Titel: Ueber die Fabrication des im Handel vorkommenden kohlensauren Ammoniaks; von J. Carter Bell.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. CV., S. 385
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CV. Ueber die Fabrication des im Handel vorkommenden kohlensauren Ammoniaks; von J. Carter Bell. Aus der Chemical News. vol. XII p. 303; December 1865. Bell, über die Fabrication des kohlensauren Ammoniaks. Das kohlensaure Ammoniak wird gegenwärtig in den (englischen) Fabriken durch Zersetzung eines Gemenges von schwefelsaurem Ammoniak oder von Salmiak und gewöhnlicher Kreide dargestellt, welches man in Retorten erhitzt und der Sublimation unterwirft. Zur Darstellung des schwefelsauren Ammoniaks wird das in den Flüssigkeiten der Leuchtgasfabriken (Gaswasser) enthaltene Ammoniak benutzt. Das Gaswasser wird nämlich erhitzt und dadurch fast das ganze flüchtige Ammoniak aus ihm ausgetrieben, welches man in Schwefelsäure leitet. Der Rückstand wird aus den Kesseln herausgenommen und auf kohlensaures Ammoniak verarbeitet. Man neutralisirt ihn hierzu mit der erforderlichen geringen Säuremenge und dampft in großen, halbkugeligen, eingemauerten eisernen Pfannen zum Krystallisiren ab. Hat die Lauge den hinreichenden Concentrationsgrad erreicht, so läßt man sie erkalten, wobei sich Krystalle absetzen, oder sie wird noch heiß in besondere Krystallisirbottiche geleitet. Die Mutterlauge wird abgezogen, worauf die inneren Wandungen der Abdampfpfanne mit intensiv schwarzen Krystallen bedeckt erscheinen, welche, wenn Schwefelsäure zum Neutralisiren angewendet wurde, prismatische, bei Anwendung von Salzsäure hingegen kubische Form zeigen. Die Krystalle werden aus der Pfanne herausgeschaufelt, mit Mutterlauge abgewaschen, mit Anwendung von Wärme wieder gelöst und in Kühlgefäßen umkrystallisirt. Aus dieser zweiten Lösung setzt sich ein reichlicher, hauptsächlich aus fremdartigen, in den Krystallen mechanisch eingeschlossen gewesenen Substanzen bestehender Niederschlag ab. Die Krystalle zeigen nach dem Trocknen eine schmutzig weiße Farbe; sie sind nun zu dem nächsten Processe, zur Umwandlung in kohlensaures Salz, fertig. Hierzu dienen gußeiserne Retorten von der Form langer Muffeln, und von etwa 7 Fuß Länge und 1 1/2 Fuß Tiefe, deren Brust rund ist und mittelst einer eisernen, durch Schrauben zu befestigenden Thür verschlossen werden kann. Je drei solcher Retorten werden in Dreieckform zusammen eingemauert und durch dieselbe Feuerung geheizt; sie communiciren mittelst eiserner Röhren mit einer Bleikammer, dem sogenannten Ballon (baloon), welcher etwa 6 Fuß Höhe, 8 Fuß Länge und 2 1/2 Fuß Breite hat. Diese Ballons stehen mit den Retorten in einer Reihe und ruhen auf Gerüsten, an welche sie mit eisernen Bändern befestigt sind. Am Boden jedes Ballons ist ein kleines Rohr angebracht, welches stets offen bleibt; aus demselben entweicht Dampf und tropft während des Betriebes fortwährend eine concentrirte Lösung von kohlensaurem Ammoniak ab, welche gesammelt und umsublimirt wird. Ohne dieses Sicherheitsrohr würde der Druck im Ballon so bedeutend werden, daß letzterer auffliegen könnte. Das Heizen der Retorten erfordert viel Aufmerksamkeit; denn in Folge zu starker Erhitzung derselben würden schwere Unfälle nicht zu vermeiden seyn. Die Retorten werden in vier und zwanzig Stunden einmal mit einem Gemenge von kohlensaurem Kalk (in Form von Kreide) und Ammoniaksalz beschickt. Die Kreide wird vorher auf einer durch die Ueberhitze der Feuerungen erwärmten Eisenplatte scharf getrocknet. Die Retorten werden aber nicht auf einmal und zu gleicher Zeit beschickt, da in vielen Fabriken fünf bis sechs Sätze derselben (jeder aus drei Retorten und einem Ballon bestehend) vorhanden sind; sonst würde die Arbeit zu bedeutend werden und eine zahlreiche Bedienungsmannschaft erforderlich seyn. Deßhalb wird eine Retorte von jedem Satze zu derselben Stunde beschickt und zwar die erste um sieben Uhr Morgens, die zweite um eilf Uhr Mittags und die dritte um drei Uhr Nachmittags, so daß in dieser Zeit sämmtliche Retorten beschickt worden sind. Die Charge wird in den Retorten mit langem eisernen Gezähen, welche durch die in den Thüren derselben angebrachten Oeffnungen eingeführt werden, fleißig umgerührt, um die Zersetzung des Gemenges zu befördern. Bevor eine neue Beschickung eingetragen wird, müssen die zu den Ballons führenden Verbindungsröhren gut gereinigt werden, da sie sich sehr leicht verstopfen. Der hauptsächlich aus Chlorcalcium bestehende Rückstand wird in eiserne Laufkarren gekrückt und auf einen unbebauten Platz gestürzt; die neue, sorgfältig abgewogene und möglichst innig durcheinander gemengte Beschickung (gewöhnlich aus 2 Th. Kreide und 1 Th. Ammoniaksalz zusammengesetzt) wird rasch in die Retorte eingetragen, die Thür geschlossen und verstrichen, und dann wird gefeuert. Nachdem die Retorten ungefähr vierzehn Tage lang in Thätigkeit gewesen sind, werden die Ballons geöffnet; das noch mehr oder weniger unreine kohlensaure Ammoniak bekleidet als eine dicke Kruste, an welcher sich gewöhnlich mehrere, meist verschieden gefärbte Schichten unterscheiden lassen, die Seiten, den Boden und die Decke der Ballons. Die Verunreinigungen bestehen zum größeren Theile aus mechanisch mitgerissenem kohlensaurem Kalk und Chlorcalcium. Das Salz wird von den Wandungen des Ballons abgekratzt und letzterer zu einer neuen vierzehntägigen Campagne in Stand gesetzt. Wenn diese Ballons nicht die genügenden Dimensionen haben, so wird viel Salz mit den Wasserdämpfen fortgerissen und dadurch werden große Verluste herbeigeführt. An jedem Ballon ist ein kleines mit einem Holzpfropf zu verschließendes Schauloch angebracht, durch welches der Gang der Sublimation beobachtet werden kann. Das unreine Salz wird in die Umsublimirungspfannen gebracht. Diese sind eiserne, etwa 16 Fuß lange und 2 1/2 Fuß tiefe, am Boden 2 Fuß 7 Zoll, am oberen Rande dagegen nur 2 Fuß weite Behälter, welche mit zwei eisernen Platten verschlossen werden. Jede dieser Platten ist mit vier, 1 Fuß im Durchmesser haltenden und 1 Fuß von einander entfernten Oeffnungen versehen, über welche conisch geformte Bleigefäße, die Helme oder Recipienten, mit flacher Decke gestellt werden. Ein solcher Helm besteht aus einem Bleibleche, dessen beide Enden durch Krampen und Keile zusammengehalten werden und auf welches oben eine runde Scheibe von Bleiblech auflutirt ist; sie sind ungefähr zwei Fuß hoch. Die eisernen Sublimirgefäße sind in Mauerwerk eingelassen und an jedem Ende mit einer Feuerung versehen. Sie werden alle vierzehn Tage beschickt; erst wird eine bestimmte Menge Wasser in sie gegossen, dann wird das umzusublimirende kohlensaure Ammoniak eingetragen. Darauf werden die Helme oder Recipienten auf die entsprechenden Oeffnungen der Deckel auflutirt und dann wird schwach angefeuert. Die Regulirung der Temperatur erfordert große Aufmerksamkeit; denn da das Salz zwischen 49° und 54° C. sublimirt, so darf die Wärme nicht zu hoch gesteigert werden. In dem am Ende stehenden Recipienten ist ein kleines verschließbares Schauloch angebracht, durch das man beobachten kann, ob die Temperatur zu hoch ist, in welchem Falle das Feuer gedämpft wird; zu diesem Zweck wird gewöhnlich ein Thermometer angewendet. Anstatt der viereckigen eisernen Pfannen werden auch wohl einzelne Sublimirtöpfe mit Hauben oder Helmen von Blei angewendet, welche entweder eingemauert und durch den Abzugscanal des Retortenofens erhitzt oder in ein Wasserbad gestellt werden. Nach Verlauf von vierzehn Tagen sind die bleiernen Recipienten mit einem dicken Sublimate von gereinigtem kohlensaurem Ammoniak mehr oder weniger vollständig angefüllt; sie werden abgehoben und durch Lösen der Krampen und Keile auseinandergenommen. Da die Außenseite der erhaltenen Salzmasse meistens ziemlich schmutzig ist, so wird sie sauber abgeschabt; dann wird das Sublimat zerschlagen, in Gefäße (meistens aus Steinzeug) verpackt und so in den Handel gebracht. Die Bleirecipienten werden sorgfältig ausgewaschen und wieder zusammengesetzt. Von der in den Umsublimirpfannen rückständigen Flüssigkeit wird ein kleiner Theil ausgeschöpft, der größere Theil aber bleibt in denselben zurück. Nachdem die Pfannen mit einer neuen Charge von rohem Carbonat beschickt worden, werden die Recipienten auflutirt und die Operation beginnt von Neuem.