Titel: | Ueber die Gegenwart des Siliciums in zwei verschiedenen Zuständen im Roheisen; von Dr. Phipson. |
Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. XVI., S. 66 |
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XVI.
Ueber die Gegenwart des Siliciums in zwei
verschiedenen Zuständen im Roheisen; von Dr. Phipson.
Aus den Comptes rendus, t. LXII p. 803; April
1866.
Phipson, über das im Roheisen enthaltene Silicium.
Bereits im vorigen Jahre habe ich der (französischen) Akademie eine Mittheilung über
das Vorhandenseyn des Siliciums im Roheisen in zwei verschiedenen Zuständen und über
den Einfluß derselben auf die Stahlerzeugung etc. eingereicht.Polytechn. Journal Bd. CLXXVII S.
388. Da ich seitdem mehrere neue Beobachtungen über diesen Gegenstand gemacht
habe, so vervollständige ich hiermit die erwähnte Mittheilung.
Mehrere ausgezeichnete Chemiker wollten die Schlußfolgerungen, zu welchen ich in
meinem früheren Aufsatze gekommen bin, nicht anerkennen; ich werde jedoch zeigen,
daß dieselben nichts desto weniger sehr exact sind und daß man ihnen nur eine, von
der bisher ihnen zugeschriebenen etwas abweichende Deutung geben muß.
Die Fundamental-Thatsache – daß nämlich beim Auflösen des Roheisens in
Säuren ein Theil des Siliciums in Lösung geht, während ein anderer Theil desselben
(als Kieselsäure) sich niederschlägt – ist von Niemand bestritten worden. Die
Menge der hierbei gefällten Kieselsäure beeinflußt die Erzeugung von
Bessemer-Stahl gar nicht; die Menge derjenigen dagegen, welche sich auflöst,
hat einen sehr bedeutenden Einfluß, so daß, wenn das Roheisen von dem diese
Kieselsäure liefernden Silicium nur 1 bis 2 Proc. enthält, aus demselben, wenigstens
in der jetzigen Praxis, ein erträglicher Bessemer-Stahl nicht mehr erzeugt
werden kann. Betrachten wir die Sache näher.
Als ich gefunden hatte, daß sich das Silicium in der angegebenen Weise bei der
Analyse stets in zwei Antheile von verschiedenem Verhalten spaltet, kam ich ganz
natürlicher Weise auf den Gedanken, daß es sich mit dem Silicium wie mit dem
Kohlenstoffe verhalte und daß ersteres in zwei allotropischen Zuständen im Roheisen
enthalten sey. Ich habe jedoch auf diese Ansicht kein besonderes Gewicht gelegt,
sondern mich darauf beschränkt, jene beiden Zustände hervorzuheben und mit den
Buchstaben a und b, und zwar
als aSi das gebundene, und als bSi das freie (oder das sich ausscheidende) Silicium zu bezeichnen. Später
habe ich gefunden, daß diese Ansicht den wirklichen Sachverhalt nicht scharf genug
darstellt. Im Roheisen existiren nicht zwei allotropische Modificationen des
Siliciums, wohl aber gebundenes Silicium, aSi (im
Zustande von Siliciumeisen) und oxydirtes Silicium, bSi
(im Zustande von kieselsaurem Eisen). Dieses letztere hatte ich früher als freies
Silicium bezeichnet. Dasselbe schlägt sich bei der Analyse im Zustande von
Kieselsäure nieder und seine Menge kann im Roheisen bis auf 4 Proc. steigen (nach
den in meiner früheren Mittheilung angeführten Analysen), ohne daß es auf die
Stahlerzeugung Einfluß hat. Das im Roheisen als Siliciumeisen existirende aSi hingegen hat bei dem Bessemer-Processe eine
sehr schädliche Wirkung, und zwar findet diese in folgender Weise Statt:
Sobald beim Bessemern das geschmolzene Metall in das Umwandlungsgefäß (die Birne)
gelangt, und der Gebläsewind zu wirken beginnt, geräth alles Eisensilicat (bSi) mehr oder weniger rasch in Fluß, während das
Siliciumeisen (aSi) sich zuerst oxydirt und dann
schmilzt. Um aber dieses letztere vollständig zu entfernen, muß man den Windstrom so
lange andauern lassen, daß der durch Oxydation verursachte Metallverlust sehr
bedeutend wird; die gewöhnlichste Folge davon ist, daß es in dem erhaltenen Stahle
zertheilt zurückbleibt und daß sich dieser dann unter dem Hammer nicht bearbeiten
läßt. Hiervon konnte ich mich durch die Untersuchung der drei Stahlproben
überzeugen, welche aus den drei Roheisenproben erzeugt waren, deren Analyse ich in
meinem früheren Aufsatze mitgetheilt habe.
Eine sehr wichtige Frage, deren Lösung noch zu wünschen bleibt, ist die, auf welche
Weise das Silicium unter jenen beiden Formen in das Roheisen gelangt und durch
welche Mittel die Bildung von aSi
(Silicium-eisen) in dem zur Stahlerzeugung bestimmten Roheisen vermieden werden kann. Die Lösung
dieses Problems ist mit vielen Schwierigkeiten verknüpft.