Titel: Ueber die Oxydation der fetten Oele an der Luft; von Cloëz.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LXI., S. 239
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LXI. Ueber die Oxydation der fetten Oele an der Luft; von Cloëz. Cloez, über die Oxydation der fetten Oele an der Luft. Die fetten Oele absorbiren bekanntlich, wenn sie der Luft ausgesetzt sind, Sauerstoff, indem sie dabei je nach ihrer Natur mehr oder weniger sich verdicken. Auf die Schnelligkeit dieser Veränderung sind besonders die Wärme, das Licht, die Beschaffenheit der Fläche, auf welcher das Oel sich befindet, und endlich die Gegenwart gewisser Stoffe, welche man als Siccative anwendet, von Einfluß. Chevreul hat bereits nachgewiesen, in wiefern durch die Beschaffenheit der Fläche, welche dem Oel als Unterlage dient, die Oxydation desselben beschleunigt oder verzögert wird, und in seiner hierauf bezüglichen AbhandlungAnnales de Chimie et de Physique, 3. série, t. XLVII p. 209–283, mit vielen Tabellen. auch Versuche über den Einfluß der Wärme und der Siccative mitgetheilt. Der Verf. wollte bei seinen Versuchen eigentlich nur den Einfluß des Lichtes berücksichtigen, fand sich aber, da derselbe nicht isolirt betrachtet werden kann, veranlaßt, auch einige Versuche über die Wirkung der Wärme anzustellen. Alle Versuche des Verf. wurden vergleichend unter möglichst gleichen Umständen ausgeführt; sie bezogen sich auf vier verschiedene Oele, nämlich zwei nicht trocknende, Sesamöl und Ricinusöl, und zwei trocknende, Mohnöl und Leinöl. Jedes dieser Oele wurde der Einwirkung der Luft unter folgenden vier verschiedenen Verhältnissen des Lichteinflusses ausgesetzt: 1) in einem Kasten von farblosem Glas; 2) in einem ähnlichen, aber aus durch Kupferoxydul roth gefärbtem Glase bestehenden Kasten; 3) in einem Kasten von gelbem Glas; 4) in einem Kasten von grünem Glas; 5) unter blauem Glas; 6) im Dunkeln. Von jeder Oelsorte wurden 10 Grm. in ein vorher tarirtes flaches Glasschälchen gebracht, welches numerirt und mit einem Glasstäbchen zum Umrühren des Oels versehen war. Diese Schälchen wurden dann über einander in die Kästen gestellt, indem man sie durch Streifen von vollkommen durchsichtigem, farblosem Glas unterstützte. Die Exposition an der Luft dauerte 150 Tage, vom 16. Juli 1864 bis zum 12. December desselben Jahres. Jedes Schälchen wurde von Zeit zu Zeit gewogen, und so, mittelst der Zunahme des Gewichts, der Gang der Oxydation ermittelt, welcher für dasselbe Oel, je nachdem dasselbe bei directem oder mittelst des Durchganges durch gefärbtes Glas modificirtem Licht oder aber im Dunkeln exponirt war, sich sehr verschieden zeigte. Die folgende Tabelle weist die Gewichtsvermehrung nach, welche bei den sechs Schälchen mit Sesamöl nach und nach eintrat. Nach FarblosesGlas. RothesGlas. GelbesGlas. GrünesGlas. BlauesGlas. Dunkelheit. Tagen Grm. Grm. Grm. Grm. Grm. Grm.   10 0,126 0,009 0,012 0,005 0,089 0,000   20 0,258 0,027 0,041 0,023 0,245 0,001   30 0,317 0,048 0,103 0,076 0,332 0,002   40 0,326 0,082 0,184 0,139 0,376 0,003   60 0,298 0,178 0,319 0,269 0,388 0,007   80 0,272 0,284 0,388 0,354 0,370 0,013 100 0,261 0,338 0,417 0,401 0,357 0,018 120 0,273 0,376 0,442 0,438 0,360 0,024 150 0,300 0,441 0,474 0,485 0,399 0,035 Die entsprechenden für das Mohnöl erhaltenen Zahlen sind in der folgenden Tabelle verzeichnet: Nach FarblosesGlas. RothesGlas. GelbesGlas. GrünesGlas. BlauesGlas. Dunkelheit. Tagen Grm. Grm. Grm. Grm. Grm. Grm.   10 0,208 0,004 0,006 0,002 0,074 0,000   20 0,459 0,011 0,032 0,008 0,365 0,003   30 0,521 0,124 0,268 0,116 0,549 0,005   40 0,520 0,322 0,471 0,307 0,613 0,008   60 0,461 0,598 0,667 0,609 0,587 0,018   80 0,412 0,659 0,668 0,701 0,558 0,072 100 0,411 0,672 0,684 0,729 0,560 0,204 120 0,442 0,698 0,708 0,754 0,580 0,377 150 0,498 0,726 0,733 0,786 0,618 0,638 Wie aus diesen Zahlen hervorgeht, war die Gewichtszunahme unter dem farblosen Glase nach 10 Tagen schon ziemlich groß; sie war etwas geringer unter dem blauen, sehr gering unter dem gelben, rothen und grünen Glas, und im Dunkeln war noch gar keine Gewichtszunahme eingetreten. Nach 20 Tagen waren die Verhältnisse noch ähnlich, aber nach 30 Tagen übertraf die Gewichtszunahme unter dem blauen Glase diejenige unter dem farblosen Glase. Auch die Gewichtszunahme unter dem gelben, rothen und grünen Glase wurde bis dahin und noch länger von der unter dem blauen Glase eingetretenen Gewichtszunahme übertroffen, aber später übertraf erstere die letztere, sowie auch die unter dem farblosen Glas eintretende Gewichtszunahme. Als allgemeines Resultat stellt sich heraus, daß, wo das Gewicht im Anfange sehr rasch zunahm, die Gewichtszunahme am Ende des Versuchs geringer war, als wenn die Gewichtszunahme langsam eintrat. Ein anderes allgemeines Resultat ist die Beschleunigung des Processes, nachdem die Oxydation erst einen gewissen Grad erreicht hat. So betrug die Gewichtszunahme des Mohnöls im Dunkeln in den ersten 60 Tagen nur 0,018 Grm., nach 120 Tagen war sie aber auf 0,377 und nach 150 Tagen auf 0,638 Grm. gestiegen. Die Verschiedenheit der Resultate hat wirklich in der verschiedenen Art der Lufteinwirkung und nicht etwa in Temperaturdifferenzen ihren Grund, denn die Temperatur war in den verschiedenen Kästen, von denen jeder mit einem Thermometer versehen war, welches oft beobachtet wurde, beständig fast ganz gleich. Der Verf. stellte noch Versuche an, welche bewiesen, daß die Wärme, indem sie das Austrocknen der Oele beschleunigt, nicht etwa den Molecularzustand derselben verändert, sondern daß ihre Wirkung darin besteht, daß sie den Beginn der Oxydation veranlaßt, welche nachher rasch fortschreitet. Er nahm vier Proben frischen Leinöls und verfuhr damit folgendermaßen: Drei der Proben wurden 6 Stunden lang im Wasserbad auf 100° C. erhitzt, die erste in einem Luftstrom, die zweite in Wasserstoffgas, die dritte in Kohlensäuregas. Die in einem Luftstrom erhitzte Probe hatte nachher an Gewicht zugenommen, die beiden anderen Portionen hatten dagegen keine Veränderung erlitten. Die drei Proben nebst der vierten, nicht erhitzten Probe, jede Probe im Gewicht von 2 Grm., wurden nun der Luft ausgesetzt, indem man alle 2 Tage die Gewichtszunahme bestimmte. Die Resultate waren folgende: Gewichtszunahme nach 2 TagenMilligr. 4 TagenMilligr. 6 TagenMilligr. 8 TagenMilligr. nicht erhitztes Oel 0 1  4 11 in Wasserstoffgas erhitztes Oel 0 1  5 19 in Kohlensäuregas erhitztes Oel 0 1  3  7 in einem Luftstrom erhitztes Oel 3 6 41 93 Man kann die Oxydation eines Oeles ohne Erhitzung desselben sehr beschleunigen, indem man ihm eine kleine Menge desselben, vorher durch Einwirkung der Luft verdickten Oeles zusetzt; die chemische Wirkung wird dann dem ersteren Oel von dem letzteren gewissermaßen mitgetheilt. Diese Wirkung, welche Chevreul bereits bei dem mit Bleiglätte behandelten und bei dem an der Luft auf 70° C. erhitzten Oel nachgewiesen hat, ist für das Anstreichen von großer Wichtigkeit; sie zeigt, daß man dem jetzt als Siccativ benutzten gekochten Oel, welches immer mehr oder weniger gefärbt ist, ein farbloses Liquidum substituiren könnte, welches die Lebhaftigkeit der Farben nicht beeinträchtigen würde. (Nach dem Journal de Pharmacie, November 1865, S. 345; aus dem polytechnischen Centralblatt, 1866 S. 118.)