Titel: Ueber einige Mittel zur besseren Ausnutzung des Scheideschlammes der Zuckerfabriken; von Dr. C. Stammer.
Autor: Karl Stammer [GND]
Fundstelle: Band 182, Jahrgang 1866, Nr. XCI., S. 335
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XCI. Ueber einige Mittel zur besseren Ausnutzung des Scheideschlammes der Zuckerfabriken; von Dr. C. Stammer. Stammer, über Schlammverarbeitung in Zuckerfabriken. Nachstehende Untersuchungen wurden in der Absicht angestellt, zu ermitteln, welchen Nutzen es gewährt: 1) den Scheideschlamm vor dem Auspressen in irgend einer Presse mit Wasser zu verdünnen; 2) denselben nach geschehener Verdünnung mit Kohlensäure zu saturiren; 3) den ausgepreßten Scheideschlamm in der (Filter-) Presse mit Wasser abzusüßen. Bei den Versuchen wurde weniger darauf Rücksicht genommen, den jedesmaligen Zuckerverlust im Rückstande festzustellen, als darauf, den durch die bezeichnete Behandlungsweise bezweckten Mehrgewinn an Zucker in den Schlamm-Preßsäften gegen das einfache Auspressen zu ermitteln. Daß bei diesen Vergleichsversuchen auf vollkommene Gleichstellung aller übrigen Umstände, und namentlich auf die Benutzung von vollkommen gleichem Schlamme geachtet wurde, ist wohl selbstverständlich. Der angewandte Schlamm war Scheideschlamm, wie er bei dem älteren, einfachen Scheidungsverfahren erhalten wird. Bei 1) und 2) wurde zum Auspressen eine sehr kräftige Hebelpresse, bei 3) dagegen eine Trinks'sche Schlammpresse neuester Construction angewandt. Nichtsdestoweniger haben die bei 1) und 2) gefundenen Verhältnisse unzweifelhaft auch für jede andere Auspressung Geltung, da es ja nur Vergleichszahlen waren, welche gesucht worden sind. 1) Einfluß der Verdünnung des Schlammes mit Wasser. a. Eine Quantität von 600 Grammen Schlamm wurde in einer Presse von bestimmter Kraft und bei einer bestimmten Preßfläche ausgepreßt. Erhalten wurden 415 Kubikcentimeter Preßsaft, welche nach der Polarisation 39,4 Gramme oder 6,6 Procent des Schlammgewichtes Zucker enthielten. b. Eine gleiche Menge desselben Schlammes wurde mit 600 Kubikcentimeter Wasser gemischt, gut aufgekocht und dann in derselben Weise, genau mit Anwendung des gleichen Druckes und unter möglichst gleichen PreßverlustenEin directer Versuch lehrte, daß diese Verluste, so weit sie nicht zu vermeiden waren, ohne irgend einen bemerkenswerthen Einfluß auf das Resultat des Vergleiches beider Fälle blieben., ausgepreßt. Erhalten wurden 910 Kub. Cent. Saft mit 51,3 Gram, oder 8,2 Procent des Schlammgewichtes an Zucker. Die Auspressung gieng leichter und schneller als die des unverdünnten Schlammes von statten. Demnach lieferte die Verdünnung des Schlammes mit dem gleichen Gewichte Wasser und Aufkochen rund 30 Proc. Zucker im Preßsaft mehr als die directe Auspressung. (Die Zahlen des zweiten Versuches bestätigen dieses Resultat vollkommen.) 2) Einfluß der Saturation, auch im Vergleich zu demjenigen der Verdünnung. a. Eine Menge von 416,5 Gram, einer anderen Probe Scheideschlamm wurde in genau derselben Weise wie bei 1. ausgepreßt. Erhalten wurden 270 K. C. Saft mit 228 Grm. Zucker. b. Die gleiche Menge derselben Probe Schlamm, mit dem gleichen Volumen (also mit etwas weniger als dem gleichen Gewichte) Wasser verdünnt und aufgekocht, lieferte bei der gleichen Auspressung 820 K. C. Saft mit 28,9 Grm. Zucker, mithin 27 Proc. mehr als beim einfachen Auspressen. c. Eine gleiche Menge derselben Probe Schlamm wurde, nach gleichem Wasserzusatz wie bei b., mit der unreinen Kohlensäure, wie sie der Fabrikbetrieb liefert, bis zur Abscheidung des Niederschlages („Probe“) saturirt, und dann genau wie a. und b. ausgepreßt. Es wurden erhalten 920 K. C. eines offenbar in Folge einer stattgefundenen Rückscheidung grau gefärbten Saftes von 4,1 Proc. Ball, und mit einem Gehalt von 32,5 Grm. Zucker, mithin 42,5 Proc. des ausgepreßten Zuckers mehr als beim einfachen Auspressen und 22 Proc. mehr als beim Auspressen des nur mit Wasser verdünnten Schlammes. Je nachdem man von der einen oder anderen Arbeitsweise ausgeht, und die dabei im Preßsafte aus irgend einer Menge Schlamm zu erhaltende Zuckermenge mit der Zahl 100 bezeichnet, werden demnach zu erhalten seyn: a. b. c. beim einfachen Auspressen. beim Auspressennach der Verdünnung. beim Auspressen nach demVerdünnen und Saturiren. 100 127 142   79 100 122   70   89 100 Betrachtet man also die Arbeit vom Standpunkt des Zuckergewinnes allein, so ist offenbar die Verdünnung und Saturation am meisten angezeigt, während die bloße Verdünnung ziemlich genau die Mitte zwischen dieser Methode und dem directen Auspressen hält. Es ist aber bei der hierdurch begründeten Wahl der Arbeitsweise noch eine andere Rücksicht wohl zu beachten, nämlich die auf die Uebelstände, welche die Schlammsaturation nothwendig und ganz unzweifelhaft begleiten. Ich rechne hierher die sehr erhebliche Dauer dieser Saturation und die daraus erwachsenden Kosten, ferner die unvermeidliche Verunreinigung der Säfte durch die nie ganz abzuscheidenden fremden Beimengungen der Fabrik-Kohlensäure, eine Verunreinigung, welche bei solchen Massen dieses Gases, wie sie zur Saturation großer Schlammmengen durch diese hindurchgetrieben werden müssen, sicher sehr bemerklich seyn dürfte. Außer diesen wohl kaum zu bestreitenden Uebelständen kommt aber noch ein anderer hinzu, welcher von manchen Seiten, namentlich von den Freunden der Saturations-Scheidung, oder der Saturation schlammhaltiger Scheidesäfte entweder ignorirt oder direct bestritten zu werden pflegt, nämlich die schon oben angedeutete Rückscheidung, d.h. mehr oder weniger ausgedehnte Aufhebung der Scheidungswirkung in Folge der Neutralisation des Schlammes. Eine solche findet, wie nachfolgende directe Versuche lehren, ganz bestimmt beim Saturiren des Schlammes und folglich auch bei der Saturation von Scheidesäften, von welchen der Schlamm nicht abgeschieden ist, d.h. also bei der ganzen Reihe neuerer Scheidungsmethoden, statt. Nicht immer wird die Saturation der Säfte so weit getrieben oder ist die Concentration derselben so groß, daß man diese Rückscheidung gleich an der Farbe erkennen kann; aber dieß hindert nicht, daß die Operation, als auf diese Rückscheidung hinzielend, eine solche in höherem oder niedrigerem Grade in der Regel hervorbringt. Ob eine solche stattgefunden habe, läßt sich am einfachsten dadurch nachweisen, daß ein nochmaliger Kalkzusatz wiederum eine Scheidung, d.h. einen bleibenden Niederschlag, bewirkt. Bei der Schwerlöslichkeit des reinen Kalkes und den bekannten Löslichkeitsverhältnissen des Zuckerkalkes bleibt aber ein solcher Nachweis meist mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, indem die Farbenveränderung allein nicht wohl als entscheidend angesehen werden kann. Nimmt man dagegen statt Kalk gewöhnlichen Scheidesaft, und wird durch diesen in der fraglichen Lösung ein bleibender Niederschlag hervorgebracht, so folgt das Vorhandenseyn von im Scheidesaft nicht vorhandenen,. durch die Saturation also löslich gewordenen und durch Kalk fällbaren Substanzen, folglich der Vorgang der Rückscheidung, mit Nothwendigkeit. Da schon der Scheidesaft eine solche Fällung bewirken kann, so ist klar, daß es eben keines starken Kalküberschusses zu dieser Wiederherstellung der ersten Scheidung bedarf. Die bezüglichen Versuche mit unseren oben bezeichneten Schlamm-Preßsäften zeigten nun, meinen Erwartungen entsprechend, daß in dem Saft c., der aus Scheideschlamm nach der Saturation erhalten war, durch den Saft c., also den von dem gleichen, jedoch unsaturirten Schlamm herrührenden, beim Erhitzen ein Niederschlag hervorgerufen wurde, welcher nach dem Erkalten bestehen blieb; ein noch stärkerer Niederschlag war zu erzielen, wenn der Saft a. vorher mit etwas Kalk vermischt und dann filtrirt worden war. Gewöhnlicher Schlammpressensaft, sowie solcher von mit seinem gleichen Volumen Wasser gemischtem und gekochtem Schlamm (z.B. b.), und ebenso gewöhnlicher, aus klarem Scheidesafte nach der Saturation erhaltener Saturationssaft verhielten sich ganz gleich, d.h. sie gaben in keinem Falle beim Vermischen mit klarem Scheidesafte, mit oder ohne Zusatz von Kalk, eine Spur eines nach dem Erkalten bleibenden Niederschlages. Diese Versuche scheinen mir ganz klar für das Auftreten der Rückscheidung bei jeder Behandlung von Scheideschlamm mit Kohlensäure (sey nun der Schlamm vom Safte getrennt, oder noch darin suspendirt) zu sprechen, während sie zugleich darthun, daß eine solche beim bloßen Verdünnen und Aufkochen mit Wasser nicht eintritt. Meiner Ansicht nach ist dieß Grund genug, die Saturation des Schlammes trotz des erreichten Mehrgewinnes an Zucker zu verwerfen, dagegen aber die Verdünnung desselben vor dem Auspressen auf's Angelegentlichste zu empfehlen. 3) Absüßung des ausgepreßten Schlammes mit Wasser. Die Absüßung des ausgepreßten Schlammes mittelst Dampf in den Filterpressen ist eine allgemein verbreitete, und bei früheren Untersuchungen (s. dieses Journal Bd. CLXXVII S. 282) habe ich mich überzeugt, daß sie nicht allein lohnend ist, sondern auch daß dabei nicht etwa unreinere Säfte erhalten werden. Ob aber das ebenfalls vielfach angewandte Absüßen mit Wasser, welches durch directen Dampfdruck oder mittelst der Dampfstrahlpumpe zugeführt wird, Nutzen bietet, wird noch vielfach bezweifelt, da man annimmt, daß das Wasser nicht durch die Schlammkuchen hindurchgeht, sondern nur mit deren Oberfläche in Berührung kommt. Um über diesen Punkt Klarheit zu erhalten, sind beim Auspressen eines gewissen Quantums Scheideschlamm in einer und derselben Pressung Proben aus jedesmal drei Kuchen a) nach dem einfachen Auspressen, b) nach dem Absüßen mit Dampf und c) nach dem Absüßen mit Wasser entnommen und der Zuckergehalt dieser Proben bestimmt worden. Außerdem wurde das durch Absüßen erhaltene Wasser aufgefangen und dadurch jener Versuch controllirt. Die öfter wiederholten Ermittelungen lieferten gut übereinstimmende Resultate. Im Fabrikbetriebe empfiehlt es sich allerdings, die Absüßung mit Dampf erst nach derjenigen mit Wasser vornehmen; da es sich aber hier darum handelt, die Wirkung der Wasserabsüßung allein darzustellen, so mußte die bezeichnete Ordnung befolgt werden. Als Presse diente eine Trinks'sche Schlammpresse neuester Construction. Dieselbe hatte sich bei allen Vergleichsversuchen, welche anzustellen ich Gelegenheit fand, als ganz vorzüglich, und den übrigen, damit verglichenen, überlegen gezeigt, empfiehlt sich auch durch ihre praktischen und von allen damit Beschäftigten sehr bald erkannten Vorzüge derart, daß es mir nicht erforderlich erschien, die Absüßungswirkungen auch bei anders construirten Pressen zu prüfen. Die Zuckerbestimmung wurde, des Vergleichs halber, auf gleiche Mengen Saturationsniederschlag oder „kohlensauren Kalk“ bezogen, in der Weise, wie ich ähnliche Bestimmungen auch sonst bei allen Schlammuntersuchungen für am meisten zu empfehlen halte (a. a. O.), und es wurden gefunden auf 100 Thle. „kohlensauren Kalk“ bei a. 15,2 Theile, b. 13,4 Theile, c. 11,2 Theile Zucker. Es findet also beim Absüßen mit Wasser ein ganz unzweifelhafter Erfolg, d.h. eine unzweifelhaft vermehrte Zuckergewinnung, statt. Zu bemerken ist hierbei, daß das Absüßen mit Dampf so lange fortgesetzt worden war, bis aus allen Hähnen Dampf austrat, worauf Wasser mittelst eines Injectors eingetrieben wurde. Dieses Absüßen wurde mit Wasser so lange fortgesetzt, bis etwa 1 1/2 Kubikfuß Wasser durch die Presse durchgedrückt waren. Natürlich sind diese Grenzen ziemlich willkürlich, doch lag es nicht in meiner Absicht, für manche specielle Fälle die Normen festzustellen, da deren Auswahl sich ja jedesmal nach dem betreffenden Fabricationsbetriebe richten muß. Das von jener Wasserabsüßung herrührende Süßwasser betrug 39 Quart, von denen das erste Drittel kalt 2,6, das zweite 1,6 und das letzte noch 2,4 Proc. Ball. wog. Das Mittel war 2,2 Proc. Bei einer Polarisation von 1,6 Proc. würden also bei einem bis zu diesem Punkte fortgesetzten Absüßen etwa 90 Pfd. Lösung mit 1,4 Pfd. Zucker erhalten und dem Absüßen allein zu verdanken seyn. Beim Absüßen der Filter werden bekanntlich noch viel verdünntere Lösungen mit Nutzen verdampft, und es folgt hieraus einerseits, daß das Absüßen der Filterpressen mit Wasser entschieden einen nutzbringenden Mehrgewinn an Zucker liefert, und andererseits, daß dasselbe, wenn es die Umstände (namentlich der erforderliche Zeitaufwand) gestatten, noch weiter als in dem in Rede stehenden Falle ausgedehnt werden kann, ohne zu sehr verdünnte Lösungen zu liefern. Es sey zur näheren Beurtheilung der Verhältnisse noch bemerkt, daß beim Wägen der Schlammpreßlinge der Inhalt jener Presse nach vollendetem Absüßen sich zu 176 Pfd. ergab. Der Schlamm war Scheideschlamm vom einfachen Scheidungsverfahren, gemischt mit etwas Saturationsschlamm vom älteren einfachen Verfahren. Aus den mitgetheilten Untersuchungen dürfte sich sonach als das, beim heutigen Stande der Arbeitsweisen und unserer näheren Erkenntniß derselben, am meisten zu empfehlende Verfahren zur Schlammverarbeitung folgendes ergeben: Verdünnung des Scheideschlammes mit mindestens dem gleichen Volumen Wasser (wozu auch die dünneren Süßwässer der Filter verwendet werden können), Aufkochen, Auspressen durch eine Filterpresse bester Art, Absüßen mit einem bestimmten, für den einzelnen Fall noch näher zu ermittelnden Quantum heißen Wassers mittelst Dampfdruck, und endlich Entfernung des in den Schlammkuchen zurückbleibenden Süßwassers mittelst Dampf.