Titel: Verfahren zur Wiedergewinnung des Schwefels aus den Sodarückständen; von Ludwig Mond in Utrecht.
Fundstelle: Band 185, Jahrgang 1867, Nr. CXII., S. 382
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CXII. Verfahren zur Wiedergewinnung des Schwefels aus den Sodarückständen; von Ludwig Mond in Utrecht. Aus der Chemical News, vol. XVI p. 27; Juli 1867. Mond, über Gewinnung des Schwefels aus den Sodarüchständen. Alkalirückstand, Sodarückstand, Rohsodarückstand, Sodaschlamm (black ash waste, tank, vat, blue waste) sind die verschiedenen Namen, mit denen die Rückstände bezeichnet werden, welche man beim Auslaugen der nach dem Leblanc'schen Verfahren dargestellten Rohsoda erhält. Das gedachte Verfahren liefert, trotz den unzähligen Versuchen, dasselbe durch andere Methoden und Processe zu ersetzen, noch immer beinahe ausschließlich die ungeheuren Mengen von Natron und kohlensaurem Natron, welche gegenwärtig verbraucht werden, und dasselbe hat, seitdem es vor ungefähr achtzig Jahren von seinem berühmten Erfinder eingeführt worden, eine wesentliche Abänderung kaum erlitten. Diesen Vorrang vor allen anderen bekannt gewordenen Processen verdankt Leblanc's Methode großentheils unzweifelhaft der Erzeugung der erwähnten Rückstände, insofern diese eben die werthvolle Eigenschaft besitzen, sich von dem in der Rohsoda enthaltenen Alkali durch das Auslaugen leicht und vollständig trennen zu lassen. Gleichwohl sind diese Rückstände stets als die größte Schattenseite dieses so wichtigen Zweiges der chemischen Industrie betrachtet worden. Jede Tonne Alkali gibt nicht weniger als 1 1/2 Tonnen trockenen Rückstand und die auf diese Weise erzeugten enormen Massen werden gewöhnlich in der Nähe der Fabriken aufgehäuft, wo sie oft ganze Berge von beträchtlicher Höhe bilden. Diese Rückstände entwickeln, zumal bei heißem Wetter, bedeutende Mengen von Schwefelwasserstoff, diesem so höchst schädlichen und unangenehmen Gase, welches den Bewohner der Nachbarschaft in der nachtheiligsten Weise belästigt; überdieß werden aus ihnen durch den Regen und durch die mit den Halden in Berührung kommenden Tagewasser große Quantitäten einer mehr oder weniger intensiv gelb gefärbten, Calciumsulfuret und Calciumpolysulfuret enthaltenden Flüssigkeit ausgelaugt, welche das Wasser aller Brunnen und Wasserläufe, zu denen sie Zutritt hat, vergiftet. Diese sehr bedeutenden Uebelstände werden durch den Gehalt der Rückstände an Schwefel bedingt, welcher nicht weniger als 80 Proc. der gesammten, bei der Sodafabrication verwendeten Schwefelmenge beträgt und offenbar einen sehr großen Verlust repräsentirt. Alle Versuche und Anstrengungen, diesen Schwefel auf einfache und billige Weise wieder zu gewinnen, und damit die Schädlichkeit, ja Gefährlichkeit dieser Rückstände für das Allgemeinwohl zu beseitigen, sind bis vor Kurzem gescheitert, obgleich sehr viele ausgezeichnete Chemiker und intelligente Techniker diesem wichtigen Gegenstande seit dreißig bis vierzig Jahren viel Zeit und Geldaufwand geopfert haben. Unter diesen Männern nimmt William Gossage, dessen wohlbekannten Arbeiten wir so manche wichtige Verbesserung in der Sodafabrication verdanken, einen der ersten Plätze ein. Sehr zahlreiche Methoden zur Wiedergewinnung des Schwefels aus den Sodarückständen sind beschrieben und patentirt worden, jedoch ist es bis jetzt durch keine derselben gelungen, die hauptsächlichste praktische Schwierigkeit der Frage – die Behandlung so bedeutender Rückstandsmengen ohne zu großen Aufwand von Arbeit und Geld – zu überwinden. Erst seit wenigen Jahren wurde zum ersten Male Schwefel aus Sodarückständen in regelmäßigem Betriebe gewonnen, und zwar nach einem von mir selbst erfundenen Verfahren. Dieser neue Industriezweig machte seitdem so rasche Fortschritte, daß zur dießjährigen Pariser Ausstellung nicht weniger als sieben Fabriken Proben von solchem aus Alkalirückständen dargestellten Schwefel eingesendet haben, welcher nach drei verschiedenen, in England patentirten Methoden regenerirt worden ist, nach der von L. Mond, patentirt am 8. September 1863, der von Schaffner,Man sehe die Mittheilung von Dumas über Schaffner's Verfahren im polytechn. Journal Bd. CLXXX S. 50 patentirt am 23. September 1865 und der von P. W. Hofmann,Das Verfahren von P. W. Hofmann in Dieuze ist von demselben im polytechn. Journal Bd. CLXXXI S. 364 mitgetheilt worden. patentirt am 9. April 1866. Alle diese Methoden beruhen auf demselben Principe, nämlich auf der Umwandlung der in den Rückständen enthaltenen unlöslichen Calciumsulfurete in lösliche Verbindungen vermittelst einer Oxydation durch den atmosphärischen Sauerstoff, Auslaugen der oxydirten Masse und Fällung des in die Laugen übergegangenen Schwefels durch eine starke Säure, wozu in der Praxis selbstverständlich Salzsäure verwendet wird. Dieses Princip wurde bereits von W. H. Leighton in der Specification des Patentes näher erörtert, welches ihm im October 1863 auf ein verbessertes Verfahren zur Umwandlung des schwefelsauren Natrons in kohlensaures Natron ertheilt wurde, indem er in derselben vorschlägt, die Rückstände an der Luft liegen zu lassen, bis sie sich erhitzen und zu rauchen oder zu dampfen beginnen, sie dann auszulaugen und den Schwefel aus der Lauge durch Salzsäure niederzuschlagen. Es ist indessen nicht wahrscheinlich, daß er sein Verfahren jemals zur praktischen Ausführung gebracht hat, da sich eine weitere Notiz über dasselbe, mit Ausnahme des Patentregisters, nirgend findet. Im J. 1852 nahm W. S. Losh ein Patent auf eine Methode zur Darstellung von unterschwefligsaurem Natron durch Einwirkung der atmosphärischen Luft auf die in Haufen lagernden Sodarückstände, Auslaugen der letzteren, Versetzen der Lauge mit kohlensaurem Natron und Krystallisirenlassen der Flüssigkeit. Dieses Verfahren wurde später auf den Walker Alkaliwerken bei Newcastle mit günstigem Erfolge angewendet; denn diese Fabrik producirte wöchentlich ungefähr 6 Tonnen unterschwefligsaures Natron. Als ich mich im Sommer 1860 mit Untersuchungen der verschiedenen, von Gossage u. Anderen zur Wiedergewinnung des Schwefels empfohlenen Methoden beschäftigte, zog das Patent von Losh meine besondere Aufmerksamkeit auf sich und ich unternahm sofort eine Reihe von Versuchen, um zu ermitteln, ob und unter welchen Bedingungen eine solche Quantität unterschwefligsauren Kalks durch Oxydation der Sodarückstände erzeugt werden könne, daß die Extraction des Schwefels aus diesem Kalksalze und seine Wiedergewinnung mittelst Salzsäure räthlich und im Großen ausführbar erscheint. Ich fand sehr bald, daß die Bildung löslicher Schwefelverbindungen in den Rückständen nur bis zu einem gewissen Maximalquantum stattfindet, indem durch Auslaugen nur ungefähr 5 Proc. Schwefel von dem trockenen Rückstande extrahirt werden können, und daß dieses Quantum bei längerer Einwirkung der Luft abnimmt. Wenn jedoch diese löslichen Verbindungen ausgelaugt und die Rückstände zum zweiten Male oxydirt wurden, so ließ sich eine gleiche Schwefelmenge gewinnen und diese Behandlung konnte selbst zum dritten Male mit Vortheil wiederholt werden. Die von mir zu diesen Versuchen benutzten Rückstände zeigten sich indessen nach dem Auslaugen, welches nach einem besonderen, später aufgegebenen Verfahren ausgeführt wurde, so dicht, daß alle Bemühungen, sie in Haufen gelagert oder mittelst Hindurchpressen von Luft zu oxydiren, vergeblich waren, so daß ich mich genöthigt sah, dieselben in dünnen Schichten auf schrägstehenden Bühnen der Einwirkung der Atmosphäre auszusetzen. Dieses Verfahren wurde in Frankreich im December 1861, in England im August 1862 patentirt und nach demselben wurden in einer deutschen Sodafabrik bis zu 12 Proc. Schwefel im Großen gewonnen. Als ich im Herbste 1863 nach England kam, fand ich indessen sehr bald, daß hier das in Rede stehende Verfahren bei der ungeheuren Menge der zu behandelnden Rückstände, sowie bei den hohen Arbeitslöhnen ganz unausführbar sey, und daß die Beschaffenheit der Rückstände, welche man durch die in den dortigen Fabriken allgemein übliche vortreffliche Auslaugmethode der Rohsoda erhält, ein weit einfacheres Verfahren gestattet. Ich versuchte diese Rückstände durch Hindurchpressen von Luft zu oxydiren und dieß gelang mir so gut, daß die zur Oxydation und zum Auslaugen erforderliche Zeit, wozu früher 6 bis 8 Wochen nöthig gewesen waren, sich sehr bald auf 60 bis 80 Stunden reduciren ließ, überdieß eine Handarbeit fast ganz unnöthig wurde, indem die Operationen in derselben Kufe vorgenommen werden, in welcher der Rückstand erzeugt wird, ohne daß diese Kufe irgendwie transportirt zu werden braucht. Diese Verhältnisse führten zu einem neuen Verfahren, welches mir am 8. September 1863 patentirt ward, seit welcher Zeit Veränderungen in den Grundzügen des in meinen Specificationen vom gedachten Datum beschriebenen Processes nicht eingeführt worden sind. Anstatt der beim Auslaugen der Rohsoda gewöhnlich benutzten Batterien von vier Kufen wende ich solche von zehn bis zwölf Stück an, welche in der üblichen Weise durch Röhren so mit einander verbunden sind, daß die Sodalauge von dem Boden der einen Kufe in den oberen Theil der zunächst stehenden läuft; durch besondere, mit Hähnen versehene Röhren kann die schwefelhaltige Lauge von dem Boden jeder Kufe in den oberen Theil jeder anderen Kufe der Batterie hineingeleitet werden. Außerdem sind die Kufen mit besonderen Hähnen versehen, mittelst denen die Schwefellauge in Sümpfe oder Klärkästen geleitet wird. Die unteren Theile der Kufen stehen mit einem Ventilator in Verbindung, welcher durch Röhren, die zur Regulirung der hindurchströmenden Luftmenge mit Schiebern versehen sind, einen Druck von etwa 7 Zoll Wassersäule auszuüben vermag. Ein Schiele'scher geräuschloser Ventilator von 20 Zoll Durchmesser (zum Preise von 10 Pfd. Sterl.) ist im Stande, die erforderliche Luftmenge zur Oxydirung der Rückstände zu liefern, welche man bei einer Wochenproduction von 100 Tonnen Salzkuchen (Rohschmelze) erhält. Vier von den Kufen werden während der Dauer des Auslaugprocesses stets mit Rohsoda, die übrigen sechs bis acht mit den nach meiner Erfindung zu behandelnden Rückständen gefüllt erhalten. Sobald die Rohsoda vollständig ausgelaugt und die letzte schwache Lauge gut abgetropft ist, wird die Verbindung mit dem Ventilator hergestellt. Die Rückstände beginnen bald sich zu erhitzen und ihre Temperatur steigt allmählich auf etwa 94° C., worauf sich aus ihnen Wasserdampf entwickelt, wobei sie sich an ihrer Oberfläche erst grünlich und dann gelb färben; dabei werden sie immer trockner und würden in Brand gerathen, wenn lange genug Luft durch sie hindurchgeleitet würde. Der Zeitpunkt, in welchem die Oxydation unterbrochen und der Luftstrom abgesperrt werden muß, ist, um möglichst gute Resultate zu erzielen, in jeder Fabrik durch praktische Versuche zu bestimmen und wird von der größeren oder geringeren Menge Unterschwefligsäuresalz bedingt, welche man in der Lauge zu erhalten beabsichtigt. Im Anfange der Reaction bildet sich Schwefelwasserstoffcalcium und Calciumbisulfuret, und diese oxydiren sich später zu unterschwefligsaurem Kalk. Ein Theil des letzteren zersetzt sich wiederum zu Schwefelwasserstoffcalcium und schwefligsaurem Kalk, welcher sehr schwerlöslich und durch Auslaugen nicht zu entfernen ist; es würde deßhalb ein bedeutender Verlust entstehen, wenn man die Oxydation zu weit treiben wollte. Die Einwirkung der Luft muß durchschnittlich 12 bis 24 Stunden andauern. Hierauf werden die Rückstände einem systematischen Auslaugprocesse mit kaltem Wasser unterworfen, indem die schwächeren Laugen im Verlaufe der Operation aus der einen Kufe in die zunächst stehende treten, so daß man nur starke Laugen erhält; dieser Proceß läßt sich in sechs bis acht Stunden ganz gut ausführen. Sobald das Auslaugen vollendet ist, wird wiederum auf dieselbe Weise wie vorher Luft durch die Rückstände geleitet; dann werden diese von Neuem ausgelaugt und dieses Verfahren wird noch zum dritten Male wiederholt. Hierauf werden die Kufen ausgeschlagen und wiederum mit Rohsoda gefüllt. Bei zweckentsprechender Leitung der Operation werden etwa 12 Procent von den zur Darstellung der Rohsoda angewendeten Salzkuchen an gelöstem Schwefel aus den Rückständen gewonnen; diese enthalten dann nur noch Spuren von Schwefelcalcium und bestehen wesentlich bloß aus kohlensauren Kalk, schwefligsaurem und schwefelsaurem Kalk, also aus Salzen, welche nicht nur unschädlich sind, sondern die Rückstände im Gegentheile zu einem werthvollen Düngmittel machen. Beim Abscheiden des Schwefels aus den auf diese Weise erhaltenen Laugen mittelst Salzsäure stieß ich auf viel größere Schwierigkeiten, als ich bei einer anscheinend so einfachen Operation vermuthet hatte. Zunächst fehlte mir ein leicht und in kurzer Zeit ausführbares Verfahren zur Bestimmung der zur Zersetzung einer gegebenen Quantität Schwefellauge erforderlichen Säuremenge, indem diese Lauge stets unterschwefligsauren Kalk, Calciumpolysulfuret und Schwefelwasserstoffcalcium enthält. Zu diesem Zwecke ersann ich das nachstehende Verfahren: 1) Das Unterschwefligsäuresalz wird wie gewöhnlich mit einer Normallösung von Jodstärke bestimmt, nachdem zuvor das Polysulfuret und das Hydrosulfid durch Zusatz von überschüssigem Chlorzink und Filtriren beseitigt worden sind. 2) Eine bestimmte Menge, z.B. 3,2 Kubikcentimeter der ursprünglichen Schwefellauge wird mit Stärkmehl gemengt und dann mit einer Normallösung von Jod versetzt, bis blaue Färbung eintritt; dann wird die Flüssigkeit mittelst eines Tropfens einer Lösung von unterschwefligsaurem Natron wieder entfärbt und mit Lackmus und einer Normallösung von Aetznatron versetzt, bis sie neutral geworden ist. Es finden dabei die nachstehenden Reactionen statt: 2 CaO, S²O² + J = CaJ + CaO, S⁴O⁵, CaSx + J = CaJ + xS, CaS, HS + 2 J = CaJ + S + HJ, HJ + NaO = NaJ + HO. Somit entspricht das Aetznatron dem Schwefelwasserstoff, das bei der ersten Titrirung angewendete Jod dem Unterschwefligsäuresalz, und aus der beim zweiten Titriren verbrauchten Jodmenge und den beiden vorher erhaltenen Zahlen läßt sich der Gehalt an dem als Sulfuret vorhandenen Calcium leicht berechnen. Wenn wir zu beiden Titrirungen 3,2 K. C. Flüssigkeit nehmen und Lösungen anwenden, welche im Liter ein Zehnteläquivalent enhalten, und dabei annehmen, daß das vorhandene Polysulfuret nur Bisulfuret ist, so haben wir ganz einfach die bei beiden Bestimmungen verbrauchten Jodmengen zu addiren, die Aetznatronmengen zu subtrahiren und die erhaltene Zahl mit Zehn zu dividiren, um den ganzen Schwefelgehalt der Flüssigkeit zu finden, aus dem sich die erforderliche Menge Salzsäure leicht berechnen läßt, indem je 32 Schwefel 36,5 Chlorwasserstoffsäure erfordern. In der Regel enthält das Polysulfuret sehr wenig mehr als 2 Aeq. Schwefel auf 1 Aeq. Calcium, so daß diese Methode zur Bestimmung des Schwefelgehaltes der Lauge für praktische Zwecke hinlänglich genau ist. Obgleich die vollkommene Correctheit dieses Verfahrens durch eine Anzahl genauer Versuche erwiesen worden war, so zeigte sich die nach demselben als erforderlich berechnete Salzsäuremenge doch größer, als zur vollständigen Zersetzung der Schwefellauge wirklich nothwendig war. Es wurde deßhalb mit größter Sorgfalt eine Anzahl von Versuchen angestellt, um eine Erklärung dieser Erscheinung zu finden; diese Versuche ergaben den Beweis, daß im Widerspruch mit den Angaben aller chemischen Handbücher, die Producte der Zersetzung des unterschwefligsauren Kalks durch Salzsäure in einer verhältnismäßig nur geringen Menge Schwefel und in sehr wenig Schwefligsäure, dagegen hauptsächlich in Trithionsäure und in einer kleinen Menge Pentathionsäure bestehen. Es zeigte sich, daß die stattfindende Reaction wesentlich der nachstehenden Gleichung entsprechend verlauft: 5 CaO, S²O² + 3 HCl = 3 CaCl + 3 HO + 2 CaO, S³O⁵ + 4 S. Durch Kochen wird der trithionsaure Kalk zu schwefelsaurem Kalk, Schwefel und Schwefligsäure zersetzt. Die letztere verwandelt einen Theil des in der Flüssigkeit vorhandenen Unterschwefligsäuresalzes wieder in Trithionsäuresalz, nach der bekannten Gleichung: 2 CaO, S³O² + 3 SO² = 2 CaO, S³O⁵ + S. Das neugebildete Trithionsäuresalz wird wiederum zersetzt, und so fort. In Folge dieser Reactionen ist es möglich, eine Lösung von unterschwefligsaurem Kalk vollständig in Schwefel, schwefelsauren Kalk und eine sehr kleine Menge Schwefligsäure zu zersetzen, dadurch daß man ihr, während sie siedet, die zur Neutralisirung von ungefähr der Hälfte des in Lösung vorhandenen Kalks erforderliche Menge Salzsäure zusetzt. In den Fabriken, wo die Salzsäure einen verhältnißmäßig hohen Werth hat, können diese Thatsachen mit Vortheil benutzt werden. Da indessen unter den jetzigen Verhältnissen mehr als die Hälfte der durch die Zersetzung des Chlornatriums erzeugten Salzsäure in die Wasserläufe fließt oder in die Luft entweicht, da außerdem die angeführten Reactionen einen sehr bedeutenden Verlust an Schwefel – in Form von schwefelsaurem Kalke – in sich schließen, und gleichzeitig der hierbei wiedergewonnene Schwefel sehr unrein ist, so gebe ich demnachstehenden Verfahren, bei dessen Anwendung diese Uebelstände vermieden werden, den Vorzug. Die Oxydation der Rückstände wird so geleitet, daß man eine Schwefellauge erhält, welche so nahe als möglich auf jedes Aequivalent Unterschwefligsäuresalz zwei Aequiv. Sulfuret enthält. Diese Flüssigkeit wird zersetzt zunächst durch Zusatz einer überschüssigen Menge Lauge zu einer geringen Quantität Säure, bis eine Spur von Sulfuret in dem Gemische vorhanden ist; dann wird eine zur Neutralisirung der gesammten anwesenden Calciummenge genügende Quantität Säure zugegossen, ein neues, dieser letzteren Säuremenge entsprechendes Quantum Schwefellauge zugefügt, darauf wiederum Säure, dann nochmals Lauge zugesetzt, und so fort bis das Gefäß beinahe gefüllt ist. Zu der letzten Lauge wird nur die Hälfte von der erforderlichen Säuremenge hinzugefügt und dann Dampf zugelassen bis die Flüssigkeit die Temperatur von ungefähr 60° C. angenommen hat. In der Praxis werden Lauge und Säure in beinahe gleichen Aequivalenten gleichzeitig in das Zersetzungsgefäß gegossen, wobei die Arbeiter darauf zu achten haben, bis zum Schlusse der Operation einen kleinen Ueberschuß von Lauge zu unterhalten. Dieser Theil des Verfahrens wird in hölzernen Behältern vorgenommen, welche bedeckt sind und mit einer Esse in Verbindung stehen, damit alles Schwefelwasserstoffgas, welches sich etwa in Folge eines Fehlers von Seite der Arbeiter entwickeln könnte, abziehen kann. Bei gehöriger Ausführung der Arbeit dürfen sich übrigens bemerkbare Mengen von diesem Gase nicht entbinden. Das praktische Resultat dieser Verfahrungsweise ist die Fällung beinahe der ganzen vorhandenen Schwefelmenge in reinem Zustande: CaO, S²O² + 2 CaSx + 3 HCl = 3 CaCl + 3 HO + (2 + x) S. Die Einzelheiten der Reaction sind jedoch sehr verwickelt, da im Verlaufe des Processes sehr wahrscheinlich die verschiedenen Säuren des Schwefels sämmtlich entstehen. Anfänglich, beim Zusetzen der Lauge zu der Säure, entwickelt sich etwas Schwefelwasserstoff – was sich durch Beginnen der Arbeit mit einer an Unterschwefligsäuresalz reichen Flüssigkeit vermeiden läßt – und Unterschwefligsäure wird frei, durch welche letztere die Bildung von Schwefligsäure und verschiedenen Thionsäuren vermittelt wird. Diese Säuren werden durch das, in der nun im Ueberflusse zugesetzten Lauge enthaltene Schwefelcalcium wieder in Unterschwefligsäure verwandelt, entsprechend den Gleichungen: 3 SxO² + 2 CaSy = 2 CaO, S²O² + (3 x + 2 y + 4) S. 3 SxO⁵ + 5 CaSy = 5 CaO, S²O² + (3 x + 5 y + 10) S. Somit veranlaßt die zunächst zugesetzte Salzsäure nur die Bildung von Unterschwefligsäure und deren Zersetzungsproducten, welche wiederum zu Schwefel und Unterschwefligsäure umgewandelt werden, ohne daß sich gasförmige Producte entwickeln, und so fort. Schließlich bleibt eine gewisse Menge Unterschwefligsäuresalz in den Flüssigkeiten zurück, welches durch Zusatz einer unzureichenden Menge Salzsäure zu Schwefelsäuresalz und Schwefel zersetzt wird. In der Praxis sind ungefähr 90 Proc. von der nach dem oben angegebenen Verfahren berechneten Salzsäuremenge erforderlich, um in dieser Weise die vollständige Zersetzung einer nach den gehörigen Verhältnissen zusammengesetzten Lauge zu bewirken. Enthält letztere mehr Unterschwefligsäuresalz als oben angegeben wurde, so muß natürlich weniger Säure angewendet werden. Etwa 90 Proc. von dem gesammten Schwefelgehalt der Lauge werden in beinahe reinem Zustande niedergeschlagen; dieser Schwefel setzt sich binnen zwei Stunden vollständig ab, worauf die darüber stehende klare Chlorcalciumlösung abgezogen und dann eine neue Operation in demselben Gefäße sofort begonnen wird. Sobald sich im Gefäße eine genügende Menge Schwefel gesammelt hat – der Betrag des Niederschlags wird von den Dimensionen des Gefäßes und von der Stärke der Lauge (welche zwischen 4 bis 7 Proc. Schwefel schwankt) bedingt – wird derselbe durch eine am unteren Theile des Gefäßes angebrachte verschließbare Oeffnung in einen hölzernen, mit doppeltem Boden versehenen Behälter ausgeschlagen, in demselben durch Auswaschen von dem anhängenden Chlorcalcium befreit und dann in einem eisernen Gefäße zusammengeschmolzen. Das auf diese Weise erhaltene Product enthält nur 0,1 bis 1,0 Proc. Unreinigkeiten, ist also weit besser als alle im Handel vorkommenden Sorten von Stangenschwefel, obgleich es zuweilen, in Folge beigemengter Spuren von Schwefeleisen oder einer kleinen Menge Kohlenstaub, welcher in der angewendeten Salzsäure suspendirt war, eine etwas dunklere Farbe zeigt. Die Gesammtmenge des mittelst des beschriebenen Verfahrens wiedergewonnenen Schwefels beträgt 10 bis 11 Proc. vom Gewichte des zur Darstellung der Rohsoda angewendeten Salzkuchens, oder ungefähr 50 Proc. des in demselben enthaltenen Schwefels, und etwa 60 Proc. von der im Rückstande enthaltenen Quantität Schwefelsäuresalze. Ich hoffe indessen, daß es mir gelingen wird, nach längerer praktischer Erfahrung diese Ausbeute noch um ein Beträchtliches zu vermehre. Die Kosten der Production sowohl als der Einrichtung sind unbedeutend. In den verschiedenen Fabriken, sowohl auf dem Festlande als in England, in denen mein Verfahren seit Jahren betrieben wird, belaufen sich die Kosten für Löhne, Brennmaterial und Unterhaltung der Werke etc. nur auf 1 Pfd. Sterl. für die Tonne Schwefel, und die Auslagen für die Einrichtungen wurden durch den Reingewinn des ersten Jahres mehr als gedeckt. Die beiden anderen Methoden zur Wiedergewinnung des Schwefels aus den Rückständen von der Sodafabrication, deren Producte auf der Pariser Ausstellung figuriren, beruhen, wie bereits oben bemerkt, auf demselben Principe. Schaffner oxydirt die Rückstände in Haufen, welche er mehrere Wochen lang der Einwirkung der Luft aussetzt, und laugt sie dann aus; dieses Verfahren wiederholt er dreimal. Die Lauge zersetzt er, nachdem sie bis zum Siedepunkte erhitzt worden, mittelst Salzsäure, leitet die sich entwickelnde Schwefligsäure in ein mit frischer Lauge gefülltes Gefäß und erhält auf diese Weise einen mit viel schwefelsaurem Kalk gemengten Schwefel. Dieses unreine Product raffinirt er in sehr sinnreicher Weise durch Schmelzen unter Wasser in einem geschlossenen, mit Rührapparat versehenen Gefäße, und erhält dadurch einen Schwefel von auffallend schöner Farbe und großer Reinheit. Dieses Verfahren ist bereits in zahlreichen deutschen Fabriken eingeführt worden. P. W. Hofmann breitet die Rückstände in dünnen Schichten auf einer großen Fläche aus und befeuchtet sie zur Beförderung ihrer Oxydation mit Chlormangan; doch sind mehrere Wochen erforderlich, bevor diese vollständig stattfindet; dann laugt er aus und benutzt zur Abscheidung des Schwefels aus den Laugen die im Rückstande von der Darstellung des Chlorgases enthaltene Salzsäure, wie dieß bereits im Jahre 1860 von Townsend und Walker empfohlen worden ist. Er mischt diese Flüssigkeiten in solchen Verhältnissen mit einander, daß die freie Säure gerade gesättigt wird, und mittelst dieses Verfahrens erhält er ein Product, welches ungefähr 92 Proc. Schwefel erhält. Diese Methode wird jetzt auf den Sodawerken zu Dieuze in Frankreich angewendet. Außer den hier erwähnten sind noch zahlreiche andere Patente auf ähnliche, denselben Zweck verfolgende Verfahren genommen worden; indessen enthalten dieselben keine Thatsachen von Wichtigkeit bezüglich des in Rede stehenden Gegenstandes und die meisten dieser Methoden sind, wie es scheint, niemals zur praktischen Ausführung gekommen. Das zweckmäßigste dieser Verfahren dürfte das von Benjamin Jones seyn, einem Arbeiter, welchen ich bei der Ausführung meines Processes im Großen im J. 1863 auf den Werken von John Hutchinson und Comp. in Widnes als Gehülfen benutzt hatte. Die eine seiner, in der Zeit vom December 1863 bis Mai 1864 patentirten Methoden war in Warrington kurze Zeit in Anwendung, wurde aber sehr bald wieder aufgegeben.