Titel: Ueber Prüfung der schwefelsauren Thonerde auf freie Säure; von Carl Giseke, Director der chemischen Fabrik in Fiume.
Autor: Carl Giseke
Fundstelle: Band 183, Jahrgang 1867, Nr. XIV., S. 44
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XIV. Ueber Prüfung der schwefelsauren Thonerde auf freie Säure; von Carl Giseke, Director der chemischen Fabrik in Fiume. Giseke, über Prüfung der schwefelsauren Thonerde auf freie Säure. Die seit den letzten Jahren in großer Menge und zu billigen Preisen in den Handel kommende schwefelsaure Thonerde hat dem krystallisirten Alaun eine bedeutende Concurrenz geschaffen, weil sie bei gleicher Reinheit den krystallisirten Kali- und Ammoniak-Alaun im Thonerdegehalt weit übertrifft und meistens zu dem gleichen oder zu einem niedrigeren Preise als letzterer geliefert werden kann. Diese Concurrenz würde eine noch übermächtigere werden, wenn die schwefelsaure Thonerde immer von gleichem Gehalt und gleicher Reinheit den Consumenten dargeboten würde. Die besseren Sorten schwefelsaurer Thonerde, besonders die aus Kryolith-Thonerde erzeugten, lassen in dieser Beziehung auch beinahe nichts zu wünschen übrig, denn sie sind frei von Eisen wie der beste krystallisirte Alaun und ihr Thonerdegehalt ist ziemlich constant = 14,5 Proc., so daß 100 Pfund Alaun äquivalent sind mit 75 schwefelsaurer Thonerde. Dagegen trifft man selten eine schwefelsaure Thonerde an, welche vollkommen frei von ungebundener Säure ist. Es sind uns zuweilen Muster von käuflichem Sulfat vorgekommen, welche 2 bis 3 Proc. freie Säure enthielten, so daß das um solche geschlagene Papier in kurzer Zeit zerstört wurde. Aber auch die besten Sorten enthalten meistens noch 0,5 bis 1 Proc. freie Schwefelsäure. Nächst der Reinheit von Eisen ist aber die Abwesenheit freier Säure die vorzüglichste Bedingung zu einer erfolgreichen Anwendung der schwefelsauren Thonerde in der Färberei und bei der Papierfabrication. Besonders die Papierfabrikanten, welche hauptsächlich diesen Artikel consumiren, haben jenes Erforderniß sehr zu beachten, denn ein Thonerdesulfat, welches freie Säure enthält, zerstört den Ultramarin sehr schnell, verändert die meisten anderen Farbstoffe, die der Papiermasse zugesetzt werden, und gibt immer eine unvollkommene Leimung. Um in der schwefelsauren Thonerde die Gegenwart freier Säure zu erkennen, sind die gewöhnlichen Mittel, als Lackmuspapier oder Ammoniakflüssigkeit in welcher schwefelsaures Kupferoxyd gelöst worden, bekanntlich nicht anwendbar, weil die Lösung der neutralen schwefelsauren Thonerde (Al²O³, SO³) sauer reagirt und man derselben eine große Menge Alkali hinzusetzen kann, ehe ein Niederschlag erfolgt. Der Verfasser, welchem bei der Fabrication großer Quantitäten schwefelsaurer Thonerde sehr an einem sicheren und schnell zum Ziele führenden Mittel gelegen war, um sowohl das fertige Product als auch die Lösungen auf freie Säure prüfen zu können, hat in dieser Hinsicht mehrfache Versuche angestellt und kann zwei Methoden zu diesem Zweck empfehlen. Die erste Methode gründet sich auf die Unlöslichkeit der schwefelsauren Thonerde in absolutem Alkohol. Man zerreibt 5 Grm. feste schwefelsaure Thonerde sorgfältig mit 50 Kubikcentimetern absolutem Alkohol, gibt die Mischung auf ein Papierfilter und wäscht mit absolutem Alkohol nach, bis das Filtrat 100 Kub. Centim. beträgt. In diesem Filtrat befindet sich die ganze Menge der freien Schwefelsäure. Man setzt also diesem Alkohol einige Tropfen Lackmustinctur hinzu und titrirt mit Normalnatron bis zur Blaufärbung. Bei diesem Verfahren ist aber zu berücksichtigen, daß auch die neutrale schwefelsaure Thonerde in absolutem Alkohol nicht ganz unlöslich ist. 100 K. C. absoluter Alkohol, mit reiner säurefreier schwefelsaurer Thonerde abgerieben und filtrirt, bedürfen 0,2 K. C. Normalnatron bis zum Verschwinden der sauren Reaction. Diese 0,2 K. C. sind also von den verbrauchten K. C. Normalnatron in Abzug zu bringen. Hat man jedoch mit einem Sulfat zu thun, welches größere Mengen freier Schwefelsäure, 2 bis 3 Proc. enthält, so löst sich in dem stark sauren Alkohol ein größerer Antheil schwefelsaurer Thonerde mit auf und beim Sättigen mit Normalnatron erhält man ein zu hohes Resultat. Aus diesem Grunde ist diese Methode zu einer genauen quantitativen Bestimmung der freien Säure nicht zu empfehlen; sie eignet sich aber zur annähernden Bestimmung und zu vergleichenden Prüfungen sehr gut. Genauer und besser ist die folgende Methode, welche den großen Vortheil hat, daß man nicht die feste Substanz, sondern direct die Lösung behandelt und in kürzester Zeit zum Ziele gelangt. Fügt man nämlich zu einer verdünnten Lösung von schwefelsaurer Thonerde oder von Kali- oder Ammoniak-Alaun einige Tropfen Blauholztinctur, so entsteht eine sehr charakteristische tief-violettrothe Färbung, wenn das angewendete Salz neutral war; wenn dasselbe aber freie Säure enthielt, so entsteht eine sehr schwache bräunlich-gelbe Färbung, die sogenannte Holzfarbe, welche von der ersten Färbung sehr verschieden ist. Diese Reaction ist so empfindlich, daß man 0,2 Proc. freie Säure mit Sicherheit erkennen kann, bei einiger Uebung auch 0,1 Proc. Um bei den vorzunehmenden Proben die Farbenunterschiede mit einer Normalflüssigkeit vergleichen zu können, bereitet man sich durch Umkrystallisiren reinen säurefreien Kali-Alaun, löst von diesem 10 Gramme in destillirtem Wasser auf 100 Kubikcentimeter Flüssigkeit und fügt 0,5 K. C. Blauholztinctur hinzu. Die Blauholztinctur ist eine mit destillirtem Wasser bereitete Abkochung, auf 1 Gewichtstheil Holz, 1 Gewichtstheil Colatur, der man nach dem Erkalten 1/10 Volumen Alkohol zusetzt, und welche man in gut verschlossenen Flaschen aufbewahrt. Um die freie Säure in einem der genannten Thonerdesalze zu erkennen, genügt es eine geringe Menge desselben in der 10 bis 20fachen Menge destillirten Wassers zu lösen und mit einigen Tropfen Blauholztinctur zu versetzen. Um die freie Säure quantitativ zu bestimmen, macht man eine Lösung von 10 Grm. Sulfat auf 100 K. C. Flüssigkeit, fügt 0,5 K. C. Blauholztinctur hinzu und gibt dann nach und nach Normalnatron-Flüssigkeit hinzu bis die tiefe violettrothe Färbung erscheint. Gegen Ende darf der Zusatz von Normalnatron nur langsam geschehen, in Pausen von 5 bis 10 Minuten, weil zur vollen Entwickelung der Farbe einige Zeit nöthig ist. Um die Grenze kennen zu lernen, bei welcher man mittelst dieser Probe noch freie Säure erkennen kann, wurde Alaunlösung, welche in 100 K. C. 10 Grm. reinen krystallisirten Kali-Alaun enthielt, mit gemessenen Quantitäten Normal-Schwefelsäure versetzt. – Das Verhalten derselben ist folgendes: 1) Reine Alaunlösung. – Mit Blauholzauszug tief-violettrothe Flüssigkeit, die blaue Nuance im durchfallenden Lichte deutlich erkennbar. 2) 100 K. C. Alaunlösung mit 0,25 K. C. Normalsäure versetzt, also 0,1 Proc. SO³ auf 100 Alaun enthaltend. – Nach Zusatz von 0,5 K. C. Blauholztinctur entsteht eine starke rein rothe Färbung, ohne Blau. 3) 100 K. C. Alaunlösung mit 0,5 K. C. Normalsäure = 0,2 Proc. SO³. – Mit derselben Quantität Tinctur färbt sich die Flüssigkeit erst nach einigen Minuten hellroth, mit einem Stich in Gelb. 4) 100 K. C. Alaunlösung mit 0,75 K. C. Normalsäure = 0,3 Proc. SO³. – Nach Zusatz von Blauholztinctur erscheint die rothe Färbung nicht mehr, sondern dafür die reine Holzfarbe, hell bräunlichgelb wie ein verdünnter Blauholzauszug. 5) Bei Zusatz von weiteren Quantitäten verdünnter Säure entsteht keine Veränderung mehr, als daß die Holzfarbe etwas Heller wird. Man kann also nach diesem Verfahren 0,3 Proc. Säure mit Leichtigkeit, und bei einiger Uebung auch 0,1 Proc. bestimmen. Da die Prüfung so einfach ist, daß man jeden anstelligen Arbeiter darauf einüben kann, so ist zu hoffen daß dieses Verfahren in den Papierfabriken und Färbereien Eingang finden und den großen Consumenten die Beurtheilung der im Handel oft in sehr verschiedener Qualität vorkommenden schwefelsauren Thonerde erleichtern werde. Um den Gehalt der schwefelsauren Thonerde an Thonerde maaßanalytisch zu bestimmen, ist das beste Verfahren das von Erlenmeyer und Lewinstein angegebene (polytechn. Journal Bd. CLVIII S. 126), nach welchem man mittelst Chlorbaryum die Lösung des schwefelsauren Salzes in Chloraluminium überführt und durch Titrirung mit Normalnatron die Summe der an Thonerde gebundenen und der freien Säure ermittelt. – In einer anderen Probe bestimmt man die freie Säure mit Blauholztinctur und Normalnatron, bringt die gefundene Menge von dem ersten Resultat in Abzug und berechnet darnach den Gehalt an Thonerde. Es ist anzunehmen, daß man mit dem reinen krystallisirten Farbstoffe des Blauholzes, dem Hämatoxylin, noch schärfere und genauere Resultate erhalten wird und werde ich darüber später Versuche anstellen. Für die gewöhnlichen technischen Proben gibt der oben erwähnte Blauholzauszug sehr gute Resultate. Ich habe bei anderweitigen Versuchen auch das Verhalten einer verdünnten Lösung von schwefelsaurer Thonerde gegen Ultramarin geprüft; das Ergebniß war aber nicht so befriedigend, daß diese Ultramarinprobe zur Prüfung der schwefelsauren Thonerde empfohlen werden könnte. Fiume, im November 1866.