Titel: Mittheilungen aus dem chemisch-technischen Laboratorium von Dr. H. Vohl in Cöln.
Autor: H. Vohl
Fundstelle: Band 182, Jahrgang 1866, Nr. LXXXVIII., S. 319
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LXXXVIII. Mittheilungen aus dem chemisch-technischen Laboratorium von Dr. H. Vohl in Cöln. Vohl, über die Extraction der Samen zur Oelgewinnung. I. Ueber die Extraction der Samen behufs Gewinnung von Speise-, Brenn- und Schmierölen. Die fast noch allgemein gebräuchliche Darstellungsweise der fetten Oele aus den Pflanzensamen besteht darin, daß man dieselben, nachdem sie vorher einem Zerkleinerungsproceß (Knirschen) unterworfen worden sind, sowohl einer kalten, wie auch warmen starken Pressung aussetzt. Diese Methode hat jedoch den Nachtheil, daß eine Menge verschiedener Substanzen mit dem Oele gleichzeitig aus den Samen austritt, welche dann entweder ein Ranzigwerden desselben bedingen, oder dem Oele einen unangenehmen Geschmack mittheilen, wodurch die Verwendung eines solchen Oeles als Speiseöl beschränkt und oft dasselbe sogar für eine solche Anwendung untauglich wird. Auch sind diese Verunreinigungen nicht minder nachtheilig bei der Verwendung des Oeles als Brenn- oder Schmieröl. Viele Vorschläge waren deßhalb schon bezüglich der Gewinnung der fetten Oele aus den Pflanzensamen gemacht worden, welche diese Uebelstände beseitigen sollten, bevor man das Ausziehen (Extrahiren) der Samen vermittelst eines kräftigen Lösungsmittels in die Technik einführte. Alkohol, Aether etc. kamen in Anwendung, mußten aber theils wegen ihres hohen Preises, theils wegen beschränkten Lösungsvermögens, theils aber auch wegen der mangelhaften Construction der dabei in Anwendung gebrachten Apparate bei Seite gesetzt werden. Erst als der von Lampadius entdeckte Schwefelkohlenstoff im Großen und zu niedrigen Preisen behufs der Kautschuk-Industrie dargestellt wurde, fieng man an, dieses Lösungsmittel zum Ausziehen der Oelsamen zu benutzen. Zu dem Ende wurden sinnreich construirte Apparate in Vorschlag gebracht, um diese Extraction im Großen auszuführen. Der bei diesem Verfahren erhaltene, mit Oelen beladene Schwefelkohlenstoff wird alsdann durch Destillation von den fetten Oelen geschieden und wieder gewonnen, und dadurch das Ausziehen einer großen Quantität Samen durch eine verhältnißmäßig geringe Menge Schwefelkohlenstoff ermöglicht. Hier in Cöln hatte auch ein derartiges Etablissement seine Thätigkeit begonnen, jedoch nach kurzer Zeit die Oelsamen-Extraction eingestellt, da dieselbe den gewünschten Erfolg nicht hatte und nicht nutzbringend war. Die Fabrik beschränkt sich jetzt lediglich auf das Ausziehen der gebrauchten Putzwolle und Abfälle aus den Stearinfabriken und Talgschmelzereien mit Schwefelkohlenstoff. Die Mängel, mit welchen die Extraction der Samen vermittelst Schwefelkohlenstoff behaftet ist, sind nachfolgende: 1) Während der Extraction ist es unumgänglich nöthig, den Schwefelkohlenstoff vor einer Zersetzung zu schützen, deren Ursachen größtentheils noch so gut wie nicht gekannt sind und die in ihrem Gefolge eine Entwickelung von Schwefelwasserstoff sowie eine Abscheidung von Schwefel bedingt. Dieser Schwefel bleibt in dem ausgezogenen und von dem Lösungsmittel durch Destillation getrennten Oele gelöst zurück. Der Schwefelgehalt ertheilt aber dem Oele einen unangenehmen Geruch, der an Schwefelbalsam erinnert; der Geschmack des Oeles ist ein widerlicher hepatischer geworden, so daß dasselbe zur Verwendung als Speiseöl unbrauchbar ist. 2) Der Schwefelkohlenstoff hat ferner die Eigenschaft, nicht allein die fetten Oele des Samens zu lösen, sondern auch einen harzähnlichen klebrigen Körper aus dem Samen zu extrahiren, welcher an der Luft durch Sauerstoff-Aufnahme ein schnelles Verharzen, resp. Ranzigwerden des Oeles bedingt und so dasselbe zur Anwendung als Schmiermaterial für feinere und raschbewegte Maschinentheile ungeeignet macht. Bei der Verseifung solcher Oele verursacht ihr Schwefel- und Harzgehalt einen unangenehmen Geruch und ertheilt der Seife auch andere für manche Zwecke nachtheilige Eigenschaften. Der Schwefelgehalt bedingt nämlich während der Verseifung die Bildung einer Schwefelleber, welche theils durch den unangenehmen Geruch, theils durch die Einwirkung auf Metalle sich bemerkbar macht. Die sogenannte schwarze oder grüne Schmierseife, eine Kaliseife, welche aus einer Mischung von Rüböl und Leinöl bereitet wird, findet hierorts außer der Verwendung zur Reinigung der Wäsche auch noch zur Reinigung von Silberzeug oder stark versilberten Tischgeräthen, sowie zum Reinigen von mit weißer Oelfarbe angestrichenen Holzbekleidungen Verwendung, wobei alsdann, wenn die Seife einen Schwefelleber-Gehalt besitzt, eine zwar überraschende, aber höchst unangenehme Einwirkung auf diese Metalle, resp. Metalloxyde, eintritt. Bekanntlich wird in manchen Gasthöfen das Silberzeug mit einer verdünnten warmen Seifenlösung gereinigt und es war in einem hiesigen Gasthof der Fall eingetreten, daß bei dieser Operation dasselbe schwarz aus der zur Reinigung angewandten Lauge zum großen Schrecken des damit beauftragten Kellners hervorgieng. Ich ermittelte sehr bald, daß die verwandte Seife einen Schwefelleber-Gehalt besaß, der die Oberfläche des Silbers in Schwefelsilber verwandelt hatte. Weitere Nachforschungen ergaben, daß das zur Fabrication der Seife angewandte Alkali keinen Gehalt an Schwefelalkalien hatte, daß man aber ein Gemisch von Rüb- und Leinöl verwendet hatte, wovon das erstere durch Extraction mit Schwefelkohlenstoff dargestellt war. 3) Der Samenrückstand, der sonst bei der gewöhnlichen Oelgewinnungsmethode als ein vorzügliches Viehfutter benutzt werden kann, ist bei der Extractionsmethode mit Schwefelkohlenstoff mit einem höchst unangenehmen Geruch behaftet, der seine Benutzung als Viehfutter beeinträchtigt, insofern die Freßlust der Thiere benachtheiligt wird. Die Samenrückstände (Preßkuchen) sind bei der gewöhnlichen Methode in Kuchenform, wohingegen die Extractionsmethode dieselben in Pulverform ergibt, daher sie in letzterer Form leichter eine Fälschung durch Zumischen von anderen gepulverten Substanzen erleiden können, aus welchem Grunde es vortheilhaft erscheint, den bei dem Extrahiren abfallenden Samenrückständen durch nachheriges Pressen in hydraulischen Pressen die Kuchenform zu geben. Auch ist bezüglich der Verpackung und des Transports die Kuchenform vorzuziehen. Vergleicht man den Samenrückstand, welcher durch Schlagen der Oelsamen gewonnen wird, mit dem durch Extraction resultirenden, so ergibt sich, daß ersterer 5 bis 6 Proc. fettes Oel enthält, wohingegen bei letzterer Methode nur noch 1/2 bis 1/4 Proc. davon in demselben sich vorfinden. Dieser geringere Oelgehalt bei den Samenrückständen der Extractionsmethode kann jedoch in Bezug der Nährfähigkeit desselben nicht in Betracht gezogen werden. Aus den oben angeführten Gründen ist leicht ersichtlich, daß die Extraction der Oelsamen vermittelst Schwefelkohlenstoff technisch nicht für alle Fälle anwendbar ist und ich wurde dadurch veranlaßt, eine Reihe von Versuchen mit verschiedenen Lösungsmitteln anzustellen, die mich schließlich zu einem günstigen Resultate führten. Die Eigenschaften, welche ein Lösungsmittel haben muß, wenn es zur Oelextraction seine Verwendung finden soll, sind nachfolgende: a) die als Lösungsmittel angewendete Substanz muß vollständig flüchtig seyn und sich leicht durch Destillation von dem fetten Oele trennen lassen; b) sie darf nicht leicht zersetzbar seyn, namentlich keine Körper durch Zersetzung abscheiden, die im Oele gelöst bleiben und demselben nachtheilige Eigenschaften ertheilen; c) sie darf keine auflösenden Eigenschaften gegenüber anderen in den Samen enthaltenen Bestandtheilen, welche die Güte des Oeles beeinträchtigen, haben; d) muß dieselbe leicht zu beschaffen und billig seyn. Meine Versuche haben nun ergeben, daß das Canadol, ein sehr flüchtiger und leichter, aus dem canadischen und pennsylvanischen Petroleum gewonnener Kohlenwasserstoff, die obengenannten Eigenschaften in sich vereinigt und sich vorzugsweise zur Extraction der Oelsamen eignet. Eine Hauptbedingung ist die, daß das Canadol keine Spur von Schwefel enthält, und aus diesem Grunde muß eine große Sorgfalt auf die Reinigung dieses Kohlenwasserstoffes verwendet werden. Die Behandlung mit einer Mischung von saurem chromsaurem Kali und Schwefelsäure, oder von Manganhyperoxyd mit Schwefelsäure, ist nicht zu unterlassen. Ehe man das Canadol anwendet, muh man es auf einen Gehalt an Schwefel prüfen; durch die bekannte Behandlung mit Kalium wird dieses ermittelt (m. s. polytechn. Journal Bd. CLXVIII S. 49). Das schwefelfreie Canadol hat ein spec. Gewicht von 0,650 bis 0,700 bei + 12° C.; es siedet bei + 60° C., verflüchtigt sich, ohne irgend einen Rückstand zu lassen, ist vollkommen neutral und von angenehmem ätherischem Geruche. Dieser Körper zeigt als Lösungsmittel ein ganz eigenthümliches, von anderen ähnlichen Kohlenwasserstoffen abweichendes Verhalten gegen fette Oele. Bekanntlich lösen die Steinkohlentheeröle, das Benzol etc., sowohl die fetten Oele, wie auch die aus denselben durch Oxydation entstandenen verharzten Körper auf, weßhalb sie zum Fleckenvertilgen aus Stoffen so große Anwendung finden. Das Canadol verhält sich in dieser Beziehung bei weitem anders. Es löst nämlich die unveränderten Fette und fetten Oele leicht und in großer Menge auf, wohingegen an der Luft eingetrocknete oder verharzte Oele von ihm wenig oder nicht gelöst werden; auch sind Harze und Gummiharze in diesem Kohlenwasserstoff fast unlöslich. Ferner löst es weder Amygdalin, noch das sogenannte Sinapin (Sulfosinapisin oder schwefelcyanwasserstoffsaures Sinapin), welches letztere in allen Samen der Brassica-Arten enthalten ist. Auf diese Eigenschaften fußend, habe ich diesen Kohlenwasserstoff zum Extrahiren der Oelsamen angewandt und sehr günstige Resultate erzielt.Auch in analytischer Beziehung verdient das Canadol zur Bestimmung des Oelgehaltes der Oelsamen eine Beachtung; in meinem Laboratorium werden derartige Analysen von Sommerraps-, Winterrübsen- und Kohlrapssamen auf ihren Oelgehalt stets mit Canadol bewerkstelligt. Durch Extraction vermittelst Canadol erhielt ich aus 100 Gewichtstheilen: von Sommerraps (Brassica praec.) 36–40 Proc.von Winterrübsen (Brassica napus oleifera) 39 bis 42 Proc.von Kohlraps (Brassica campestris oleifera) 45 bis 50 Proc.    hellesklares Oel. Nach der gewöhnlichen Methode, d.h. vermittelst Schlagen, erhält man von Sommerrapsvon Winterrübsenvon Kohlraps 30 Procent33      „39      „ helles klares Oel. Es ist daraus leicht ersichtlich, daß durch dieses Extractionsverfahren eine bei weitem reichere Ausbeute erzielt wird. Ein sehr schlechter Sommerraps ergab, nur mit Canadol behandelt, von 100 Theilen: Oel   38,5 bis  39,1 Procent Mehl   35,6  „   37,4     „ Kleie   21,8  „   19,3     „ Wassergehalt           4,1  „     4,2     „ –––––––––––––––––– 100,0     100,0 Die im Handel vorkommenden Oelsamenkuchen, welche zur Viehfütterung benutzt werden, habe ich einer Untersuchung bezüglich des in ihnen noch enthaltenen Oeles vermittelst dieser Extractionsmethode unterworfen und aus denselben 6–7 Proc. fette Oele ausgezogen. Die durch Extraction vermittelst Canadol aus obengenannten Pflanzensamen erhaltenen Oele haben eine schön goldgelbe Farbe, sind fast geruch- und geschmacklos, erstarren erst bei – 8° C. und sind nur sehr wenig dem Ranzigwerden unterworfen. Sie können, ohne eine weitere Reinigung zu erheischen, als Speiseöl benutzt werden. Wird das mit den fetten Oelen beladene Canadol mit gut getrockneter Blut- oder Knochenkohle behandelt, alsdann filtrirt und durch Destillation die Trennung des Gemisches vorgenommen, so erhält man diese fetten Oele fast farblos und sie können alsdann dem besten Baumöl an die Seite gestellt werden. Für den technischen Betrieb ist es nothwendig Folgendes zu beachten: 1) ein vollständiges Knirschen der Samen; 2) die Behandlung des geknirschten Samens im Extractionsapparat bei Siedhitze des Lösungsmittels; 3) vollständige Trennung des Lösungsmittels von den fetten Oelen; 4) Entfernung der Extractionsflüssigkeit aus dem Samenrückstand. Das Knirschen der Samen geschieht in besonders dazu hergerichteten Mühlen, welche in 12 Stunden 60 bis 70 Zollcentner geknirschten Samen liefern können. Die Extractionsapparate haben einen Fassungsraum von 150 bis 200 Pfd. Zollgewicht und die Extraction ist in 1 1/2 bis 2 Stunden beendet. Die Separationsapparate zur Trennung des Canadols von den fetten Oelen werden mit Dampf geheizt und das Oel schließlich durch Abblasen von den letzten Spuren des Lösungsmittels befreit. Der Samenrückstand wird in dem Extractionsapparat von dem Lösungsmittel getrennt. Der vermittelst Canadol ausgezogene Samenrückstand. Dieser Samenrückstand hat frisch eine grünlichgelbe Farbe und kann durch eine einfache Beutelmaschine in Mehl und Kleie getrennt werden. Durch Behandlung mit siedendem Alkohol erhält man aus diesem Rückstand Harz, Wachs und Chlorophyll nebst geringen Mengen Oel; man kann aus demselben sogenanntes Sinapin darstellen. Wird der Samenrückstand mit Wasser zu einem dünnen Brei angemengt und bis auf 20–30° R. erwärmt, so entwickelt sich ätherisches Senföl. (Der mit Alkohol behandelte Rückstand liefert kein ätherisches Senföl mehr, da ihm der zur Bildung desselben nöthige Gehalt an Sinapin fehlt.) Sowohl der Samenrückstand, wie auch das aus demselben erhaltene Mehl kann als Viehfutter Verwendung finden und wird zu dem Ende mit heißem Wasser angebrüht, resp. gekocht, wobei alsdann das Senföl entweicht und die Freßlust der Thiere nicht mehr beeinträchtigen kann. Dr. H. Vohl. II. Ueber die Bestandtheile und die Benutzung des in den Weizenstärke-Fabriken abfallenden Wassers. Die aus den Weizenstärke-Fabriken abfließenden Wässer sind nicht allein durch ihren unangenehmen Geruch für die Nachbarschaft höchst belästigend, sondern es ist auch die Einwirkung der Ausdünstungen derselben auf die Gesundheit der Umwohnenden eine höchst schädliche, so daß der Ausfluß derselben in die offenen Straßenrinnen in sanitätspolizeilicher Hinsicht nicht gestattet werden darf. Ebensowenig dürfen dieselben ohne Weiteres den öffentlichen Canälen zugeführt werden, da sie hier theils ein Verschlammen, theils die Verbreitung eines unausstehlichen Gestankes in Folge einer weiteren Fäulniß des aufgelösten Klebers hervorrufen. Einer zweckmäßigen Behandlung unterworfen, können jedoch diese stinkenden Wässer auf verschiedene Weise unschädlich und zu Gute gemacht werden. Schon zu Anfang des Jahres 1840 wurde von der Société d'Encouragement in Paris ein Preis von 3000 Francs für die Angabe von Mitteln zur Beseitigung dieser Uebelstände ausgeschrieben. In Folge dessen erschien bald nachher eine Arbeit von Leduc, welche mit einer Prämie von 500 Francs honorirt wurde; der Rest des Preises von 2500 Francs blieb bis zum Jahre 1843 zur Concurrenz bestehen, da das Verfahren von Leduc nicht in jeder Hinsicht ausreichend war; meines Wissens haben keine weiteren Bewerbungen stattgefunden und ist diese Angelegenheit bis jetzt unerledigt geblieben. Um mit der Unschädlichmachung zugleich eine nutzbringende Verwerthung zu verbinden, ist vor allen Dingen die genaue Kenntniß der Bestandtheile dieser abfallenden Wässer erforderlich. Eine derartige genaue Untersuchung dieser Wässer wurde von mir im Interesse eines hiesigen Stärkefabrikanten, welcher bei der Anlage einer neuen Fabrik die abfallenden Wässer dem hiesigen städtischen Canale zuführen wollte, ausgeführt. Die Fabrication des Stärkemehls aus Weizen zerfällt, abgesehen von dem Formen (Patentstärke) und Trocknen desselben, in drei Hauptoperationen: 1) Aufquellenlassen des Weizens unter Wasser; 2) Zerquetschen des gequollenen Weizens und 3) Ausschlämmen des Stärkemehls aus dem Weizenbrei. Das Aufquellen des Weizens wird in großen Bottichen oder Kufen vorgenommen und dauert, je nachdem die Witterung warm (Sommermonate) oder kalt (Wintermonate) ist, etwa 14 Tage oder 3 bis 4 Wochen. Während dieser Zeit wirkt das Wasser in der Art auf den Weizen ein, daß eine saure Gährung resp. eine Art Fäulniß entsteht, bei welcher sich Kohlensäure, Sumpfgas und geringe Mengen Schwefelwasserstoff entwickeln. Diese sich entbindenden Gase sind mit den flüchtigen Zersetzungsproducten des Klebers geschwängert; sie enthalten also Essigsäure, Buttersäure, Valeriansäure etc. und verdanken diesen Bestandtheilen und dem Schwefelwasserstoff ihren unangenehmen Geruch. Die Gase, welche für die Nachbarschaft höchst belästigend werden können und außerdem auf die Gesundheit mancher Individuen schädlich einwirken, müssen aus den Arbeitsräumen entfernt und unschädlich gemacht werden. Man bewerkstelligt dieses am besten durch Ableitung unter den Rost einer Feuerung (z.B. unter den Rost der Dampfkesselfeuerung oder den der Trockenstube). Das bei dem Aufquellen abfallende Wasser, das Quellwasser (auch Sauer- und Setzwasser genannt), sowie das erste Schlämmwasser des gequetschten Weizens haben eine schwach gelbe Farbe und sind schwach getrübt; sie besitzen einen höchst unangenehmen Geruch nach altem faulendem Käse und reagiren beide stark sauer. Zur Untersuchung wurde das Gemisch von Sauer- und Schlämmwasser einer Partie Weizen verwendet, in dem Verhältniß wie es sich bei der Fabrication ergibt. Das Quantum betrug circa 100 Liter. Der Abdampfrückstand dieser Mischung, welcher einen auffallend ähnlichen Geruch nach thierischem Leim besitzt und eine klebrige Masse bildet, gibt beim Erhitzen, nachdem das Wasser verdunstet ist, einen höchst unangenehmen penetranten Geruch nach verkohlenden Thiersubstanzen (Horn oder Haaren). Das Wasser direct mit Alkalien im Ueberschuß versetzt, entwickelte ammoniakalische Dämpfe neben einem unerträglichen Fischgeruch (Häringslacke). Die Asche des Abdampfrückstandes bestand zum größten Theil aus den in Milch- und Essigsäure löslichen, phosphorsauren alkalischen Erden und Alkalien, neben geringen Mengen von Chloriden der Alkalien, Eisenoxyd, Spuren von Mangan und schwefelsauren Salzen (Gyps). Zum Nachweis der in diesen Wässern enthaltenen organischen Verbindungen, der Säuren und Basen, wurden 100 Liter der gemischten Flüssigkeit (Sauer- und Schlämmwasser) mit dünner Kalkmilch neutralisirt und der Destillation bei guter Kühlung unterworfen. Der Destillations- resp. der Kühlapparat war so hergerichtet, daß das Auffangen der sich während der Destillation entbindenden Gase ermöglicht war. Das Destillat wurde zur Bestimmung des Ammoniaks und der organischen Basen, der Destillationsrückstand zum Nachweis der organischen Säuren verwandt. Außer dem Ammoniak wurden in dem Destillat mit Bestimmtheit nachgewiesen: Aethylamin C⁴H⁷N oder (C⁴H⁴) + (NH³) Triäthylamin C⁶H⁹N oder 3 (C²H²) + (NH³) und Propylamin C⁶H⁹N oder (C⁶H⁶) + (NH³) (Amyl- und Butylamin sind höchst wahrscheinlich ebenfalls in dem Destillat enthalten, konnten jedoch wegen Mangel an Substanz nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen werden.) Zur Trennung dieser Basen wurde theils der Siedepunkt, theils das Verhalten gegen Platinchlorid in Anwendung gebracht. In dem Destillations-Rückstand des mit Kalk versetzten Wassers wurden mit Gewißheit nachgewiesen an organischen Säuren:             1) flüchtige: Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure, Valeriansäure, Capronsäure, Benzoesäure und geringe Mengen Ameisensäure;             2) nichtflüchtige: Milchsäure, Bernsteinsäure, Oxalsäure. (Kohlensäure und Schwefelwasserstoff entweichen während der Destillation.) An anorganischen Säuren enthielt die Rückstands-Flüssigkeit Schwefelsäure, Phosphorsäure, Chlorwasserstoff- und geringe Mengen Kieselsäure. Neben diesen Basen und Säuren enthält das Wasser noch erhebliche Mengen Leucin und durch die Gährung und Fäulniß veränderten und in Wasser löslich gewordenen Kleber; Tyrosin konnte nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen werden. Der unerträgliche Geruch dieser Abflußwässer stammt offenbar von der Gegenwart der flüchtigen organischen Säuren neben Schwefelwasserstoff her; die flüchtigen organischen Basen, welche in verhältnißmäßig sehr geringer Menge in demselben vorkommen, sind an die Säuren gebunden und können nur wenig oder gar keinen Antheil an diesen übelriechenden Ausdünstungen nehmen. Das Sauer- und Schlämmwasser, welches die oben angegebenen Körper als Fäulnißproducte des Klebers neben gelöstem Kleber enthält, muß, ehe es zum Abfluß gelangen darf, vorher einer Operation unterworfen werden, die sowohl den Übeln Geruch beseitigt wie auch den aufgelösten Kleber vor einer weiteren Zersetzung schützt; die Säuren müssen neutralisirt und der Kleber muß gebunden werden. Auch ist das Versenken dieses Sauerwassers, ohne vorherige Präparation, in Schlinggruben nicht zu gestatten, weil durch die sauren und auflösenden Eigenschaften desselben leicht eine Infiltration in die benachbarten Brunnen stattfinden kann. Ferner unterliegt der aufgelöste Kleber in diesen Gruben einer weiteren Zersetzung durch die fortschreitende Fäulniß, in Folge deren sich ein unausstehlicher Gestank entwickelt. Diese eben genannten Gründe, welche auch gegen den Abfluß der unpräparirten Sauer- und Schlämmwässer in die offenen Wasserrinnen und öffentlichen Canäle sprechen, werden in letzterem Falle noch durch ein rasches Verschlämmen vermehrt. Um dem Sauerwasser und Schlämmwasser die Säuren zu binden, den aufgelösten Kleber theils unlöslich zu machen und den nicht fällbaren vor einer weiteren Zersetzung durch die Fäulniß zu schützen, versetzt man dasselbe mit einigen Procenten frischer Kalkmilch bis zur alkalischen Reaction. Es bildet sich sofort ein coagulirender Niederschlag, welcher sich rasch zu Boden setzt. Das klare überstehende Wasser hat seinen übeln Geruch verloren und kann nun sogar in die offenen Straßenrinnen zum Abfluß zugelassen werden. Diese Operation ist in großen Bottichen oder cementirten Behältern vorzunehmen. Der schlammige Niederschlag wird zum Abtropfen in Körbe oder durchlöcherte Kästen gegeben, welche von Innen mit grobem Packtuch bekleidet sind und nur dem Wasser den Abfluß gestatten. Ich habe das so präparirte, schwach alkalisch reagirende Sauer- und Schlämmwasser bei einer constanten Temperatur von + 28° R. sich selbst überlassen und auch nach 14 Tagen keine eingetretene Fäulniß bemerken können. Auch der kalkhaltige Niederschlag, sich selbst überlassen, gieng bei einer Temperatur von circa + 22° R. binnen 14 Tagen noch nicht in Fäulniß über, obgleich er bedeutende Mengen stickstoffhaltiger organischer Bestandtheile enthält. Der Gehalt an phosphorsaurem Kalk und stickstoffhaltiger organischer Substanz gibt demselben einen besonderen Werth als Dungstoff, der die Präparation der Wässer auch in pecuniärer Hinsicht als lohnend bezeichnet. 100 Liter gemischtes Sauer- und Schlämmwasser gaben circa 4 Kilogrm. Kalkniederschlag (lufttrocken). Dieser Niederschlag enthält in 100 Gewichtstheilen an: Phosphorsäure 11,6938 Proc. Stickstoff   0,4651    „ oder entsprechend: Knochenerde (3 CaO PO⁵) 25,5686 Proc. Ammoniak   0,5634    „ Der Phosphorsäuregehalt resp. phosphorsaure Kalkgehalt bestimmt den Werth dieses Niederschlages als Düngmittel. Schließlich will ich noch darauf aufmerksam machen, daß der Einfluß unpräparirter Sauer- und Schlämmwässer in öffentliche Canäle, welche gleichzeitig kalkhaltige Flüssigkeiten, z.B. das Wasser von Weißgerbereien, Leimsiedereien etc. wegführen, ein sehr baldiges Verschlämmen, durch Bildung des obenerwähnten Niederschlages veranlaßt, und dadurch ein häufigeres Reinigen bedingt. Dr. H. Vohl.