Titel: Ueber den Fortschritt des eisernen Oberbaues der Fahrbahnen in Deutschland; von Friedrich Bömches, Ingenieur.
Fundstelle: Band 184, Jahrgang 1867, Nr. V., S. 27
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V. Ueber den Fortschritt des eisernen Oberbaues der Fahrbahnen in Deutschland; von Friedrich Bömches, Ingenieur. Vorgetragen in der Wochenversammlung des nieder-österreichischen Gewerbevereins vom 25. Januar 1867. – Aus den Verhandlungen und Mittheilungen dieses nieder-österreichischen Gewerbevereins Vereines , Nr. 7. Mit Abbildungen auf Tab. I. Bömches, über den Fortschritt des eisernen Oberbaues der Fahrbahnen in Deutschland. Ich habe vor zwei Jahren im nieder österreichischen Gewerbeverein einen Vortrag gehalten, in welchem ich die Wichtigkeit des eisernen Oberbaues in technischer, in gewerblicher und in volkswirthschaftlicher Beziehung hervorhob. In diesem Vortrage gedachte ich der wichtigen Verbesserungen, welche die Locomotive seit dem Beginne der Eisenbahnen erhalten und wies auf die Nothwendigkeit hin, daß mit der Verbesserung der Maschine consequenter Weise auch die Bahn, auf welcher diese fährt, d.h. die Schiene, verbessert werden müsse. Denn nicht nur wiegt die heutige Riesenlocomotive von Engerth nahezu das 14fache der ersten von Stephenson gebauten Maschine, sondern brausen auch unsere Schnellzüge mit einer Geschwindigkeit von 7–10 Meilen in der Stunde dahin, während anfänglich Personenzüge mit 2–3 Meilen, der Geschwindigkeit unserer Güterzüge, befördert wurden. Die Entwickelungsphasen der Schiene wurden besprochen und die heute fast allgemein angenommene Vignole-Schiene einer besonderen Erörterung unterzogen. Hierbei stellte sich heraus, daß die Vortheile derselben in der leichten Manipulation bei dem Legen des neuen Geleises auf geraden Strecken und in Curven, bei dem Umlegen des alten Geleises in Bahnhöfen, bei dem Auswechseln der schadhaften Schienen bestehen, daß hingegen die Nachtheile des heutigen Querschwellensystems in dessen Elementen liegen, welche beide das Gepräge der raschen Zerstörung an sich tragen. Die faulenden Querschwellen müssen durchschnittlich in 9–10 Jahren ausgewechselt und die oft nur am Kopfe beschädigten Schienen nach einer kaum längeren Zeit durch neue ersetzt werden – Umstände, welche außer den Kosten der neuen Materialien noch die einer sehr theuren Erhaltung der Bahn selbst nach sich ziehen. Die Nachtheile des heutigen Schwellensystems führten zu dem eisernen Oberbau, d.h. zur Herstellung einer Fahrbahn, welche mit Ausschluß des vergänglichen Holzes ganz aus Eisen hergestellt wird – eine Reform des Eisenbahnwesens, welche seit zwei Decennien in England, Frankreich und Deutschland auf das Eingehendste ventilirt und um so eifriger studirt wird, als die Einführung desselben dem Staate selbst wichtige Vortheile verschafft. In erster Linie sind es die Bahnunternehmungen, welche durch den Wegfall des Holzes und die geringen Erhaltungskosten der Fahrbahn ihren Conto für Ausgaben um ein Bedeutendes erleichtert sehen. Dann folgen die Eisen- und Holzindustrie, welche viel gewinnen; erstere, weil der eiserne Oberbau per Meile circa 4000 Ctr. mehr Eisen erfordert als die heutige Vignole-Schiene, und letztere, weil große Mengen vortrefflichen Nutz- und Bauholzes, statt in den Bahnkörper begraben zu werden, den anderweitigen Bedürfnissen des Gewerbes und der Industrie erhalten bleiben. Ein einfacher Calcul ließ uns vor zwei Jahren finden, daß der zehnjährige Holzbedarf der österreichischen Bahnen – unter der Annahme der neunjährigen Dauer der Querschwellen und eines jährlichen Zuwachses von nur 5 Meilen neuer Bahnen – die große Menge von 28 1/2 Millionen Kubikfuß Holz erfordere, welches einem Werthe von 17,100,000 fl. entspricht. In dritter Linie erscheint der Staat selbst, dessen volkswirthschaftliche und finanzielle Interessen gehoben würden. Dieses in wenigen Worten die Grundzüge meines Vortrages im Jahre 1865. Indem ich nun zum eigentlichen Thema meines heutigen Vortrages übergehe, betone ich vor Allem die große Aufmerksamkeit, welche der wichtigen Frage des eisernen Oberbaues seit mehr als einem Jahrzehnt in den fachmännischen Kreisen Deutschlands geschenkt worden ist. Zum kräftigsten Ausdrucke ihrer Wichtigkeit gelangte die Reformfrage auf der Conferenz der Techniker deutscher Eisenbahnverwaltungen, welche im September 1865 zu Dresden abgehalten wurde. Der Verein deutscher Bahnverwaltungen, deren Abgeordnete die erwähnten Techniker waren, umfaßt mit Einschluß Oesterreichs 20,178 Kilometer (2660 Meilen) und hat zur Aufgabe, die möglichste Einigung in den Grundzügen der Sicherheitsanordnungen und den Vorschriften für den durchgehenden Verkehr zu erzielen und dadurch die möglich größte Vereinfachung der Geschäftsgebahrung in den gegenseitigen Beziehungen anzubahnen. Die Thätigkeit des Vereines findet ihren Ausdruck in den Resultaten der Monatversammlungen, welche seit dem Bestehen des Vereines schon viermal getagt haben: im Jahre 1850 in Berlin, 1857 in Wien, 1860 in Salzburg und 1865 in Dresden. Die Resultate der Dresdener Versammlung sind bei weitem wichtiger als die der vorhergegangenen; sie sind geradezu epochemachend für die einheitliche Gestaltung des deutschen Eisenbahnwesens. Denn nicht nur wurden die Vereinsvorschriften einer gründlichen Revision unterzogen, sondern gelangte auch eine große Zahl technischer Fragen zu eingehender Discussion und Beantwortung. Diese Fragen beziehen sich sowohl auf Bau als auf Betrieb der deutschen Eisenbahnen und machten umfangreiche Vorarbeiten von Comités nothwendig, welche während der ersten Hälfte des Jahres 1865 in Hamburg, Berlin und Nürnberg ihre Vorberathungen hielten. Die Aufstellung der Fragen, die Zuweisung zur Beantwortung an die betreffenden Bahnverwaltungen, die Redaction der eingelaufenen Antworten u.s.w. waren Aufgabe dieser Comités, während die definitive Feststellung der Antworten in Dresden selbst stattfand, unter der Theilnahme und dem Beisitze der ersten deutschen Capacitäten auf dem Felde des technischen Wissens; Namen wie Funk, Klingel, Hoffmann, Weber, Buresch, Heusinger v. Waldegg, und von den österreichischen Technikern v. Burg, v. Engerth, v. Stummer waren hierbei vertreten. Unter diesen Fragen, deren Zahl sich auf 74 belief, befindet sich auch eine auf den eisernen Oberbau Bezug habende und lautet wie folgt: Welche Versuche sind bis jetzt mit der in neuerer Zeit vielfach besprochenen eisernen Oberbau-Construction ohne Holzschwellen und Steinwürfel gemacht und erscheint es rathsam, Versuche dieser Art mehrfach anzustellen? Welche Construction ist zu solchen Versuchen vorzugsweise zu empfehlen? Nach den von 19 Bahnverwaltungen eingelaufenen Berichten hält die Mehrzahl der Verwaltungen die Anstellung von Versuchen mit einem eisernen Oberbau im Interesse des ganzen Eisenbahnwesens für wünschenswerth, und demnach wird von sämmtlichen Bahnverwaltungen der Beschluß gefaßt: Wegen der unzweifelhaft stets steigenden Holzpreise und der längeren Zeit, welche ein solches neues Constructionssystem erfordert, um zur Vollkommenheit ausgebildet zu werden, ist die Ausführung möglichst vielseitiger Versuche mit solchen Constructionen zu empfehlen. Dieser Beschluß gibt Zeugniß von der hohen Wichtigkeit, welche die deutschen Eisenbahnverwaltungen dieser Reform des Oberbaues schenken, und es ist daher nicht zu wundern, wenn wir heute schon sechs Bahnen in Deutschland begrüßen, welche Versuchsstrecken mit eisernem Oberbau ausgeführt haben. Diese Bahnen sind: 1) die braunschweigischen Bahnen, 2) die rheinische Bahn, 3) die Cöln-Mindener Bahn, 4) die hannoverische Staatsbahn, 5) die nassauische Staatsbahn, 6) die württembergische Staatsbahn, 7) die österreichische Südbahn-Gesellschaft. Die von den verschiedenen Bahnen zu Versuchsstrecken benutzten Profile sind in den beigegebenen Zeichnungen (1/5 Naturgröße) veranschaulicht, welche einen Schnitt senkrecht auf die Achse des Geleises darstellen. Fig. 13 und 14, Profil der braunschweigischen Bahnen von Baurath Scheffler. Fig. 15 Profil der hannoverischen und Cöln-Mindener Bahn. Fig. 16 Profil der nassauischen Staatsbahn von Baurath Hilf. Fig. 17 Profil von Ober-Ingenieur Köstlin und Ingenieur Battig, patentirt in Oesterreich im Jahre 1861. Fig. 18 Profil der württembergischen Staatsbahn von Ober-Ingenieur Köstlin und Ingenieur Battig. Fig. 19 Profil der österreichischen Südbahn-Gesellschaft von Ober-Inspector Paulus. Ohne auf die Dimensionen der einzelnen Theile der Constructionen überzugehen, sehen wir, daß mit Ausnahme des von Nassau adoptirten Pofiles alle anderen dem gleichen Principe huldigen. Ganz verschieden von dem heutigen Systeme, welches aus Schienen und Querschwellen besteht, bildet jeder Schienenstrang ein fortlaufendes Gestänge, welches aus drei Theilen construirt ist, den zwei Tragschienen T und einer Laufschiene L, während die Verbindung der beiden Stränge durch Querbänder Q, ebenfalls aus Eisen, bewerkstelligt wird. Diese Combination der das neue System bildenden Elemente bietet mehrere wesentliche Vortheile vor jener des alten. In erster Reihe sey der fortlaufenden Unterstützung der Laufschienen gedacht und als deren unmittelbare Folge die günstige Rückwirkung auf Erhaltung der Bahn sowie der Fahrbetriebsmittel bezeichnet. Die Kosten für beide werden geringer. In zweiter Linie folgt das auf das Minimum reducirte Gewicht der Laufschiene, welches nicht nur ein günstiges Moment für die Entlastung des Schienenconto's bildet, sondern auch die Verwendung von Bessemerstahl zuläßt und damit deren Dauer auf das Maximum erhöht. Der wichtigste Factor jedoch für die ökonomische Verwaltung der Bahnerhaltung bei dem eisernen Oberbau wird durch die Entfernung des vergänglichen Holzes auch für die tragenden Theile und deren Verbindung, also hier für die Tragschienen T und die Quereisen Q geschaffen. Dieser Umstand verhindert das heute periodisch wiederkehrende Aufwühlen des Erdkörpers, um an die Stelle der verfaulten Schwellen gesunde zu setzen, und streicht dadurch eine bedeutende Summe, welche jährlich für die Erhaltung des heutigen Oberbaues ausgegeben wird, man kann sagen, gänzlich. Der in die Erde gesenkte Eisenkörper bleibt – nach stattgefundener Consolidirung – während vielleicht 20 und 30 Jahren, ja noch länger unberührt (außergewöhnliche Ereignisse abgerechnet), und nur die Laufschiene ist es, welche, dienstunfähig geworden, durch eine neue ersetzt wird. Auch dieses geschieht beinahe, ohne einen Stein des Kiesgerölles zu entfernen. Betrachten wir nun die Elemente der verschiedenen Profile genauer, so finden wir, daß die Laufschiene bei allen nahezu die gleiche ist, während die Tragschienen mehrfache Abweichungen zeigen. Die starke Neigung des württembergischen Profiles (Fig. 17) hat offenbar den Zweck, unter der Basis einen festen Kiesrücken zu bilden, welcher dem seitlichen Verschieben des Geleises mehr entgegenwirken soll, während die größere Höhe bei der Cöln-Mindener und der hannoverischen Bahn, sowie der braunschweigischen Construction das Bestreben zeigt, dem Gestänge theils eine größere Widerstandsfähigkeit zu geben, theils aber die Basis möglichst tief in die Kiesbettung zu bringen, um dadurch das Aufrühren des Geleises und den Einfluß des Frostes thunlichst zu verhindern. Die Querverbindungen, welche, zur Erhaltung der Spurweite dienend, bei den verschiedenen Bahnen in verschiedenen Entfernungen von einander angebracht werden, zeigen auch Verschiedenheiten. Während sie hier unter den Tragschienen in Form eines einfachen oder doppelten T angebracht sind, befinden sie sich dort zwischen denselben als hochkantige Querbänder, in welchem Falle dann an den Stößen der Winkeleisen flache oder Tförmige Verbindungsplatten zur Verwendung kommen. Zur Verbindung der einzelnen Theile unter einander werden hier Schraubenbolzen, dort Niete, oft beide bei den gleichen Profilen benutzt. Zu bemerken ist noch, daß die Form der Schienenlöcher, durch welche die Bolzen gesteckt werden, oval ist, um der Ausdehnung des Eisens bei wachsender Temperatur gerecht zu werden, und ferner daß die Stoßfugen der Lauf- und Tragschienen auf Verband sind, d.h. verwechselt werden. So viel von dem constructiven Theile der ausgeführten Profile. Und nun zu den Resultaten, welche mit denselben erzielt worden sind. Von diesen verdienen hauptsächlich die der braunschweigischen Bahnen Berücksichtigung, da die ausgeführte Versuchsstrecke schon vor mehr als zwei Jahren gelegt worden ist. Hier wurden die in Fig. 13 und 14 dargestellten Constructionen zu Versuchen angewendet, welche beide von Baurath Scheffler herrühren. Diese, in Dimensionen und Anwendung verschieden, wurden in der doppelten Absicht gewählt, einmal, um eine Vergleichung bezüglich der zweckmäßigsten Lage der Querverbindungen anstellen zu können, und dann, um Erfahrungen über die Minimaldimensionen der Unterschienen zu sammeln. Während das Profil Fig. 13 per laufenden Meter 354 Zollpfund wiegt, so wiegt das in Fig. 14 dargestellte Profil nur 295. Die beiden Geleisstrecken liegen in gerader zweigeleisiger Bahn neben einander, und zwar auf die halbe Länge in grobem und durchlässigem Kiesgerölle, zur anderen Hälfte in feinkörnigem und undurchlässigem Kiese. Jedes der beiden Geleise wird von durchschnittlich 25 Zügen befahren (Schnell-, Personen-, Kohlen-, Güter-Züge) und hat sich bisher auf das Beste bewährt, selbst in dem strengen Winter 1864. Die Nacharbeiten waren geringer als bei anderen Geleisen. Nur nach Anfang des Frostwetters zeigten sich bei der mit lehmiger Erde stark gemengten Kiesbettung einige Versenkungen und Ausbiegungen, auf der ganzen anderen Strecke jedoch, wo durchlässiger Kies war, war weder bei der einen noch bei der anderen Construction ein Nachrücken nöthig. Dabei ist nicht die geringste Seitenverschiebung beobachtet worden und sämmtliche Bestandtheile des eisernen Oberbaues befinden sich in ursprünglich gutem Zustande; weder Niete noch Schraubenbolzen sind lose geworden. Die Oberschienen zeigen gar keinen Rost, während die unteren eine ganz geringe Rostschichte zeigten, jedoch geringer als bei den nicht befahrenen Schienen. Ein Vorzug der einen Construction vor der anderen endlich hat sich nicht gezeigt. Auf das in Fig. 15 dargestellte Profil übergehend, bemerke ich vor Allem, daß nach demselben Versuchsstrecken auf der hannoverischen Staatsbahn und der Cöln-Mindener Bahn ungefähr gegen Ende 1865 ausgeführt worden sind und noch keine genügenden Resultate über die Erprobung des Systemes vorliegen. Was die Construction betrifft, so finden wir eine Combination des Profiles Fig. 14 der braunschweigischen und des Profiles Fig. 17 der württembergischen Staatsbahn, von dem der ersten die Querverbindung zwischen den Trägerschienen, und von dem Profil Fig. 17 die sattelförmige Abdachung der Winkeleisen; statt der Verbindungsplatte P unter der Basis des Gestänges bei Profil Fig. 14 finden wir ein TEisen. Außer der gleichzeitigen Anwendung von Nieten und Schraubenbolzen ist endlich des keilförmigen Bolzens B zu erwähnen, welcher, wie ersichtlich, zum festeren Aufsitzen der Fahrschiene auf die Lagerflächen der Winkeleisen dient. Das nächste Profil, Fig. 16, nach dem Entwurfe des Baurathes Hilf in Nassau ausgeführt, zeigt Elemente, welche von denen der bereits betrachteten Profile des eisernen Oberbaues wesentlich verschieden sind. Anzuerkennen sind die Längenunterstützung, welche durch einen fortlaufenden, mit Rippen verstärkten, unten offenen Kasten K gebildet, und ferner das geringere Gewicht des Systems. Es wiegt per Meter nicht mehr denn 280 Zollpfund, während das leichtere Profil Fig. 14 von Braunschweig 295 Zollpfund wiegt. Diese Vortheile abgerechnet, vermissen wir bei dem Hilf'schen Profile gerade diejenigen Elemente, welche die besprochenen auszeichnen, die Elemente der dreitheiligen Schiene, und erkennen in deren Abwesenheit die nahezu gleichen Uebelstände, welche die Erhaltung des heutigen Oberbaues so kostspielig machen, als da sind der große Verlust an Material und das Aufwühlen des Erdkörpers bei dem Auswechseln der Schienen. Ich komme nun zu dem in Württemberg ausgeführten Profile Fig. 17. Die Erfinder desselben sind die Herren Ober-Ingenieur Köstlin und Ingenieur Battig, beide Beamte der österreichischen Staatsbahn, und ist von denselben auf das Original-Profil Fig. 18 im Jahre 1861 in Oesterreich ein Patent genommen worden. Es sey mir gestattet, diese Thatsache aus dem Grunde zu betonen, weil dieselbe den Erfindern außer dem Rechte auf ihre geistige Arbeit noch den Ruhm der Priorität in der wichtigen Reformfrage des eisernen Oberbaues sichert. Baurath Scheffler hat erst im Jahre 1862,In dem „Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens.“ auf die Wichtigkeit dieser Reform hinweisend, die Techniker Deutschlands zu eingehendem Studium des eisernen Oberbaues eingeladen, ohne jedoch ein fertig dastehendes Profil zur Annahme zu empfehlen. Es muß daher unseren österreichischen Erfindern zur besonderen Befriedigung gereichen, wenn sie sehen, daß das von ihnen zuerst aufgestellte System der dreitheiligen Schiene von sämmtlichen anderen Constructeuren (mit Ausnahme Hilf's) adoptirt worden ist. Das Patent ist, wie erwähnt, im Jahre 1861 genommen worden. Vom Nehmen des Patentes jedoch bis zur Ausführung dauerte es volle fünf Jahre, obgleich den Erfindern nicht der Vorwurf gemacht werden kann, die Hände lässig in den Schooß gelegt zu haben. Beinahe jedes Jahr berichtet von den im Interesse der Erfindung gemachten Schritten. Im Jahre 1862 erschien das neue Profil des eisernen Oberbaues auf der Londoner Ausstellung, ohne jedoch irgend eine Beachtung gefunden oder eine Auszeichnung erhalten zu haben. Ursache hiervon war leider die Unwissenheit der österreichischen Jurors, von denen keiner Kenntniß von dem neuen System hatte. Die fremden Preisrichter erklärten das ausgestellte Profil fälschlich für eine Barlow-Schiene, welche bekanntlich schon vor 10 Jahren von französischen Ingenieuren ausgeführt worden ist. Die natürliche Folge hiervon war, daß der Erfindung weiter keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Im gleichen Jahre überreichten die Herren Köstlin und Battig dem damaligen Handelsminister Hrn. Grafen v. Wickenburg eine Broschüre, welche das neue System des eisernen Oberbaues ausführlicher behandelt. Derselbe verfehlte nicht, die große Tragweite des Systems in gewerblicher und volkswirthschaftlicher Beziehung anzuerkennen und bethätigte das der Sache geschenkte Interesse durch ein Rundschreiben an die Bahnverwaltungen Oesterreichs mit der dringenden Einladung, diesem wichtigen Gegenstande die verdiente Aufmerksamkeit zu schenken. Freiherr v. Kalchberg, Nachfolger des Hrn. Grafen v. Wickenburg und Leiter des Handelsministeriums, dem im Jahre 1864 auch eine Broschüre überreicht wurde, anerkannte ebenfalls die Wichtigkeit der Sache, bedauerte jedoch, bei dem Umstande, daß der Staat keine Bahnen mehr besitze, der Sache keinen weiteren Vorschub leisten zu können. In dem gleichen Jahre geschah die Eingabe der Broschüre an den österreichischen Ingenieur-Verein. Die sich daran knüpfende Kritik konnte trotz der von verschiedenen Seiten erhobenen Bedenken nicht umhin, in der Schlußfassung der Discussion sich für das neue System auszusprechen, und nahm sich auf's Wärmste der Erfinder an, die zugleich Mitglieder des Vereines sind. Eine Zuschrift wurde an die österreichischen Bahnverwaltungen gerichtet, in welcher der Verein, mit Hinweisung auf die in Deutschland vorbereiteten Versuche mit dem eisernen Oberbau, ersuchte, Versuchsstrecken nach dem Köstlin- und Battig'schen Systeme ausführen zu lassen. Das Ersuchen wartet heute noch in gleicher Weise einer erledigenden Beantwortung, wie das im Jahre 1862 vom Handelsminister an die Gesellschaften in Oesterreich gerichtete Schreiben. Ein ständiges Comité für den eisernen Oberbau wurde ferner im Schooße des Vereines mit der Aufgabe gebildet, die Fortschritte dieser wichtigen Reform mit Aufmerksamkeit zu verfolgen und von Zeit zu Zeit Bericht darüber zu erstatten. Das Jahr 1866 brachte endlich die Ausführung des von den Herren Köstlin und Battig erfundenen eisernen Oberbaues, aber leider nicht in dem Lande der Erfindung, sondern in dem kleinen, aber strebsamen Württemberg. Schon im Jahre 1863 hatte sich die württembergische Staatsverwaltung an die Erfinder gewandt und um die Zeichnung eines eisernen Oberbaues ersucht, bei welchem sie jedoch – mit Rücksicht auf die stärkeren Constructionen der braunschweigischen und hannoverischen Bahnen – eine Gewichtsvermehrung des Originalprofiles Fig. 17 um 10 bis 15 Proc. per Längeneinheit der Bahn als zulässig erkannte. In Folge dessen wurde die Tragschiene um 1/3'' erhöht und fand eine geringe Vermehrung der Fleischdicke an Hals und Winkeleisen statt; es entstand das in der gedachten Weise verstärkte Profil Fig. 18, dessen Ausführung für das beabsichtigte Schienengeleis dem königlichen Hüttenwerke in Wasseralfingen übertragen wurde. Mancherlei Verzögerungen traten ein und wurden nur durch das energische Eingreifen des neuen Ministers der Verkehrsanstalten, des Freih. v. Varnbüler, soweit behoben, daß die Legung des eisernen Oberbaues im October 1866 auf eine Länge von 2560 Metern (1/3 Meile) stattfinden konnte. Die eingeleisige Strecke befindet sich auf der Bahn nach Ellwangen und Nördlingen zwischen Wasseralfingen und Goldshöfe. Interessant sind die Wahrnehmungen, welche der Erfinder persönlich an Ort und Stelle gemacht hat. Sie beziehen sich auf: 1. die hüttenmännische Erzeugung, 2. die Legung des neuen Oberbaues, 3. die commissionelle Erprobung der Geleisstrecke. 1. a) Die Walzung der Fahrschiene gieng ohne Anstand vor sich; sie wurde aus einer härteren Sorte, dem sogenannten Feinkorneisen, dargestellt. b) Das Walzen der Winkeleisen mit den ziemlich ungleichen Schenkeln machte dem Walzwerke anfänglich in so weit Schwierigkeiten, als das aus der Schlußwalze kommende Stück in nicht unbedeutendem Maaße verändert und verdreht erschien. Diesem Uebelstande wußte man dadurch zu begegnen, daß das Walzstück während des Durchganges durch die Kaliber öfter gewendet wurde. c) Die Quereisen boten gar keine Schwierigkeit und wurde das Umbiegen der T Eisen in die entsprechende Sattelform leicht vollzogen. Die ganze Manipulation hatte überhaupt so wenig den Charakter einer außergewöhnlichen Arbeit und nahm einen so guten Verlauf, daß der Werksverwalter der Regierung für den Fall größerer Bestellungen solche Preise offerirt hat, welche den eisernen Oberbau künftighin nicht theurer machen werden, als den gegenwärtigen Oberbau mit Holz. Die Versuchsstrecke war incl. Legen vom Hüttenwerke um den Preis von 7 fl. rh. (südd. Währ.) per laufenden Fuß Geleise übernommen, wobei ein Erzeugungspreis von circa 8,5 fl. per Centner zu Grunde gelegt war, während der alte Oberbau mit Holzschwellen dort nur 6 fl. rh. zu stehen kommt. 2. Das Legen in der Geraden und in der Curve. Die Operation des Legens geht so leicht und vielleicht noch leichter vor sich, als bei dem heutigen Querschwellensystem, und besteht in Kurzem in Folgendem: Auf der Oberfläche des Schotters wird die Bahnachse markirt. Hierauf werden die Quereisen in der bestimmten Entfernung von einander gelegt, darauf kommen die Winkeleisen über die Sättel der Quereisen und werden verschraubt, nun wird die Laufschiene eingelegt und ebenfalls verschraubt. Ist das Geleise auf eine gehörige Länge vorgelegt und verschraubt, so wird die Richtung geprüft, das Steigungsverhältniß controlirt und nun gerückt, wo es nöthig ist, und dann unterkrampt. Das Rücken und Unterkrampen gehen sehr leicht von statten. Die die beiden Stränge der Winkeleisen zusammenhaltenden Quereisen machen ein unzertrennliches Ganze aus, welches durch Hebeisen sehr leicht, und ohne irgendwie verschoben zu werden, verändert werden kann. Das Unterkrampen wird durch die Neigung der Schienenbasis sehr begünstigt, da sich der Schotter nicht nur leicht in dieselbe hineinfügt, sondern auch nicht mehr jenseits ausweichen kann. In der Geleisstrecke befindet sich eine Curve von 948 Metern (3000') Radius. Bei dem Legen der Curve hat sich gezeigt, daß das Legen des eisernen Oberbaues in der Curve und für späteres etwaiges Verändern entschieden noch einfacher ist als bei dem heutigen Schwellensysteme; – ganz entgegen den Meinungen der Fachmänner, welche für das Curvenlegen fast unübersteigbare Schwierigkeiten prophezeiht hatten. Die hierbei gemachten Erfahrungen sind: „Der lange, auf das flache Schotterbrett vorgelegte Strang ist biegsam genug, um in jede Curvenform gerückt oder gedrückt zu werden. Nach der Natur der Zusammensetzung der Schienen aus einzelnen Theilen mit verwechselten und klaffenden Fugen, mit Spielraum in den Verschraubungen, wird die Curve von selbst eine fließende werden und nichts Polygonales zeigen. Die einzige Vorkehrung, welche bei knapperen, d.h. engeren Curven etwa vorhergehend zu beobachten ist, ist die kürzere Ablängung der Schienentheile des inneren, daher kürzeren Schienenstranges. Da man die Länge jeder Curve in der Bahn schon vorher genau kennt, so ist es keine Erschwerung, die entsprechende Anzahl Schienentheile schon im Walzwerke um das leicht zu ermittelnde Maaß kürzer abschneiden zu lassen. Bei flachen Curven mit großem Radius erfüllt schon der ohnedem gegebene Spielraum in den Fugen und in den Schraubenverbindungen den Zweck. Die Spurerweiterung ist durch die entsprechende Verlängerung des Mittelstückes der Quereisen zu geben.“ Dieses sind die Worte des Erfinders selbst, welcher sich über die erste probeweise Befahrung, die in Gesellschaft des Hrn. Baurathes Morlok auf einer Güterzugslocomotive gemacht wurde, folgendermaßen äußert: „Die erste Befahrung fand statt, als noch der kleinste Theil der Strecke vollständig eingeschottert war, als sonach die Schiene ohne allen seitlichen Halt einfach auf dem unterstopften Kiesrücken obenauf lag.“ „Das Befahren läßt in Folge der Continuität der Unterlage und der vorzüglichen Stoßverbindung keinerlei Ungleichmäßigkeit verspüren.“ „Nach der Fahrt stiegen wir ab und ließen die Maschine vorüberfahren, um von Außen das Geleise unter der Belastung zu beobachten. Eine feine Sandstreu auf der schrägen bloßliegenden Vorfläche der Unterschiene bot den geeignetsten Anhalt zur Beobachtung. Nicht ein Sandkörnchen kam in Bewegung. Irgend eine lockere Einbiegung der Schiene unter der Last der Maschine, wie sie auch sonst mit dem Auge nicht beobachtet werden konnte, hatte also ganz gewiß nicht stattgefunden, ja nicht einmal ein Vibriren, kurz nichts, was an die freiliegenden elastischen Träger à la Vignole-Schiene erinnern könnte.“ Gleich befriedigend fiel die Fahrt aus, welche der Minister v. Varnbüler im Beiseyn einer technischen Commission vorgenommen hat. Diese bestand aus den Herren Baurath Morlok, Bauinspector Glocker, Bergrath Erhardt und Maschinenmeister Lorenz. Die Eindrücke, welche der Minister von dieser Probefahrt mitgenommen, sind ausgedrückt und niedergelegt in der entschiedenen Betonung seines Entschlusses gegenüber den württembergischen Technikern, daß er hinfort den permanenten Oberbau, nämlich den eisernen, auf den württembergischen Bahnen einführen und alles Holz aus der Bahn entfernen wolle. Dabei hatte der Minister im Auge, neben dem ganz aus Eisen hergestellten Oberbau auch einen solchen aus Stein und Eisen zur Anwendung zu bringen (Benutzung von Steinwürfeln). Auf Grund der in Württemberg gemachten Erfahrungen haben die Erfinder eine vergleichende Kostenzusammenstellung für das Schwellensystem einerseits und andererseits für den eisernen Oberbau gemacht, wobei sie mit fachmännischer Sachkenntniß und der größten Gewissenhaftigkeit jeden, auch den kleinsten Factor beobachtet haben, der in Rechnung zu ziehen ist. Nach dieser Zusammenstellung betragen die Herstellungskosten per Meile für den eisernen Oberbau 107,925 fl. ö. W. für das Schwellensystem (Vignole-Schiene) 107,615 fl. ö. W. ––––––––––––– somit kostet eine Meile eiserner Oberbau nur um 310 fl. mehr als eine solche mit Vignole-Schienen. Deßgleichen beziffern sich die Erhaltungs- und Erneuerungskosten per Meile und Jahr       bei dem Schwellensystem mit 4187 fl.       bei dem eisernen Oberbau mit 1145 fl. –––––– somit eine Ersparung zu Gunsten des neuen  Systems mit 3041 fl. per Jahr und Meile. Ich komme nun auf den originellen Versuch eines eisernen Oberbaues zu sprechen, welcher von der österreichischen Südbahn-Gesellschaft gemacht worden ist – originell, weil zu dem hierzu verwendeten Profile Fig. 19 nur Ausschußschienen verwendet worden sind, und zwar ohne irgend eine Aenderung des ursprünglichen Querschnittes erlitten zu haben. Die im Februar 1866 ausgeführte Versuchsstrecke ist eingeleisig, hat eine Länge von drei Geleisstoßen (63' = 19,91 Meter) und befindet sich auf dem Bahnhofe von Graz in einem der befahrensten Geleise. Die Initiative hierzu ergriff Hr. Oberinspector Paulus, welcher, selbst ein großer Freund und Anhänger des eisernen Oberbaues, einen solchen – ohne der Gesellschaft irgendwie nennenswerthe Kosten zu verursachen – auch in Oesterreich zur Ausführung bringen wollte, um auf Grund der dabei gesammelten Erfahrungen im Interesse der angestrebten Reform weiter fortbauen zu können. Als bestes und billigstes Material zu diesem Versuche erkannte der erfahrene Techniker die alten, aus dem Betriebe gezogenen Schienen, welche in dem Grazer Walzwerke zu neuen umgearbeitet werden. Das hierzu gewählte Profil huldigt auch dem Principe der dreitheiligen Schiene und zeigt, daß sowohl die Querverbindung als auch die zwei Winkeleisen der früher besprochenen Profile aus alten Schienen hergestellt worden sind. Eine auf den Kopf gestellte Schiene Q bildet die erste und nimmt auf der ebenen Fläche ihres Fußes zwei flach gelegte Schienen T, T auf, deren Füße die zum Einlegen der Fahrschiene L dienende Rinne bilden. Letztere ist aus Bessemerstahl verfertigt. Bei der Herstellung der Geleisstrecke beschränkte sich die Neuanschaffung bloß auf die Fahrschiene L, die Blechstreifen B und die nöthigen Bolzen, während die verwendeten alten Schienen nur geringe Umarbeitung erforderten, nämlich die Zurichtung und Biegung der Verbindungsschiene, sowie das Abstoßen derjenigen Flächen der flach gelegten Schiene, auf welche die Laufschiene zu liegen kommt. In Folge dieser ganzen Umarbeitungen stellten sich die Herstellungskosten für das Profil aus alten Schienen billiger als für jedes der früher genannten. Was die Kritik des Profiles betrifft, so wird jeder Fachmann in demselben eine große Verschwendung von Material erkennen, besonders gegenüber den übrigen Profilen. Während nämlich das hannoverische Profil per lauf. Fuß 92 Zollpfund, das braunschweigische Profil per laufenden Fuß 95 nassauische 88 württembergische 72 wiegt, beträgt das Gew. des österr. Profiles per lauf. Fuß 127 eine Thatsache, die unbestreitbar ist, jedoch durch das Bestreben der möglichst billigen Herstellung vollkommen gerechtfertigt wird, da jede Umänderung des ursprünglichen Schienenprofiles in eines der früheren Systeme selbstverständlich die Kosten bedeutend vermehrt hätte. Was die Resultate betrifft, so hat die kurze Geleisstrecke während des nun einjährigen Befahrens keine Reparatur oder Nachhülfe erfordert, sogar die Schraubenbolzen waren nicht anzuziehen. Außer dem anfänglichen Nachstopfen von Kies, welches bei der gewöhnlich in den ersten Wochen des Betriebes stattfindenden kleinen Senkung nothwendig wird, sind keine Erdarbeiten erforderlich gewesen. Der einzige Uebelstand hat sich in dem Längenriß einer Laufschiene gezeigt, welche daher durch eine neue ersetzt werden mußte. Zur Erklärung dieses Vorkommnisses diene die Erwähnung, daß es eben nur provisorische Walzen waren, welche zur Verfertigung der Laufschienen gedient haben. Die Resultate sind demnach günstige zu nennen, und schließen sich den in den deutschen Staaten gemachten vollkommen an. Schließlich sey es mir gestattet, der Aussichten zu gedenken, welche sich dem eisernen Oberbau in Oesterreich eröffnen. Die Nordbahn war schon im vorigen Jahre entschlossen, eine längere Strecke eisernen Oberbaues zu legen, wurde aber an der Ausführung des Entschlusses durch die Wirren des österreichisch-preußischen Krieges verhindert, ohne jedoch die Sache fallen gelassen zu haben. Die österreichische Staatsbahn ist bereit, nach dem Antrage des Hrn. Baudirectors v. Ruppert auf einer ihrer neuen Linien eine längere Versuchsstrecke (circa 4–5 Meilen) nach dem Köstlin'schen Systeme legen zu lassen. Dieser Entschluß der österreichischen Staatsbahn zeugt ebenso für die Huldigung überhaupt, welche den Reformen auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens gezollt wird, als sie das lobenswerthe Bestreben kund gibt, die Verdienste der Erfinder des neuen Systemes, welche wie erwähnt, zu ihren Beamten gehören, anzuerkennen und dieselben durch die Ausführung einer Versuchsstrecke gebührend zu ehren. Möchte dieser Vorgang der österreichischen Staatsbahn ein Wink für die anderen Bahnen seyn, das gegebene Beispiel nachzuahmen; namentlich wäre dieses für die zahlreichen neuen Bahnen vortheilhaft, welche, schon concessionirt, zum großen Theile sich im Bau befinden.

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