstein austretende Rauch erhält jedoch nicht plötzlich durch seine ganze Masse, sondern nur durch eine Reihe von Beschleunigungen, d.h. mit der Zeit, die Geschwindigkeit der äußeren Luft. Der äußere Luftstrom stauet und verdichtet sich vor der Ausmündung, wo ihm eine gegen seine eigene Richtung relativ ruhende Gasmasse (der Rauch) entgegensteht. Letztere wird durch den aus der Stauung hervorgehenden Druck nun auch in der Richtung des Windes in Bewegung gesetzt und gewinnt so stufenweise durch ihre Masse eine waagerechte Geschwindigkeit, während die aufsteigende fortdauert. Die Bewegung des Rauches außerhalb des Schlotes geht also allmählich aus der senkrecht aufsteigenden in diejenige des Windes über, und kann folglich keine geradlinige seyn; sie gleicht der äußeren Erscheinung nach mehr derjenigen eines waagerecht ausfließenden Wasserstrahles. Daraus folgt, daß die Querschnittsfläche der ausströmenden Rauchsäule durch die Einwirkung des Windes in geringerem Grade vermindert wird, als ihre Geschwindigkeit zunimmt. Wenn demnach der Rauch durch den Druck der vor dem Schornstein sich anstauenden Luft eine größere Geschwindigkeit erhält als diejenige ist, womit er das Rohr verläßt, und wenn gleichwohl die Querschnittsfläche der strömenden Säule nicht verhältnißmäßig verengert wird, so muß mehr ausströmen, als zur Ausmündung gelangen kann, d.h. es bildet sich nächst der Mündung ein verdünnter Raum, oder es entsteht ein Saugen. Man sollte hieraus den Schluß ziehen, daß waagerecht wehende Winde den Zug fördern. Ohne Zweifel haben viele erfahrene Architekten hinsichtlich dieses Verhaltens Beobachtungen gesammelt; aber vergeblich habe ich in Schriften darüber nachgeforscht. Auch in dem geachteten Werke von Breymann und Lang (Allgemeine Bau-Constructions-Lehre) sind zwar mancherlei Rathschläge niedergelegt, sowie Beschreibungen von Vorrichtungen, um die Windströmungen an den Ausmündungen der Rauchröhren unschädlich zu machen, aber es findet sich darin keine auch nur annähernd wissenschaftlich begründete Auskunft über die eigentliche Quelle jenes schädlichen Einflusses, um dessen Beseitigung es sich handelt. Versuche, im kleinsten Maaßstabe ausgeführt, wenn sie passend gewählt und abgeändert worden waren, um das Gesetzmäßige einer Erscheinung, sowie die Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung deutlich hervortreten zu lassen, gestatten in den meisten Fällen sicherere Schlüsse auf verwandte Vorgänge im Großen, als die emsigste Verfolgung dieser Vorgänge selbst es vermag. Aus diesem Grunde halte ich für nützlich, einige einfache, leicht zu wiederholende Versuche hier mitzutheilen, welche mir vorzugsweise geeignet scheinen, über den Einfluß, welchen der Wind auf die Mündungen der Rauchröhren äußert, Rechenschaft zu geben. Fig. 2., Bd. 180, S. 216 Wenn man ein Wasser-Manometer, etwa von der Gestalt wie nebenstehende Fig. 2, einem starken Luftstrome entgegenstellt, so erhebt sich bekanntlich das Wasser auf der Seite der Ausmündung b des Manometerrohres, weil die Geschwindigkeit des Stroms sich bei der Einmündung a in einen Druck verwandelt, der sich zu der bereits vorhandenen Spannkraft der Lufttheile hinzufügt. Hat der Luftstrom die entgegengesetzte Richtung zur Stellung des Manometers (Fig. 2), so sinkt die Wassersäule auf der Seite b, oder der Strom, indem er sich von der Einmündung a entfernt, übt auf die hier ruhenden Lufttheile eine Saugkraft. Dem erwähnten Uebergewichte des Drucks in der Richtung der Bewegung verdankt ein isolirter Strahl ausströmender Luft seine Fähigkeit, ruhende Luft, welche ihm den Weg versperrt, vor sich her zu treiben, sowie die ihn rings umgebenden ruhenden Luftmassen mehr und mehr in seine Bewegung hineinzuziehen. Dabei wächst verhältnißmäßig der Querschnitt des Strahls, freilich nicht ohne allmähliche Abnahme seiner Geschwindigkeit. In sehr anschaulicher Weise zeigt dieses Verhalten der ausfließende Dampfstrahl, indem durch den abkühlenden Einfluß der mit in die Bewegung gezogenen kälteren Luft, ein Theil des Dampfes in Form von Wassertröpfchen ausgeschieden und so die Gestalt des Strahls zur Sichtbarkeit gebracht wird. Von der saugenden Kraft eines Luft- oder Dampfstrahls hat man in der Technik schon verschiedene zum Theil wichtige Anwendungen gemacht. Fig. 3., Bd. 180, S. 216 Es mag a, g, c (Fig. 3) ein ziemlich weites, rechtwinkelig gebogenes, offenes Glasrohr von etwa 25 Millim. Durchmesser vorstellen, dessen einer Schenkel a, g senkrecht aufwärts steht, während der andere waagerechte Schenkel g, c gegen die Flamme einer Stearinkerze so gerichtet ist, daß letztere die Oeffnung c des Rohrs eben bespült. An der Biegung bei g befindet sich eine mittelst eines Korks verschließbare Oeffnung, durch welche ein Glasrohr f, o von geringer Dicke eindringt, dessen obere vor der Glasbläserlampe etwas verengte Oeffnung o in der Mitte des weiteren Rohrs, etwas oberhalb des waagerechten Schenkels, mündet. Wird durch den Canal f, o Dampf oder Luft eingetrieben, so zeigt sich alsbald ein starkes Einsaugen der Flamme bei c, ganz in Uebereinstimmung mit den vorhergegangenen Erläuterungen. Die Anwendung ähnlicher Vorrichtungen als Förderungsmittel des Zugs ist bekannt. Nun ist es einleuchtend, daß der durch die Wand des äußeren Rohrs begrenzte Raum um die Oeffnung o herum keinen anderen Zweck hat als die Saug- oder Zugkraft gegen die Flamme zu leiten. Der eigentliche Sitz dieser Kraft befindet sich bei o und in geringer Entfernung darüber. Wenn man die Glaswand, welche die Mündung o des Luft- oder Dampfstrahls umgibt, wegnähme, der Erfolg würde kein anderer seyn können, als daß die Saugkraft sich jetzt gegen die Luftmassen der unmittelbaren Umgebung richten müßte. Dieß berücksichtigend, halte man ein an beiden Enden offenes Glasrohr e, d von ungefähr 8 Millimeter Weite waagerecht gegen die obere Oeffnung des Rohrs a, g, c (Fig. 3), so daß die Mündung d des ersteren über dem Rande a des letzteren und von diesem nur wenig entfernt steht, und sende einen Luftstrom durch das Rohr e, d. Man wird sogleich wahrnehmen, daß die Flamme von der Oeffnung c angezogen wird. Der an der oberen Oeffnung a vorübergehende Luftstrom wirkte also saugend auf die ruhende Luft im Rohr. Diese Saugkraft ist jedoch nur von geringer Stärke, und das Gelingen des Versuchs erheischt, daß das Blasrohr sich von e nach d hin nicht senke, weil sonst ein Eindringen der Luft in das Rohr und folglich ein Abstoßen der Flamme bewirkt wird. Auch darf aus demselben Grunde der a gegenüberliegende Rand des weiten Rohrs nicht höher stehen, während dagegen eine auch nur geringe Senkung desselben (des Randes b) die Zugkraft bedeutend vermehrt. Fig. 4., Bd. 180, S. 217 Hält man das Rohr e, d etwas tiefer, so wie Fig. 4 andeutet, und richtet seine Mündung d aus 3 bis 4 Zoll Abstand, oder auch aus größerer Entfernung gegen den aufrechtstehenden Theil des weiteren Rohrs, so daß ein Theil des Luftstroms an der Wand des letzteren anstoßen muh, so wird die Flamme mit großer Energie, mit weit größerer Kraft als vorher, eingesogen. Es ist leicht zu erkennen, daß die an der Wand des weiteren Rohrs anstoßende Luft sich verdichtet und daß sie dadurch die nöthige Spannkraft gewinnt, um sich radial nach allen Richtungen auszubreiten. Ein Theil davon erhebt sich, gleichlaufend mit der Cylinderachse des Rohrs, und dieser ist es, welcher an der Mündung a vorübergehend, oder vielmehr über dieselbe sich erhebend, die Saugkraft in so auffallender Weise verstärkt. Der Anprall und das davon abhängige Aufsteigen der Luft an der Außenfläche des Rohrs zeigte sich als ein so wirksamer Schutz gegen das Eindringen in die Ausmündung a, b (Fig. 4), daß ein selbst bis zu 15° abwärts geneigter Luftstrom, sobald derselbe gegen die Kante a aus hinreichender (10–12 Zoll) Entfernung gerichtet worden war, um sich vor der Ankunft am Rohr ausbreiten und theilweise an der Röhrenwand anstoßen zu können, das Einsaugen der Flamme gestattete. In noch ausgedehnterem Grade wurde der nachtheilige Einfluß eines abwärts geneigten Luftstroms verhütet, ja letzterer sogar gezwungen, saugend zu wirken, nachdem man die Ausmündung a, b (Fig. 5) des Rohrs mit einer Platte überdeckt hatte, welche den Rand desselben ringsum überragte. Fig. 5., Bd. 180, S. 218 Fig. 6., Bd. 180, S. 218 Wenn man die Mündung a, b des weiteren Rohrs unmittelbar aus einer ebenen Fläche (Fig. 6) hervortreten läßt, über welche der Luftstrom hinstreifen muß, um zu der Oeffnung a, b gelangen zu können, so bemerkt man, daß die Flamme abgestoßen wird. In der That werden diejenigen Theile des Luftstroms, welche mit der Fläche in Berührung kommen, durch Reibung in ihrer Bewegung verzögert und zugleich verdichtet, ähnlich wie beim Anstoße gegen einen Widerstand. So gelangt Luft, deren Dichtigkeit diejenige ihrer Umgebung überwiegt, zum Rand der Oeffnung und vermag in Folge des Uebergewichts ihrer Spannkraft einzudringen. Diese Wirkung vermindert sich, sowie sich der Rand der Oeffnung über die Fläche erhebt und geht bald in die entgegengesetzte über, d.h. schon bei mäßiger Hervorragung des Randes der Oeffnung wird die Flamme eingesogen. Die Anwendung dieser Erfahrungssätze, zur Beurtheilung und Erklärung der Einwirkung des Windes auf die Rauchröhren, ist, wie mir scheint, sehr nahe liegend. Auf die Zugkraft hoher, freistehender Schornsteine wirkt der Wind begünstigend, in welcher Richtung derselbe auch wehen mag. Sie werden, wie mir aus Erfahrung bekannt ist, bei bewegter Luft selbst dann ziehen, wenn die Temperatur der inneren Luftmasse diejenige der äußeren nicht übertrifft. Die Ursache dieser letzteren Zugkraft ist das Anstoßen und in Folge davon das Aufsteigen des Windes an der Wand des Schornsteins. Ueberall, wo es wünschenswerth erscheinen sollte, von dieser Kraft, welche die Natur fast zu jeder Zeit und freiwillig bietet, den größtmöglichen Nutzen zu ziehen, würde man Sorge zu tragen haben, daß der Kranz am oberen Ende des Rohrs nach oben abgerundet ist und nur wenig über die Fläche der Seitenwand hervortritt. Niedrige Schornsteine sind unvermögend, eine starke Zugkraft hervorzubringen. Befinden sie sich in der Nähe höherer Gebäude, Mauern oder anderer ihre Mündungen beherrschender Gegenstände, zudem vielleicht zwischen diesen Gegenständen und der herrschenden Windesrichtung, so ist Gefahr vorhanden, daß der Rauch durch Windstöße, wenn dieselben abwärts gerichtet sind, zuweilen zurückgedrängt werde. Durch Ueberdeckung der Ausmündung, in der Art jedoch, daß der Rauch unter der Deckplatte nach allen Richtungen frei ausströmen kann, dürfte jene Gefahr sehr vermindert, wenn nicht derselben ganz vorgebeugt werden. Niedrige und überhaupt solche Schornsteine, deren Saugkraft allzu sehr angestrengt und fast schon bis zur äußersten Grenze erschöpft ist, sind auch dann der Gefahr ausgesetzt, unter dem Drucke des Windes zu rauchen, wenn sie aus der Fläche eines Daches nur wenig hervortreten. Kann dagegen der Wind an dem oberen Ende eines Rauchrohrs frei vorüberziehen, ist zumal die Mündung desselben in passender Weise überdeckt, so läßt sich von dem Einflusse des äußeren Luftstroms im Allgemeinen nur eine Verstärkung des Zugs erwarten. Selbst eine geringe abwärts gerichtete Neigung des Windes wird ohne Nachtheil bleiben, weil dieser durch die Wirkung des an der Schornsteinwand anstoßenden und dann aufwärts gehenden Luftstroms aufgehoben wird. Es ist aus diesen Gründen immer rathsam, die Schornsteine der Wohngebäude über dem Dache so weit zu erheben, daß ihre Mündungen die First überragen. Insbesondere gilt dieß auch für Abtrittsröhren, wo diese über Dach geleitet werden. Die zahlreichen sonstigen Vorrichtungen, die sowohl in besonderen Aufsätzen, wie auch in Lehrbüchern empfohlen werden, um den nachtheiligen Folgen des Windes an den Ausmündungen der Schornsteine zu begegnen, sind zu verwerfen, weil sie auf die irrige Annahme gegründet sind, daß der Wind principiell ein Hemmniß des Zuges sey, ihren Zweck entweder ganz verfehlen oder demselben doch nur unvollkommen entsprechen.