Titel: Darstellung des Salpeteräthers des Handels; von Dr. Julius Stinde.
Fundstelle: Band 184, Jahrgang 1867, Nr. LXXV., S. 368
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LXXV. Darstellung des Salpeteräthers des Handels; von Dr. Julius Stinde. Aus dem Hamburger Gewerbeblatt, 1867, Nr. 12. Stinde, über Darstellung des Salpeteräthers. Der Verbrauch von Salpeteräther ist in England und Nordamerika ein bedeutender, denn derselbe wird dort nicht allein zur Aromatisirung von Branntweinen, sondern auch als erregendes Hausmittel in derselben Weise angewandt, wie bei uns zu Lande die Hofmannstropfen. Der sogen. Spirit of nitre ist ein nothwendiger Bestandtheil sämmtlicher Hausapotheken und geschieht seine Versendung meistens in Flaschen, welche ein Pfund engl. enthalten. Daß an einen solchen Aether nicht die Ansprüche, wie an das pharmaceutische Präparat erhoben werden, liegt auf der Hand; derselbe muß jedoch wasserklar, oder nur von einer schwach in's Gelbliche ziehenden Farbe seyn, und bei dem Versandt wenigstens neutral reagiren. Der Geruch, gleichzeitig von Salpeteräther und Aldehyd herrührend, muß kräftig seyn; bei dem Verdunsten auf der flachen Hand darf kein Fuselgeruch auftreten. Spec. Gew. 850–860. Die Darstellung zerfällt in zwei Operationen, in die Bereitung des Roh-Aethers und in die Rectification. Die Darstellung des Aethers aus Glasretorten ist eine zu mühselige Arbeit und zu wenig lohnend, als daß sie für größere Quantitäten empfohlen werden könnte; zufriedenstellend ist dagegen folgende Anordnung: Eine große Steinkruke von mindestens 120 Pfd. Inhalt, wie sie zur Darstellung von Chlorgas benutzt wird, wird auf einem Dreifuße so in einen passenden Cylinder aus Eisenblech gestellt, daß der Hals über den Rand des Cylinders vorsteht. Der Raum zwischen der Kruke und den Cylinderwänden ist vollständig mit Matten oder sehr grober Packleinwand auszufüllen. In den unteren Theil des Cylinders mündet ein Dampfrohr, während ein am Boden desselben angebrachter Hahn dazu dient, das Condensationswasser abzulassen. Ein Deckel aus Eisenblech, der in der Mitte einen Ausschnitt besitzt, um den Hals der Kruke durchzulassen, dient zum Verschließen des Cylinders. Die Kruke wird mit 60 Pfund fuselfreiem Spiritus von 90° Tralles gefüllt, zu welchem in kleinen Antheilen fünfzehn Pfund rohe Salpetersäure von 36° Baumé gesetzt werden. In den Hals der Kruke wird ein genau passendes Rohr aus reinem Zinn geschoben. Das Rohr ist zweischenkelig gebogen und an dem einen Ende mit einem ringförmigen Ansatze versehen, um ein zu tiefes Hineingleiten in das Innere der Kruke zu verhindern. Die Fugen zwischen dem Ansatze und dem Rand des Krukenhalses werden mit einem Kitt aus Leinsamenmehl und kochendem Wasser verstrichen. Zur größeren Sicherheit ist das Umwinden des Lutums mit nassen Leinwandstreifen zu empfehlen. Das andere Ende des Zinnrohres, welches, hier die Stelle eines Helmes vertritt, wird in derselben Weise mit der zinnernen Schlange eines nicht zu kleinen Kühlfasses in Verbindung gesetzt. Man läßt jetzt schwachen Dampf in den Eisencylinder strömen und gibt erst stärkeren Dampf, wenn Alles gleichmäßig angewärmt ist. Die eingelegten Matten verhindern das Springen der Steinkruke, welches ohne diese Vorsichtsmaßregel sofort erfolgen würde. Schon nach zehn Minuten beginnt die Destillation; der Dampfstrom wird gemäßigt und Sorge getragen, daß der Aether in einem ununterbrochenen, etwa federkieldicken Strahle übergeht. Sobald das Destillat bei gleichem Dampfzutritt anfängt tropfenweise zu laufen, wird der Dampfhahn geschlossen und die Operation unterbrochen. Bei gutem Gange tritt dieser Zeitpunkt nach sechs bis sieben Stunden ein. Die Kruke wird am folgenden Tage – ohne den Rückstand zu entfernen – auf dieselbe Weise beschickt. Am dritten Tage werden jedoch nur dreißig Pfd. Spiritus von 90° Tr. nachgegossen und übergetrieben. Die vereinigten Destillate kommen in eine kupferne Destillirblase mit doppelten Wänden, zwischen welche Dampf gelassen werden kann, und werden mit etwa einem Pfund zu Staub gelöschten Kalk neutralisirt. Das mit der Blase verbundene Kühlrohr besteht aus Zinn und wird mit einem schnabelartigen Ansatze versehen, der in eine mit vier Pfund Spiritus halb angefüllte Flasche taucht. Ein schwacher Dampfstrom reicht zur Destillation hin. Das erste Destillat ist dunkelgelb und enthält große Mengen von Aldehyd. Wird der trotz der besten Abkühlung anfangs auftretende Dampf desselben eingeathmet, so röthen sich die feinen Adern der Augen; Lippen und Nägel färben sich blau wie bei einem Fieberfrost und das Gesicht nimmt eine fahle Farbe an. In der freien Luft verschwinden diese Erscheinungen bald und hinterlassen nur ein dumpfes Gefühl im Vorderkopfe. Einzelne Personen werden dagegen von heftigen Kopfschmerzen befallen. Mit einem Probeglase fängt man von Zeit zu Zeit eine Portion des Destillates auf und prüft auf Farbe und Verhalten zu Lackmuspapier. Sowie die Reaction neutral und das Ansehen des Aethers wasserklar ist, wird die Flasche hinweggenommen und durch einen großen Ballon ersetzt. Die Rectification muß möglichst rasch vor sich gehen, denn ein langsames Destilliren gibt stets einen gefärbten Aether. Sämmtliche Destillate werden zusammengemischt und auf Flaschen gefüllt. Auch bei dem Einfüllen des Aethers in Flaschen habe ich die vorhin angegebene Wirkung auf den menschlichen Organismus wiederholt beobachtet, wage aber nicht zu entscheiden, ob dieselbe dem Salpeteräther oder dem Aldehyd zuzuschreiben ist. Aldehydhaltiger Aether färbt eine verdünnte weingeistige Auflösung von Fuchsin nach einigen Minuten violett.