Titel: Ueber die Löslichkeit einiger Erd- und Metallcarbonate in kohlensäurehaltigem Wasser; von Prof. Dr. Rudolph Wagner.
Autor: Johannes Rudolph Wagner [GND]
Fundstelle: Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XII., S. 50
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XII. Ueber die Löslichkeit einiger Erd- und Metallcarbonate in kohlensäurehaltigem Wasser; von Prof. Dr. Rudolph Wagner. Wagner, über die Löslichkeit einiger Erd- und Metallcarbonate in kohlensäurehaltigem Wasser. Bei Gelegenheit der Prüfung einiger in den letzten Jahren vorgeschlagenen Sodafabricationsmethoden war es mir von Interesse, den Grad der Löslichkeit mehrerer Erd- und Metallcarbonate in kohlensäurehaltigem Wasser unter Druck zu erfahren. Die in dieser Richtung von mir (unter gütiger Mitwirkung des Directors der hiesigen Fabrik künstlicher Mineralwässer, Hrn. Mohr) angestellten Versuche – die Literatur bietet, wenn man von Lassaigne's ArbeitJournal für praktische Chemie, Bd. XLIV S. 247. absieht, nichts Brauchbares dar, selbst G. Bischof's Lehrbuch der physikalischen und chemischen Geologie enthält nichts – führten zu folgenden Resultaten. 1) Kohlensaurer Baryt. Chlorbaryum wurde in wässeriger Lösung mit kohlensaurem Ammoniak in der Siedehitze gefällt, der Niederschlag von kohlensaurem Baryt nach sorgfältigem Auswaschen in destillirtem Wasser suspendirt und diese Flüssigkeit unter einem Druck von mindestens sechs Atmosphären mit luftfreiem Kohlensäuregas gesättigt. Die mehrere Wochen lang in gut verschlossenen Flaschen aufbewahrte Flüssigkeit, in der noch große Mengen von Barytcarbonat ungelöst sich befanden, wurde filtrirt und das Filtrat der Untersuchung unterworfen. Die klare Flüssigkeit trübt sich beim Erhitzen bis zum Sieden unter Kohlensäureabgabe und setzt bei längere Zeit fortgesetztem Sieden allen Baryt als krystallinisches Barytcarbonat (in Form von Witherit) ab. In der von diesem Krystallpulver abfiltrirten Flüssigkeit läßt sich kein Baryt mehr nachweisen. Der krystallinische kohlensaure Baryt, wenn er durch Zersetzung des Bicarbonates sich ausscheidet, scheint daher in Wasser so gut wie unlöslich zu seyn, während der durch Fällung erhaltene Niederschlag von Barytcarbonat nach den Versuchen von Fresenius Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LIX S. 122. in 14137 Theilen kaltem und in 15431 Theilen siedendem Wasser sich löst. Aus der kohlensauren Lösung des kohlensauren Baryts schied sich beim freiwilligen Verdunsten an der Luft mit der Zeit ein weißer schwerer Niederschlag aus, der unter dem Mikroskop als ein Gemenge von Witherit und amorphem Barytcarbonat sich erwies. Ein Barytcarbonat im festen Zustande ließ sich nicht darstellen. Ob das von Boussingault erhaltene Barytsesquicarbonat von der Formel Ba⁴3 CO O⁶ (Rammelsberg'sche Bezeichnungsweise) wirklich existirt, wollen wir dahin gestellt seyn lassen. Nach meinen Versuchen bildet sich, wenn man eine sehr verdünnte Lösung von Chlorbaryum mit Natronsesquicarbonat fällt, stets ein Niederschlag von Barytmonocarbonat, während Bicarbonat in Lösung bleibt. Auch beim langsamen Erhitzen einer verdünnten Lösung von Barytbicarbonat geht letztere Verbindung sofort in einfach-kohlensaures Salz über. Die Annahme von Lassaigne, daß beim Auflösen von kohlensaurem Baryt in kohlensäurehaltigem Wasser sechsfach kohlensaurer Baryt sich bilde, ist durch keinen Versuch gerechtfertigt. Was die Löslichkeitsverhältnisse des kohlensauren Baryts in kohlensäurehaltigem Wasser betrifft, so zeigen die von früheren Beobachtern und Analytikern gefundenen Resultate keine Uebereinstimmung. Nach Lassaigne Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LXVIII G. 253 und Journal für praktische Chemie, Bd. XLIV S. 248. wird bei 10° C. 1 Theil Barytcarbonat von 588 Theilen kohlensäurehaltigem Wasser aufgenommen, während nach den Versuchen von Bineau G. Bischof, Geologie, 2te Aufl. 1864. Bd. II S. 135. 1267 Thle. kohlensaures Wasser dazu gehören. Bei meinen Versuchen fand sich, daß 1 Thl. kohlensauren Baryts unter einem Druck von 4–6 Atmosphären sich in 132,3 Thln. kohlensäurehaltigem Wasser löst und dann auch bei gewöhnlichem Luftdrucke gelöst bleibt. Denn 100 Kubikcentimeter der vom überschüssigen Barytcarbonat abfiltrirten Flüssigkeit ergaben beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure 0,874 Grm. BaSO⁴, entsprechend 0,739 Grm. oder 0,75 Proc. BaCO³ 1 Liter der kohlensauren Barytlösung gibt beim Kochen 7,25 Grm. chemisch reines Barytcarbonat. 2) Kohlensaures Kupfer. Der in Kupfervitriollösung mit kohlensaurem Natron entstehende Niederschlag wurde, nach dem Auswaschen, mit Wasser und Kohlensäuregas unter denselben Bedingungen behandelt, wie oben die Barytflüssigkeit. Die Lösung erschien nach dem Filtriren grünlich und gab beim Erhitzen bis zum Sieden einen grünen amorphen Niederschlag von kohlensaurem Kupferhydroxyd. Das im Ueberschusse angewendete Kupfercarbonat war in krystallinisches schön grünes Malachitpulver übergegangen. Zum Zwecke der Bestimmung des aufgenommenen Kupfercarbonates wurden 500 K. C. des Filtrates bis zum Sieden erhitzt und einige Zeit lang im Kochen erhalten, dann mit so viel Salzsäure versetzt, um die ausgeschiedene Kupferverbindung wieder aufzulösen, die Lösung mit Jodkalium versetzt und das ausgeschiedene Jod mit normalem Natronhyposulfit (nach der Methode von de Haen Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. XCI S. 237. gemessen, wobei jedoch die Stärkelösung weggelassen und die Beendigung der Probe einfach durch die Entfärbung der Flüssigkeit erkannt wurde. Obige 500 K. C. Kupferlösung brauchten zum Farbloswerden 10 K. C. Hyposulfit, enthielten mithin 0,0633 Grm. Kupfer, 100 Grm. oder K. C. aber 0,01267 Grm. Cu oder 0,0215     „ CuCO³. 1 Theil neutrales Kupfercarbonat braucht daher zur Lösung 4690 Thle. kohlensaures Wasser. Lassaigne gibt an, daß das kohlensaure Kupferhydroxyd 3333 Thle. Wasser, welches mit Kohlensäure gesättigt ist, zur Lösung erfordere. 3) Kohlensaures Zink. Der gut ausgewaschene Niederschlag aus Zinkvitriol und kohlensaurem Natron wurde mit kohlensaurem Wasser, wie oben angegeben, behandelt. Das Filtrat trübt sich sofort und gibt beim Erhitzen einen reichlichen Niederschlag von kohlensaurem Zinkhydroxyd. Beim freiwilligen Verdunsten der Flüssigkeit setzt sich ebenfalls eine amorphe Verbindung, kein Zinkspath, ab. 100 K. C. des Filtrates wurden bis zur Trockne abgedampft und der Rückstand geglüht. Es verblieben 0,322 Grm. ZnO, entsprechend 0,528 Grm. ZnCO³. 1 Th. neutrales Zinkcarbonat erfordert zur Lösung folglich 188 Thle. kohlensaures Wasser. Lassaigne gibt 1428 Thle. an. 4) Kohlensaures Eisen. Eine Lösung von (überschüssigem) Spatheisenstein in kohlensäurehaltigem Wasser war nach dem Filtriren farblos und wurde beim Erhitzen bis zum Kochen schwarz und fast undurchsichtig, einen schwarzen amorphen Niederschlag bildend. 100 K. C. Flüssigkeit zur Trockne verdampft, der Rückstand mit Salpetersäure befeuchtet und geglüht, gaben 0,152 Grm. Eisenoxyd, entsprechend 0,0725 Proc. FeCO³. 1 Th. Eisencarbonat braucht zu seiner Lösung 1380 Thle. kohlensaures Wasser. 5) Kohlensaures Mangan. Das Product der Behandlung von gefälltem Mangancarbonat mit Kohlensäure und Wasser gab ein Filtrat, welches erst durch längeres Kochen eine weißliche Trübung zeigte, die nach ruhigem Stehen in einen höchst geringen, amorphen Niederschlag übergieng. Nach Lassaigne löst sich 1 Th. Mangancarbonat in 2500 Thln. kohlensäurehaltigem Wasser, nach meinen Versuchen ist das Löslichkeitsverhältniß ein weit geringeres. 6) Kohlensaures Blei. Käufliches Bleiweiß, höchst fein zerrieben und mit kohlensaurem Wasser unter Druck monatelang digerirt, gab ein Filtrat, in welchem Schwefelwasserstoffwasser erst nach mehreren Tagen einen wahrnehmbaren Niederschlag von Bleisulfuret hervorrief. Basisches Bleicarbonat (aus essigsaurem Blei und kohlensaurem Natron gefällt und gut ausgewaschen) gab auf gleiche Weise behandelt in 500 K. C. des Filtrates 0,224 Grm. PbS, entsprechend 0,195 Grm. oder 0,039 Proc. Blei. Ein Liter solchen Wassers enthält mithin 0,39 Grm. Blei. 7) Kohlensaure Magnesia. Die Löslichkeitsverhältnisse des Magnesiacarbonates in kohlensäurehaltigem Wasser unter Druck sind noch wenig bekannt, obgleich auf der Löslichkeit der kohlensauren Magnesia in solchem Wasser zu Bicarbonat mehrere interessante Reactionen beruhen, so z.B. die der von F. Findeisen Jahresbericht der chemischen Technologie, 1860 S. 255 zuerst vorgeschlagenen Bereitung von kohlensaurer Magnesia aus geglühten Dolomiten, ferner die des von W. WeldonPolytechn. Journal Bd. CLXXXI S. 77; Jahresbericht der chemischen Technologie, 1866 S. 125. empfohlenen Verfahrens der Fabrication von Soda aus Chlornatrium. Findeisen's Methode der Darstellung von kohlensaurer Magnesia durch Zersetzen einer Lösung von Bicarbonat entweder durch Erhitzen derselben oder auch durch Digeriren mit gebrannter Magnesia ist ziemlich gleichbedeutend mit dem Patent von Pattinson, über welches A. W. Hofmann A. W. Hofmann, Reports by the Juries, London 1863, p. 64. und E. Kopp Chemical News 1863 p. 125; Répert. de chimie appliquée, 1863 p. 432. Mittheilungen gemacht haben. Die chemische Reinheit des so erhaltenen Präparates und die außergewöhnlich voluminöse Beschaffenheit desselben haben die Veranlassung gegeben, daß auch in Deutschland die kohlensaure Magnesia nach Pattinson-Findeisen's Verfahren dargestellt wird, so u.a. in der Fabrik chemischer Producte von Hrn. Gottlieb Merkel in Nürnberg, der als Rohmaterial seiner Magnesiapräparate (die auf der heurigen Pariser Ausstellung auf dem Champ de Mars den ungetheilten Beifall der 44sten Juryclasse fanden) Dolomite des fränkischen Jura anwendet. W. Weldon's Vorschläge der directen Darstellung von Soda aus Kochsalz beruhen auf der Löslichkeit des Magnesiacarbonates in kohlensäurehaltigem Wasser unter Druck und auf dem Umstande, daß eine Lösung von Magnesiabicarbonat mit Kochsalzlösung zusammengebracht, sich sofort umsetzt unter Bildung von sich abscheidendem Natronbicarbonat und gelöst bleibendem Chlormagnesium. Das durch Waschen mit kaltem Wasser von allem Chlormagnesium befreite Natronbicarbonat wird durch Erhitzen in Soda übergeführt, wobei die entweichende Kohlensäure von neuem zum Auflösen von Magnesia aus geglühten Dolomiten dient. Ueber die Ausführbarkeit dieses Verfahrens im Großen behalte ich mir Mittheilungen an einer anderen Stelle vor. Was die Löslichkeitsverhältnisse der kohlensauren Magnesia in kohlensäurehaltigem Wasser betrifft, so erlaube ich mir einfach die Notizen mitzutheilen, welche ich der Güte des Hrn. Gottl. Merkel in Nürnberg verdanke. Bei einer Temperatur des Wassers von + 5° C. braucht 1 Th. kohlensaure Magnesia bei 1 Atmosphäre Kohlensäure-Druck 761 Theile Wasser, bei 2          „                        „ 744 bei 3          „                        „ 134 bei 4          „                        „ 110,7 bei 5          „                        „ 110 bei 6          „                        „   76 zur Lösung. Es ergibt sich aus vorstehender Tabelle, daß bei 3 und bei 6 Atmosphären Kohlensäuredruck eine ganz bedeutende Zunahme der Löslichkeit bemerkbar ist, während zwischen 4 und 5 Atmosphären fast gar kein Unterschied existirt. Hr. G. Merkel hat ferner bei Versuchen im Kleinen wie beim Fabrikbetriebe gefunden, daß bei verschiedenen Temperaturen in proportionalem Verhältnisse der Absorptionsfähigkeit der Kohlensäure in Wasser, gleichgültig unter welchem Atmosphärendruck, die Löslichkeit der kohlensauren Magnesia zu- oder abnimmt.