Titel: Ueber den Einfluß der Erdrotation auf die Abweichung der aus gezogenen Rohren abgeschossenen Projectile.
Fundstelle: Band 186, Jahrgang 1867, Nr. XXI., S. 98
Download: XML
XXI. Ueber den Einfluß der Erdrotation auf die Abweichung der aus gezogenen Rohren abgeschossenen Projectile. Ueber die Erdrotation als Schießfehlerquelle. Die Comptes rendus de l'Académie des sciences, t. LXIII vom September 1866 enthalten einen von Hrn. Martin de Brettes erstatteten Bericht über den Einfluß der Erdrotation auf die Derivation der aus gezogenen Rohren abgeschossenen Projectile, dessen Eingangsstellen lauten: „Der berühmte Geometer Poisson behandelte diese Frage im Jahre 1837 für sphärische Projectile und gelangte dabei zu folgenden Resultaten: „1) Die Schußweiten wechseln mit dem Azimuthe der Schußebene, es geschieht das aber nur zwischen sehr engen Grenzen, denn die größte dieser Abweichungen beträgt für Schußweiten von 1800 Metern beim Bombenwurfe nur 2 Decimeter und wird beim Schießen mit großen Geschoßanfangsgeschwindigkeiten also noch geringer ausfallen, so daß für die Schießpraxis der Einfluß des Schußebenen-Azimuths auf die zu erreichende Schubweite also gleich Null gesetzt werden kann. „2) Die Seitenabweichungen der Geschosse welche durch Erdrotation bedingt sind, liegen auf unserer Hemisphäre stets rechts der Visirebene, von deren Azimuth sie auch hinsichtlich ihrer Größe unabhängig sind, und es können dieselben beträchtliche Dimensionen annehmen. Sie betragen für Wurfweiten von 4000 Metern der 32 centimetrigen Bombe und für unsere geographische Breite (Paris) der Rechnung nach 8 Meter. „3) Mit Zunahme der geographischen Breite wachsen diese Geschoßabweichungen, sie erreichen ihre Maxima unter den Polen und sind unter dem Aequator gleich Null.“ Dann fährt Herr de Brettes fort: „Damals war dieser Einfluß der Erdrotation auf die Resultate des Schießens mit Feuerwaffen noch klein, im Vergleiche mit den zufälligen Ursachen, welche bedeutende Treffunterschiede in verticaler und horizontaler Hinsicht hervorriefen; jetzt aber, wo diese Schwankungen durch Einführung der gezogenen Kanonen erheblich vermindert worden sind, darf der Erdrotations-Einfluß nicht mehr vernachlässigt werden, wozu eine Vergleichung der von ihm herrührenden Geschoßabweichungen mit den durch Erfahrung festgestellten jedesmaligen Totalbeträgen derselben den Beleg liefern wird. Poisson's Rechnung zur Bestimmung der Geschoßabweichungen, wie sie unter irgend einem gegebenen Breitegrade als Folge der Erdrotation auftreten müssen, war sehr lang und deßhalb wenig praktisch; ich habe an deren Stelle eine andere gesetzt, die sehr rasch zum Ziele führt, und, wie eine Vergleichung der Resultate zeigen wird, ebenso exact als erstere ist. „Es besteht diese Berechnungsmethode ganz einfach darin: a) den azimuthalen Winkel ϑ zu bestimmen, welchen die Schußebene während des Geschoßfluges um die Verticale der Geschützmündung herum beschreibt, was nach Foucault's Formel: ϑ = ω sin λ t geschehen kann, in welcher ω die Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde um die Achse ihrer Figur und λ den Breitegrad des Versuchortes, beide Zeichen also schon im Voraus bekannte Größen bedeuten (für λ = 49º, den Breitegrad von Paris, ist ϑ = 10'',98 t), und hiernach b) den Sinus dieses Winkels ϑ noch mit der sich ergebenden Schußweite E zu multipliciren, wodurch man die als Folge der Erdrotation auftretende Geschoßabweichung Δ in dem Werthe: Δ = E sin ϑ = E sin (ωλt) erhält. „Eine Vergleichung der vermittelst dieser Formel sich ergebenden Rechnungsresultate mit den von Poisson erhaltenen führt zu dem Ergebnisse, daß die Seitenabweichungen, welche der 27 und der 32 centimetrigen Bombe bei Schußweiten von beziehungsweise 1200 und 4000 Meter sowie unter der Breite von Paris (49º) durch die Erdrotation zufallen: nach Poisson 1,20 respective 7,00 Meter, nach obiger Formel 1,17 respective 6,98 Meter betragen, was von einer Uebereinstimmung der beiderseitigen Berechnungsweisen zeugt, welche als eine Bestätigung für die Genauigkeit der gegebenen Formel angesehen werden kann.“ Hiernach liefert Hr. de Brettes auch noch tabellarische Zusammenstellungen von bereits durch Schießversuche festgestellten Geschoß-Rechtsabweichungsbeträgen schraubenrechts gezogener französischer und englischer Geschütze mit den hiervon auf Rechnung des Erdrotations-Einflusses kommenden Antheilen, wie sich letztere für den Breitegrad von Paris und für die betreffenden jedesmaligen Schußverhältnisse nach obiger Formel durch Rechnung ergeben, und daraus ist ersichtlich, daß 1) bei den gezogenen Kanonen der französischen Landarmee, welche im Allgemeinen sehr große Geschoßderivationsbeträge liefern, z.B. die Langgeschosse des Kalibers von 2 Kilogrm. derselben bei 14º Elevation, 12 Secunden Flugzeit und 1400 Meter Schußweite, 46 Meter Rechtsabweichung von der Visirlinie ergeben, wovon nur 0,67 Meter auf Rechnung der Erdrotation kommen, was etwa 1/70 des Gesammtbetrages der Geschoßderivation ausmacht; 2) bei den englischen Kanonen Whitworth'scher Construction aber, deren Geschosse im Ganzen verhältnißmäßig nur sehr wenig deriviren, z.B. die Langgeschosse des Kalibers von 2,75 Kilogrm. bei 6,8 Secunden Flugzeit und 1800 Meter Schußweite nur um 1,3 Meter nach rechts hin abweichen, wovon dem Erdrotations-Einflusse 0,63 Meter zuzuschreiben sind, was einem Werthe von 1/2,2 oder nahezu der Hälfte des gesammten Geschoßabweichungsbetrages entspricht. Im ersteren Falle sind die durch Erdrotation bedingten Geschoßabweichungsbeträge also allerdings nur verhältnißmäßig klein, und könnten deßhalb wohl praktisch übersehen werden; im zweiten Falle, wo sie nahezu die Hälfte der totalen Geschoßderivation ausmachen, ist das aber offenbar nicht mehr zulässig und hierauf basirt Hr. de Brettes auch die seinem Aufsatze als Schlußbetrachtung beigefügten Worte: „Diese geschoßablenkende Wirkung der Erdrotation bietet also zu recht nützlichen ballistischen Anwendungen Gelegenheit dar; weil nämlich a) wenn auf unserer Hemisphäre die Rechtsabweichung der Projectile zur Hälfte vom Einflusse der Erdrotation herrührt, bei Umkehrung der Zugdrall-Richtung des Kanonenrohres dann der Luftwiderstand im entgegengesetzten Sinne des Erdrotations-Einflusses auf das Geschoß einwirken, und somit die vom letzteren herrührende Seitenabweichung paralysiren muß, das Projectil in diesem Falle also gar keine Ablenkung aus seiner Visirebene erfahren kann, und ferner b) beim Uebergange von einer Hemisphäre unserer Erde auf die anderen dann gleichzeitig auch die Richtungen der durch die Erdrotation bedingten Geschoßabweichungen wechseln, „so folgt daraus: „Derivirt ein Projectil auf unserer Hemisphäre wegen gegenseitigen Sichaufhebens der ablenkenden Wirkungen von Erdrotation und Luftwiderstand gar nicht, so vereinigen sich diese Einflüsse auf der entgegengesetzten Hemisphäre dann dahin, das Geschoß links abweichen zu lassen, und ist ferner die Rechts-Derivation des Geschosses auf unserer Hemisphäre doppelt so groß, als sie ihm der Erdrotations-Einfluß allein gegeben haben würde, so müssen auf der anderen Hemisphäre diese Geschoßablenkungs-Wirkungen der Erdrotation und des Luftwiderstandes sich dann gegenseitig aufheben, wodurch das Projectil in diesem Falle gar keine Abweichung mehr zeigt. „Der Einfluß der Erdrotation auf das Deriviren der Langgeschosse kann sonach bedeutend genug werden, um Beachtung zu verdienen und dem Artilleriedienste einen wichtigen Gegenstand der Verwendung zu liefern.“ Eine Ableitung der gebrauchten Formel wird in diesem, eine höchst interessante artilleristische Frage behandelnden Berichte des Hrn. de Brettes aber ebensowenig gegeben, als eine Begründung der, nach hier angestellten Untersuchungen unrichtigen Behauptung, die durch Achsumdrehung der Erde und deren Nichtbeachtung beim Schießen entstehenden Zielverfehlungen lägen für unsere nördliche Erdhälfte stets rechts der Visirebene und seyen ihrer Größe nach vom Azimuthe der letzteren vollkommen unabhängig. – Es möge dieser wichtige Gegenstand ballistischer Forschungen deßhalb hier noch etwas näher in Betracht gezogen werden, wobei wir, um nicht gleichzeitig allzuvieles abhandeln zu müssen, für jetzt von der weiteren Frage absehen, ob die Rechtsderivation der aus rechts gezogenen Rohren abgeschossenen Langgeschosse wirklich, wie Hr. de Brettes mit der Schießschule von St. Omer annimmt, nur der Luftreibung beizumessen ist, oder ob dieselbe nicht vielmehr dem gleichzeitigen Einflüsse von Luftwiderstand und Schwerkraft auf das in Rotation um seine Längenachse befindliche Geschoß in dem concreten Falle zugeschrieben werden muß, wo der Angriffspunkt des directen Luftwiderstandes vor dem Geschoß-Schwerpunkte liegt, die Geschoßspitze sich dadurch also nach rechts hin wenden muß, wie dieses in des Referenten i. J. 1865 bei Theodor Kay zu Cassel erschienenen Schrift: „Die Derivation der Spitzgeschosse als Wirkung der Schwere, zweite Auflage“ bereits durch Mittheilung von darauf bezüglichen Versuchs- und Rechnungs-Ergebnissen dargethan worden ist, welche Arbeit noch weiter ergibt, daß solche vom Geschütz aus gesehen von unten über links nach oben und also von oben über rechts nach unten hin um ihre Längenachse rotirende Geschosse sogar nach links hin deriviren müssen, wenn der Angriffspunkt der Luft beträchtlich genug hinter ihrem Schwerpunkte liegt, und daß endlich den Luftreibungen und Luftstauungen, welche durch die Rotation des in der Atmosphäre fortschreitenden Geschosses an dessen Oberfläche entstehen und die z.B. einem in gennantem Sinne rotirenden homogenen Cylinder mit Luftwiderstandsresultante gegen seinen Schwerpunkt gerichtet, den Impuls zur Linksabweichung geben würden, bei diesen Rechtsderivationen der aus schraubenrechts gezogenen Rohren abgeschossenen Lang- oder beziehungsweise Spitzgeschosse der gewöhnlichen Art eine nur sehr untergeordnete Rolle zufällt. Wendet man sich hier also lediglich der einen Untersuchung zu, auf welche Weise und in welchem Maaße die Achsumdrehung der Erde auf die Treffsicherheit der Projectile unserer Schießwaffen einwirkt, so steht es zunächst bezüglich der Qualität dieses Einflusses wohl außer allem Zweifel, daß bei meridionalem von Nord nach Süd oder von Süd nach Nord gerichtetem Schießen durch die Erdrotation wegen Differenz der in gleichen Zeiten durch sie vom Ziele und vom Geschützaufstellungsorte zurückgelegt werdenden Parallelkreis-Bogenlängen, deren letztere sich naturgemäß auf das Geschoß überträgt, für unsere nördliche Erdhälfte stets eine Rechtsabweichung des Geschosses von seinem Ziele eintreten muß. – Dasselbe Resultat wird auf dieser nördlichen Erdhälfte aber auch dann eintreten müssen, wenn daselbst genau von West nach Ost hin geschossen wird, weil in diesem Falle zwar sowohl das abgefeuerte Geschütz, als auch der Ort des Zieles sich in ihren respectiven Parallelkreisen weiter nach Osten hin bewegen, das Geschoß selbst aber, da es nach seiner Entfesselung vom Rohre den dreifachen Bewegungs-Impulsen der Erdrotation, des geradlinig gedachten Pulverstoßes und der Schwerkraft zu folgen hat, sich während seiner Flugzeit auch noch nach dem Mittelpunkte der Erde hin bewegen muß und hierdurch auf der nördlichen Erdhälfte ebenwohl stets rechts am Ziele vorbeigehen wird. Beim Schießen von Ost nach West jedoch wird unter Umständen durch die Erdrotation auch wohl eine Linksabweichung des Geschosses eintreten müssen, weil letzteres, jenen drei Bewegungs-Impulsen nach der Geschützabfeuerung folgend, den Attractionspunkt der Erdmitte auf der nördlichen Erdhälfte dann zu seiner linken Seite hat, und somit links gar nicht oder rechts von dem in seinem Parallelkreise fortrollenden Zielpunkte abweichen wird, je nachdem letzterer durch die Gestaltung der aus Erdrotationsgeschwindigkeit des Geschützaufstellungsortes (für den 50sten Grad z.B. etwa 950 Fuß rheinländisch per Zeitsecunde), Geschoßanfangsgeschwindigkeit und Geschoßflugzeitdauer zusammengesetzten Größenverhältnisse beim Anlangen der Kugel an ihrem Flugbahnende hinter, an oder vor den ursprünglichen Geschützaufstellungsort geführt worden war. – Für Zwischenrichtungen der Geschütze, z.B. von Südwest nach Nordost, Nordwest nach Südost etc. werden sich diese theils der geographischen Länge und theils der geographischen Breite angehörigen Zielverfehlungen ihrer Qualität nach dann endlich dahin zu combiniren haben, daß auf der nördlichen Erdhälfte allen Schußlinien-Azimuthen der beiden östlichen Quadranten durch die Erdrotation nur Rechtsabweichungen der Geschosse zufallen, für die Schußlinien-Azimuthe der beiden westlichen Quadranten, vom Meridiane ausgehend, aber stets eine Verminderung dieser Rechtsabweichungen eintritt, die unter Umständen auch, den Abweichungsbetrag Null lassend, zu einer Linksabweichung der Geschosse führen kann. Ferner werden sich dem entsprechend die Einflüsse der Erdrotation auf das Schießen auch in quantitativer Hinsicht je nach den verschiedenen Schußlinien-Azimuthen dahin zu gestalten haben, daß a) bei meridionalem Schießen für jede Schußart eine mittlere Geschoßabweichung entsteht, die, unbedingt rechts am Ziele vorbeilaufend, beim Schießen von Süd nach Nord genau ebensogroß als beim Schießen von Nord nach Süd ist; b) bei Schußlinien-Azimuthen der östlichen Quadranten, im Norden oder Süden vom Meridiane ausgehend, mit dem Wachsen dieser Azimuthwinkel eine fortwährende Steigerung dieser Rechtsabweichung eintritt, bis letztere beim Schießen nach dem Ostpunkte zum Maximum wird, und daß endlich c) bei Schußlinien-Azimuthen der beiden westlichen Quadranten, im Norden oder Süden vom Meridiane ausgehend, mit dem Wachsen dieser Azimuthe eine fortwährende Verminderung der Geschoß-Rechtsabweichung eintritt, welche bei geringen Flugbahngeschwindigkeiten der Geschosse durch Null hindurch zu einer Linksabweichung der Projectile übergeht und so beim Schießen genau westlich ein Minimum der Rechtsabweichung, beziehungsweise ein Maximum der Linksabweichung des Projectiles beschafft. Herr Oberst Wiegrebe vom ehemaligen kurfürstlich hessischen Generalstabe, Schöpfer des so vorzüglichen neuesten kurhessischen Kartenwerkes, hat in dieser Beziehung eine sich durch Gründlichkeit und Einfachheit auszeichnende Berechnung aufgestellt, welche zu der Erkenntniß führt, daß, wenn 1) t die Sternzeit-Secunden ((365 1/4)/(366 1/4) mittl. Sonnenzeit) der Geschoßflugzeit, 15 t also die während derselben vom Ziel und vom Geschützaufstellungsort vermöge der Erdrotation zu durchlaufenden Bogensecunden, 2) d die Schnßweite in rheinländischen Ruthen ausdrückt, 3) α das Visirlinien-Azimuth von Süd über West etc. hin bis 360º gerechnet, 4) h die Niveau-Ueberhöhung des Zieles über den Geschützaufstellungsort, 5) B die geographische Breite des Geschützaufstellungsortes, 6) R den mittleren Erdhalbmesser in Ruthen ausgedrückt, so daß, nach Bessel's Elementen z.B. log R sin 1'' für 45º = 0,914307750º = 0,914560355º = 0,9148054 ist, und endlich 7) b die Breitendifferenz (d cos α)/(R sin 1'') vom Geschützaufstellungsorte und demjenigen Punkte m seines Meridians, der durch ein vom Zielpunkte auf ihn gefälltes Loth getroffen wird, bezeichnen, dann der durch Achsumdrehung der Erde beim Schießen entstehende Abweichungsbetrag Δ des Geschosses, im senkrechten Abstande von der Visirlinie gemessen: Δ = 15 t sin B sin 1'' (d + h cotg B cos α – 15/2 tR sin 1'' cos B cos α) seyn muß, wobei die positiven Werthe von Δ Rechts- und die negativen Werthe desselben Links-Abweichungen des Geschosses bedeuten. Eine auf obige Principien basirte Herleitung dieser Formel läßt sich, auch ohne Zuhülfenahme einer Figur, etwa in folgender Weise ausführen: Der in Parallelkreis-Richtung zurückzulegende Weg S, welcher dem Projectile während seiner Flugzeit t durch die im Geschützaufstellungsorte ihm mitgetheilte Erdrotations-Geschwindigkeit zukommt, ist offenbar: S = 15t sin 1'' cos B. Ebenso sind auch die entsprechenden Wege S͵ oder S͵͵ welche der südlich oder beziehungsweise nördlich vom Geschützaufstellungsorte gewählte Zielpunkt während dieser Geschoßflugzeit in derselben Richtung zurückzulegen hat, entweder: S͵ = 15t (R + h) cos (Bb) sin 1'' oder S͵͵ = 15t (R + h) cos (B + b) sin 1'' woraus die Rechtsabweichung x͵ oder x͵͵ des Geschosses nach der Parallelkreis-Richtung hin gemessen, im ersteren Falle: x͵ = S͵ – S = 15 t sin 1'' [R sin B sin b + cos (Bb)] und im zweiten Falle: x͵͵ = SS͵͵ = 15 t sin 1'' [R sin B sin bh cos (B + b) allgemein also, die Geschoß-Rechtsabweichung x für jedes, südlich oder nördlich vom Geschützaufstellungsorte gewählte Ziel: x = 15 t sin 1'' [R sin B sin b ± h cos (Bb)] = 15 t sin 1'' [d cos α sin B ± h cos (Bb)] folgt, wenn man in den für cos (Bb) und für cos (B + b) zu entwickelnden Formeln: cos B cos bsin B sin b, den Werth von cos b seiner Kleinheit wegen gleich Null, und anstatt des Bogens b die ihm gleiche Tangentenlänge am Geschützaufstellungsorte, also sin b = b/R setzt. Weiter hat man zur Bestimmung desjenigen Meridian-Abstandes von Geschoß und Ziel, welcher während der Flugzeit des ersteren durch die Erdrotation entsteht, wenn: 1) das vom Zielpunkte z auf den Meridian des Geschützaufstellungsortes gefällte Loth, zm, nämlich die Linienlänge zm = d sin α mit s sowie 2) die Länge dieses Perpendikels vom Geschoßflugbahnende g an bis zum Lothpunkte m des Geschützaufstellungsort-Meridianes hin gemessen, nämlich die Linie gm mit Ss bezeichnet wird, was ganz allgemein für ein rechts oder links dieses Meridianes liegendes g geschehen kann, da die Sinus von α in den beiden ersten Quadranten positiv, in den beiden letzten Quadranten aber negativ sind, – und wenn man ferner 3) die Größtkreis-Tangenten s und Ss mit den ihrer resp. Lage entsprechenden Größtkreis-Bögen von gleicher Länge identificirt, sowie endlich 4) die respectiven Meridianlängen, um welche das Ziel z, der Lothpunkt m und das Geschoßflugbahnende g vom Nordpole P abstehen, also die resp. Polhöhen Nz, Nm und Ng mit beziehungsweise Z, M und G bezeichnet werden, in den zwei, beim Lothpunkte m des Geschützaufstellungsort-Meridianes rechtwinkeligen Kugeldreiecken zNm und gNm die Beziehungen: cos Z = cos M cos s I cos G = cos M cos (Ss) II cotg M = tg Y cos s III woraus für die Polhöhen-Differenz y vom Geschoßflugbahnende g und vom Zielpunkte z, d.h. für den Meridian-Abstand: y = GZ des am Ende seiner Flugzeit angekommenen Geschosses vom Ziele, wenn für cos G sein Werth: cos G = cos (Z + y) = cos Y cos ysin Y sin y eingesetzt wird, durch Division von I in II die Gleichung: cos ytg Z sin y = cos(Ss)/cos s folgt, die, cos y der relativen Kleinheit von y wegen gleich Eins gesetzt, den Näherungswerth: Textabbildung Bd. 186, S. 106 liefert, der nach III in Textabbildung Bd. 186, S. 106 übergeht, und woraus endlich, die kleinen Bogen y, S und (S – 2s)/2 als mit ihren an g und m gezogenen Tangenten zusammenfallend betrachtet, so daß dann: sin y = y/R sin S = S/R Textabbildung Bd. 186, S. 106 gesetzt werden kann, der Werth des Meridianabstandes y von Geschoß und Ziel, welcher während der Flugzeit des ersteren durch die Erdrotation entstehen muß: y = 15 t cos B sin 1''[15/2 t R cos B sin 1'' – d sin α] tg (Bb) folgt. Schließlich ergibt sich der senkrechte Abstand des Geschoßflugbahnendes von der Visirlinie, d.h. der durch Erdrotation hervorgebrachte wirkliche Seitenabweichungsbetrag Δ des Geschosses, für das gegebene Schußlinien-Azimuth α hiernach als: Δ = X cos αy sin α dessen positive Werthbeträge als Rechts- und dessen negative Werthbeträge als Links-Abweichungen des Geschosses von der Visirlinie aufzufassen sind, und welcher Werth durch einfache Substitution der oben für x und y gefundenen Ausdrücke sich als: Textabbildung Bd. 186, S. 107 präcisirt, der, wenn man b (dessen Größenbetrag nach der Formel: b = d cos α/R sin 1'' beispielsweise für eine Schußweite von d gleich 1000 Schritt in seinem Maximalbetrage nur 24,3 Secunden beträgt und gegen B als verschwindend klein betrachtet werden kann) in dieser Rechnung gleich Null setzt, zum Annäherungswerthe der durch Erdrotation bedingten directen Seitenabweichung des Geschosses: Δ = 15 t sin B 1'' [d ± h cotg B cos α – 15/2 t R cos B sin 1'' sin α] führt, in welcher Formel nach obiger Entwickelung das positive Vorzeichen ihres zweiten Gliedes sich auf Schußlinien-Azimuthe α des 1sten und 4ten Quadranten, das negative Vorzeichen desselben aber auf im 2ten und 3ten Quadranten gelegene Schußlinien-Azimuthe α bezieht, und deren positive Gesammtwerthe dann immer einer Rechts -, deren negative Gesammtwerthe aber stets einer Links-Abweichung des Geschosses aus der Visirebene entsprechen. Für ein meridionales, von Nord nach Süd, oder von Süd nach Nord gerichtetes Schießen, also für die Schußlinien-Azimuthe α = 0 und α = 180°, erhält man nach dieser Formel, wegen Textabbildung Bd. 186, S. 107 genau der obigen Ausführung entsprechend, immer denselben positiven, d.h. rechts des Zieles liegenden Geschoßabweichungsbetrag: Δ  = 15 t sin B sin 1'' (d + h cotg B), welcher – um einen zur Vergleichung mit den nach Obigem von Hrn. de Brettes mitgetheilten Daten geeigneten speciellen Fall aus der zwischen Seite 124 und Seite 125 der erwähnten Schrift des Referenten eingeschalteten tabellarischen Zusammenstellung von unter dem 50sten Grade nördlicher Breite bei verschiedenen Schußverhältnissen durch die Erdrotation entstehenden Geschoßabweichungen herauszugreifen, – für eine Zielerhöhung von h = 0, die Schußweite d – 1000 Ruthen = 3766,8 Meter und eine Geschoßflugzeit von t = 31,12 Secunden durch den Werth: Δ  = 1,734 Ruthen = 6,59 Meter repräsentirt wird, welcher, auf die geographische Breite von Paris, B = 49º, und die Schußweite von d = 4000 Meter = 1062 Ruthen reducirt, in: Δ  = 1,856 Ruthen = 6,99 Meter übergeht und somit genau die Mitte zwischen denjenigen von Poisson und de Brettes erhaltenen Rechnungsresultaten einhält, welche die Abweichung der 32 centimetrigen Bombe für die Schußweite von d = 4000 Meter = 1062 Ruthen ebenwohl unter dem Breitegrade von Paris, B = 49º, für alle Schußlinien-Azimuthe, also auch bei α = 0º und α 180º feststellen, und nach Poisson =  1,858 Ruthen = 7      Meter nach de Brettes =  1,769 Ruthen = 6,98 Meter ergeben. Für jedes andere Schußlinien-Azimuth muß diese Uebereinstimmung der Resultate aber natürlich aufhören, da die so eben entwickelte Formel, im Gegensatze zu den von de Brettes aufgestellten Behauptungen und im vollen Einklange mit dem Ergebnisse der oben angestellten Untersuchungen, für im Norden oder im Süden vom Meridiane des Geschützaufstellungsortes ausgehende Schußlinien-Azimuthe in den beiden östlichen Quadranten eine mit dem Wachsen dieser Azimuthe fortwährend zunehmende Steigerung der Geschoß-Rechtsabweichung eintreten läßt, die beim Schießen nach dem Ostpunkte hin, also bei α = 270º, im vorliegenden concreten Falle zu dem Maximalbetrage von Δ  = 3,870 Ruthen = 14,57 Meter führt und umgekehrt für die beiden westlichen Quadranten mit dem Wachsen der Schußlinien-Azimuthe dann im Norden oder Süden, vom Meridiane des Geschützaufstellungsortes ausgehend, auch wieder zu einer fortwährenden Verminderung dieser Rechtsabweichung führt, die im vorliegenden Specialfalle durch Null hindurchgehend, beim Schießen nach West hin, also für α = 90º, zu einem Linksabweichungsbetrage des Geschosses von Δ  = – 0,403 Ruthen = – 1, 52 Meter führt. Dem etwaigen Einwurfe, daß bei Entwicklung der obigen Formel keine Rücksicht auf die zugleich mit dem Erdboden rotirende Atmosphären-Schicht genommen worden ist, und somit auch wohl keine genügende Genauigkeit der durch sie erhaltenen Geschoßabweichungsbeträge erwartet werden dürfe, läßt sich in einer wohl allseitig befriedigenden Weise schon durch ein einfaches Vorlegen der in Tabelle II. erwähnten Schrift des Referenten niedergelegten Rechnungsresultate begegnen, wornach die vom Einflüsse der atmosphärischen Luft herrührenden Verminderungen des der Erdrotation zuzuschreibenden Geschoßabweichungsbetrages z.B. bei sechspfündigen Vollkugeln für Schußweiten von 400 Ruthen = 2000 Schritt preußisch nur 0,0015284 Zoll, und bei dreipfündigen Vollkugeln auf 200 Ruthen = 1000 Schritt Zielentfernung sogar nur 0,00008286 Zoll rheinländisch betragen, welche Werthe gegen die durch Erdrotation hervorgebracht werdenden Geschoßabweichungsbeträge selbst als verschwindend zu betrachten sind; denn hierbei handelt es sich nach Seite 123 der mehrerwähnten Schrift des Referenten bei den mit Feldladung abgeschossenen Bleimantelgranaten des gezogenen preußischen Sechspfünders mit 2000 Schritt Zielentfernung schon z.B. um den Abweichungsbetrag von 2,3 Fuß rheinländisch, d.h. um etwa ein Viertheil von dessen ganzem Derivationsbetrage, wie er sich hier beim Schießen nach circa West-Nordwest durch Messung ergibt, und weiter läßt auch Tabelle III. derselben Schrift, bei Vergleichung der nach obiger Formel berechneten Geschoßabweichungsbeträge mit den von Hrn. Paul de Saint Robert in seiner 1858 zu Turin erschienenen Broschüre: Des effets de la rotation de terre sur les mouvements des projectiles veröffentlichten Berechnungsresultaten sofort erkennen, daß bei größeren Schießweiten von ca. 5000 Meter dem Erdrotationseinflusse sogar Geschoßabweichungsbeträge von 12 bis 18 Meter zugeschrieben werden müssen. Zum Schlusse dürfte über dieses Thema also lediglich wieder etwa dasselbe hinzuzufügen seyn, was Seite 123 der citirten Schrift des Referenten bereits im J. 1865 ausgesprochen wurde, daß es nämlich jetzt, wo der Artillerie die Präcisionswaffe des gezogenen Geschützes zu Gebote steht, für dieselbe nicht mehr als von einem nur rein theoretischen, oder wohl gar nur transcendental-speculativen Interesse bezeichnet werden kann, sich mit den nach Obigem doch offenbar recht palpablen Wirkungsgrößen des Erdrotations-Einflusses auf ihre Schießresultate zu beschäftigen, daß es vielmehr eine ernste Aufgabe der Gegenwart für sie geworden ist, die für das jedesmalige Schußlinien-Azimuth dem Einflusse der Erdrotation zukommenden Geschoßderivations-Antheile auch durch Versuche mit vollkommener Sicherheit festzustellen, was dem denkenden ausübenden Artilleristen bei dem entsprechenden Gebrauche identischer gezogener Geschütze, auch unter verschiedenen Azimuthen gegen den Meridian des Geschützaufstellungsortes gerichteter Schießbahnen, oder auch von schraubenrechts und schraubenlinks gezogener Geschütze derselben Art auf einer und derselben Schießbahn nicht schwer fallen kann, wenn zu diesem Zwecke Geschütze zur Verwendung stehen, deren constante Trefffehler auch selbst bei ca. 6000 Schritt Zielentfernung noch nicht von ihren zufälligen Schießfehlern überragt werden, welche letztere bei Geschützen älterer Art eine so bedeutende Rolle spielen. Als erfreuliches Resultat derartiger Bemühungen dürfte sich eine vollständig befriedigende Lösung der Differenzen ergeben, welche ohne Berücksichtigung des Erdrotations-Einflusses auf das Schießen natürlich immer, und nur anscheinend unerklärlich, besonders dann recht merkbar zwischen den Geschoßderivationsbeträgen auftreten, wenn unter sonst gleichen Schießverhältnissen bei großer Zielentfernung die Schußebenen verschiedene Azimuthe gegen die Meridiane ihrer Geschützaufstellungsorte haben. Darapsky,             Major im Generalstabe zu Berlin.