Titel: Photographen-Apparat zur Aufnahme von Naturstudien; von Prof. Dr. Steinheil in München.
Fundstelle: Band 184, Jahrgang 1867, Nr. CXIV., S. 498
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CXIV. Photographen-Apparat zur Aufnahme von Naturstudien; von Prof. Dr. Steinheil in München. Steinheil's Photographen-Apparat zur Aufnahme von Naturstudien. Wenn ein Landschaftsmaler ein größeres Bild malen will, so benöthigt er Vorgrundstudien, d.h. genaue Naturzeichnungen der den Vorgrund bildenden Objecte, als: Baumgruppen, Sträucher, Kräuter und Gräser, Felsen, Steine, Erdreich, Wasser u.s.w. Man sieht es jedem Bilde an, ob diese Dinge aus der Natur entnommen oder componirt sind. Die letzteren haben nie so vollendete Formen und solche Abwechslung in der Gestaltung wie die ersteren. Indessen ist die Anfertigung solcher Detailzeichnungen sehr mühevoll und zeitraubend, daher schon vielfach daran gearbeitet wurde, die Photographie hierfür zu benutzen. Die Photographie fordert jedoch so viel Apparate und Hülfsmittel, dann auch technische Kenntnisse, daß sie, wegen der großen Unbequemlichkeiten, die mit den Aufnahmen verbunden sind, bei den Künstlern wenig Anwendung fand. Durch die Erfindung der Trockenplatten, d.h. solcher für das Negativ vorbereiteter Platten die lange Zeit vor der Expositur angefertigt und lange Zeit nach der Belichtung hervorgerufen werden können, ist darin ein wesentlicher Schritt gethan. Allein da das Wechseln der Platte nach der Belichtung einen dunkeln Raum erfordert, dessen Mitnahme sehr unbequem, so war man auf die eine Aufnahme für die Excursion beschränkt und dadurch in der Wahl des Objectes oft unglücklich, indem sich später schönere Objecte zeigten oder solche in der Hoffnung, noch Besseres zu finden, übergangen waren. Ich habe nun zu meinem eigenen Gebrauche einen Photographen-Apparat construirt, welcher beim Spazierengehen ohne alle Belästigung mitgetragen werden kann und der gestattet, sechs bis acht Aufnahmen während des Spazierganges zu machen. Ich habe dabei nur die Belichtung – die Aufnahme – zu besorgen. Die Platten, die wohl ein Jahr wirksam bleiben, beziehe ich von einem Photographen, dem ich gelegentlich die belichteten Platten zur Hervorrufung wieder zusende und die Zahl der positiven Abdrücke bestimme, die ich von jeder Nummer wünsche. In der Voraussetzung, daß es auch Anderen angenehm seyn wird, sich in solcher Weise selbst gewählte Naturstudien zu sammeln, werde ich den Apparat hier beschreiben. Die Dimensionen der Camera sollen möglichst klein seyn; nicht nur des bequemeren Transportes wegen, sondern hauptsächlich wegen des Einflusses, den der Abstand des Objectes auf die Verstellung der Bildebene ausübt, und welcher bei einiger Entfernung der Objecte nahezu im Verhältniß des Quadrats der Brennweite abnimmt. Man erlangt somit durch kleine Dimensionen der Camera daß die Bildebene für ziemlich nahe Objecte gegen unendlich entfernte gar nicht verstellt zu werden braucht, besonders wenn man ein Objectiv mit kleiner Oeffnung im Verhältniß zu seiner Brennweite anwendet. Denn der Durchmesser eines Lichtpunktes, gemessen in einer Bildebene, die z.B. 1/100 Brennweite gegen den Brennpunkt verstellt ist, beträgt nur 1/100 der Oeffnung des Objectives, wird also um so kleiner, je kleiner die Oeffnung gegen die Brennweite des Objectives ist. Bei den von mir angenommenen Dimensionen hat die Brennweite des Objectives 42 Pariser Linien, die Oeffnung 1 Linie. Rückt der Gegenstand bis auf 12 Fuß Abstand zum Objectiv heran, so müßte die Bildebene gegen unendlichen Abstand des Objectives um 1,04 Linien wegen größter Deutlichkeit verstellt werden; läßt man aber die Bildebene ungeändert, so wird der Durchmesser des Lichtpunktes 1/40 Linie, also selbst mit Loupe von 3 1/2 Zoll kaum wahrnehmbar. Die Camera kann also zur Aufnahme ziemlich naher Objecte oder sehr ferner Gegenstände ein und dieselbe constante Stellung der Bildebene erhalten. Man hat folglich nicht erst nöthig, das Bild des aufzunehmenden Gegenstandes einzustellen, sondern es dient dieselbe Lage für alle vorkommenden Aufnahmen. Die Bildplatten der Camera haben 7 Zoll Länge und gestatten also Aufnahmen bis zu 90° Bildwinkel, wenn das Periskopobjectiv in Anwendung kommt. Betrachtet man die Photographie mit einer Loupe von 3 1/2 Zoll Brennweite (= der Brennweite des Objectives), so können alle Details erkannt werden, die das freie Auge in der Natur vom Aufnahmspunkt aus unterscheidet. Da aber kein Staffeleibild weiter ausgeführt werden soll, als das Auge beim gehörigen Abstand vom Bilde (Augenabstand) noch unterscheiden kann, so liefert die Photographie die zum Bilde nöthigen Details vollständig und man sieht, daß sich auch bei viel kleineren Dimensionen der Apparate dieser Zweck ebenso vollständig erreichen ließe, weil alle Photographien, die mit kleineren Brennweiten als 8 Zoll erzeugt sind, mit einer Loupe von der Brennweite des Objectives betrachtet werden müssen, damit die Bildwinkel den Naturwinkeln gleich werden. Bei meiner Camera läßt sich das Objectiv aus der Mitte auf- und abwärts verstellen, um den Augenpunkt (und damit den Horizont) je nach Bedarf höher oder tiefer zu legen. Statt dessen kommt es häufig vor, daß der Photograph den Apparat neigt, um hohe Punkte noch in's Bild zu bekommen. Diese Methode ist ganz falsch, weil damit die Projectionsebene geneigt wird, wodurch Objecte, die in der Natur senkrecht und parallel stehen, in der Photographie nach oben zusammenlaufen. Dieß zu vermeiden, muß die Camera immer horizontal gestellt werden. Die Zeit der Belichtung ist bei den Trockenplatten des Photographen Böttger, welche ich anwende, nahezu 8mal länger, als bei sensibeln nassen Platten und hängt wie bei letzteren von der Intensität der Naturbeleuchtung und von der Farbe der Objecte ab. Um den Apparat bequem zu transportiren, habe ich die Camera so eingerichtet, daß sie sich zusammendrückt und dabei nur eine Dicke von 1 1/2 Zoll hat. Die präparirten Platten befinden sich je eine in einem Futteral, dessen äußere Dicke nur 4 3/4 Linien beträgt. Das Futteral ist oben auf der Kante mit einem Schuber verschlossen und auf einer Fläche mit „Bildseite“ bezeichnet. Die präparirte Platte gleitet mit der präparirten Seite auf der Bildseite des Futterals in dieses auf zwei Leistchen an den Rändern, so daß die präparirte Fläche ganz frei und unberührt bleibt. Wenn der Schuber wieder geschlossen ist, befindet sich die Platte in völlig dunklem Raume. Die Camera hat statt der Cassette einen dem Futterale ähnlichen Rahmen ebenfalls mit einem Schuber auf der Kante verschlossen, aber offen gegen das Objectiv und auf der Rückseite mit einem Federbretchen mit Riegeln zum Herausnehmen verschlossen. Ueber dem Schuber ist ein Falz 4 Linien tief erweitert und es passen alle Futterale genau in diesen Falz. Soll nun die Platte in die Camera eingeführt werden, so steckt man das Futteral mit der Platte in den Falz der Camera, die „Bildseite“ gegen das Objectiv, zieht die Feder im Federbretchen zurück, öffnet die beiden Schuber und neigt den Apparat, bis die Platte aus dem Futteral in die Camera hinabgleitet. Jetzt werden beide Schuber geschlossen, das Futteral abgehoben und die Feder, die das Glas gegen die Auflagen in der Cassette drückt, wieder in Wirksamkeit gesetzt. Die Camera ist so mit der präparirten Platte versorgt und das Licht wirkt auf dieselbe, sobald der Objectivdeckel abgenommen wird. Vorher aber muß die Camera auf die gehörige Brennweite ausgezogen werden, wozu drei Klammern dienen, deren Eindrücken der Platte die nöthige Stellung gibt. Nun wird die Camera auf dem Stockstativ in horizontaler Lage angeschraubt und nach dem abzubildenden Gegenstande gerichtet, worauf durch Abnahme des Objectivdeckels die Belichtung erfolgt. Ist diese vollendet, so wird in ganz ähnlicher Weise die belichtete Platte wieder in ihr Futteral zurück gebracht und die Camera mit einer neuen Platte versehen. Außer dem Periskopobjectiv habe ich noch ein aplanatisches Objectiv an die Camera anpassen lassen. Letzteres gibt 25mal mehr Licht als das Periskop. Kömmt es also vor, lichtschwache Objecte zu copiren, die einen kleineren Gesichtswinkel fordern, so ist das aplanatirte Objectiv das geeignetere. (Sitzungsberichte der kgl. bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1866, II. S. 478.)