Titel: Ueber den chemischen Theil des Bessemer-Processes; von Professor Kupelwieser.
Fundstelle: Band 185, Jahrgang 1867, Nr. XIV., S. 30
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XIV. Ueber den chemischen Theil des Bessemer-Processes; von Professor Kupelwieser. Vortrag an der Bergakademie zu Leoben am 27. April d. J. Kupelwieser, über den chemischen Theil des Bessemer-Processes. Das k. k. Oberverwesamt Neuberg hat den zur Industrie-Ausstellung nach Paris gesandten Producten aus Bessemermetall auch die Analysen des verwendeten Roheisens, der Zwischenproducte des fertigen Stahles, sowie der mit den Zwischen- und Endproducten abfallenden Schlacken beigegeben, um nicht nur durch die zur Ausstellung gebrachten Qualitätsproben, sondern auch durch die beigefügten Analysen auf die vorzügliche Beschaffenheit der Producte hinzuweisen. Die Resultate dieser Analysen, welche im k. k. General-Landes-Münzprobiramte in Wien ausgeführt wurden, hat das k. k. Oberverwesamt Neuberg der hiesigen (Leobener) Bergakademie-Direction freundlichst mitgetheilt. Bei dem Umstande, daß derartige den ganzen Bessemerproceß verfolgende Analysen, wenn sie auch vielleicht schon durchgeführt wurden, wenigstens nicht veröffentlicht erscheinen, überhaupt Analysen, welche die Materialien und Producte dieses Processes betreffen, noch in sehr geringer Anzahl mitgetheilt wurden, kann ich nicht umhin, dieselben einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Wenn es auch sehr voreilig zu nennen wäre, auf eine Reihe von Untersuchungen, welche bei einer einzelnen Charge durchgeführt wurden, eine Theorie des Processes begründen zu wollen, so können die Resultate dieser Untersuchungen doch als ein sehr erwünschter Beitrag zum Verständnisse des Processes angesehen werden. Eine größere Reihe von in ähnlicher Weise, jedoch vielleicht noch vollständiger, durchgeführten Untersuchungen wird jedoch erst im Stande seyn, ein vollkommen klares und deutliches Bild über den chemischen Theil des Bessemerprocesses zu geben, welcher bis jetzt verhältnißmäßig stiefmütterlich behandelt wurde, indem der sehr schätzenswerthe, auf den chemischen Theil etwas näher eingehende Aufsatz des Hrn. Directors Grill in Jern Contorets-Annaler, welcher in freier Uebersetzung, mit Erläuterungen versehen, vom Ministerialrath R. v. Tunner im X. Bande der Jahrbücher, S. 201 aufgenommen erscheint, bis jetzt der einzige geblieben ist, und nur mit einigen kleinen Zusätzen und Abänderungen versehen, an vielen Orten wiederholt wurde. Hr. Director Grill scheint wenigstens in dem Besitze von Analysen der schließlich erhaltenen Producte gewesen zu seyn, obwohl dieselben leider nicht angeführt erscheinen, und es muß daher eine ganze Reihe von Analysen um so erwünschter erscheinen. Wenn ich auch im Verlaufe der folgenden Betrachtungen hier und da darauf hinweisen werde, daß bei späteren Versuchen, deren Durchführung bei der Wichtigkeit des Gegenstandes sehr wünschenswerth erscheint, manche Ergänzungen in der Beobachtung und Aufzeichnung von Erscheinungen, manche Vorsichten bei der Probenahme selbst nothwendig werden, so bin ich weit davon entfernt, das Verdienst jener Herren, welche sich bei der Durchführung dieser Versuche betheiligten, in irgend einer Weise schmälern zu wollen, im Gegentheile, es ist nur meine Absicht, auf Manches, was bei späteren Versuchen zu beobachten wäre, aufmerksam zu machen. Zugleich muß ich noch bemerken, daß ich einige Angaben, welche nicht gerade die Analysen betreffen, Privatmittheilungen entnehmen mußte, da weitere Daten den übersandten Analysen leider nicht beigegeben waren, weßhalb etwaige kleine Fehler, wenn sie vorkommen sollten, entschuldigt werden mögen. Zur Charge Nr. 599 vom 2. December 1866 wurde tiefgraues Roheisen (Nr. 10) im Hohofen Nr. 2 aus Altenberger Erzen, mit circa 16 Proc. Kaltzuschlag und einem Brennstoffaufwande von beiläufig 19 Kubikfuß weicher Holzkohle erblasen, unmittelbar vom Hohofen weg verwendet. Der Einsatz betrug 62 Ctr. 80 Pfd. W. G. und wir wollen im Folgenden der Kürze halber das Roheisen und die Hohofenschlacke mit a) bezeichnen. Das Roheisen wurde in die größere Retorte eingegossen und es dauerte bei 49 Fehrenöffnungen von 4 Linien Durchmesser und einer durchschnittlichen Pressung von 20 Pfd. per Quadratzoll die 1. Periode 28 Minuten. Nach Vollendung der 1. Periode wurde Probe genommen, und wir wollen die Producte mit b) bezeichnen. Auffallend war dabei die geringe in der Retorte enthaltene Menge von Schlacken. Zur Durchführung der zweiten Periode waren nur 7 Minuten mit einer durchschnittlichen Pressung von 18–19 Pfd. per Quadratzoll erforderlich, wobei dieselbe ohne Auswurf verlief. Die Producte bezeichnen wir mit c). Die 3. Periode dauerte nur 3 Minuten mit einer Pressung von nahezu 19 Pfd. und die Producte der Probe nach Beendigung derselben heißen d). Nun wurden 3 Ctr. Roheisen nach umgekippter Retorte nachgetragen, und nachdem die Gasentwickelung aufhörte, das fertige Bessemermetall ausgegossen. Die Endproducte bestanden aus 54 Ctrn. 60 Pfd. Eisen und einer leider nicht gewogenen Menge Schlacken, welche wir mit e) bezeichnen wollen. Die Charge war nicht zu den hitzigsten zu zählen und zeigte sich der Calo größer als gewöhnlich, nahe 17 Proc., welcher größere Calo vielleicht theilweise durch die Probenahme veranlaßt wurde. Die mit den genommenen Proben durchgeführten Analysen ergaben folgende Resultate: Eisen. a b c d e Graphit     3,180       –       –       –       – chem. geb. C     0,750     2,465     0,909     0,087     0,234         Si     1,960     0,443     0,112     0,028     0,033         P     0,040     0,040     0,045     0,045     0,044         S     0,018     Spur     Spur     Spur     Spur         Mn     3,460     1,645     0,429     0,113     0,139         Cu     0,085     0,091     0,095     0,120     0,105         Fe   90,507   95,316   98,370   99,607   99,445 ––––––– ––––––– ––––––– ––––––– ––––––– Summe 100,000 100,000 100,000 100,000 100,000 Schlacken. a b c d e   SiO³ 40,95 46,78 51,75 46,75 47,25   Al²O³   8,70   4,65   2,98   2,80   3,45   FeO   0,60   6,78   5,50 16,86 15,43   MnO   2,18 37,00 37,90 32,23 31,89   CaO 30,36   2,98   1,76   1,19   1,23   MgO 16,32   1,53   0,45   0,52   0,61   KO   0,18 Deutliche Spuren   NaO   0,14   S   0,34   0,04   P   0,01   0,03   0,02   0,01   0,01 ––––– ––––– ––––––––– –––––––––– –––– Summe 99,77 99,79 100,36   100,36   99,87 Aus diesen Analysen läßt sich nun etwa Folgendes entnehmen: Das verarbeitete Roheisen ist ein tiefgraues graphitisches Roheisen mit einem hinreichend hohen Gehalt an Si für die directe Verwendung vom Hohofen, ja selbst auch noch ausreichend, wenn das Umschmelzen mit entsprechender Vorsicht erfolgt. Der geringe Gehalt an P und S charakterisirt das Roheisen ebenso wie der hohe Mangangehalt als ein Eisen sehr guter Qualität, welches sich für den Bessemerproceß ganz vorzüglich eignet. Das Cu ist in der vorhandenen Menge noch ohne wesentlich nachtheiligen Einfluß. Der Eisengehalt ist in allen Eisenanalysen (wie dieß gewöhnlich geschieht) nicht direct, sondern aus der Differenz bestimmt. Sehr interessant wäre es zu ermitteln, ob und wie viel das Eisen in den Mittelproducten an Eisenoxydaten aufgenommen hat. Nach der ersten Periode ist der gesammte Graphit verschwunden, theils durch Ausblasen, theils durch Verbrennen, theils durch Umwandlung des Graphits in chemisch gebundenen C, welcher dadurch bedeutend vermehrt wurde. Nahe 4/5 des Siliciumgehaltes wurde abgeschieden, der Schwefel in Folge des großen Mangangehaltes bis auf die Spuren, welche zurückbleiben, entfernt; der Gehalt an P ist ungeändert geblieben, während der Kupfergehalt, der dem Gewichte nach voraussichtlich ebenfalls ungeändert geblieben ist, den Procenten nach etwas gestiegen ist. Ebenso hat der Mangangehalt sehr bedeutend abgenommen und das erhaltene Product ist ein reines, weißes, an Kohlenstoff nicht sehr reiches Roheisen. In der zweiten Periode geht, wie aus c zu entnehmen ist, da nur ein geringer Theil des Si vorhanden ist, auch die Abscheidung des chemisch gebundenen Kohlenstoffes sehr rasch und wir erhalten, nach Beendigung derselben, obwohl kaum 7 Minuten verflossen sind, schon ein Product, welches nach seinem Kohlenstoffgehalte nach der gewöhnlichen Numerirung als Stahl Nr. 3 anzusehen wäre. Ebenso rasch geht die Abscheidung des Si und Mn vorwärts, während der Gehalt an P und Cu ungeändert bleibt. Nach Beendigung der dritten Periode erhält man ein Product gleich Nr. 7, welches durch Zusatz von 3 Ctrn. Roheisen in ein Bessemermetall von Härte Nr. 6 umgewandelt wurde. Durch den Zusatz an Roheisen wird außer dem C noch Si und Mn Gehalt etwas vergrößert, während es auffallend ist, daß durch den Zusatz von nur 3 Ctrn. Roheisen der procentuelle Kupfergehalt so bedeutend abgenommen haben soll, und es scheint dieß auf eine etwas zu hohe Kupferbestimmung in d hinzuweisen. Wenn man die im Verlaufe des Processes abfallenden Schlacken b, c, d, e einer näheren Betrachtung unterwirft, so erscheinen dieselben als ziemlich hoch silicirt, indem dieselben theils Bisilicate, theils Gemenge von Bi- und Trisilicaten sind. Daß die Schlacke b und c so reich an Mangan ist, fällt weniger auf, weil sich Mangan bei jedem Frischprocesse rascher oxydirt als Eisen; daß dasselbe aber sowohl vor Beginn als nach Beendigung der zweiten, sogenannten Kochperiode, so arm an Eisenoxydul ist, muß auffallen und wird dieselbe eher geneigt erscheinen, Eisenoxydul aufzunehmen, als entkohlend auf das Eisen zu wirken. Da bei zunehmender Schlackenmenge im Verlaufe des Processes die Menge des noch abzuscheidenden Mangans geringer wird, die Schlackenmenge jedoch zunimmt, so fällt der Procentsatz des Mangangehaltes in den Schlacken d und e, während der Eisenoxydulgehalt durch die große Menge des in der letzten Zeit oxydirten Eisens zunimmt. Der in der Schlacke vorfindliche Thon, Kalk und die Talkerde, sowie ein Theil der Kieselerde ist den Wandungen des Bessemerofens entnommen; der Schwefel- und Phosphorgehalt stammt wohl aus dem Roheisen, ist aber sehr gering. Wenn man aus den Analysen und den gegebenen Gewichten des eingesetzten Roheisens und des erhaltenen Productes die Zusammensetzung derselben rechnet, so kann man aus der Differenz die Gewichtsmengen der während des Processes abgeschiedenen Stoffe, sowie die zur Oxydation erforderliche Sauerstoffmenge und daraus das verbrauchte Luftquantum, sowie die resultirende Gasmenge bestimmen. Dieser Berechnung sind folgende Annahmen zu Grunde gelegt: Kohlenstoff wird zu Kohlenoxydgas verbrannt. (Ein Theil des Kohlenstoffes wird zwar bei Beginn der ersten Periode in Form von Graphit ausgeblasen, allein diese Menge kann nicht leicht ermittelt werden und wurde deßhalb vernachlässigt.) Si verbrennt zu SiO³; P zu PO⁵ und S zu SO³ oder SO², was zwar auch nicht vollkommen richtig ist, da sich ein Theil des Schwefels und Phosphors in der Schlacke findet; allein diese kleinen Fehler, welche dadurch begangen werden, sind so unbedeutend, daß sie füglich übergangen werden können. Mangan verbrennt zu Manganoxydul, in welcher Form es sich in der Schlacke findet. Eisen verbrennt meist zu Eisenoxyduloxyd, von welchem sich ein verhältnißmäßig geringer Theil als Eisenoxydul in der Schlacke findet, während der größte Theil in Form eines rothbraunen Rauches ausgeblasen wird. Dieß vorausgeschickt, läßt sich nun folgende Tabelle zusammenstellen: Textabbildung Bd. 185, S. 34 Die engesetzte Roheisenmenge besteht aus Pfd.; Das erhaltene Bessemermetall besteht aus Pfd.; Somit wurden abgeschieden Pfunde; Zur Oxydation erforderlicher Sauerstoff Pfd.; Daraus wurden erhalten; C; Pfd. CO; Si; SiO³; P; PO⁵; S; SO³; Mn; MnO; Cu; Fe; Fe³O⁴; Summe Die zur Oxydation erforderliche Sauerstoffmenge von 73256 Pfund = 9066 Kubikfuß gibt mit 34264 Kubikfuß Stickstoff 43330 Kubikfuß Luft, welche Menge einem durchschnittlichen Windverbrauche von 1140 Kubikfuß per Minute der Charge oder 660 Kubikfuß per Ctr. des in Arbeit genommenen Roheisenquantums entspricht was jedoch etwas mehr ist als gewöhnlich angenommen wird und seine Erklärung in dem schon früher erwähnten größeren Calo findet. Sehr interessant wäre es, diese Windmenge mit der vom Gebläse gelieferten zu vergleichen, was jedoch nur dann möglich ist, wenn das Verhältniß der vom Gebläse eingesaugten und gelieferten Windmenge bekannt ist, so wie die Anzahl Wechsel, welche vom Gebläse in den einzelnen Perioden oder besser in jeder einzelnen Minute gemacht werden, da man aus dem Winddiagramme und dem Düsenquerschnitte allein der häufigen Verlegung der Fehren halber, vorzüglich in der ersten Periode, die Windmenge auch nicht annäherungsweise bestimmen kann, da bei gleich bleibender Windpressung die Anzahl der Gebläsewechsel über 60 per Minute steigt, aber auch bis auf 20 fällt. Die entweichende Gasmenge besteht vermuthlich der Hauptsache nach aus CO und N, somit 8110 Kubikfuß CO + 34264 N = 42374 Kubikfuß oder per Minute der Charge 1115 Kubikfuß, wobei jedoch auf die durch die enorme Temperaturerhöhung hervorgerufene Volumsvermehrung keine Rücksicht genommen wurde. Die Richtigkeit der Annahme, daß der Kohlenstoff des Roheisens zu Kohlenoxydgas und nicht zu Kohlensäure oder einem Gemenge beider verbrannt werde, ist auch erst nachzuweisen, und kann dieß nur durch Gasanalysen, mit den aus dem Inneren des Bessemerofens entnommenen Gasen geschehen, was der Schwierigkeit der Probenahme wegen allerdings nicht leicht ausführbar erscheint. Ebenso interessant wäre es auch nachzuweisen, auf welcher Oxydationsstufe das Eisen in dem entweichenden Rauche sich vorfindet. Sehr lehrreich würde es endlich seyn, die Gewichte der Zwischenproducte in dem Momente der Probenahme ermitteln zu können; es sey entweder durch directe Wägung oder durch Berechnung, weil man dadurch in die Lage gesetzt wäre, die in den einzelnen Perioden abgeschiedenen Gewichtsmengen der einzelnen Stoffe, sowie die Mengen der entweichenden Gase zu bestimmen, welche in der zweiten Periode in Folge des raschen Verbrennens des Kohlenstoffes weitaus größer seyn müssen, als in den beiden anderen Perioden, wodurch auch, wenn die Temperatur des flüssigen Eisens noch nicht hinreichend hoch ist, um so heftigere Explosionen erfolgen, um so mehr Eisen ausgeworfen wird, und je kälter, je weniger dünnflüssig dasselbe ist. Das gegenwärtig allgemein angewandte Mittel zur Verminderung des Auswurfes (abgesehen von der richtigen Wahl des Roheisens) besteht in einem Zurückgehen der Windpressung, somit auch in einer weniger raschen Verbrennung des Kohlenstoffes, und der dadurch verminderten Gasentwickelung, wodurch den Verlusten durch allzu starken Auswurf wenigstens theilweise vorgebeugt werden kann. Alle die hier kurz angedeuteten Fragen, sowie noch viele andere, welche sich unmittelbar daran reihen, können nur durch fleißig vorgenommene Proben und damit verbundene Analysen erörtert werden, und ich bin überzeugt, daß durch wiederholte Proben der chemische Theil des Processes bald vollständig erläutert seyn wird, indem das gute Beispiel, mit dem Neuberg vorangegangen ist, gewiß Nachahmung finden wird. (Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1867, Nr. 23.)